Urteil des VG Minden vom 28.11.2005

VG Minden: vaterschaft, uvg, mitwirkungspflicht, auto, vollstreckung, toilette, entstehungsgeschichte, behörde, zusammenwirken, lebenserfahrung

Verwaltungsgericht Minden, 7 K 2084/04
Datum:
28.11.2005
Gericht:
Verwaltungsgericht Minden
Spruchkörper:
7. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
7 K 2084/04
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder
Hinterlegung in Höhe des Vollstreckungsbetrages abwenden, wenn
nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe
leistet.
Tatbestand:
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Die Klägerin ist das am geborene Kind der Frau P. S. . Mit Antrag vom 14.11.2002
beantragte die Mutter der Klägerin erstmals die Gewährung von
Unterhaltsvorschussleistungen. Da die Mutter der Klägerin zu diesem Zeitpunkt keine
Angaben zum Vater des Kindes machen wollte, verzichtete sie zunächst auf eine
weitere Bearbeitung. Mit Antrag vom 10.01.2003 wurde der Antrag am 15.01.2003
erneut gestellt.
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Mit Schreiben vom 14.02.2003 forderte der Beklagte die Mutter der Klägerin auf, unter
anderem Nachweise zur Vaterschaft vorzulegen. Ein solcher Nachweis erfolgte nicht.
Mit Bescheid vom 13.03.2003 lehnte der Beklagte die Gewährung von
Unterhaltsvorschussleistungen ab und führte zur Begründung aus, die Mutter der
Klägerin habe ihre Mitwirkungspflicht nicht erfüllt.
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Mit Widerspruch vom 26.03.2003 führte die Mutter der Klägerin aus, sie könne keine
Nachweise erbringen, da ihr Name und Anschrift des Vaters nicht bekannt seien. Als
Vater des Kindes komme nur ein Mann in Frage, von dem sie nur den Vornamen "W. "
kenne und den sie am 19.01.2002 in der Diskothek in C. kennengelernt habe. Man habe
getanzt und im Auto sei es zum Geschlechtsverkehr gekommen. Diese Angabe
bestätigte die Mutter der Klägerin in einer Versicherung vom 09.04.2003. Bei einer
Vorsprache am 24.06.2003 gab die Mutter der Klägerin an, sie sei zwischenzeitlich zwei
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Mal in C. gewesen und habe den Vater ihres Kindes allerdings nicht wieder gesehen.
Bereits am 07.06.2002 hatte die Mutter der Klägerin beim Sozialamt in C1. gleich
lautende Angaben gemacht. Allerdings hatte sie sich zunächst geweigert, die Erklärung
zu unterschreiben, was sie erst am 17.06.2002 nachholte.
Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung E. vom
27.05.2004 zurückgewiesen.
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Daraufhin hat die Klägerin am 06.11.2004 die vorliegende Klage erhoben.
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Die Klägerin beantragt,
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dem Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 13.03.2003 in der Fassung des
Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung E. vom 27.05.2004 zu verpflichten, der
Klägerin Unterhaltsvorschussleistungen ab Januar 2003 zu gewähren.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Das Gericht hat Beweis erhoben durch die Vernehmung der Zeugin B. in der
mündlichen Verhandlung vom 28.11.2005. Wegen des Inhaltes des Ergebnisses der
Beweisaufnahme wird Bezug genommen auf das Protokoll der mündlichen
Verhandlung.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Beug genommen
auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsvorgänge des Beklagten, die Gegenstand der
mündlichen Verhandlung waren.
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Entscheidungsgründe:
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Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
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Der ablehnende Bescheid des Beklagten vom 13.03.2003 in der Fassung des
Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung E. vom 27.05.2004 erweist sich als
rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat keinen
Anspruch auf die Gewährung von Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz.
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Der im gerichtlichen Verfahren geltend gemachte Anspruch kann zulässigerweise nur
bis zum Ablauf des Monats, in dem die letzte Verwaltungsentscheidung ergangen ist -
das ist hier der Widerspruchsbescheid vom 27.05.2004 - verfolgt werden, denn auch
Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz - UVG - sind - wie Leistungen der
Sozialhilfe - keine rentengleichen wirtschaftlichen Dauerleistungen, sondern
Leistungen, deren fortlaufende Gewährung der ständigen behördlichen Überprüfung
unterliegt.
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Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 29.05.1985 - 8 B 1972/84 -, n.v.; VGH Baden-
Württemberg, Urteil vom 09.12.1992 - 6 S 760/91 -, in: Juris, Nr. MWRE 100789300 m.
w. H. auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts.
