Urteil des VG Mainz vom 15.12.2009

VG Mainz: aufschiebende wirkung, anfechtungsklage, rechtsverletzung, genehmigungsverfahren, herkunft, verwertung, verordnung, vorprüfung, rechtsschutz, interessenabwägung

VG
Mainz
15.12.2009
3 L 1220/09.MZ
Baurecht
Verwaltungsgericht Mainz
3 L 1220/09.MZ
wegen Baugenehmigung, Kleintierkrematorium
hier: Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO
hat die 3. Kammer des Verwaltungsgerichts Mainz aufgrund der Beratung vom 15. Dezember 2009, an der
teilgenommen haben Richter am Verwaltungsgericht Ermlich
Richter am Verwaltungsgericht Hildner
Richterin am Verwaltungsgericht Nesseler-Hellmann
beschlossen:
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Antragsteller haben die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der
Beigeladenen zu tragen.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 3.750,00 € festgesetzt.
Gründe:
I. Die Antragsteller sind Eigentümer des Grundstücks Gemarkung H., Flur X, Flurstück XXXX. Sie wenden
sich gegen die der Beigeladenen zu 1) am 11. Februar 2009 erteilte Baugenehmigung zur Errichtung
eines Gebäudes, in dem eine Einäscherungsanlage für Heimtiere (sogenanntes Kleintierkrematorium)
betrieben werden soll, sowie eine am 4. September 2009 erteilte Nachtragsbaugenehmigung. Die
vorbezeichneten Grundstücke liegen gemäß den Festsetzungen des Bebauungsplans N100 der
Antragsgegnerin in einem Gewerbegebiet. Die Antragsteller legten gegen die Baugenehmigung am
13. März 2009 und gegen die Nachtragsgenehmigung am 22. September 2009 Widerspruch ein. Die
Antragsteller haben am 22. Oktober 2009 einen Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz gestellt. Sie tragen
im Wesentlichen vor: Das Vorhaben der Beigeladenen bedürfe einer immissionsschutzrechtlichen
Genehmigung, sodass ihrem Widerspruch aufschiebende Wirkung zukomme. Im Übrigen fehlten in dem
Bescheid vom 11. Februar 2009 materielle immissionsschutzrechtliche Auflagen. Der Betrieb eines
Kleintierkrematoriums stehe zudem im Widerspruch zur Festsetzung eines Gewerbegebiets im
Bebauungsplan. Die Antragsteller beantragen, festzustellen, dass ihre Widersprüche vom 12. März 2009
gegen die Baugenehmigung der Antragsgegnerin vom 11. Februar 2009 und vom 21. September 2009
gegen die Nachtragsgenehmigung vom 4. September 2009 zur Baugenehmigung aufschiebende Wirkung
haben,
hilfsweise,
hilfsweise,
die aufschiebende Wirkung der Widersprüche vom 12. März 2009 gegen die Baugenehmigung der
Antragsgegnerin vom 11. Februar 2009 und vom 21. September 2009 gegen die Nachtragsgenehmigung
vom 4. September 2009 zur Baugenehmigung vom 11. Februar 2009 anzuordnen.
Die Antragsgegnerin beantragt, den Antrag abzulehnen.
Sie ist der Ansicht, dass die Antragsteller nicht in drittschützenden Rechten verletzt würden.
Die Beigeladenen stellen keinen Antrag und sehen von einer Stellungnahme ab.
II. Die Antragsteller haben weder mit ihrem Haupt- noch mit ihrem Hilfsantrag Erfolg. 1. Die Antragsteller
können nicht die Feststellung verlangen, dass ihren Widersprüchen gegen die der Beigeladenen zu 1)
erteilte Baugenehmigung sowie die Nachtragsbaugenehmigung aufschiebende Wirkung zukommt. Eine
solche Feststellung kommt dann in Betracht, wenn eine Vollziehung droht, obwohl die Voraussetzungen
des § 80 Abs. 2 VwGO, also das Entfallen der aufschiebenden Wirkung von Widerspruch und
Anfechtungsklage, nicht vorliegen (sog. faktische Vollziehung; vgl. Kopp/Schenke, VwGO, Komm., 16. Aufl.
