Urteil des VG Mainz vom 10.02.2010
VG Mainz: öffentliche sicherheit, europäisches recht, polizei, ersuchte behörde, tschechische republik, sperrfrist, anerkennung, entziehung, berechtigung, ausstellung
VG
Mainz
10.02.2010
3 K 1216/09.MZ
Fahrerlaubnisrecht
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teilgenommen haben
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für Recht erkannt:>>
Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Die Berufung wird zugelassen.
T a t b e s t a n d
Der Kläger begehrt die Entfernung eines vom Beklagten in seiner am 02. März 2005 erteilten
tschechischen Fahrerlaubnis angebrachten Ungültigkeitsvermerks sowie die Rücknahme der
Behauptung, er sei nicht berechtigt, von dieser Fahrerlaubnis auf dem Gebiet der Bundesrepublik
Deutschland Gebrauch zu machen.
Der am 19. April 1966 geborene Kläger erwarb im Juli 1985 erstmals die Fahrerlaubnis der Klassen 1 und
3. Diese wurde ihm durch Strafbefehl des Amtsgerichts M. vom 28. April 1993 wegen vorsätzlicher
Trunkenheitsfahrt (1,83 ‰) entzogen, und es wurde eine Sperrfrist von acht Monaten für die
Wiedererteilung der Fahrerlaubnis verhängt.
Am 12. Dezember 1996 erwarb der Kläger erneut die Fahrerlaubnis, diesmal der Klassen 1, 1 a, 1 b, 3, 4
und 5. Diese wurde ihm durch Strafbefehl des Amtsgerichts M. vom 17. Juni 1999 wegen fahrlässiger
Trunkenheitsfahrt (1,70 ‰) entzogen, und es wurde eine Sperrfrist von 12 Monaten für die Wiedererteilung
der Fahrerlaubnis verhängt. In der Folgezeit beantragte der Kläger keine weitere deutsche Fahrerlaubnis.
Am 08. August 2005 wurde der Kläger einer Verkehrskontrolle durch die Polizei unterzogen. Dabei legte
er einen am 02. März 2005 durch die Stadtbehörde Sokolov ausgestellten tschechischen Führerschein
vor, in die unter Ziffer 8 als Wohnort „Sokolov“ eingetragen ist. Nachdem eine ZEVIS-Überprüfung ergab,
dass der Kläger einen Eintrag über die gerichtliche Entziehung der Fahrerlaubnis mit einer Sperrfrist hat,
wurde der Beklagte durch die Polizei von dem Vorhandensein der tschechischen Fahrerlaubnis des
Klägers in Kenntnis gesetzt.
Nachdem eine Einwohnermeldeabfrage ergeben hatte, dass der Kläger seit dem 01. Juli 2003 unter der
Anschrift „G.-gasse XX, XXXXX S.-E.“ polizeilich gemeldet war, bat der Beklagte das Kraftfahrt-Bundesamt
mit Schreiben vom 28. August 2005 um Anfrage bei der Ausstellungsbehörde, warum dem Kläger unter
Verstoß gegen das Wohnsitzerfordernis des Art. 7 Abs. 1 a der Richtlinie 91/439/EWG eine Fahrerlaubnis
erteilt worden sei.
Unter dem 22. November 2007 teilte das Bezirksamt des Bezirks Karlovy Vary (Karlsbad) mit, dass in der
Sache „Ausstellung der tschechischen Fahrerlaubnis Nr. EA XXXXXX durch die Stadtbehörde Sokolov,
Hauptabteilung Verkehrsverwaltungsangelegenheiten, an den deutschen Staatsangehörigen D. B., geb.
19. April 1966, wohnhaft Bundesrepublik Deutschland, XXXXX Stadt E., G.-gasse XX“, die Eingabe des
Kraftfahrt-Bundesamtes an die Stadtbehörde Sokolov, Hauptabteilung
Verkehrsverwaltungsangelegenheiten, als sachlich und örtlich zuständiges Verwaltungsorgan
weitergeleitet worden sei.
Auf Anfrage des Beklagten teilte das Gemeinsame Zentrum der deutsch-tschechischen Polizei- und
Zollzusammenarbeit in Schwandorf mit Schreiben vom 29. Dezember 2008 u.a. mit, dass der Kläger in der
Tschechischen Republik nicht mit Wohnsitz gemeldet war und ist.
