Urteil des VG Minden vom 20.11.2009

VG Minden (fusion, krankenhaus, höhe, nachweis, gesetzliche vermutung, chirurgie, begründung, pauschale, ausweisung, norm)

Verwaltungsgericht Minden, 6 K 176/08
Datum:
20.11.2009
Gericht:
Verwaltungsgericht Minden
Spruchkörper:
6. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
6 K 176/08
Tenor:
Die Beklagte wird unter Änderung ihres Bescheides vom 17.12.2007
verpflichtet, der Klägerin für ihr Krankenhaus für die Zeit vom 1.7.2006
bis zum 31.12.2007 pauschale Fördermittel der vierten
Anforderungsstufe im Sinne des § 25 Abs. 3 KHG NRW zu bewilligen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die
Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des
vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der
Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
T a t b e s t a n d :
1
Die Klägerin ist Trägerin der Städtischen Kliniken C1. , die in ihrer jetzigen Struktur zum
1.7.2006 durch Fusion der früher selbstständigen Krankenhäuser und jetzigen
Betriebsstellen C1. -N. und C1. -S. entstanden; zum selben Zeitpunkt wurde das
Krankenhaus C1. -S. aus dem Krankenhausplan des Landes NRW herausgenommen.
Die Klägerin begehrt für ihr fusioniertes Krankenhaus höhere pauschale Fördermittel
gemäß § 25 des Krankenhausgesetzes NRW - KHG NRW -, als die Beklagte sie ihr
bislang bewilligt hat.
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Die Fusion hatte sich seit Jahren in den krankenhausrechtlichen
Feststellungsbescheiden der Beklagten abgezeichnet. Mit Bescheid vom 6.2.2001, der
Betten in beiden Krankenhäusern betraf, wurden zum 1.2.2001 für das Krankenhaus S.
erstmals 32 Betten für Gefäßchirurgie im Betten-Soll ausgewiesen, während gemäß
einem zweiten Bescheid vom 6.2.2001, der nur den Standort S. betraf, dort Betten für
Frauenheilkunde und Geburtshilfe aus dem Soll herausgenommen und diese
Abteilungen mit den entsprechenden Abteilungen im Standort Mitte zusammengeführt
wurden. Zum 1.2.2001 erfolgte für das Krankenhaus N. , für das schon seit den 1980-er
Jahren Betten für Nuklearmedizin im Soll verzeichnet waren, erstmals die Ausweisung
von Soll-Betten für Endokrinologie, Gastroenterologie, Kardiologie und Geriatrie. Zum
Verständnis dieser beiden Bescheide vermerkte die Beklagte, dass die Krankenhäuser
C1. -N. und C1. -S. zunächst im Betten-Ist in ihrer bisherigen Form bestehen blieben
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und damit rechtlich wie tatsächlich weiterhin eigenständige Krankenhäuser seien,
während im Soll die künftige Strukturierung beider Häuser geregelt werde; die Fusion
erfolge erst mit der vollständigen Umsetzung der Soll-Vorgaben, und erst danach
handele es sich rechtlich um ein Krankenhaus mit zwei Betriebsstellen.
Die Betten für Geriatrie wurden mit Bescheid vom 7.10.2002 zum 1.1.2002 nunmehr
beim Krankenhaus S. im Soll ausgewiesen.
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Mit Wirkung zum 1.1.2004 wurde gemäß Bescheid vom 30.7.2004 die Verlagerung der
Gefäßchirurgie zum Krankenhaus N. festgestellt; zugleich erfolgte dort erstmals eine
Bettenausweisung für Hämatologie. Auf einem zweiten, den Standort S. betreffenden
Bescheid vom selben Tag über das Betten-Ist am 1.1.2004 findet sich ein Vermerk über
folgende tatsächliche Veränderungen: Geriatrie: + 15 Betten, Haut- und
Geschlechtskrankheiten: + 32 Betten neu, Frauenheilkunde: - 45 Betten, Geburtshilfe: -
24 Betten; daraus resultiert insgesamt ein Minus von 22 Betten.
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Das Krankenhaus C1. -N. verfügte zum 1.10.2004 über 687 und seit dem 5.4.2005 noch
über 651 förderungsfähige Betten, die entsprechende Zahl belief sich beim
Krankenhaus C1. -S. zum 5.4.2005 auf 352 und verringerte sich ab dem 1.7.2006 für
diese seitherige Betriebsstelle auf 309 Betten. Dementsprechend erließ die Beklagte am
28.9.2006 einen seit der Fusion geltenden Feststellungsbescheid über insgesamt 960
Ist-Betten. Für die Zeit vom 1.7.2006 bis zum 31.12.2007 erhielt die Klägerin von der
Beklagten als vorläufige pauschale Fördermittel 3.915.997,50 EUR.
