Urteil des VG Mainz vom 14.12.2004
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Sozialhilferecht
VG
Mainz
14.12.2004
1 L 1048/04.MZ
1. Bei Zahlung bedarforientierter Grundsherung, welche die Übernahme von Kranken- und
Pflegeversicherungsbeiträgen mit umfasst, hat der Leiszungsberechtigte nur Anspruch auf Krankenhilfe
nach den für ihn geltenden Bestimmungen seiner Krankenkasse bzw. dem Fünften Buch des
Sozialgesetzbuches (SGB V).
2. Nichts anderes ergibt sich, wenn man - wozu die Kammer allerdings nicht neigt - § 38 BSGH im
Rahmen des § 3 GSiG für entsprechend anwendbar hält.
Verwaltungsgericht Mainz
1 L 1048/04.MZ
wegen Sozialhilferecht, Beihilfe für eine Brille hier: Antrag nach § 123 VwGO
hat die 1. Kammer des Verwaltungsgerichts Mainz aufgrund der Beratung vom 14. Dezember 2004, an der
teilgenommen haben
beschlossen:
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Gründe
Der Antrag der Antragstellerin, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten,
ihr eine Beihilfe zur Anschaffung einer Brille in Höhe von 154,-- € zu gewähren, hat keinen Erfolg.
Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO ist eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen
Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, um wesentliche
Nachteile abzuwenden oder aus anderen Gründen nötig erscheint. Dabei ist grundsätzlich eine
Vorwegnahme der Hauptsache unzulässig. Im Hinblick auf die in Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes
gewährleistete Garantie effektiven Rechtsschutzes ist dies nur dann möglich, wenn der geltend gemachte
Anspruch hinreichend wahrscheinlich (Anordnungsanspruch) und es der Antragstellerin schlechthin
unzumutbar ist, das Ergebnis des Hauptsacheverfahrens abzuwarten (Anordnungsgrund). Diese
Voraussetzungen sind gemäß § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO glaubhaft zu machen,
(ständige Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz, vgl. Beschluss vom 31. Januar
1995 - 12 B 10316/95.OVG -; vgl. Kopp, VwGO, 11. Aufl. 1998, § 123 Rdnr. 13; Finkelnburg/Jank,
Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 4. Aufl. 1998, Rdnr. 142 ff.).
Die Antragstellerin hat vorliegend das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs nicht glaubhaft gemacht. Da
die Antragsgegnerin der Antragstellerin mit Bescheid vom 19. Juli 2004 (Blatt 521 der Verwaltungsakte)
die Antragsgegnerin der Antragstellerin mit Bescheid vom 19. Juli 2004 (Blatt 521 der Verwaltungsakte)
für den Zeitraum vom 01. April 2004 bis zum 30. Juni 2005 Hilfe zur bedarfsorientierten Grundsicherung
gewährt hat, beurteilt sich ein Anspruch der Antragstellerin nach § 3 Abs. 1 Nr. 3 des
Grundsicherungsgesetzes (GSiG). Danach umfasst die bedarfsorientierte Grundsicherung die Übernahme
von Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträgen entsprechend § 13 BSHG. Nach dem eindeutigen
Wortlaut des § 3 Abs. 1 Nr. 3 GSiG werden hierdurch die Vorschriften der §§ 37 und 38 BSHG gerade
nicht in Bezug genommen. Somit muss es dabei verbleiben, dass nach dem ausdrücklichen Willen des
Gesetzgebers im Bereich der Grundsicherung lediglich die Beiträge zur Krankenversicherung geleistet
werden und es der Gesetzgeber hierdurch als möglich und ausreichend ansieht, dass der
Leistungsberechtigte Krankenhilfe nach den für ihn geltenden Bestimmungen seiner Krankenkasse bzw.
dem Fünften Buch des Sozialgesetzbuches (SGB V) erhält. Soweit nach diesen Bestimmungen eine
Leistung im Krankheitsfalle ausgeschlossen ist, hat der nach dem Grundsicherungsgesetz
Leistungsberechtigte diese Aufwendungen eigenverantwortlich zu tragen. Mithin ist nach § 3 Abs. 1 GSiG
ein Anspruch auf Gewährung einer Beihilfe für die Anschaffung einer Brille gegenüber der
Antragsgegnerin als dem gemäß § 4 Abs. 1 GSiG für die Leistung der Grundsicherung zuständigen
Leistungsträger ein Anspruch nicht gegeben.
Ein Anordnungsanspruch ergibt sich auch nicht wenn man – wozu die Kammer allerdings nicht neigt -
§ 38 BSHG im Rahmen des § 3 GSiG für entsprechend anwendbar hält. Nach § 38 Abs. 3 Satz 1 BSHG
sind für die Erbringung von Leistungen im Rahmen der Krankenhilfe die Vorschriften des SGB V
anzuwenden. Nach der hier einschlägigen Vorschrift des § 33 Abs. 1 Satz 2 SGB V besteht für Versicherte,
die das 18. Lebensjahr vollendet haben, ein Anspruch auf Sehhilfen, wenn sie aufgrund ihrer
Sehschwäche oder Blindheit entsprechend der von der Weltgesundheitsorganisation empfohlenen
Klassifikation des Schweregrades der Sehbeeinträchtigung auf beiden Augen eine schwere
Sehbeeinträchtigung mindestens der Stufe 1 aufweisen. Nach der von der Antragsgegnerin mit Schriftsatz
vom 29. November 2004 vorgelegten Tabelle der Schweregrade der Sehbeeinträchtigung (Blatt 36 der
Gerichtsakte) ist gemäß der Klassifikation der Weltgesundheitsorganisation eine Sehschwäche der Stufe 1
erreicht, wenn der Patient zum Lesen einer Tageszeitung bereits eine Lupe benötigt und eine
Brillenversorgung alleine nicht mehr ausreicht. Ausweislich der von der Antragstellerin vorgelegten
Brillenverordnung vom 17. August 2004 (Blatt 12 der Gerichtsakte) benötigt die Antragstellerin Gläser mit
1,00 bzw. 2,75 Dioptrien. Wie der Kammer aus eigener Anschauung bekannt ist, erreicht eine
Fehlsichtigkeit dieser Stärke bei weitem nicht die Stufe 1 gemäß der Klassifikation der
Weltgesundheitsorganisation. Somit kann der von der Antragstellerin geltend gemachte Anspruch auch
nicht auf § 38 BSHG i.V.m. § 33 Abs. 1 Satz 2 SGB V gestützt werden.