2009, § 80 Rn. 181). Diese Voraussetzungen liegen hier aber nicht vor. Richtig ist zwar, dass das Bundes-
Immissionsschutzgesetz keinen gesetzlichen Ausschluss der aufschiebenden Wirkung von Widerspruch
und Anfechtungsklage vorsieht. Vorliegend steht indessen eine Baugenehmigung im Streit, für die § 212 a
Abs. 1 des Baugesetzbuchs (BauGB) gilt. Danach haben Widerspruch und Anfechtungsklage eines Dritten
gegen die bauaufsichtliche Zulassung eines Vorhabens keine aufschiebende Wirkung. Eine
Rechtsverletzung der Antragssteller folgt – wie im Folgenden dargelegt wird – jedoch nicht allein daraus,
dass ein – möglicherweise an sich gebotenes – immissionsschutzrechtliches Verfahren nicht durchgeführt
wurde. Wenn sich aber ein Dritter materiell-rechtlich nicht mit Erfolg darauf berufen kann, dass eine
Baugenehmigung an Stelle einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung erteilt wurde, muss dies erst
recht für die verfahrensrechtliche Frage gelten, ob § 212 a Abs. 1 BauGB Anwendung findet. Ficht ein
Dritter eine an einen anderen gerichtete Baugenehmigung an, kann er also nicht geltend machen, dass
sein Widerspruch oder seine Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung hat, weil in der Sache ein
Verfahren nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz hätte durchgeführt werden müssen. Ob eine andere
Bewertung geboten ist, wenn eine Behörde rechtsmissbräuchlich ein bestimmtes Verfahren wählt, bei
dem die aufschiebende Wirkung von Widerspruch und Anfechtungsklage gesetzlich ausgeschlossen ist,
mag dahinstehen. Denn es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass die Antragsgegnerin bewusst in
Umgehung der Rechtslage gehandelt hätte. Die Antragsgegnerin durfte sich vielmehr in Übereinstimmung
mit der rechtlichen Würdigung durch das Ministerium für Umwelt, Forsten und Verbraucherschutz sehen,
das ebenfalls eine baurechtliche anstelle einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung für
ausreichend hielt, wie den Beteiligten aus dem Verfahren 3 K 90/09.MZ bekannt ist. Eine unangemessene
Beeinträchtigung der Rechte der Antragsteller aus Art. 19 Abs. 4 GG ist mit der Anwendbarkeit des § 212 a
Abs. 1 BauGB nicht verbunden. Diese Bestimmung gewährleistet nicht die aufschiebende Wirkung von
Rechtsbehelfen schlechthin. Der Gesetzgeber ist vielmehr berechtigt, Ausnahmen von der grundsätzlich
aufschiebenden Wirkung von Widerspruch und Anfechtungsklage zu normieren. Mit Blick auf Art. 19 Abs.
4 GG ist es erforderlich, aber auch ausreichend, dass der Betroffene trotz einer von Gesetzes wegen
fehlenden aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs oder seiner Klage die Möglichkeit hat, effektiven
– d.h. hier auch vorläufigen – Rechtsschutz durch eine gerichtliche Anordnung der aufschiebenden
Wirkung zu erhalten (vgl. BVerfG, Beschluss vom 30. Oktober 2009 – 1 BvR 2395/09 –, juris, Rn. 6). Diese
Möglichkeit ist durch § 80 Abs. 5 Satz 1 Alternative 1 VwGO hinreichend gewährleistet, der es dem Gericht
der Hauptsache erlaubt, die aufschiebende Wirkung anzuordnen (vgl. auch OVG NRW, NVwZ 2003, 361
[362]). 2. Auch der auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Widersprüche gerichtete Hilfsantrag
bleibt ohne Erfolg. Er ist zwar nach §§ 80 a Abs. 3, 80 Abs. 5 Satz 1 Alternative 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 3
VwGO i.V.m. § 212 a BauGB statthaft und auch im Übrigen zulässig, jedoch unbegründet. Für die nach
§§ 80 a Abs. 3, 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO zu treffende Ermessensentscheidung des Gerichts sind die
gegenläufigen Interessen der Antragsteller und der Beigeladenen für den Zeitraum bis zur Entscheidung
im Hauptsacheverfahren gegeneinander abzuwägen. Dabei ist die aufschiebende Wirkung des