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Mit Schreiben vom 21.2.2007 beantragte die Klägerin eine Anpassung der
Fördermittelpauschale an die neuen Gegebenheiten, indem sie unter Berufung auf § 25
Abs. 10 Satz 1 KHG NRW und angeblich sieben neu eingerichtete Fachabteilungen
(Gefäßchirurgie, Nuklearmedizin, Gastroenterologie, Kardiologie, Hämatologie,
Endokrinologie und Geriatrie) sowie unter Benennung des Investitionsbedarfs an
kurzfristigen Anlagegütern für einige dieser Disziplinen eine Pauschalförderung nach
der vierten Anforderungsstufe gemäß § 25 Abs. 3 KHG NRW geltend machte. Die
Beklagte vermerkte, dass die mit dem Fusionsprozess verbundene zwangsläufige
Ausweisung neuer Fachabteilungen zu einem höheren Wiederbeschaffungsbedarf
kurzfristiger Anlagegüter führe, die Klägerin aber nicht dargelegt habe, inwieweit damit
eine Leistungssteigerung bzw. -ausweitung einhergegangen sei. Daraufhin ergänzte die
Klägerin ihren Antrag im März 2007 um beispielhafte Angaben zu "deutlichen
Leistungssteigerungen" ihrer aus pauschalen Fördermitteln finanzierten Geräte. Das
führte Mitte August 2007 zu einem weiteren Vermerk der Beklagten: Im Fusionsprozess
seien Zentren und Schwerpunkte gebildet worden, was grundsätzlich eine
Leistungssteigerung vermuten lasse, und die Klägerin habe die quantitative
Leistungssteigerung durch den Anstieg ihrer Leistungsvolumina im Labor- und
Radiologiebereich sowie durch einen Anstieg der stationären Fallzahlen auch
nachgewiesen; aus medizinisch-fachlicher Sicht werde die Berücksichtigung einer
höheren Anforderungsstufe empfohlen. Daraufhin legte die Beklagte Ende August 2007
dem Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen -
MAGS - den Vorgang befürwortend vor und empfahl die Anerkennung der vierten
Anforderungsstufe.
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Das MAGS antwortete jedoch unter dem 10.12.2007, es könne eine
Leistungssteigerung i.S.d. § 25 Abs. 10 KHG NRW nicht anerkennen und bitte,
entsprechend Nr. 19.3.2 der Verwaltungsvorschriften zum KHG NRW - VV - zu
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verfahren. Mit der Aufgabe von Abteilungen, die an den Betriebsstellen eines
fusionierten Krankenhauses zuvor parallel vorgehalten worden seien, gehe
grundsätzlich zunächst eine Verringerung der Leistungsfähigkeit einher, wenn z.B. an
einem Standort - wie hier an der Betriebsstelle S. - die Abteilungen für Frauenheilkunde
und Geburtshilfe geschlossen würden. Die Ausweisung neuer Subdisziplinen erfolge
auf der Basis bereits konkret erbrachter Leistungen, mit deren Menge der Bedarf für eine
solche neue Spezialisierung nachgewiesen werde. Die Einordnung eines
Krankenhauses in eine höhere Anforderungsstufe sei erst möglich, wenn sich auf Grund
der Entwicklung mit z.B. erheblicher Zunahme der Fallzahl und einer Erweiterung des
Diagnosespektrums konkret belegen lasse, dass tatsächlich eine Leistungssteigerung
stattgefunden habe, die höhere Wiederbeschaffungskosten für kurzfristige Anlagegüter
verursacht habe und sich von der üblichen Entwicklung der Krankenhäuser abhebe.
Diese Kriterien seien hier nicht erfüllt. Durch die Fusion sei bei Betrachtung der
Gesamtsumme ein Leistungsrückgang zu verzeichnen. Die Patientenzahlen, die Zahl
der Pflegetage und die Anzahl der Operationen seien gesunken. Diesen
Gesamteinschätzungen stünden Leistungssteigerungen in einzelnen Bereichen, z.B.
Gastroenterologie, Gefäßchirurgie, Endokrinologie und Radiologie, nicht entgegen.
Solche Steigerungen seien angesichts der allgemeinen Leistungsentwicklung und der
Größe des Krankenhauses nicht außergewöhnlich. Die von der Klägerin benannte
Nuklearmedizin weise sogar einen Leistungsrückgang auf; für Laborleistungen lägen
keine verwertbaren Daten vor.
Daraufhin bewilligte die Beklagte der Klägerin mit Bescheid vom 17.12.2007 für die
zweite Hälfte des Jahres 2006 und das gesamte Jahr 2007 einen Förderbetrag von
insgesamt 3.846.264 EUR, davon für die Betriebsstelle C1. -N. 1.857.033 EUR auf der
Basis der dritten Anforderungsstufe und für die Betriebsstelle C1. -S. 707.143 EUR auf
der Basis grundsätzlich der ersten Anforderungsstufe. Zugleich kündigte die Beklagte
an, dass sie die bis Ende 2007 erfolgte Überzahlung von 69.733,50 EUR (=
3.915.997,50 EUR - 3.846.264 EUR) mit der ersten Quartalszahlung für 2008
verrechnen werde. Als Begründung für die Ablehnung einer Berechnung der
Fördermittel nach der vierten Anforderungsstufe übernahm die Beklagte größtenteils
wörtlich die Ausführungen des MAGS vom 10.12.2007.
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Am 18.1.2008 hat die Klägerin Klage erhoben. Sie behauptet, der aktuelle
Feststellungsbescheid vom 28.9.2006 sehe die Aufnahme sieben neuer Subdisziplinen
im Umfang von insgesamt 336 Betten mit z.T. erheblichem Investitionsbedarf vor, der
sich allein bei vier der sieben neuen Subdisziplinen auf zusammen mehr als 2 Mio.
EUR belaufe. Von 2004 bis 2005 sei im Laborbereich eine Leistungssteigerung um über
5 %, im Bereich Radiologie um 14 % und bei den Operationszahlen um 1,67 % zu
verzeichnen gewesen. Von 2005 zu 2006 seien die Fallzahlen am
Computertomographen um 9,1 % und am Magnetresonanztomographen um 15,7 %
gestiegen. Weil § 25 Abs. 10 Satz 1 KHG NRW nach einer Fusion "grundsätzlich" eine
Förderung nach der höheren Anforderungsstufe vorsehe, spreche eine Vermutung für
eine mit der Fusion regelmäßig einhergehende Leistungssteigerung. Deshalb sei der
gegenteilige Ansatz der Beklagten fehlerhaft. Zudem habe sie, die Klägerin, gemäß
Satz 2 der Norm den mit der Strukturänderung ihrer Kliniken verbundenen höheren
Wiederbeschaffungsbedarf an kurzfristigen Anlagegütern detailliert nachgewiesen.
