Urteil des VG Mainz vom 10.11.2010

VG Mainz: aufschiebende wirkung, behörde, einspruch, bekanntgabe, satellit, quelle, verwaltungsgerichtsbarkeit, auflage, offenkundig, beratung

VG
Mainz
10.11.2010
3 L 1334/10.MZ
Baurecht
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Der Antrag wird abgelehnt.
Die Antragsteller haben die Kosten des Verfahrens zu tragen mit Ausnahme der außergerichtlichen
Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.
Der Wert des Verfahrensgegenstandes wird auf 3.750,00 € festgesetzt.
G r ü n d e
Der Antrag der Antragsteller, der gemäß §§ 122 Abs. 1, 88 VwGO als Antrag auf Anordnung der
aufschiebenden Wirkung auszulegen ist, weil eine Baugenehmigung kraft Gesetzes sofort vollziehbar ist
(§ 212 a BauGB), ist bereits unzulässig, weil den Antragstellern das Rechtsschutzinteresse fehlt. Sie
haben nämlich gegen die der Beigeladenen erteilte und ihnen am 2. Oktober 2010 mit
Rechtsbehelfsbelehrung zugestellte Baugenehmigung vom 29. September 2010 keinen Widerspruch
erhoben, so dass es an schon einem Rechtsbehelf fehlt, dessen aufschiebende Wirkung angeordnet
werden könnte. Da mittlerweile auch die Widerspruchsfrist des § 68 Abs. 1 VwGO abgelaufen ist, ist die
Baugenehmigung der Beigeladenen überdies in Bestandskraft erwachsen, so dass der Antrag auch aus
diesem Grunde unzulässig ist.
Ein nach § 80 a Abs. 3 Satz 2 i.V. mit § 80 Abs. 5 VwGO statthafter Antrag auf Anordnung der
aufschiebenden Wirkung setzt begriffsnotwendigerweise voraus, dass der Antragsteller einen
Rechtsbehelf – dies wäre im vorliegenden Fall der Widerspruch gewesen – erhoben hat, der entgegen
dem Regelfall des § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO kraft Gesetzes aufschiebende Wirkung entfaltet (vgl. OVG
Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 8. November 1994 – 7 B 12827/94.OVG –, NJW 1995, 1043; Schoch in:
Schoch/Schmidt-Aßmann, Pietzner, VwGO, Stand: Mai 2010, § 80 Rdnr. 314 [m.w.N.]). Einen solchen
Rechtsbehelf in Gestalt des Widerspruchs haben die Antragsteller nicht erhoben. Eine
Widerspruchserhebung kann insbesondere auch nicht darin gesehen werden, dass sie am 4. Oktober
2010 einen als „Einspruch“ bezeichneten Rechtsbehelf beim beschließenden Gericht erhoben haben.
Dieser „Einspruch“ kann ungeachtet dessen, dass er offenkundig vom Bauamt der Antragsgegnerin als
Widerspruch aufgefasst wurde, nicht als Widerspruch angesehen werden.
Ein beim Verwaltungsgericht eingereichter Schriftsatz – Klage oder Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz –,
der, auch wenn er im Hinblick auf das rechtliche Gehör gemäß § 86 Abs. 4 Satz 3 VwGO den übrigen
Beteiligten zu übermitteln ist, in erster Linie für das Gericht bestimmt ist, kann nur dann zugleich als an die
Behörde gerichteter Widerspruch gewertet werden, wenn darin mit hinreichender Deutlichkeit zugleich der
Wunsch nach Einleitung und Durchführung des förmlichen Widerspruchsverfahrens nach §§ 68 ff. VwGO
bei der Behörde zum Ausdruck gebracht wird. Bei einer Erklärung, die nicht unmittelbar an die Behörde
gerichtet ist, kann im Hinblick auf die für eine verfahrenseinleitende Handlung notwendige Klarheit auf
dieses Erfordernis nicht verzichtet werden (vgl. OVG Hamburg, Urteil vom 28. Juli 1995 – Bf IV 14/94 –,
juris [Rdnr. 46]). Diese Klarheit und Deutlichkeit eines Wunsches auf Einleitung des
Widerspruchsverfahrens kommt in dem Schreiben der Antragsteller vom 4. Oktober 2010 an keiner Stelle
zum Ausdruck, denn dort legen die Antragsteller lediglich ihre Einwände gegen das Vorhaben der
Beigeladenen dar, ohne überhaupt auf eine Überprüfung der Baugenehmigung durch die
Antragsgegnerin auch nur mit einem Wort einzugehen.
Hinzu kommt, dass die Antragsteller auch keinen wirksamen Widerspruch mehr erheben könnten, weil die
Widerspruchsfrist des § 70 Abs. 1 VwGO zwischenzeitlich abgelaufen und die streitgegenständliche
Baugenehmigung damit in Bestandskraft erwachsen ist. Nach § 70 Abs. 1 VwGO ist der Widerspruch
binnen eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsaktes zu erheben; Voraussetzung hierfür ist
insoweit, dass der Beschwerte ordnungsgemäß belehrt worden ist. Dies ist vorliegend der Fall. Den
Antragstellern wurde ein Abdruck der der Beigeladenen erteilten Baugenehmigung mit dem mit einer
ordnungsgemäßen Rechtsbehelfsbelehrung versehenen Schreiben vom 29. September 2010 am 2.
Oktober 2010 gegen Postzustellungsurkunde zugestellt. Damit endete die Monatsfrist des § 70 Abs. 1
VwGO am 2. November 2010. Innerhalb dieses Zeitraums haben die Antragsteller keinen Widerspruch
erhoben, wie sich aus der Mitteilung der Antragsgegnerin vom 9. November 2010 ergibt. Dies hat für den
vorliegenden Antrag zur Folge, dass dieser mit Eintritt der Unanfechtbarkeit der Baugenehmigung
unzulässig wurde (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 16. Auflage 2009, § 80 Rdnr. 130 [m.w.N.]).
Ungeachtet dessen hätte der Antrag auch in der Sache keinen Erfolg gehabt. Denn die der Beigeladenen
erteilte Baugenehmigung verstößt nicht zu Lasten der Antragsteller gegen drittschützende Vorschriften.
Insbesondere erweist sich die genehmigte Aufstockung des Daches um 1,16 m nicht als rücksichtslos,
denn sie fügt sich in die Eigenart der näheren, durch ein- und zweigeschossige Bebauung geprägten
Umgebung ein und führt auch nicht zu unzumutbarer Verschattung ihres Grundstücks. Soweit die
Antragsteller des Weiteren durch die Dachaufstockung nachteilige Auswirkungen auf den
Rundfunkempfang per Satellit bzw. auf den wirtschaftlichen Betrieb einer thermischen oder
Photovoltaikanlage befürchten, handelt es sich insoweit um Gesichtspunkte, die baurechtlich nicht fassbar
sind und schon deshalb nicht zur Rücksichtslosigkeit des Vorhabens in baurechtlichem Sinne führen
können.
Die Kostenfolge ergibt sich aus §§ 154 Abs. 1 und 3, 162 Abs. 3 VwGO.
Der Wert des Verfahrensgegenstandes beruht auf §§ 52 Abs. 1, 53 Abs. 3 Nr. 2 VwGO i.V. mit Ziffern 1.5
und 9.7.1 des Streitwertkataloges für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (NVwZ 2004, 1327 ff.).