Nachdem der Kläger bereits unter dem 06. November 2008 zur Vorlage seiner tschechischen
Fahrerlaubnis zur Eintragung der Nichtberechtigung für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland
augefordert worden war, wurde ihm am 19. Januar 2009 unter Ziffer 13 ein Aberkennungsvermerk nach §
47 Abs. 2 Satz 1 FeV für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland in seine tschechische Fahrerlaubnis
eingetragen.
Am 22. Oktober 2009 hat der Kläger Klage erhoben.
Er trägt vor: Die seitens des Beklagten vorgenommene Eintragung des Ungültigkeitsvermerks für das
Gebiet der Bundesrepublik Deutschland in seine tschechische Fahrerlaubnis verstoße gegen
europäisches Recht und stelle eine Verletzung des Territorialitätsprinzips bzw. Souveränitätsprinzips
sowie des Gedankens des gegenseitigen Vertrauens dar. Zwar habe der Europäische Gerichtshof in
seinen Entscheidungen vom 26. Juni 2008 Ausnahmen i.S. von Art. 8 Abs. 4 der Richtlinie 91/439/EWG
dann zugelassen, wenn sich ein Verstoß gegen das Wohnsitzerfordernis dieser Richtlinie entweder aus
der ausländischen Fahrerlaubnis selbst oder aber aus unbestreitbaren Informationen des
Ausstellerstaates selbst ergebe; in diesen Fällen sei der Wiederaufnahmemitgliedsstaat ausnahmsweise
berechtigt, die Ungültigkeit der ausländischen Fahrerlaubnis selbst festzustellen. Diese Voraussetzungen
lägen aber eindeutig nicht vor. In seiner Fahrerlaubnis sei mit „Sokolov“ ein tschechischer Wohnsitz
eingetragen. Unbestreitbare Informationen aus der Tschechischen Republik gebe es nicht; diese könnten
insbesondere nicht der Stellungnahme des Gemeinsamen Zentrums der deutsch-tschechischen Polizei-
und Zollzusammenarbeit vom 29. Dezember 2008 entnommen werden. Denn die Begründung eines
Wohnsitzes und damit die Verlegung des Lebensmittelpunktes in einen anderen Mitgliedsstaat der
Europäischen Union sei keineswegs gleichzusetzen mit irgendwelchen Meldeadressen. Im Übrigen sei es
zu berücksichtigen, dass das Bezirksamt Karlovy Vary ein Überprüfungsverfahren eingeleitet habe, es
aber nicht zu einer Entziehung der Fahrerlaubnis durch die tschechischen Behörden gekommen sei.
Art. 11 Abs. 4 der Richtlinie 2006/126 EG (3. Führerscheinrichtlinie), sei vorliegend nicht anwendbar,
denn er sei erst am 19. Januar 2009 in Kraft getreten, und aus dem Erwägungsgrund Nr. 5 der Richtlinie
folge, dass vor Inkrafttreten der Richtlinie erteilte Fahrerlaubnisse von dieser unberührt blieben. Dies habe
auch das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz entschieden.
Der Kläger beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, den unter Ziffer 13 angebrachten Ungültigkeitsvermerk im tschechischen
Führerschein des Magistrats von Sokolov – Registernummer EA XXXXXX – vom 02. März 2005 zu
entfernen und die Behauptung zurückzunehmen, er sei nicht befugt, von dieser ausländischen
Fahrerlaubnis auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland Gebrauch zu machen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er ist der Auffassung, dass nach § 11 Abs. 4 der Richtlinie 2006/126/EG und § 28 Abs. 4 Nr. 3 FeV i.d.
