Urteil des VG Minden vom 25.02.2009

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Verwaltungsgericht Minden, 2 L 62/09
Datum:
25.02.2009
Gericht:
Verwaltungsgericht Minden
Spruchkörper:
2. Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
2 L 62/09
Tenor:
1. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt.
2. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 2.500 Euro festgesetzt.
G r ü n d e :
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Der nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO sinngemäß gestellte Antrag,
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dem Antragsgegner im Wege des Erlasses einer einstweiligen Anordnung vorläufig zu
untersagen, den Namen und die Gerichtsvollzieher-Büroadresse des Antragstellers in
der Adressdatenbank der Gerichtsvollzieher des Landes Nordrhein-Westfalen auf der
Internetseite www.gerichtsvollzieher.nrw.de sowie auf der Internetseite des Amtsgerichts
C. P. zu veröffentlichen,
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hat keinen Erfolg. Dabei kann dahin gestellt bleiben, ob der Antrag bereits wegen unter
Umständen fehlender Antragsbefugnis analog § 42 Abs. 2 VwGO unzulässig ist.
Jedenfalls ist der Antrag unbegründet, weil der Antragsteller einen Anordnungsanspruch
nicht glaubhaft gemacht hat.
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Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann eine einstweilige Anordnung zur Regelung
eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis ergehen, wenn
diese Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile, zur Verhinderung drohender
Gewalt oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Der für eine solche Anordnung
erforderliche Anordnungsanspruch (materiell-rechtlicher Anspruch) und der zur
Regelung eines vorläufigen Zustandes notwendige Anordnungsgrund (Eilbedürftigkeit)
sind nach § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 ZPO vom Antragsteller
darzulegen und glaubhaft zu machen.
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An der Glaubhaftmachung des erforderlichen Anordnungsanspruchs fehlt es hier. Der
Antragsteller kann sein Unterlassungsbegehren weder auf das Grundrecht auf
informationelle Selbstbestimmung nach Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG noch auf
einfachrechtliche Abwehrrechte stützen.
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Ein grundrechtlicher Unterlassungsanspruch aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG
scheidet schon deshalb aus, weil der Antragsteller durch die Veröffentlichung seines
Namens und seiner Büroadresse nicht als Privatmann in seiner beruflichen Sphäre,
sondern allein als Gerichtsvollzieher und damit ausschließlich als Träger hoheitlicher
Gewalt im Rahmen der Zwangsvollstreckung betroffen ist. Nach § 46 Nr. 1 der
Gerichtsvollzieherordnung (GVO) hat der Gerichtsvollzieher zur Erledigung seiner
hoheitlichen Aufgaben in der Zwangsvollstreckung ein Geschäftszimmer zu unterhalten.
Dieses Geschäftszimmer ist zum Zwecke der Erreichbarkeit und damit zur Durchführung
der Zwangsvollstreckung gem. § 3 Nr. 1 Satz 4 GVO durch Aushang an der Gerichtstafel
oder in sonstiger Weise bekannt zu machen. Da der Antragsteller insoweit nur als
Funktionsträger staatlicher Hoheitsgewalt betroffen ist, scheidet ein Grundrechtseingriff
von vornherein aus. Ein grundrechtlicher Unterlassungsanspruch aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m.
Art. 1 Abs. 1 GG folgt auch nicht etwa daraus, dass sich die Büroadresse und die
Privatadresse des Antragstellers decken. Dies beruht allein auf der nach § 45 Nr. 1 GVO
freiwillig getroffenen Entscheidung des Antragstellers, kein separates Büro anzumieten,
sondern die Bürokostenpauschale von über 20.000 Euro, die ein Gerichtsvollzieher pro
Jahr von seinem Dienstherrn erhält, durch die Vorhaltung eines Büroraums unter seiner
Privatadresse weitestgehend zu sparen und - wie vom Antragsgegner gestattet - ohne
zusätzliche Gegenleistung selbst zu vereinnahmen. Diese vom Antragsteller aus
eigenen finanziellen Interessen vorgenommene Nutzung privater Räume zu
hoheitlichen Zwecken rechtfertigt es allerdings nicht, die dortige Ausübung hoheitlicher
Gewalt systemwidrig mit einem grundrechtlichen Schutz zu versehen, zumal der
Antragsteller durch die Anmietung eines anderen Geschäftszimmers ohne Weiteres
selbst in der Lage wäre, Privat- und Hoheitssphäre räumlich strikt voneinander zu
trennen.