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Grundsätzlich liegen für den somit hier maßgeblichen Zeitraum die
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anspruchsbegründenden Voraussetzungen nach § 1 Abs. 1 UVG in der
Bekanntmachung der Neufassung des Unterhaltsvorschussgesetzes vom 02.01.2002
(BGBl. I, S. 2) vor. Denn die am geborene Klägerin hatte zu diesem Zeitpunkt das 6.
Lebensjahr noch nicht vollendet, lebte im Geltungsbereich des Gesetzes bei einem
seiner Elternteile, nämlich bei seiner ledigen Mutter. Außerdem erhielt sie von dem
anderen Elternteil keinen Unterhalt.
Der Anspruch auf Unterhaltsleistungen scheitert jedoch an der Vorschrift des § 1 Abs. 3
UVG. Danach besteht ein Anspruch auf Unterhaltsleistung nicht, wenn der Elternteil, bei
dem der Anspruchsberechtigte lebt, hier also die Mutter der Klägerin, sich weigert, die
Auskünfte, die zur Durchführung des Gesetzes erforderlich sind, zu erteilen (1.
Alternative) oder bei der Feststellung der Vaterschaft oder des Aufenthaltes des anderen
Elternteils mitzuwirken (2. Alternative).
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Nach ständiger Rechtsprechung des OVG NRW, der sich das Gericht anschließt,
bestehen gegen diese Vorschrift keine verfassungsrechtlichen Bedenken.
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So OVG NRW, Urteil vom 09.09.1996 - 8 A 1647/93 - n.v. m.w.N.
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Die Anforderungen an die Mitwirkung des Elternteils, bei dem der Anspruchsberechtigte
lebt, lassen sich dem Gesetzeswortlaut nicht unmittelbar entnehmen, sie können jedoch
durch Auslegung ermittelt werden. Danach ist der Ausschlusstatbestand dann als erfüllt
anzusehen, wenn es die Kindesmutter an der Bereitschaft fehlen lässt, im
Zusammenwirken mit der zuständigen Behörde das ihr Mögliche und Zumutbare zu tun,
um zur Feststellung der Vaterschaft und des Aufenthalts des Kindesvaters nach ihren
Kräften beizutragen. Dies ergibt sich sowohl aus der Entstehungsgeschichte als auch
aus der Systematik der gesetzlichen Regelung und ihrem daraus ableitbaren Sinn und
Zweck.
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So OVG NRW, Urteil vom 09.09.1996 a.a.O.
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Nach dem Inhalt der Verwaltungsvorgänge und dem Ergebnis der mündlichen
Verhandlung steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die Mutter der Klägerin es
gegenüber dem Beklagten zunächst gänzlich abgelehnt hat, Angaben über den Vater
des Kindes zu machen. So sind in dem ursprünglich am 14.11.2002 (erstmals)
eingereichten Antrag auf Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz die Angaben
zum Elternteil, bei dem das Kind nicht lebt, von der Mutter der Klägerin gestrichen.
Ausweislich eines Vermerks auf dem Antrag stellte die Sachbearbeiterin des Beklagten
fest, dass die Antragsaufnahme abgebrochen wurde, da die Kindesmutter den Namen
des Kindesvaters nicht mitteilen wollte. Auch bei Wiedereinreichung des Antrages am
15.01.2002 blieben die Angaben zum anderen Elternteil gestrichen. Erstmals mit
Erhebung des Widerspruchs am 26.03.2002 teilte die Mutter der Klägerin im Rahmen
einer persönlichen Vorsprache mit, dass als Vater ihres Kindes nur ein Mann mit dem
Vornamen "W. " in Betracht komme, den sie am 19.01.2002 in der Diskothek Prime in C.
getroffen habe. Dies aus den Akten ersichtliche Ergebnis wird durch die Angaben der
Mutter der Klägerin und der Sachbearbeiterin des Beklagten in der mündlichen
Verhandlung bestätigt. So hat die Sachbearbeiterin des Beklagten dazu erklärt, sie sei
ganz sicher, dass die Mutter der Klägerin auf die Frage, wer der Vater sei, offensichtlich
nichts habe sagen wollen. Die Mutter der Klägerin hat dazu lediglich erklärt, sie meine,
dass sie damals bereits die Geschichte vollständig erzählt habe, man habe ihr nur nicht
glauben wollen.