Fassung vom 19. Januar 2009 der Aufnahmestaat berechtigt sei, einen von einem anderen Mitgliedsstaat
ausgestellten Führerschein abzulehnen, wenn (zuvor) die Fahrerlaubnis im Hoheitsgebiet des
aufnehmenden Staates entzogen worden sei. Dies sei beim Kläger der Fall, denn er habe nachweislich
drei Fahrten unter Alkoholeinfluss begangen, und ihm sei zweimal – zuletzt 1999 – die Fahrerlaubnis
entzogen worden. Anhaltspunkte dafür, dass die tschechischen Behörden bei der Ausstellung der
Fahrerlaubnis des Klägers die Mindestanforderungen in Anhang III Nr. 14 der Richtlinie 2006/126/EG
überprüft hätten, seien nicht ersichtlich. Die vom Kläger begangenen Straftaten wegen
Trunkenheitsfahrten seien nach § 29 Abs. 1 StVG i.V. mit § 29 Abs. 4 Nr. 3 StVG auch noch verwertbar, so
dass ihm in Deutschland nur unter Vorlage eines medizinisch-psychologischen Gutachtens eine
Fahrerlaubnis hätte erteilt werden können.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streistandes wird auf die Schriftsätze der Beteiligten in
den Gerichtsakten verwiesen. Die Verwaltungsvorgänge des Beklagten (2 Heftungen) liegen der Kammer
vor und waren Gegenstand der Beratung.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
Die als allgemeine Leistungsklage statthafte und auch ansonsten zulässige Klage hat in der Sache keinen
Erfolg. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Entfernung des unter Ziffer 13 in seiner tschechischen
Fahrerlaubnis angebrachten Ungültigkeitsvermerks für das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland und
auf Rücknahme der Behauptung, er dürfe von seiner tschechischen Fahrerlaubnis in der Bundesrepublik
Deutschland keinen Gebrauch machen. Denn die Anbringung des Ungültigkeitsvermerks durch den
Beklagten ist rechtlich nicht zu beanstanden.
Zunächst ist allerdings darauf hinzuweisen, dass die vom Beklagten als Rechtsgrundlage für die
Anbringung des Ungültigkeitsvermerks herangezogene Vorschrift des § 28 Abs. 4 Nr. 3 der Verordnung
über die Zulassung von Personen zum Straßenverkehr (Fahrerlaubnisverordnung – FeV) i.d. Fassung der
3. Verordnung zur Änderung der Fahrerlaubnis-Verordnung vom 07. Januar 2009 (BGBl. I S. 29), in Kraft
getreten am 19. Januar 2009 [n.F.]) keine taugliche Ermächtigungsgrundlage für einen Wegfall der
Fahrberechtigung des Klägers im Bundesgebiet darstellt. Denn diese Vorschrift dient der Umsetzung von
Art. 11 Abs. 4 2. Unterabschnitt der Richtlinie 2006/126/EG des Europäischen Parlamentes und des
Raters vom 20. Dezember 2006 über den Führerschein (Abl.EG Nr. L 403/18 vom 30. Dezember 2006),
der nach Art. 18 Abs. 2 RL am 19. Januar 2009 in Kraft getreten ist. Nach dieser Regelung lehnt ein
Mitgliedsstaat die Anerkennung der Gültigkeit eines Führerscheins ab, der von einem anderen
Mitgliedsstaat einer Person ausgestellt wurde, deren Führerschein im Hoheitsgebiet des erstgenannten
Mitgliedsstaates eingeschränkt, ausgesetzt oder entzogen worden ist. Art. 11 Abs. 4 2. Unterabschnitt RL
und die ihrer Umsetzung dienende Regelung in § 28 Abs. 4 Nr. 3 FeV n.F. sind jedoch auf
Fahrerlaubnisse, die vor Inkrafttreten der Regelung erteilt wurden, nicht anwendbar. Dies ergibt sich
bereits aus dem Erwägungsgrund Nr. 5 zur Richtlinie 2006/126/EG. Darüber hinaus erfolgt dies aber auch
daraus, dass eine Ausnahme von der den anderen EU-Mitgliedsstaaten „klar und eindeutig“ auferlegten
Pflicht zur Anerkennung einer von einem EU-Mitgliedsstaat erteilten Fahrerlaubnis mit der sich hieraus
ergebenden Fahrberechtigung des Fahrerlaubnisinhabers auch in anderen Mitgliedsstaaten, wie sie
vorliegend in Rede steht – d.h. die Nichtanerkennung – nur an den selben Zeitpunkt geknüpft sein kann,
wie die Anerkennung (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 31. Juli 2009 – 10 A 10060/09.OVG –). Da
vorliegend die dem Kläger ausgestellte tschechische Fahrerlaubnis bereits am 02. März 2005 und damit
lange vor Inkrafttreten des Art. 11 Abs. 4 2. Unterabschnitt der Richtlinie 2006/126/EG erteilt worden war,
kann der angebrachte Ungültigkeitsvermerk nicht auf die diese Regelung umsetzende Vorschrift des § 28
Abs. 4 Nr. 3 FeV n.F. gestützt werden.