Ebenso kommt ein Anspruch auf Gewährung einer einmaligen Beihilfe gemäß § 21 Abs. 1 a Nr. 6 BSHG
nicht in Betracht. Entgegen der von der Antragstellerin in Bezug genommenen Entscheidung des OVG
Lüneburg vom 13. August 2004 (Az.: 4 ME 224/04) kommt die Gewährung einmaliger Beihilfen nicht in
Betracht, wenn der begehrte Bedarf bereits im Regelsatz enthalten ist (grundlegend BVerwGE 87, 212-
217). Nach § 1 Abs. 1 Satz 2 der Regelsatzverordnung vom 20. Juli 1962 (BGBl. I S. 515) in der Fassung
des Art. 29 des GKV-Moderniesierungsgesetzes vom 14. November 2003 (BGBl. I S. 2190) umfassen die
Regelsätze – unter anderem – die Leistungen für Kosten bei Krankheit, bei vorbeugender und sonstiger
Hilfe, soweit sie nicht nach den §§ 36 bis 38 BSHG übernommen werden. Wie oben bereits ausgeführt,
steht der Antragstellerin kein Anspruch gemäß § 38 Abs. 3 Satz 1 BSHG i.V.m. § 33 Abs. 1 Satz 2 SGB V
hinsichtlich der begehrten Brille zu. Dies hat zur Folge, dass gemäß § 1 Abs. 1 Satz 2 der
Regelsatzverordnung auch der Hilfeempfänger gehalten ist, die Anschaffung einer Brille aus dem
Regelsatz zu finanzieren. Somit hat der Gesetzgeber durch die gesetzliche Neuregelung des
Leistungsrechts der gesetzlichen Krankenkassen zum 01. Januar 2004 die Beschaffung einer Brille für
einen Hilfeempfänger zum Regelbedarf erklärt, so dass die Gewährung einer einmaligen Beihilfe gemäß
§ 21 Abs. 1 a BSHG ausscheidet.
Der Antrag ist daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen. Gerichtskosten werden
gemäß § 188 Satz 2 VwGO nicht erhoben.
RMB 020 Z1 Rechtsmittelbelehrung
Gegen diese Entscheidung steht den Beteiligten und den sonst von der Entscheidung Betroffenen die
Beschwerde an das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz zu. Die Beschwerde ist bei dem
Verwaltungsgericht Mainz (Hausadresse: Ernst-Ludwig-Straße 9, 55116 Mainz; Postanschrift:
Postfach 41 06, 55031 Mainz) schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle
innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe der Entscheidung einzulegen. Die Beschwerdefrist ist
auch gewahrt, wenn die Beschwerde innerhalb der Frist bei dem Beschwerdegericht eingeht. Die
Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen. Die
Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit der Beschwerde vorgelegt worden ist, bei dem
Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz, Deinhardplatz 4, 56068 Koblenz E-Mail-Adresse:
gbk.ovg@ovg.jm.rlp.de, schriftlich oder in elektronischer Form einzureichen. Sie muss einen bestimmten
Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist und
sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinandersetzen. Das Oberverwaltungsgericht prüft nur die
dargelegten Gründe. Die elektronische Form wird durch eine qualifiziert signierte Datei gewahrt, die den
Maßgaben der Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr bei dem Oberverwaltungsgericht
Rheinland-Pfalz vom 22. Dezember 2003 (GVBl. 2004, S. 36) entspricht und als Anhang einer
elektronischen Nachricht (E‑Mail) zu übermitteln ist. Die Einlegung und die Begründung der Beschwerde
müssen durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer deutschen Hochschule im Sinne des
Hochschulrahmengesetzes mit Befähigung zum Richteramt als Prozessbevollmächtigten erfolgen. Als
Prozessbevollmächtigte sind auch Mitglieder und Angestellte von Verbänden im Sinne des § 14 Abs. 3
Satz 2 des Sozialgerichtsgesetzes und von Gewerkschaften zugelassen sofern sie kraft Satzung oder
Vollmacht zur Prozessvertretung befugt sind. Juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden
können sich auch durch Beamte oder Angestellte mit Befähigung zum Richteramt sowie Diplomjuristen im
höheren Dienst, Gebietskörperschaften auch durch Beamte und Angestellte mit Befähigung zum
Richteramt der zuständigen Aufsichtsbehörde oder des jeweiligen kommunalen Spitzenverbandes des
Landes, dem sie als Mitglied zugehören, vertreten lassen.
In Streitigkeiten über Kosten, Gebühren und Auslagen ist die Beschwerde nicht gegeben, wenn der Wert
des Beschwerdegegenstandes 200,00 € nicht übersteigt.