Auch der im Jahre 2006 gestiegene Case Mix Index (CMI) dokumentiere ihre erhöhte
Leistungsfähigkeit, die mit einem höheren Wiederbeschaffungsdarf an kurzfristigen
Anlagegütern einhergehe. Denn bei vermehrter und speziellerer Patientenbehandlung
veralteten medizinische Geräte schneller. Das MAGS habe seine von der
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ursprünglichen Meinung der Beklagten abweichende Auffassung, es fehle seit der
Fusion an einer Leistungssteigerung, im Hinblick auf die Laborleistungen mit einer
falschen Behauptung und hinsichtlich der angeblich fehlenden, entgegen dem
Gesetzeswortlaut für notwendig gehaltenen "außergewöhnlichen" Leistungssteigerung
überhaupt nicht begründet. Die Ergebnisfindung sei insofern nicht plausibel. Ein
Ermessensspielraum habe der Beklagten nicht zugestanden.
Die Klägerin hat - als Reaktion auf rechtliche Hinweise des Berichterstatters an die
Beteiligten - zuletzt zahlreiche Auflistungen über Anlagenzugänge der Jahre 2006 und
2007 in verschiedenen Fachgebieten und Teilgebieten, eine Übersicht über die
Leistungsentwicklung ausgewählter Fachabteilungen im Rahmen der Umsetzung der
Neustrukturierung ihres Krankenhauses sowie eine Darstellung der Fallzahlen, der
Case-Mix-Punkte und des CMI für die beiden genannten Jahre vorgelegt.
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Die Klägerin beantragt,
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die Beklagte unter Änderung des Bescheides vom 17.12.2007 zu verpflichten, der
Klägerin für ihr Krankenhaus für die Zeit vom 1.7.2006 bis zum 31.12.2007 pauschale
Fördermittel der vierten Anforderungsstufe im Sinne des § 25 Abs. 3 KHG NRW zu
bewilligen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie meint, das Begehren der Klägerin sei auf eine rechtlich unmögliche Handlung
gerichtet. Denn eine rückwirkende Berechnung der Fördermittel nach den inzwischen
aufgehobenen Vorschriften des KHG NRW, für die es insoweit keine
Übergangsvorschriften gebe - sie seien aus Praktikabilitätsgründen allerdings bis zum
31.12. statt nur bis zum 28.12.2007 angewendet worden -, sei unzulässig. Abgesehen
davon könne im Falle einer Fusion die Schließung zuvor parallel vorgehaltener
Versorgungsangebote - wie hier der Frauenheilkunde und der Geburtshilfe in der
Betriebsstelle S. - keinen gestiegenen Wiederbeschaffungsbedarf begründen. Dass ein
gestraffter Krankenhausbetrieb erwartungsgemäß wirtschaftlicher sei, sei für die
Bemessung des Wiederbeschaffungsbedarfs bedeutungslos. Der Gesetzgeber habe
nicht beabsichtigt, die Wirtschaftlichkeit fusionierter Krankenhausangebote durch eine
erhöhte Pauschalförderung zu verbessern. Bei der Beurteilung der Darlegungspflicht
gemäß § 25 Abs. 10 Satz 2 KHG NRW stehe dem Land mangels gesetzlicher
Konkretion ein Ermessensspielraum zu. Da weder der Gesetzestext noch die
Verwaltungsvorschriften abschließend festlegten, welchen Anforderungen der
Nachweis genügen müsse, bedürfe es einer individuellen Bewertung durch die
Bewilligungsbehörde bzw. das MAGS. Dabei müssten nicht zwingend beide Stellen
zum gleichen Votum gelangen. Das Land übe sein Ermessen sachgerecht aus, wenn es
die Vorhaltung mindestens zweier neuer Leistungsangebote - woran es vorliegend fehle
- verlange. Nach der bis Ende 2007 gültig gewesenen Rechtslage seien Fallzahlen kein
wesentliches Kriterium zur Beurteilung einer Leistungssteigerung. Im Übrigen seien die
Patientenzahlen, die Belegungstage und die OP-Zahlen beim Krankenhaus der
Klägerin insgesamt markant rückläufig. Die von der Klägerin angeführten
Einzelentwicklungen seien quantitativ nachrangig. Da das MAGS zu der Entscheidung
gelangt sei, dass das Krankenhaus der Klägerin keinen erhöhten
Wiederbeschaffungsbedarf nach der Fusion nachgewiesen habe, habe sie dem Antrag
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der Klägerin nicht entsprochen.