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Obwohl die Mutter der Klägerin nach ihrem eigenen Vortrag über die Person des
Kindesvaters nicht sehr viel gewusst haben will, liegt doch in dieser anfänglichen
strikten Ablehnung, irgendetwas näheres über den Kindesvater mitzuteilen, eine
Weigerung im Sinne des § 1 Abs. 3 2. Alternative UVG.
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Letztlich kann diese Frage für die Entscheidung des vorliegenden Falles sogar
dahingestellt bleiben, denn auch die Angaben, die die Mutter der Klägerin seit Erhebung
des Widerspruchs zum angeblichen Vater der Klägerin gemacht hat, reichen nicht aus,
um ihre Mitwirkungspflicht zu erfüllen.
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Denn nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung und insbesondere auch nach
dem Ergebnis der in der mündlichen Verhandlung durchgeführten Beweisaufnahme hält
das Gericht die Angaben der Mutter der Klägerin zur Vaterschaft nicht für glaubhaft.
Dabei ist zunächst festzustellen, dass es hier nicht darum geht, das Verhalten der Mutter
der Klägerin als unvorsichtig und gedankenlos anzusehen, da dies nicht der Vorwurf ist,
den § 1 Abs. 3 UVG voraussetzt. Sie hat dem Gericht jedoch nicht widerspruchsfrei und
nachvollziehbar erläutern können, dass ihre Angaben zur Vaterschaft zutreffen. Dabei
ist zunächst festzustellen, dass auch nach allgemeiner Lebenserfahrung der Vortrag der
Klägerin nicht als gerade wahrscheinlich richtig erscheint. So fällt bei der Schilderung
der Mutter der Klägerin auf, dass sie während des Diskothekenbesuchs selbst ihrer
Freundin, mit der sie zusammen die Diskothek besuchte, nichts über das
Zusammentreffen mit dem "W. " gesagt haben will. Dies wurde in der mündlichen
Verhandlung auch durch die Aussage der Zeugin B. ausdrücklich bestätigt. Diese hat
dazu ausgesagt, sie könne sich nur daran erinnern, dass die Mutter der Klägerin ihr
erzählt habe, sie sei zur Toilette gewesen und danach eine zeitlang draußen. Mehr
habe sie ihr jedoch nicht gesagt. Des Weiteren hält es das Gericht auch für einen
deutlichen Widerspruch, dass die Mutter der Klägerin in der mündlichen Verhandlung
auf besondere Nachfrage zunächst erklärt hat, sie habe der Zeugin, Frau B. , auf der
Rückfahrt im Auto alles erzählt, während die Zeugin dazu ausdrücklich und glaubhaft
erklärt hat, die Mutter habe ihr nur erzählt, dass sie zur Toilette gewesen sei und danach
eine zeitlang draußen. Auch auf dem Rückweg habe sie lediglich ausgesagt, dass sie
jemanden kennengelernt habe. Dass sie jemanden mit Namen W. kennengelernt hat
und dass sie mit ihm geschlafen habe, habe sie nicht erzählt. Sie hätten einfach nur so
und allgemein über den Abend geredet.
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Insgesamt hält das Gericht die Angaben der Mutter der Klägerin schon allein wegen
dieser Ungereimtheiten für nicht glaubhaft. Dazu kommt noch, dass die Kindesmutter
erst nach besonderer Aufforderung des Beklagten weitere Erkundungen nach dem
vermeintlichen Erzeuger angestellt hat. Nach ihren eigenen Angaben hat sie erstmals
am 26.04.2003 und am 31.05.2003, also mehr als ein Jahr später, mit ihrer Schwester
die Diskothek besucht um festzustellen, ob der in Frage kommende Kindesvater mit dem
Vornamen W. sich dort aufhalte. Die Erklärung der Mutter der Klägerin, sie habe nicht
früher die Diskothek besuchen können, weil ihr während der Schwangerschaft immer
sehr schlecht gewesen sei, vermag das Gericht dabei nicht zu überzeugen.
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Auch ohne dass sich nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung und der
Zeugenvernehmung feststellen ließe, wer der tatsächliche Kindesvater ist und aus
welchen Gründen die Mutter der Klägerin weitere Angaben verschweigt, lässt sich damit
insgesamt feststellen, dass sie an der Feststellung der Vaterschaft oder des Aufenthalts
des anderen Elternteils weiterhin nicht mitwirkt.
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Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge aus §§ 154 Abs. 1, 188 Satz 2 VwGO
abzuweisen.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO.
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