Rechtsbehelfs anzuordnen, wenn ernstliche Zweifel an der Vereinbarkeit des Vorhabens mit Vorschriften
bestehen, die zugunsten der Antragsteller nachbarschützend wirken. Demgegenüber ist der Antrag
abzulehnen, wenn die Baugenehmigung offensichtlich nicht gegen solche Normen verstößt. Sind die
Erfolgsausschichten offen, ist eine umfassende Interessenabwägung vorzunehmen. Hiernach fällt die
Interessenabwägung zugunsten der Beigeladenen aus, da die angefochtene Baugenehmigung nach der
im Eilverfahren allein möglichen und gebotenen summarischen Prüfung zumindest nicht offensichtlich
Rechte der Antragsteller verletzt. a) Ob das Kleintierkrematorium immissionsschutzrechtlich hätte
genehmigt werden müssen, kann dahinstehen. Denn selbst wenn das Vorhaben eine nach § 4 Abs. 1
BImSchG i.V.m. der Verordnung über genehmigungsbedürftige Anlagen (4. BImSchV)
genehmigungsbedürftige Anlage darstellt, können die Antragsteller hieraus keine Verletzung eigener
Rechte herleiten. Begreift man ein Kleintierkrematorium als Anlage zur Beseitigung fester, nicht
gefährlicher Abfälle durch thermische Verfahren mit einem Abfalleinsatz von bis zu 3 Tonnen pro Stunde
nach Nr. 8.1 Spalte 2 a) des Anhangs zur 4. BImSchV (so VG Ansbach, Beschluss vom 13. Juni 2008 – AN
11 S 08.00625 –, juris, Rn. 36), hat dies zwar zur Folge, dass nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 4. BImSchV ein
Genehmigungsverfahren nach § 19 BImSchG im vereinfachten Verfahren durchzuführen ist. Der Vorbehalt
einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung im Verfahren nach § 19 BImSchG ist allerdings nicht
drittschützend (BVerwGE 85, 368 [374 ff.]; BVerwGE 131, 352 [368 f.]). Eine Rechtsverletzung der
Antragsteller ergibt sich auch nicht daraus, dass für Anlagen zur Beseitigung oder Verwertung nicht
gefährlicher Abfälle durch thermische Verfahren mit einem Abfalleinsatz bis zu 3 Tonnen pro Stunde nach
§ 3 c Satz 1 des Gesetzes über die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVPG) i.V.m. Nr. 8.1.3 der Anlage 1
zum UVPG eine allgemeine Vorprüfung des Einzelfalls geboten ist, wenn das Vorhaben nach
Einschätzung der zuständigen Behörde aufgrund überschlägiger Prüfung unter Berücksichtigung der in
der Anlage 2 zum Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung aufgeführten Kriterien erhebliche
nachteilige Umweltauswirkungen haben kann, die nach § 12 UVPG zu berücksichtigen wären. Eine
solche Vorprüfung ist zwar unterblieben. Drittschutz vermittelt § 3 c Satz 1 UVPG als Verfahrensvorschrift
indessen nicht (OVG RP, Urteil vom 21. Mai 2008 – 8 A 10910/07.OVG –, veröffentlich in ESOVGRP).
Ebenso wenig können sich die Antragsteller darauf berufen, dass für die Entscheidung über die Erteilung
einer Genehmigung für eine genehmigungsbedürftige Anlage im Sinne der Nr. 8.1 des Anhangs zur
4. BImSchV gemäß § 1 Abs. 1 der Landesverordnung über Zuständigkeiten auf dem Gebiet des
Immissionsschutzes vom 14. Juni 2002 (ImSchZuVO; GVBl. S. 280) i.V.m. Nr. 1.1.1 der Anlage hierzu die
Struktur- und Genehmigungsdirektion sachlich zuständig ist. Denn die Vorschriften über die
Zuständigkeiten von Behörden zur Erteilung einer immissionsschutzrechtlichen Genehmigung im
vereinfachten Verfahren nach § 19 BImSchG sind nicht nachbarschützend (OVG NRW, a.a.O., S. 363).
Keine für die Antragsteller günstigere Sichtweise ergibt sich, wenn man ihrer Auffassung folgt und das
Kleintierkrematorium als eine nach Nr. 7.12 Spalte 1 des Anhangs zur 4. BImSchV
genehmigungsbedürftige Anlage zur Beseitigung oder Verwertung von Tierkörpern oder tierischen
Abfällen oder als Anlage, in denen Tierkörper, Tierkörperteile oder Abfälle tierischer Herkunft zum Einsatz
in diesen Anlagen gesammelt oder gelagert werden, versteht. Bei diesen Anlagen ist zwar gemäß § 2 Abs.