Auch § 28 Abs. 4 Nr. 3 FeV in seiner bis 19. Januar 2009 geltenden Fassung (a.F.) stellt keine taugliche
Ermächtigungsgrundlage dar. Nach dieser Vorschrift gilt die Berechtigung nach Abs. 1 nicht für Inhaber
einer EU- oder EWR-Fahrerlaubnis, denen die Fahrerlaubnis im Inland u.a. vorläufig oder rechtskräftig
von einem Gericht entzogen worden ist. Zwar wurde dem Kläger rechtskräftig – zuletzt durch Strafbefehl
des Amtsgerichts M. vom 17. Juni 1999 – die Fahrerlaubnis entzogen und die Verwaltungsbehörde
zugleich angewiesen, dem Kläger vor Ablauf eines Jahres keine neue Fahrerlaubnis zu erteilen (vgl. Bl.
122 f. der Verwaltungsakten). Dies rechtfertigt im vorliegenden Fall gleichwohl jedoch keinen
Ungültigkeitsvermerk. Denn § 28 Abs. 4 Nr. 3 FeV a.F. – der der Umsetzung des Art. 8 Abs. 4 i.V. mit Abs. 2
der Richtlinie des Rates vom 29. Juli 1991 über den Führerschein (Abl.EG Nr. L 237 vom 24. August 1991)
dient – ist europarechtskonform dahingehend auszulegen, dass die Bundesrepublik Deutschland die
Anerkennung oder Gültigkeit eines von einem anderen Mitgliedsstaat ausgestellten Führerscheins nicht
deshalb ablehnen darf, weil im Hoheitsgebiet des erstgenannten Mitgliedstaats auf den Inhaber des
Führerscheins eine Maßnahme des Entzugs oder der Aufhebung einer von diesem Staat erteilten
Fahrerlaubnis angewendet wurde, wenn die zusammen mit dieser Maßnahme angeordnete Sperrfrist für
die Neuerteilung der Fahrerlaubnis in diesem Mitgliedstaat abgelaufen war, bevor der Führerschein von
dem anderen Mitgliedstaat ausgestellt worden ist (vgl. EuGH, Urteil vom 29. April 2004 – C-476/01 –
(Kapper), NJW 2004, 1725, 1728; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 31. Juli 2009, a.a.O.). Da vorliegend
die letztmalig strafgerichtlich verhängte Sperrfrist am 16. Juni 2000 abgelaufen ist (vgl. Schreiben des
Beklagten vom 26. Juli 1999 an den Kläger, Bl. 124 der Verwaltungsakten), die tschechische
Fahrerlaubnis des Klägers aber erst im März 2005 ausgestellt wurde, steht der Umstand der
rechtskräftigen strafgerichtlichen Entziehung der Fahrerlaubnis in Deutschland unter Verhängung einer
Sperrfrist der Berechtigung des Klägers nach § 28 Abs. 1 FeV, mit seiner tschechischen Fahrerlaubnis im
Bundesgebiet Fahrzeuge führen zu dürfen, nicht entgegen.
Die Anbringung des Ungültigkeitsvermerks in Ziffer 13 der Fahrerlaubnis des Klägers durch den
Beklagten findet seine Rechtsgrundlage jedoch in § 47 Abs. 2 Satz 1, Abs. 1 FeV i.V. mit § 28 Abs. 1, Abs.
4 Nr. 2 FeV a.F. Nach dieser Vorschrift ist ein EU-Führerschein der zuständigen Fahrerlaubnisbehörde zur
Eintragung einer Beschränkung vorzulegen, wenn dieser nicht zum Führen eines Kraftfahrzeuges im
Bundesgebiet berechtigt. Dies ist u.a. dann der Fall, wenn der Fahrerlaubnisinhaber unter Verstoß gegen
das – unmittelbar geltende – Wohnsitzerfordernis des Art. 7 Abs. 1 Buchst. b) der Richtlinie 91/439/EWG
(a.a.O.) – im Zeitpunkt der Erteilung der Fahrerlaubnis seinen ordentlichen Wohnsitz im Inland hatte,
wobei in europarechtskonformer Auslegung von § 28 Abs. 4 Nr. 2 FeV a.F. die Berechtigung nach Abs. 1
für den Inhaber einer EU-Fahrerlaubnis nur dann nicht gilt, wenn sich der Verstoß gegen das
Wohnsitzprinzip aus dem Führerschein selbst oder aber aus vom Ausstellungsmitgliedsstaat
herrührenden unbestreitbaren Informationen ergibt (vgl. EuGH, Urteil vom 26. Juni 2008 – C 334-336/06
(Zerche u.a.) –, Rdnr. 69, 70), wie dies nunmehr auch ausdrücklich in § 28 Abs. 4 Nr. 2 FeV n.F. normiert
ist. Diese Voraussetzungen sind vorliegend gegeben.