In Erwiderung auf die rechtlichen Hinweise des Berichterstatters und die von der
Klägerin zuletzt vorgelegten Unterlagen meint die Beklagte, § 25 Abs. 10 Satz 2 KHG
NRW räume der Bewilligungsbehörde einen Beurteilungsspielraum hinsichtlich der
Frage ein, wann ein mit der Strukturänderung verbundener höherer
Wiederbeschaffungsbedarf nachgewiesen sei. Dieser Spielraum richte sich nach der
Verwaltungspraxis auf Landesebene. Wenn - wie hier - die Bewilligungsbehörde die
dafür maßgebenden Gesichtspunkte unvollständig berücksichtigt habe, könne das
MAGS als Fachaufsichtsbehörde kraft seines Weisungsrechts eine andere Beurteilung
vorgeben. Im vorliegenden Fall fehle es schon an einer fusionsbedingten
Strukturänderung in Form einer Angebotserweiterung, wie sie für eine
Pauschalförderung nach einer höheren Anforderungsstufe erforderlich sei; auf die
weitere Frage, ob es zu einem erhöhten Wiederbeschaffungsbedarf kurzfristiger
Anlagegüter gekommen sei, komme es daneben gar nicht mehr an. Durch Fusionen
sollten Synergieeffekte erreicht werden. Regelmäßig würden dazu Fachgebiete
umorganisiert und Bettenzahlen verringert, was in der Regel zu einer Reduzierung des
Bedarfs an kurzfristigen Anlagegütern führen müsste. Anderes gelte im Falle einer
fusionsbedingten Angebotserweiterung. Daher sei § 25 Abs. 10 Satz 2 KHG NRW dahin
auszulegen, dass das fusionierte Krankenhaus einen deutlich geänderten
Versorgungsauftrag erhalten haben müsse. Die Verwaltungspraxis bejahe diese
Voraussetzung bei einer fusionsbedingten Neuausweisung eines Fachgebietes im
Feststellungsbescheid für das betroffene Krankenhaus. Komme es in diesem Gebiet
nachweislich zu Fallzahlsteigerungen, sei von einem höheren
Wiederbeschaffungsbedarf auszugehen; bei Ausweisung lediglich mehrerer neuer
Teilgebiete sei eine Einzelfallbetrachtung erforderlich. Nach dem für die Fusion und die
anschließenden förderrechtlichen Konsequenzen rechtlich maßgebenden Zeitpunkt
1.7.2006 habe das Krankenhaus der Klägerin kein neues Fachgebiet eingerichtet. Die
Soll-Bettenzahlen der Teilgebiete Endokrinologie, Hämatologie und Gastroenterologie
seien seit 2004 unverändert, lediglich im Betten-Ist dieser Teilgebiete sei es seit Mitte
2006 zur Ausweisung höherer bzw. erstmaliger Bettenzahlen gekommen. Dieses
Versorgungsangebot habe also schon vor dem Wirksamwerden der Fusion bestanden.
Auch Fallzahlsteigerungen könnten erst ab dem 1.7.2006 berücksichtigt werden. Die
von der Klägerin angeführten Leistungssteigerungen der Jahre 2004 bis 2006 könnten
zwar auf einer Umorganisation des Krankenhauses C1. -N. beruht haben, hätten ihre
Ursache aber nicht in der Fusion mit dem Krankenhaus S. . Durch die Fusion seien
lediglich chirurgische Betten und Betten der Inneren Medizin abgebaut worden,
während die übrigen Veränderungen fusionsunabhängig seien; das hätten ihre beiden
medizinfachlichen Stellungnahmen aus dem Jahr 2007 nicht berücksichtigt. Die
Einordnung in eine höhere Anforderungsstufe erfordere fusionsbedingte erheblich
erhöhte Fallzahlen mit einer Erweiterung des Diagnosespektrums. Derartiges habe die
Klägerin nicht nachgewiesen. Schon deshalb sei die an Hand der DRG-Fallzahlen und
des CMI 2007 dargestellte Leistungsentwicklung des Krankenhauses der Klägerin
irrelevant, zumal die angegebenen Fallzahlen - abgesehen von der Gefäßchirurgie -
keine sprunghafte, außergewöhnliche Steigerung aufwiesen. Der Anstieg der
Fallzahlen bei der Gefäßchirurgie erkläre sich durch die Inbetriebnahme dieser
Subdisziplin im Jahre 2007; die bauliche Förderung einschließlich der Ersteinrichtung
dieses Teilgebiets sei bereits mit Mitteln des Investitionsprogramms 2005 erfolgt.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte
und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten (zwei Ordner) verwiesen.
18
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
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Die zulässige Verpflichtungsklage ist begründet. Die Klägerin kann gemäß § 113 Abs. 5
Satz 1 VwGO die Verpflichtung der Beklagten beanspruchen, ihr unter Änderung des
Bewilligungsbescheides vom 17.12.2007 für ihr Krankenhaus mit den beiden
Betriebsstellen C1. -N. und C1. -S. für die zweite Hälfte des Jahres 2006 und das
gesamte Jahr 2007 (bis zum 31.12.2007) pauschale Fördermittel der vierten
Anforderungsstufe auf der Grundlage von § 25 Abs. 10 Satz 1 i.V.m. Abs. 3 KHG NRW
in Höhe von insgesamt 4.514.400 EUR, also über die mit dem streitigen Bescheid
bewilligten 3.846.264 EUR hinaus in Höhe weiterer 668.136 EUR, zu bewilligen. Die
Versagung des weitergehenden Bewilligungsbetrags durch den Bescheid der
Beklagten vom 17.12.2007 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten.
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Nach Satz 1 des § 25 Abs. 10 KHG NRW - auf dessen Grundlage die Verwaltung laut
unstreitiger Darstellung der Beklagten nicht nur bis zum Außerkrafttreten des Gesetzes
mit Ablauf des 28.12.2007 und anschließender Ersetzung durch das
Krankenhausgestaltungsgesetz NRW (KHGG NRW), sondern aus
Praktikabilitätsgründen noch bis zum 31.12.2007 gehandelt hat - erhält, soweit sich zwei
oder mehrere Krankenhäuser zu einem Krankenhaus zusammenschließen (Fusion),
das neue Krankenhaus bei entsprechender Planbetten- und Behandlungsplatzzahl
grundsätzlich pauschale Fördermittel der höheren Anforderungsstufe. Dies gilt gemäß
Satz 2 der Norm jedoch nicht, wenn ein mit der Strukturänderung verbundener höherer
Wiederbeschaffungsbedarf kurzfristiger Anlagegüter - also solcher Güter mit einer
durchschnittlichen Nutzungsdauer von mehr als drei bis zu fünfzehn Jahren (§ 25 Abs. 1
Satz 1 Nr. 1 KHG NRW) - nicht nachgewiesen werden kann. Laut Satz 3 der Norm gilt
die Einrichtung eines neuen Schwerpunktes allein nicht als Nachweis nach Satz 2.