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Der Antragsteller hat auch keinen datenschutzrechtlichen Unterlassungsanspruch
glaubhaft gemacht. Dies folgt im vorliegenden Fall zwar nicht schon aus der Annahme
des Antragsgegners, Name und Anschrift des Antragstellers dürften gemäß § 16 Abs. 1
Satz 1 lit. b) i.V.m. § 13 Abs. 2 Satz 1 lit. f) DSG NRW veröffentlicht werden, weil sie
ohnehin aus der Gerichtstafel des Amtsgerichts C. P. öffentlich ersichtlich seien und
auch infolge der freiwillig erfolgten Speicherung der Daten in Telefonbuchdatenbanken
im Internet allgemein zugänglichen Quellen entnommen werden könnten. Zum einen
erscheint fraglich, ob die durch den Gerichtsaushang im Amtsgericht C. P. nur begrenzt
hergestellte Publizitätswirkung eine Veröffentlichung von Daten im Internet für einen
zahlenmäßig unbegrenzten Interessentenkreis rechtfertigen kann. Zum anderen liegt es
mit Blick darauf, dass die Amtsbezeichnung des Antragstellers aus der
Telefonbuchdatenbank im Internet nicht ersichtlich ist und der Antragsteller überdies
offenbar auch dem Herausfinden seiner Adresse im Wege der sog. Inverssuche über die
Eingabe seiner Telefonnummer widersprochen hat, jedenfalls nicht ohne Weiteres auf
der Hand, dass der Antragsgegner die Veröffentlichung der Daten in der
Gerichtsvollzieher-Datenbank im Internet auf die genannten datenschutzrechtlichen
Bestimmungen stützen darf. Ein datenschutzrechtlicher Unterlassungsanspruch
scheidet jedoch deshalb aus, weil es sich bei den Daten (Name und Anschrift des
Gerichtsvollziehers) schon nicht um personenbezogene Daten im Sinne von § 3 Abs. 1
DSG NRW handelt. Das Landesdatenschutzgesetz dient - wie sich aus § 1 DSG NRW
ergibt - allein dem Schutz des Bürgers vor rechtswidrigen staatlichen Eingriffen in sein
Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung. Darum geht es hier jedoch - wie oben
bereits festgestellt wurde - ersichtlich nicht. Der Antragsgegner will mit der
beabsichtigten Veröffentlichung des Namens und der Anschrift des Antragstellers
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nämlich nicht in seinen personenbezogenen, privaten Lebensbereich eingreifen; er
bezweckt vielmehr allein die Bekanntgabe des behördlichen Amtssitzes von
Gerichtsvollziehern in ihrer Eigenschaft als Hoheitsträger. Dass sich dieser Amtssitz mit
der Privatadresse des Antragstellers deckt, weil es der Antragsteller vorzieht, die
Bürokostenpauschale selbst zur Erhöhung seines Einkommens zu vereinnahmen,
vermag daran nichts zu ändern. Durch diese privatnützige Disposition des Antragstellers
wird die Adresse seines Amtssitzes als Hoheitsträger nicht zu einem schutzwürdigen
personenbezogenen Datum im Sinne des § 3 Abs. 1 DSG NRW. Damit scheidet auch
der vom Antragsteller geltend gemachte Verstoß gegen § 4 DSG NRW aus.
Auch aus der beamtenrechtlichen Fürsorgepflicht nach § 85 LBG kann der Antragsteller
keinen Unterlassungsanspruch herleiten. Der Antragsgegner weist in seiner
Antragserwiderung zu Recht darauf hin, dass der Dienstherr seiner Fürsorgepflicht
nachkommt, indem er dem Beamten einen Betrag von über 20.000 Euro pro Jahr für die
Deckung des Bürokostenbedarfs gewährt. Der Beamte kann danach selbst entscheiden,
wo er seine Büroräume einrichtet. Entscheidet er sich - wie hier - dazu, die
Bürokostenpauschale zu sparen, indem er die Büroräume unter seiner Privatadresse
einrichtet, hat er die damit ggf. verbundenen Nachteile selbst in Kauf zu nehmen und zu
verantworten. Überdies ist nicht ersichtlich, dass von den Angaben in der
Gerichtsvollzieher-Datenbank eine erhöhte Gefährdung des Antragstellers ausginge.
Der Antragsgegner weist zu Recht darauf hin, dass die Gefahr von Gewalttaten in erster
Linie von in Anspruch genommenen Schuldnern ausgeht, die den Namen und die
Adresse des Gerichtsvollziehers ohnehin kennen. Auch die allgemeine Gefahr, Opfer
von Straftaten zu werden, wird durch die Gerichtsvollzieher-Datenbank nicht erhöht.
Dass die Büros von Gerichtsvollziehern im Hinblick auf einen dort etwa vermuteten
Bargeldbestand einem gegenüber Büro- und Geschäftsräumen erhöhten
Einbruchsrisiko unterliegen, ist durch nichts belegt, sondern scheint gerade bei
Objekten, die außerhalb der Dienstzeit auch privat bewohnt werden, angesichts der
damit verbundenen Entdeckungs- und Konfrontationsrisiken für einen potentiellen Täter
sogar eher zweifelhaft zu sein.
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Auch aus §§ 102 ff. LBG lässt sich entgegen der Ansicht des Antragstellers kein
Unterlassungsanspruch herleiten. Hier geht es nicht um die Veröffentlichung von Daten
aus Personalakten, sondern allein um die für die Durchführung hoheitlicher Aufgaben
erforderliche Individualisierung des jeweils zuständigen Hoheitsträgers. Ob dies allein
durch Gerichtsaushang oder zusätzlich durch Aufbau einer Internetdatenbank geschieht,
steht im Organisationsermessen des Antragsgegners, das dieser unter Berücksichtigung
aller für die Entscheidung relevanten Faktoren (etwaige Gefährdung der Amtswalter,
Fortentwicklung einer modernen, bürgerfreundlichen Justiz durch Einbeziehung neuer
Medien und Eröffnung neuer Recherchemöglichkeiten etc.) fehlerfrei ausgeübt hat.
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Ergänzend nimmt die Kammer Bezug auf die zutreffenden Ausführungen in der
Antragserwiderung, die durch das Vorbringen des Antragstellers auch unter
Berücksichtigung seines Schriftsatzes vom 16. Februar 2009 nicht erschüttert werden.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt
aus § 53 Abs. 3 Nr. 1 GKG i.V.m. § 52 Abs. 1 GKG, wobei mit Blick auf den
summarischen Charakter des Verfahrens die Hälfte des Regelwertes angemessen
erscheint.
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