1 Nr. 1 Buchst. a 4. BImSchV – in sachlicher Zuständigkeit der Antragsgegnerin (§ 1 Abs. 1 ImSchZuVO
i.V.m. Nr. 1.1.1 der Anlage) – ein Genehmigungsverfahren nach § 10 BImSchG durchzuführen. Jedoch
vermittelt auch diese Verfahrensvorschrift keinen Drittschutz (OVG RP, LKRZ 2009, 227 [228]). Gleiches
gilt, soweit für die Errichtung und den Betrieb einer Anlage zur Beseitigung oder Verwertung von
Tierkörpern oder tierischen Abfällen mit einer Verarbeitungsleistung von weniger als 10 Tonnen je Tag
gemäß § 3 c Satz 2 UVPG i.V.m. Nr. 7.19.2 der Anlage 1 zum UVPG eine standortbezogene Vorprüfung
des Einzelfalls vorgesehen ist. b) Die Antragsteller haben im Fall der Verwirklichung eines Vorhabens
ohne das objektiv-rechtlich erforderliche Genehmigungsverfahren nur einen öffentlich-rechtlichen
Abwehranspruch, soweit das Vorhaben sie in ihren materiellen Rechten verletzt. Eine solche
Rechtsverletzung lässt sich hier jedoch nicht feststellen. Der bundesrechtlich fundierte sogenannte
Gebietserhaltungsanspruch, der auch im Anwendungsbereich des Bundes-Immissionsschutzgesetzes gilt
(vgl. BVerwG, NVwZ 2000, 679 f.), wird durch die erteilte Baugenehmigung zum Betrieb eines
Kleintierkrematoriums nicht beeinträchtigt. Zu den Aufgaben des Bauplanungsrechts gehört es, die
einzelnen Grundstücke einer auch im Verhältnis untereinander verträglichen Nutzung zuzuführen. Indem
es in dieser Weise auf einen Ausgleich möglicher Bodennutzungskonflikte zielt, bestimmt es zugleich den
Inhalt des Grundeigentums. Bauplanungsrechtlicher Nachbarschutz beruht demgemäß auf dem
Gedanken des wechselseitigen Austauschverhältnisses. Weil und soweit der Eigentümer eines
Grundstücks in dessen Ausnutzung öffentlich-rechtlichen Beschränkungen unterworfen ist, kann er deren
Beachtung grundsätzlich auch im Verhältnis zum Nachbarn durchsetzen. Der Hauptanwendungsfall im
Bauplanungsrecht für diesen Grundsatz sind die Festsetzungen eines Bebauungsplans über die Art der
baulichen Nutzung. Durch sie werden die Planbetroffenen im Hinblick auf die Nutzung ihrer Grundstücke
zu einer rechtlichen Schicksalsgemeinschaft verbunden. Die Beschränkung der Nutzungsmöglichkeiten
des eigenen Grundstücks wird dadurch ausgeglichen, dass auch die anderen Grundeigentümer diesen
Beschränkungen unterworfen sind. Soweit die Gemeinde durch die Baunutzungsverordnung zur
Festsetzung von Baugebieten ermächtigt wird, schließt die Ermächtigung deshalb ein, dass die
Gebietsfestsetzung grundsätzlich nachbarschützend sein muss (zu Inhalt und Ableitung des
Gebietserhaltungsanspruchs vgl. BVerwGE 94, 151). Vorliegend befinden sich sowohl das Grundstück der
Antragsteller als auch das für den Betrieb des Kleintierkrematoriums vorgesehene Grundstück in einem
Gewerbegebiet im Sinne des § 8 der Baunutzungsverordnung (BauNVO). Nach dessen Absatz 1 dienen
diese Gebiete vorwiegend der Unterbringung von nicht erheblich belästigenden Gewerbebetrieben.
Ausdrücklich zulässig sind Gewerbebetriebe aller Art, Lagerhäuser, Lagerplätze und öffentliche Betriebe
(§ 8 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO). Das in Rede stehende Kleintierkrematorium ist – bei der gebotenen begrenzt
typisierenden Betrachtungsweise – keine erheblich belästigende, industriegebiets-typische Anlage. Der
Betrieb eines Kleintierkrematoriums stellt eine zulässige Nutzung in einem Gewerbegebiet am Maßstab
der städtebaulichen Ordnung dar. Gewerbegebiete zeichnen sich dadurch aus, dass in ihnen gearbeitet
wird. Nach dem Leitbild der Baunutzungsverordnung sind sie den produzierenden und artverwandten
Nutzungen vorbehalten. Nicht gewerbegebietstypisch ist nach der Rechtsprechung des
Bundesverwaltungsgerichts eine Feuerbestattungsanlage für menschliche Leichname (BVerwG, NVwZ
2006, 457). Der traditionelle Standort eines solchen Krematoriums ist in der Regel das Friedhofsgelände.