Zwar ergibt sich der Verstoß des Klägers gegen das Wohnsitzprinzip nicht aus seinem Führerschein
selbst, denn dort ist unter Ziffer 8 als Wohnsitz „Sokolov“ – eine Stadt in der Tschechischen Republik –
angegeben.
Allerdings hat der Beklagte durch Nachfrage bei dem Gemeinsamen Zentrum der deutsch-tschechischen
Polizei- und Zollzusammenarbeit in Erfahrung gebracht, dass der Kläger in der Tschechischen Republik
mit Wohnsitz weder gemeldet war noch ist (vgl. Schreiben vom 29. Dezember 2008 an den Beklagten, Bl.
209 der Verwaltungsakten). Hierbei handelt es sich um unbestreitbare Informationen i.S. der
Rechtsprechung des EuGH, welche der Beklagte auch zum Anlass nehmen durfte, den
streitgegenständlichen Ungültigkeitsvermerk in den Führerschein des Klägers einzutragen.
Soweit der Kläger zunächst bezweifelt, dass es sich bei Auskünften des Gemeinsamen Zentrums der
deutsch-tschechischen Polizei und Zollzusammenarbeit in Schwandorf überhaupt um Auskünfte des
Ausstellermitgliedsstaates handelt (vgl. insoweit S. 3 der Klageschrift vom 21. Oktober 2009, Bl. 3 der
Gerichtsakten), vermag sich die Kammer dem nicht anzuschließen. Denn bei den Auskünften des
Gemeinsamen Zentrums über die Wohnsitznahme eines Inhabers einer tschechischen Fahrerlaubnis in
der Tschechischen Republik handelt es sich um Auskünfte von Behörden der Tschechischen Republik.
Insoweit hat der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg in seinem Beschluss vom 27. Oktober 2009
– 10 S 2024/09 – (juris) zur Rechtsnatur des Gemeinsamen Zentrums ausgeführt:
„…Rechtsgrundlage dieser Einrichtung ist der den Prozessbevollmächtigten des Antragstellers
übersandte Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Tschechischen Republik über die
Zusammenarbeit der Polizeibehörden und der Grenzschutzbehörden in den Grenzgebieten vom
19.09.2000. Nach Art. 4 Abs. 1 des Vertrages („Besondere Formen der Zusammenarbeit“) leisten die in
Art. 2 des Vertrages genannten Behörden einander in den Grenzgebieten im Rahmen ihrer jeweiligen
Zuständigkeiten zur Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung Hilfe. Sofern die
ersuchte Behörde für die Erledigung des Ersuchens nicht zuständig ist, wird dieses an die hierfür
zuständige innerstaatliche Behörde weitergeleitet (Art. 4 Abs. 1 Satz 2 des Vertrages). Gegenstand eines
Hilfeersuchens nach Art. 4 Abs. 1 des Vertrages können nach Abs. 3 Informationen zu Führerscheinen
(Buchst. b) oder Informationen aus polizeilichen Ermittlungen und Unterlagen sowie aus
Informationssystemen, Registern und sonstigen Sammlungen nach Maßgabe der Rechtsvorschriften der
Vertragsstaaten (Buchst. j) sein. Auch aus der Regelung in Art. 5 des Vertrages über die „Zusammenarbeit
in gemeinsam besetzten Dienststellen“ ergibt sich, dass es sich dabei nicht etwa um eine supranationale
Einrichtung handelt. Vielmehr arbeiten Bedienstete der beiden Vertragsstätten in gemeinsamen
Einrichtungen lediglich zusammen, unterstehen aber ausschließlich der Weisungs- und Disziplinargewalt
ihrer jeweiligen nationalen Behörde (vgl. Art. 5 Abs. 3 Satz 1 des Vertrages). Dementsprechend stammen
die Auskünfte über die Wohnsitznah-me des Antragstellers in der Tschechischen Republik und die dort
erfolgte Erteilung einer Fahrerlaubnis der Klasse B sowie die Aushändigung von zwei Führerscheinen
(23.06.2006 sowie 03.09.2008) von Behörden der Tschechischen Republik…“ (a.a.O. Rdnr 8).