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Die Klägerin hat gemäß Satz 1 der zitierten Norm für den streitbefangenen Zeitraum
(vom Wirksamwerden der Fusion bis zum Auslaufen der damaligen
Förderungsregelung) Anspruch auf pauschale Fördermittel der der Planbetten- und
Behandlungsplatzzahl ihres fusionierten Krankenhauses entsprechenden höheren (hier:
vierten) Anforderungsstufe. Dass diese Anspruchsnorm ebenso wie das KHG NRW
insgesamt inzwischen außer Kraft getreten und durch das KHGG NRW ersetzt worden
ist, ändert nichts daran, dass § 25 Abs. 1 Satz 1 KHG NRW für den Zeitraum seiner
Geltungsdauer die anspruchsbegründende Rechtsgrundlage bleibt.
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Die vier Anforderungsstufen des Gesetzes, die zu unterschiedlich hohen pauschalen
Fördermitteln führen (§ 25 Abs. 5 KHG NRW), bestimmen sich gemäß § 25 Abs. 3 KHG
NRW nach abgestuften Punktzahlen, ermittelt an Hand der in § 25 Abs. 2 und 4 KHG
NRW dargelegten, an der Bewertung von Planbetten und Behandlungsplätzen des
Krankenhauses orientierten Berechnungsmethode. Dass das Krankenhaus der Klägerin
nach dieser Berechnungsmethode seit der Fusion mit einer Punktzahl von mehr als 800
Punkten rechnerisch zur vierten Anforderungsstufe i.S.d. § 25 Abs. 3 KHG NRW gehört
und dass seit dem 1.7.2006 eine Krankenhausfusion i.S.d. § 25 Abs. 10 Satz 1 KHG
NRW vorliegt, ist unstreitig.
23
Allerdings lässt sich der Anspruch der Klägerin nicht bereits mit der Überlegung
begründen, dass für ein fusioniertes Krankenhaus mit mehreren Betriebsstellen
grundsätzlich nur eine einheitlich ermittelte Anforderungsstufe (wie für ein
Einzelkrankenhaus) gelten könne.
24
Vgl. hierzu VG Münster, Urteil vom 25.11.2008 - 5 K 1180/07 (nicht rechtskräftig) -,
www.nrwe.de.
25
Denn der Gesetzeswortlaut des § 25 Abs. 10 KHG NRW und seine Begründung
sprechen dafür, dass der Gesetzgeber beim Vorliegen eines Ausnahmefalles nach Satz
1 bzw. beim fehlenden Nachweis der Voraussetzungen gemäß Satz 2 es weiterhin - wie
bis zur Fusion - bei einer förderrechtlichen Einzelbetrachtung der vor der Fusion
selbstständigen Krankenhäuser und jetzigen Betriebsstellen des fusionierten
Krankenhauses belassen wollte,
26
in diesem Sinne auch Nr. 19.3.2 Satz 3 der Verwaltungsvorschriften zum KHG NRW,
27
gegebenenfalls mit der Folge einer Zuordnung der Betriebsstellen zu verschiedenen
Anforderungsstufen.
28
Entgegen der Meinung der Beklagten hat die Klägerin jedoch einen mit einer
fusionsbedingten Strukturänderung ihres Krankenhauses verbundenen höheren
Wiederbeschaffungsbedarf kurzfristiger Anlagegüter nachgewiesen i.S.d. § 25 Abs. 10
Satz 2 KHG NRW.
29
Bei der Frage, ob ein Krankenhaus den Bedarfsnachweis i.S.d. § 25 Abs. 10 Satz 2
KHG NRW geführt hat, steht der Bewilligungsbehörde entgegen der Auffassung der
Beklagten weder Ermessen noch ein (planerischer oder sonstiger)
Beurteilungsspielraum bzw. eine Einschätzungsprärogative oder ähnliches zu. Es
handelt sich vielmehr um die Auslegung eines unbestimmten Rechtsbegriffs, dessen
Ausfüllung durch die Behörde der uneingeschränkten gerichtlichen Kontrolle unterliegt.
Weder der Wortlaut noch der Sinn und Zweck des § 25 Abs. 10 Satz 2 KHG NRW bieten
einen Anhaltspunkt dafür, dass eine Entscheidung nach dieser Norm in spezifischer
Weise Elemente wertender Erkenntnis beinhaltet, die der Verwaltung vorbehalten sein
soll.
30
Vgl. zu diesem Kriterium Kopp/Schenke, VwGO, Komm., 16. Aufl. 2009, § 114 Rdnr. 23,
m.w.N.
31
Im streitbefangenen Zeitraum war die Beklagte zuständige Bewilligungsbehörde (§ 1
Abs. 1 KHZV vom 22.2.2000) und hatte deshalb eigenständig die Entscheidung nach §
25 Abs. 10 KHG NRW zu treffen. Dass sie diese Entscheidung faktisch an das MAGS
delegiert hat, indem sie entgegen ihrer im Vermerk von August 2007 dokumentierten
eigenen ursprünglichen Auffassung die anschließend eingeholte, zu einer anderen
Beurteilung führende Ansicht des MAGS (Erlass vom 10.12.2007) größtenteils wörtlich
zum Begründungsinhalt des streitigen Bescheides erhoben hat, wirkt sich - anders als
dies wohl bei einer Ermessensentscheidung der Fall gewesen wäre - für sich
genommen rechtlich nicht zum Nachteil der Beklagten aus, weil die Kammer, wie
dargelegt, ohnehin eine umfassende rechtliche Überprüfung der Entscheidung nach §