Im Unterschied zu diesen sind Gewerbegebiete nicht durch Stille und Beschaulichkeit, sondern durch
werktägliche Geschäftigkeit geprägt. Deshalb sind Krematorien jedenfalls dann, wenn sie mit
Räumlichkeiten für Trauerfeierlichkeiten ausgestattet sind, für Gewerbegebiete nicht charakteristisch.
Diese Überlegungen sind nicht auf Tierkrematorien übertragbar, selbst wenn sie – wie hier vorgesehen –
über einen Raum verfügen, in dem sich die Halter oder sonstige Personen von dem toten Tier
„verabschieden“ können. Auch wenn im Einzelfall für die Betroffenen der Tod eines Tieres ebenso
schmerzhaft wie der Verlust eines Menschen sein mag, so bleibt bei typisierender Betrachtung die Trauer
beim Ableben eines Menschen damit nicht vergleichbar. Anders als Feuerbestattungsanlagen können
Kleintierkrematorien als Gewerbebetrieb im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 BauNVO angesehen werden.
Vorliegend entsteht nicht dadurch eine unzulässige Nutzung, dass sich in der näheren Umgebung bereits
eine Backstube nebst Verkauf und Café, ein Küchen-, ein Kraftfahrzeughandel sowie ein Gebets- und
Versammlungssaal der Zeugen Jehovas befinden. Den Charakter eines Baugebiets bestimmen die
typisierenden Regelungen der Baunutzungsverordnung. Auch die Immissionsträchtigkeit des
Kleintierkrematoriums und seine Immissionsverträglichkeit stehen mit der Festsetzung eines
Gewerbegebiets im Einklang. Der Umstand allein, dass ein Kleintierkrematorium als eine gemäß § 4 Abs.
1 BImSchG i.V.m. Nr. 7.12 Spalte 1 oder Nr. 8.1 Spalte 2 a) der Anlage zur 4. BImSchV
immissionsschutzrechtlich genehmigungsbedürftige Anlage anzusehen wäre, würde nicht ihre
bauplanungsrechtliche Unzulässigkeit nach § 30 BauGB i.V.m. § 8 BauNVO bewirken. Dies ergibt sich
insbesondere aus § 15 Abs. 3 BauNVO, wonach die Zulässigkeit von Anlagen in den Baugebieten nicht
allein nach den verfahrensrechtlichen Einordnungen des Bundes-Immissionsschutzgesetzes und der auf
seiner Grundlage erlassenen Verordnungen zu beurteilen ist. Gleichwohl kennzeichnet die
immissionsschutzrechtliche Genehmigungsbedürftigkeit eines Anlagentyps ein anlagentypisches
Gefährdungspotenzial, woraus bauplanungsrechtlich in aller Regel ein konkretes, die Gebietsprägung
beeinträchtigendes Störungspotenzial folgt. Etwas anderes gilt allerdings etwa dann, wenn der jeweilige
Betrieb in der Weise atypisch ist, dass er nach seiner Art und Betriebsweise von vornherein keine
Störungen befürchten lässt und damit seine Gebietsverträglichkeit dauerhaft und zuverlässig sichergestellt
ist. In diesem Fall ist er auch baurechtlich unbedenklich, ohne dass es der Bewilligung einer Befreiung
nach § 31 Abs. 2 BauGB bedürfte (vgl. zum Ganzen BVerwG, NVwZ 1993, 987). Von dem
verfahrensgegenständlichen Kleintierkrematorium werden aufgrund seiner konkreten Ausgestaltung bei
der im Eilverfahren allein möglichen und gebotenen summarischen Prüfung keine erheblichen
(Immissions-)Belästigungen ausgehen. Nach den Bestimmungen der Baugenehmigung muss die
(Tierkörper-)Verbrennungsanlage als Mitverbrennungsanlage mit niedriger Kapazität (Durchsatz weniger
als 50 Kilogramm pro Stunde) ausgelegt sein (Nr. 3 der Hinweise für den Bauherrn, S. 7 der
Genehmigung). Bereits durch diese geringe quantitative Leistungsfähigkeit unterscheidet sich das
Krematorium erheblich von den Anlagen nach Nr. 7.12 Spalte 1 oder Nr. 8.1 Spalte 2 a) des Anhangs zur
4. BImSchV in ihrer typischen Gestalt. Darüber hinaus ist sichergestellt, dass die Emissionen nicht über