Diesen Ausführungen, die auf den vorliegenden Fall übertragbar sind, schließt sich die Kammer an.
Insbesondere wird aus dem hier in Rede stehenden Schreiben des Gemeinsamen Zentrums vom 29.
Dezember 2008 (a.a.O.) hinreichend deutlich, dass die tschechische Polizei die vom Beklagten erbetenen
Überprüfungen mit dem im Schreiben genannten Ergebnis durchgeführt hat.
Bei der in dem Schreiben des Gemeinsamen Zentrums vom 29. Dezember 2008 enthaltenen Information,
dass der Kläger in der Tschechischen Republik mit Wohnsitz weder gemeldet ist noch war, handelt es sich
entgegen der Auffassung des Klägers auch um unbestreitbare Informationen i.S. der Rechtsprechung des
Europäischen Gerichtshofes (vgl. Urteile vom 26. Juni 2008 – C 334-336/06 –, a.a.O., und – C 329, 343/06
– (Wiedemann u.a.), NJW 2008, 2043 f.). Zwar ist dem Kläger insoweit im Grundsatz zuzustimmen, dass
allein der Umstand, in einem anderen Mitgliedsstaat der Europäischen Union nicht gemeldet gewesen zu
sein, jedenfalls dann kein tragfähiges Kriterium für die Einhaltung des Wohnsitzerfordernisses des Art. 7
Abs 1 Buchst b) der Richtlinie 439/91/EWG sein kann, wenn es in dem betreffenden Staat keine
Meldepflicht gibt. Hiervon zu unterscheiden sind jedoch diejenigen Fälle, in denen - wie in der
Tschechischen Republik – eine Meldepflicht besteht. Insoweit kommt einer entsprechenden Auskunft, wie
sie in dem Schreiben des Gemeinsamen Zentrums vom 29. Dezember 2008 enthalten ist, sehr wohl der
Gehalt einer unbestreitbaren Information zu. Wie dieser Begriff rechtlich zu verstehen ist, ist bislang – auch
in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes – nicht abschließend geklärt (vgl. hierzu OVG
Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 10. Januar 2010 – 16 B 1413/09 –, juris [Rdnr 10]). Allerdings ist zur
Überzeugung der Kammer der Begriff der „unbestreitbaren Informationen“ i.S. der Rechtsprechung des
Europäischen Gerichtshofes (a.a.O.) nicht dergestalt zu verstehen, dass die Information unwiderleglich
sein muss, wie der Kläger offenbar meint. Eine derartige Diktion lässt sich zum einen den Urteilen des
Europäischen Gerichtshofes vom 26. Juni 2008 an keiner Stelle entnehmen. Zum anderen ist zu
berücksichtigen, dass die Befugnis der Behörden des Aufnahmemitgliedsstaates, Maßnahmen i.S. von Art.
8 Abs. 4 der Richtlinie 439/91/EWG zu ergreifen, vor dem Hintergrund des Grundsatzes der gegenseitigen
Anerkennung des Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie zu sehen ist. In diesem Zusammenhang führt der
Europäische Gerichtshof aus, dass es den Behörden des Aufnahmemitgliedsstaates aufgrund aus seinem
Geltungsbereich stammender Informationen verwehrt ist, Maßnahmen nach Art. 8 Abs. 4 der Richtlinie zu
ergreifen (vgl. Urteil vom 26. Juni 2008 – C 334-336/06, a.a.O. Rdnr. 69). Dagegen verstößt es zur
Überzeugung der Kammer nicht gegen den Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung in Art. 1 Abs. 2 der
Richtlinie, wenn Informationen, die einen Verstoß gegen das Wohnsitzerfordernis des Art. 7 Abs. 1 Buchst
b) der Richtlinie belegen, ausschließlich auf Erkenntnissen des Ausstellermitgliedsstaates beruhen, die
naturgemäß einer Überprüfung durch die Behörden des Aufnahmemitgliedstaates nicht zugänglich sind.