25 Abs. 10 KHG NRW vornehmen muss.
32
Wie der Bedarfsnachweis i.S.d. § 25 Abs. 10 Satz 2 KHG NRW zu führen und unter
welchen Voraussetzungen ein mit einer Strukturänderung verbundener höherer
Wiederbeschaffungsbedarf kurzfristiger Anlagegüter anzunehmen ist, folgt aus dem
Gesetzeswortlaut nicht unmittelbar. Durch das Zusammenspiel der Sätze 1 und 2 des §
33
25 Abs. 10 KHG NRW gibt der Gesetzgeber aber zu erkennen, dass - unbeschadet der
Bedeutung des Wortes "grundsätzlich" in Satz 1 - eine rechnerisch regelmäßig zu einer
höheren Anforderungsstufe führende bloße Addition der Zahl der Planbetten und
Behandlungsplätze der bis zur Fusion selbstständig gewesenen Krankenhäuser noch
keine Gewährung höherer pauschaler Fördermittel für das fusionierte Krankenhaus
rechtfertigt, sondern dass hierfür auf jeden Fall eine fusionsbedingte
Strukturveränderung des Krankenhauses erforderlich ist.
Ebenso VG Münster, Urteil vom 25.11.2008 - 5 K 1180/07 -, a.a.O.
34
Die Fusion der früher selbstständigen Krankenhäuser C1. -N. und C1. -S. hat entgegen
der Behauptung der Beklagten beim fusionierten Krankenhaus zu einer
Strukturänderung geführt. Dabei rechtfertigen es weder der Wortlaut noch die
Begründung des Gesetzes, für die Feststellung einer Strukturänderung nur die Zeit seit
dem 1.7.2006 als dem Zeitpunkt des rechtlichen Vollzugs der Fusion in den Blick zu
nehmen. Vielmehr ist der gesamte Zeitraum des Fusionsprozesses seit seinem Beginn
zu betrachten. Denn eine Krankenhausfusion kann sich in tatsächlicher Hinsicht
unmöglich nur am Tag ihrer rechtlichen Umsetzung und in der Folgezeit ereignen,
sondern erfordert schon vorher einen langfristigen Planungs- und Umsetzungsprozess,
an dessen Ende erst die rechtliche Anerkennung und Verwirklichung der Fusion durch
Erlass eines entsprechenden krankenhausrechtlichen Feststellungsbescheides erfolgen
kann. Bis zu diesem Zeitpunkt war im vorliegenden Fall z.B. die Doppelvorhaltung der
Abteilungen für Frauenheilkunde und Geburtshilfe in den beiden vorher selbstständigen
Krankenhäusern aufzugeben und waren diese Abteilungen an einer der künftigen
Betriebsstellen zusammenzuführen; ansonsten wäre eine Fusion rechtlich nicht möglich
gewesen (vgl. § 33 Abs. 2 KHG NRW).
35
Dass für die Bewertung des Fusionsprozesses mindestens der Zeitraum ab dem Jahre
2001 betrachtet werden muss, folgt augenfällig daraus, dass die Beklagte schon am
6.2.2001 einen Bescheid mit dem Betreff "Zusammenlegung der Städt. Kliniken C1. -N.
und C1. -S. zu einem Haus mit 2 Betriebsstellen bei gleichzeitiger Umstrukturierung und
Bettenreduzierung" erlassen hat, mit dem sie schon damals Soll-Betten für die heutigen
beiden Betriebsstellen N. und S. festgestellt hat, und dass sie dieses Vorgehen in ihrem
Aktenvermerk vom 19.2.2001 (überzeugend) damit erklärt hat, dass damit die zukünftige
Strukturierung beider Häuser geregelt werde, nach deren vollständiger Umsetzung erst
die Fusion erfolgen könne. Dementsprechend erließ die Beklagte in der Zeit bis 2006
bereits mehrere Feststellungsbescheide zur "Teilumsetzung der Neustrukturierung mit
dem Ziel einer Zusammenlegung" der beiden Kliniken (z.B. Bescheid vom 24.6.2002).
36
Dass schon in der Zeit von der Einleitung des Fusionsprozesses bis zur
rechtswirksamen Fusion am 1.7.2006 bei beiden Krankenhäusern - sogar etliche -
fusionsbedingte strukturändernde Maßnahmen durchgeführt wurden (z.B.
Zusammenlegung doppelt vorgehaltener Abteilungen [Frauenheilkunde und
Geburtshilfe], Einrichtung neuer Fachabteilungen [Geriatrie] und Teilfachabteilungen
[z.B. Gefäßchirurgie und Kardiologie]), ist unter diesen Umständen offenkundig und
bedarf deshalb keiner näheren Begründung. Daneben muss nicht geklärt werden, ob
seit dem 1.7.2006 noch weitere mit der Fusion im Zusammenhang stehende
Strukturänderungen erfolgt sind.
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Die Klägerin hat außerdem einen höheren Wiederbeschaffungsbedarf kurzfristiger
Anlagegüter im erforderlichen Maß nachgewiesen.