das Maß hinausgehen, das die Antragsteller selbst für verbindlich halten. Die Verbrennungsanlage muss
nämlich – wie von den Antragstellern gefordert – den Vorgaben der Verordnung über Anlagen zur
Feuerbestattung (27. BImSchV) genügen. Die technische Anlagenbeschreibung der Verbrennungsanlage
Nr. 07/3867 der IFZW Industrieofen- und Feuerfestbau GmbH & Co. KG ist Bestandteil der
Antragsunterlagen und bei der Bauausführung zu beachten (Hinweise für den Bauherrn, S. 7 der
Baugenehmigung). In der Anlagenbeschreibung selbst heißt es nach Wiedergabe der
Emissionsgrenzwerte nach § 4 27. BImSchV, dass die „Anforderungen der 27. BImSchV“ eingehalten
werden. Entspricht die Anlage den Anforderungen der Verordnung über Anlagen zur Feuerbestattung, ist
davon auszugehen, dass ihr Betrieb nicht mit schädlichen Umwelteinwirkungen durch
Luftverunreinigungen verbunden ist. Da die Baugenehmigung allein Bezug auf die vorgenannte
Verbrennungsanlage nimmt, kommt es auf die in der „Eingabeunterlage“ der Firma Michaelis GmbH & Co.
KG, Veitshöchheim, beschriebene Anlage nicht weiter an. Die Antragsteller haben ihre Befürchtung, es
werde zu Geruchsbelästigungen kommen, nicht substantiiert. Soweit sie darüber hinaus meinen,
Immissionsbetroffene würden auffällige Gerüche sofort mit der Herkunft aus der Tierkörperbeseitigung in
Verbindung bringen und deshalb als ekelerregend und besonders belästigend empfinden, ist dies
ebenfalls nicht belegt. Eine derart subjektiv empfundene Belästigung würde nicht durch die Art und die
Charakteristik der Gerüche des Kleintierkrematoriums und durch die bloße Wahrnehmbarkeit dieser
Gerüche hervorgerufen; sie würde vielmehr erst durch das Hinzutreten der Kenntnis ihrer Herkunft und
einer negativen Einstellung zur Emissionsquelle ausgelöst. Eine persönliche Assoziation wie sonstige
persönliche Empfindlichkeiten spielen indessen bei der Beurteilung der Erheblichkeit keine Rolle (vgl.
OVG NRW, BauR 2006, 1279 [1280]). Vor diesem Hintergrund kommt auch kein Verstoß gegen das
Rücksichtnahmegebot aus § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO in Betracht. Danach sind bauliche Anlagen
unzulässig, wenn von ihnen Belästigungen oder Störungen ausgehen können, die nach der Eigenart des
Baugebiets selbst oder in dessen Umgebung unzumutbar sind, oder wenn sie solchen Belästigungen
oder Störungen ausgesetzt werden. Ebenso wenig wie eine erhebliche Belästigung im Sinne des § 8 Abs.
1 BauNVO lässt sich hier eine unzumutbare Belästigung oder Störung feststellen. Nach alledem haben
die Antragsteller auch keine Einschränkung der Nutzungsmöglichkeit ihres Grundstücks zu befürchten.
Schließlich können sich die Antragsteller nicht mit Erfolg auf die Dauer des Widerspruchsverfahrens
berufen. Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung aus diesem Grund wäre schon nicht mit dem
berechtigten Interesse der Beigeladenen zu 1) als Inhaberin der Baugenehmigung zu vereinbaren.
Zudem steht die fehlende Entscheidung über den Widerspruch wegen § 75 VwGO nicht dem Klageweg
entgegen, sodass effektiver gerichtlicher Rechtsschutz in der Hauptsache erlangt werden kann. 3. Die
Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1, 3, § 162 Abs. 3 VwGO. Die Festsetzung des Wertes des
Streitgegenstandes beruht auf §§ 53 Abs. 3, 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Abschnitt II Nr. 1.5 und 9.7.1 des
Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (NVwZ 2004, 1327).