Insoweit liegt dann insbesondere auch kein Verstoß gegen die aus dem Anerkennungsgrundsatz
abgeleitete Befugnis des Ausstellermitgliedstaates vor, zu prüfen, ob die im Gemeinschaftsrecht
aufgestellten Mindestvoraussetzungen, insbesondere diejenigen hinsichtlich des Wohnsitzes und der
Fahreignung, erfüllt sind und ob somit die Erteilung – und gegebenenfalls Neuerteilung – einer
Fahrerlaubnis gerechtfertigt ist.
Handelt es sich bei der in dem Schreiben des Gemeinsamen Zentrums vom 29. Dezember 2008
wiedergegebenen Informationen der tschechischen Polizei mithin um unbestreitbare Informationen i.S.
der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes, so rechtfertigen diese vorliegend den
streitgegenständlichen Ungültigkeitsvermerks ungeachtet dessen, dass es sich insoweit um eine Auskunft
darüber handelt, dass der Kläger in der Tschechischen Republik nicht mit Wohnsitz gemeldet ist bzw. war.
Denn in den Fällen, in denen in einem Mitgliedsstaat eine Meldepflicht besteht – und hierzu gehört die
Tschechische Republik - darf ungeachtet dessen, dass es nach der Legaldefinition des ordentlichen
Wohnsitzes in Art. 9 der Richtlinie 439/91/EWG auf die in dieser Bestimmung genannten tatsächlichen
Bedingungen ankommt (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 14. September 2009 – 10 B
10819/09.OVG –), in rechtlich nicht zu beanstandender Weise vermutet werden, dass die in einer Auskunft
des Ausstellermitgliedsstaates wiedergegebene melderechtliche Situation der tatsächlichen Situation
entspricht mit der Folge, dass der Beklagte im vorliegenden Fall aufgrund der in dem Schreiben
Gemeinsamen Zentrums vom 29. Dezember 2008 enthaltenen Auskunft zu Recht davon ausgehen durfte,
dass der Kläger im Zeitpunkt der Ausstellung keinen Wohnsitz in der Tschechischen Republik hatte, so
dass ein Verstoß gegen das Wohnsitzerfordernis aufgrund unbestreitbarer Informationen des
Ausstellermitgliedsstaates besteht, zumal der Kläger selbst nicht einmal ansatzweise etwas anderes
dargetan hat (vgl. hierzu auch VG Düsseldorf, Beschluss vom 19. Januar 2010 – 14 L 1387/08 –, juris
[Rdnr. 32]).
Schließlich durfte der Beklagte die sich aus dem Schreiben des Gemeinsamen Zentrums vom 29.
Dezember 2008 ergebende Information zum Wohnsitz des Klägers seiner Entscheidung auch
zugrundelegen; insbesondere war er nicht an deren Verwertung gehindert, weil diese Information auf ein
Auskunftsersuchen des Beklagten zurückging. Soweit hierzu das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz
in seinem Beschluss vom 14. September 2009 (a.a.O.) ausgeführt hat, in den Fällen, in denen in einer EU-
Fahrerlaubnis ein Wohnsitz im Ausstellermitgliedstaat eingetragen sei, sei es den Behörden des
Fahrerlaubnis ein Wohnsitz im Ausstellermitgliedstaat eingetragen sei, sei es den Behörden des
Aufnahmemitgliedsstaates verwehrt, nachträgliche Ermittlungen dahingehend anzustellen, ob ungeachtet
der Wohnsitzangabe im Führerschein der Führerscheininhaber tatsächlich im Zeitpunkt der Ausstellung
seinen ordentlichen Wohnsitz im Ausstellermitgliedsstaat hatte, schließt sich die Kammer dem nicht an.
Denn soweit das Oberverwaltungsgericht zur Begründung seiner Auffassung auf die Ausführungen des
Europäischen Gerichtshofs in seinem Urteil vom 26. Juni 2008 – C-334-336/06 – (a.a.O.) verweist (vgl. S.