38
Weil die Bewilligung pauschaler Fördermittel nach § 25 KHG NRW nicht bezweckt,
einem Krankenhaus Gewinne zu ermöglichen, sondern lediglich das Ziel verfolgt,
notwendige Investitionen in wiederzubeschaffende kurzfristige Anlagegüter finanziell zu
unterstützen, rechtfertigt die Gesamtschau der Sätze 1 und 2 dieser Norm die
Einschätzung, dass der Gesetzgeber mit der Fusion von Krankenhäusern die
Vorstellung verbunden hat, dass es durch eine Fusion "grundsätzlich" neben einer
Strukturveränderung des Leistungsangebots auch zu einem höheren
Wiederbeschaffungsbedarf kurzfristiger Anlagegüter kommt. Ein solcher erhöhter Bedarf
ist mit der "grundsätzlichen" Annahme zu rechtfertigen, dass ein - gemessen an der Zahl
der Planbetten und Behandlungsplätze - größeres Krankenhaus von mehr Patienten in
Anspruch genommen wird als eine kleinere Klinik und dass die kurzfristigen
Anlagegüter eines größeren Krankenhauses auf Grund ihrer häufigeren
Inanspruchnahme sowie ihrer dadurch bedingten schnelleren Abnutzung eher und in
größerem Umfang als bei einem kleineren Krankenhaus wiederbeschafft werden
müssen.
39
Vgl. VG Münster, Urteil vom 25.11.2008 - 5 K 1180/07 -, a.a.O., unter Hinweis auf die
Begründung des Gesetzentwurfs.
40
Zur Wiederbeschaffung gehören auch die Kosten der Erhaltung oder Wiederherstellung
von Anlagegütern, soweit diese Kosten nicht im Pflegesatz zu berücksichtigen sind (§
25 Abs. 1 Satz 2 KHG NRW), sowie die Kosten der Ergänzung von Anlagegütern,
soweit diese Ergänzung nicht über die übliche Anpassung der vorhandenen
Anlagegüter an die medizinische und technische Entwicklung wesentlich hinausgeht (§
9 Abs. 4 i.V.m. Abs. 3 Satz 1, § 11 des Krankenhausfinanzierungsgesetzes). Schon der
Begriff "Wiederbeschaffung" schließt es hingegen generell aus, die erstmalige
Anschaffung kurzfristiger Anlagegüter, etwa für die Einrichtung einer neuen
medizinischen Fachabteilung, mit zu berücksichtigen.
41
A.A. wohl Pant/Prütting, KHG NRW, Komm., 2. Aufl. 2000, § 25 Rdnr. 36.
42
Denn anders als § 25 Abs. 10 Satz 2 KHG NRW unterscheidet § 25 Abs. 1 Satz 1 KHG
NRW in seinen Nrn. 1 und 2 zwischen Wiederbeschaffungskosten und sonstigen,
grundsätzlich nur im Wege der Einzelförderung nach § 21 KHG NRW förderungsfähigen
Investitionen. Da letztere nicht in die Regelung des § 25 Abs. 10 Satz 2 KHG NRW
einbezogen worden sind und kein Anhaltspunkt für eine insoweit unbewusste,
ausfüllungsbedürftige Regelungslücke vorliegt, können Errichtungs- und
Erstausstattungskosten (§ 21 Abs. 1 Nr. 1 KHG NRW) im Rahmen des § 25 Abs. 10 Satz
2 KHG NRW keine Berücksichtigung finden.
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Dementsprechend kommt § 25 Abs. 10 Satz 3 KHG NRW nicht mehr, aber auch nicht
weniger als die Bedeutung zu, dass allein die Einrichtung eines neuen medizinischen
Schwerpunktes oder die Ausweisung neuer Gebiete bzw. Teilgebiete im fusionierten
Krankenhaus noch nicht zum Nachweis eines erhöhten Wiederbeschaffungsbedarfs
und damit zur Bewilligung pauschaler Fördermittel nach einer höheren
Anforderungsstufe genügt.
44
Vgl. die Amtliche Begründung zu § 25 Abs. 10 KHG NRW, zit. nach Pant/Prütting,
a.a.O., zu § 25.
45
Nach alledem erfordert der vom Gesetz verlangte Nachweis eines fusionsbedingten
höheren Wiederbeschaffungsbedarfs kurzfristiger Anlagegüter einen Beleg dafür, dass
die fusionsbedingte Strukturveränderung des vom Krankenhaus vorgehaltenen
medizinischen Leistungsangebots zu einer erhöhten Inanspruchnahme und damit zu
einer schnelleren "Abnutzung" seiner kurzfristigen Anlagegüter geführt hat. (Nur) in
diesem Sinne ist es auch gerechtfertigt, als Voraussetzung für die Zubilligung erhöhter
Pauschalfördermittel eine fusionsbedingte "Leistungssteigerung" des Krankenhauses
zu verlangen. Demgemäß kann der Krankenhausträger den geforderten Nachweis z.B.
dadurch führen, dass er eine höhere Nutzung seiner Geräte auf der Basis von
Vergleichsdaten plausibel macht.
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Vgl. Pant/Prütting, a.a.O., § 25 Rdnr. 38.
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Dabei kommt ihm zugute, dass infolge des Wortes "grundsätzlich" in § 25 Abs. 10 Satz 1
KHG NRW eine Vermutung für eine fusionsbedingte Leistungssteigerung im
vorgenannten Sinne spricht, wenn die Fusion - wie regelmäßig, so auch hier - mit einer
Umstrukturierung des Krankenhauses verbunden ist.
48
Vgl. VG Münster, Urteil vom 25.11.2008 - 5 K 1180/07 -, a.a.O.; Pant/Prütting, a.a.O., §
25 Rdnr. 37.
49
Deshalb geht die Beklagte bei ihrer rechtlichen Wertung schon im Ansatz fehl, wenn sie
meint, Fusionen, durch die Synergieeffekte erreicht werden sollten, müssten "in der
Regel" wegen der dafür notwendigen Umorganisation von Fachgebieten zu einer
Reduzierung des Bedarfs an kurzfristigen Anlagegütern führen; der Gesetzgeber sieht
den Regelfall ausweislich des Wortes "grundsätzlich" in § 25 Abs. 10 Satz 1 KHG NRW
genau anders. Außerdem kann entgegen der Meinung der Beklagten keine "sprunghafte
und damit außergewöhnliche Leistungssteigerung" des fusionierten Krankenhauses
verlangt werden, weil eine solche sprunghafte Steigerung vom Gesetz nicht gefordert
wird. Ferner begründet § 25 Abs. 10 Satz 2 KHG NRW - ebenso wie die
Vorgängerregelung des § 23 KHG NRW vom 3.11.1987, die insoweit lediglich
klargestellt werden sollte -
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vgl. die Amtliche Begründung zu § 25 Abs. 10 KHG NRW, zit. nach Pant/Prütting, a.a.O.,
zu § 25
51
keine Verpflichtung, einen fusionsbedingten höheren Wiederbeschaffungsbedarf in
bestimmter Höhe im Einzelnen nachzuweisen. Insbesondere muss der
Krankenhausträger nicht nachweisen, dass die einzelnen
Umstrukturierungsmaßnahmen konkret einen Wiederbeschaffungsbedarf in Höhe der
höheren Anforderungsstufe verursacht haben. Nach dem Gesetzeswortlaut genügt
vielmehr jeder Nachweis eines fusionsbedingt höheren Wiederbeschaffungsbedarfs in
beliebiger Höhe.
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Vgl. VG Münster, Urteil vom 25.11.2008 - 5 K 1180/07 -, a.a.O.
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Die Klägerin hat einen solchen Nachweis mit den der Kammer vorliegenden Unterlagen
erbracht. Der fusionsbedingte erhöhte Wiederbeschaffungsbedarf des Krankenhauses
der Klägerin an kurzfristigen Anlagegütern wird generell bereits belegt durch den
unstrittigen mehrjährigen Anstieg des CMI in etlichen einzelnen Fachabteilungen sowie
insgesamt im Krankenhaus der Klägerin - so etwa von 2006 zu 2007 um insgesamt 3,8
54
% -, durch den Anstieg der Case-Mix-Punkte - von 2006 zu 2007 um 5,62 % - und durch
den Anstieg der Fallzahlen - von 2006 zu 2007 um 1,76 % -. Dass den teilweise
erheblich höher angestiegenen Leistungszahlen in etlichen Teilgebieten teils niedrigere
oder sogar leicht gesunkene Leistungsdaten in einigen anderen Abteilungen
gegenüberstehen, kann an der Gesamteinschätzung eines insgesamt deutlichen
fusionsbedingten Leistungsanstiegs nichts ändern. Dabei spricht unter Beachtung der
gesetzgeberischen Wertung, die durch das Wort "grundsätzlich" in § 25 Abs. 10 Satz 1
KHG NRW zum Ausdruck kommt, eine Vermutung auch dafür, dass die
Leistungssteigerung entscheidend auf der Fusion beruht und nicht auch ohne die
Fusion eingetreten wäre. Denn wenn die zuvor selbstständigen Krankenhäuser jedes
für sich ohnehin eine Leistungssteigerung erwartet hätten, hätte es an der maßgeblichen
Motivation für ihr Zusammengehen gefehlt.
Die von der Klägerin angeführte deutlich gestiegene Inanspruchnahme beispielsweise
ihres Computer- und ihres Magnetresonanztomographen - von 2005 zu 2006 um 9,1 %
bzw. 15,7 % - belegt nach den obigen Grundsatzerwägungen ebenfalls einen
fusionsbedingten höheren Wiederbeschaffungsbedarf.
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Daneben stützen die von der Klägerin - unbestritten von der Beklagten - detailliert
geltend gemachten erheblichen Zugänge kurzfristiger Anlagegüter der Jahre 2006 und
2007 in Höhe von insgesamt mehr als 8 Mio. EUR die gesetzliche Vermutung eines
fusionsbedingten höheren Wiederbeschaffungsbedarfs, denn die Beklagte hat die
Vermutung nicht durch substanziierte Angaben zur üblichen Höhe von
Wiederbeschaffungsinvestitionen anderer Krankenhäuser entkräftet. Insoweit würde
bereits ein in etwa gleich großer Investitionsbedarf von Krankenhäusern, deren
Planbetten- und Behandlungsplatzzahl derjenigen des fusionierten Krankenhauses der
Klägerin vergleichbar ist, belegen, dass die Fusion im Falle der Klägerin genau zu dem
erhöhten Förderbedarf geführt hat, der vergleichbar große Krankenhäuser, die nicht
durch eine Fusion entstanden sind und die deshalb keine Nachweise zur Höhe ihrer
Wiederbeschaffungsinvestitionen vorlegen müssen, allein auf Grund der für ihre
Planbetten und Behandlungsplätze errechneten Punktzahl zur Inanspruchnahme
höherer pauschaler Fördermittel der vierten Anforderungsstufe (§ 25 Abs. 2 bis 5 KHG
NRW) berechtigt. Es wäre ein Widerspruch zu dieser gesetzlichen Regelung, wenn von
einem fusionierten Krankenhaus ein höherer Wiederbeschaffungsbedarf als von einer
nichtfusionierten Klinik gleicher Größe verlangt würde. Die Beklagte hat aber nicht
substanziiert geltend gemacht, dass der Umfang der Wiederbeschaffungsinvestitionen
der Klägerin den entsprechenden Anlagezugang vergleichbar großer Kliniken merklich
unterschreitet. Die Kammer sieht für eine solche Annahme auch keine Anhaltspunkte.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 Satz 1 VwGO, die Anordnungen zu ihrer
vorläufigen Vollstreckbarkeit beruhen auf § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. den §§ 708 Nr. 11,
711 Satz 1 ZPO.
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