5 f. des Beschlussumdrucks), steht dem entgegen, dass der Europäische Gerichtshof in seinem zeitlich
später ergangenen Urteil vom 09. Juli 2009 – C 445/08 – (Wierer) ausdrücklich ausgeführt hat, dass
es die Richtlinie 439/91/EWG den zuständigen nationalen Behörden des Aufnahmemitgliedsstaates nicht
verwehrt, Informationen von einem anderen Mitgliedsstaat einzuholen (vgl. juris [Rdnr. 58]; vgl. auch VGH
Baden-Württemberg, Beschluss vom 27. Oktober 2009, a.a.O. Rdnr. 8), und ausweislich der Gründe
dieses Urteils differenziert der Europäische Gerichtshof hierbei auch nicht danach, ob es bei den
eingeholten Informationen um Angaben zum Wohnsitz oder um sonstige im Gemeinschaftsrecht
verankterte Voraussetzungen für die Erteilung einer EU-Fahrerlaubnis geht.
Liegt demnach in der Person des Klägers ein Verstoß gegen das Wohnsitzerfordernis des Art. 7 Abs. 1
Buchst b) der Richtlinie 439/91/EWG vor, so kann vorliegend offenbleiben, ob allein dieser Verstoß
ausreicht, um nach § 28 Abs. 4 Nr. 2 FeV (a.F.) seine Berechtigung, mit der tschechischen Fahrerlaubnis
ein Kraftfahrzeug in der Bundesrepublik Deutschland zu führen, entfallen lässt (so bisher OVG Rheinland-
Pfalz, Beschlüsse vom 23. Januar 2009 – 10 B 11145/08.OVG – und vom 23. März 2009 – 10 B
10087/09.OVG -; offengelassen im Beschluss vom 08. Dezember 2009 – 10 B 11121/09.OVG –), oder ob
es zusätzlich eines vorherigen Entzugs der Fahrerlaubnis bedarf (in diesem Sinne Hessischer VGH,
Beschluss vom 18. Juni 2009 – 2 B 255/09 – [juris]; Bayerischer VGH, Beschluss vom 26.Februar 2009 –
11 C 09.296 – [juris]). Denn im vorliegenden Fall wurde dem Kläger letztmalig durch rechtskräfigen
Straftbefehl des Amtsgerichts M. vom 17. Juni 1999 (a.a.O.) die Fahrerlaubnis entzogen, und diese
Entziehung der Fahrerlaubnis ist auch noch verwertbar da noch nicht tilgungsreif, worauf es insoweit im
Rahmen der Prüfung von § 28 Abs. 4 Nr. 2 FeV (a.F.) ankommen würde, wenn neben dem Verstoß gegen
das Wohnsitzerfordernis noch eine vor Erteilung der EU-Fahrerlaubnis erfolgte zuvorige Entziehung der
Fahrerlaubnis im Inland erforderlich wäre (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 29. Januar 2010 –
10 A 10960/09.OVG; Bayerischer VGH, Beschluss vom 28. Juli 2009 – 11 CS 09.1122 –, juris
[Rdnr. 21]). Denn da dem Kläger mit dem besagten Strafbefehl die Fahrerlaubnis wegen Trunkenheit im
Verkehr unter Verhängung einer Sperrfrist für die Erteilung einer neuen Fahrerlaubnis entzogen wurde,
tritt Tilgungsreife nach § 29 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 5 Satz 1, Abs. 6 Satz 1 StVG erst nach 15 Jahren, mithin erst
am 17. Juni 2014 ein.
Liegen somit nach alledem die Voraussetzungen des § 28 Abs. 4 Nr. 2 FeV a.F. vor, so war gemäß § 47
Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 FeV die tschechische Fahrerlaubnis des Klägers zum Zwecke der Eintrgung eines
Ungültigkeitsvermerks vorzulegen; dier hiergegen gerichtete Klage erweist sich mithin als unbegründet.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils hinsichtlich der Kosten beruht auf § 167
VwGO i.V. mit §§ 708 ff. ZPO.
Die Berufung wird zugelassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 124 Abs. 2 Nr. 3
VwGO) und die Kammer von dem Beschluss des OVG Rheinland-Pfalz vom 14. September 2009 (a.a.O.)
abweicht (§ 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO).
B e s c h l u s s
der 3. Kammer des Verwaltungsgerichts Mainz
vom 10. Februar 2010
Der Streitwert wird auf 5.000,00 € festgesetzt (§ 52 Abs. 2 GKG i.V. mit Ziffer 46.3 des Streitwertkatalogs für
die Verwaltungsgerichtsbarkeit).>>