Urteil des VG Köln vom 03.03.2005
VG Köln: access provider, verfügung, sperrung, domain name, schutz der menschenwürde, stand der technik, aufwand, zugang, anbieter, innerstaatliches recht
Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Verwaltungsgericht Köln, 6 K 7603/02
03.03.2005
Verwaltungsgericht Köln
6. Kammer
Urteil
6 K 7603/02
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens - einschließlich der der Bezirksregierung
Düsseldorf entstandenen Kosten - hat die Klägerin zu tragen.
Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin hält für ihre Studenten, Dozenten und Mitarbeiter Internet-Zugänge bereit.
Die ursprüngliche Beklagte des vorliegenden Verfahrens, die Bezirksregierung Düsseldorf,
beschäftigt sich seit mehreren Jahren als Aufsichtsbehörde mit dem Thema
"Rechtsradikalismus im Internet". Bereits im August 2000 bekundete sie in einer
Pressemitteilung ihre Absicht, gegen Internetangebote jugendgefährdenden Inhalts, aber
auch solche, die politischen Extremismus, Gewaltverherrlichung und Aufstachelung zum
Rassenhass enthalten, vorzugehen. In einem Rundschreiben an alle nordrhein-
westfälischen Provider vom 10.8.2000 rief sie zur Mithilfe bei der Beseitigung
rechtsextremistischer Domains auf. Zugleich wandte sie sich an den Generalkonsul der
Vereinigten Staaten von Amerika sowie die us-amerikanische Federal Communications
Commission mit dem Hinweis auf die von einigen Providern mit Sitz in den USA ins Netz
gestellten Seiten rechtsradikalen Inhalts. Die us- amerikanischen Behörden teilten der
Beklagten mit, dass es nach dem us- amerikanischen Recht im allgemeinen keine
inhaltlich basierten Einschränkungen der freien Rede im Internet gebe. Diese sei vielmehr
durch das Verfassungsrecht geschützt.
In einem mit "Anhörung" überschriebenen Schreiben vom 25.10.2001 wandte sich die
Bezirksregierung Düsseldorf an die Klägerin mit dem Hinweis, dass sich auf vier
Internetseiten unzulässige Inhalte befänden, u.a. auf der Seite "www.T. " und auf der Seite
"www.O. ". Sie wies weiter darauf hin, dass die Aufsichtsbehörde bei einem Verstoß gegen
Bestimmungen des Medien- dienste-Staatsvertrages (MDStV) gegenüber dem Anbieter die
zur Beseitigung des Verstoßes erforderlichen Maßnahmen treffe, insbesondere Angebote
untersagen und deren Sperrung anordnen könne. Diese Maßnahmen könnten auch an die
Klägerin als sog. Access-Provider gerichtet werden, da Maßnahmen gegenüber den
Content- und Service-Providern, die ihren Sitz sämtlich außerhalb der Bundesrepublik
Deutschland hätten, weder durchführbar noch erfolgversprechend seien. Eine Sper- rung
der unzulässigen Angebote sei technisch möglich. Der Klägerin werde Gele- genheit
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der unzulässigen Angebote sei technisch möglich. Der Klägerin werde Gele- genheit
gegeben, sich zu der beabsichtigten Sperrungsverfügung entweder schriftlich oder im
Rahmen einer geplanten Anhörungsveranstaltung mündlich zu äußern. Ent- sprechende
Schreiben wurden an insgesamt 89 Access-Provider in Nordrhein- Westfalen, darunter 33
Hochschulen, versandt. Am 13.11.2001 wurde die angekündigte Anhörungsveranstaltung
durchgeführt. Es wurden die rechtlichen Aspekte eines Vorgehens der Aufsichtsbehörde
sowie die technischen Möglichkeiten einer Sperrung ausführlich diskutiert. Man einigte sich
schließlich darauf, eine Arbeitsgruppe zu bilden, die aus Vertretern der Provider- Wirtschaft
und der Universitäten sowie technischen Sachverständigen bestehen und das weitere
Vorgehen diskutieren sollte. Nachdem auf einer ersten Sitzung dieser Arbeitsgruppe am
19.12.2001 aus den Reihen der Teilnehmer eine neuartige techni- sche Lösung
vorgeschlagen wurde, beschloss man, diese Lösung in einem Pilotpro- jekt zu testen. Für
die Dauer des Projekts, dessen Beendigung man für den 30.4.2002 plante, sollten die
Provider eine Sperrung der in Rede stehenden Angebo- te auf andere Weise vornehmen.
Mit Bescheid vom 12.2.2002 gab die Bezirksregierung Düsseldorf der Klägerin auf, den
Zugang zur Nutzung der Internetseiten "www.T. " und "www.O. " im Rahmen des von ihr
vermittelten Nutzungsangebotes zu sperren. Die Verfügung enthielt den Zusatz, dass die
Klägerin als Fachhochschule von der Sperrverpflichtung insoweit befreit sei, als die
Nutzung der genannten Ange- bote zu Zwecken der Wissenschaft, Forschung oder Lehre
erforderlich sei. Insoweit sei die Nutzungsmöglichkeit durch geeignete technische
Maßnahmen zeitlich und räumlich zu begrenzen. Zur Begründung ihrer Verfügung führte
die Bezirksregierung aus, dass die genannten Internetseiten unzulässige Inhalte im Sinne
des § 8 Abs. 1 MDStV enthielten. So biete der amerikanische Provider "T. " ausschließ- lich
rechtsextremistische Seiten an. In einem deutschsprachigen Angebot werde u.a. der Begriff
"befreite Zonen" erklärt und welchen Umgang man mit Andersdenkenden plane ("...wir
bestrafen Abweichler und Feinde..."). Von der Hauptseite führten Links zu 15
verschiedenen Sparten, Themen und Diensten. Der Aufbau des Angebots sei damit -
ähnlich einer Zeitung - nach Sparten redaktionell gestaltet. Das Angebot verwirkliche die
Straftatbestände des § 130 Abs. 1 und 2 StGB (Volksverhetzung) und des § 86 StGB
(Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisatio- nen). Des weiteren
verherrliche es den Krieg und sei - hilfsweise - darüber hinaus geeignet, Kinder und
Jugendliche sittlich schwer zu gefährden. Die Seite "O. " enthalte nationalsozialistisches
Propagandamaterial und verunglimpfe auf zynische Weise die Opfer des Holocaust. So
könnten etwa rassistische Computerspiele (L., O. ) heruntergeladen werden, und es würden
sog. "Nachbildungen von A. " ebenso wie nationalsozialistische Logos und Klingeltöne für
das Mobiltelefon angeboten, außerdem Handlungsanleitungen, um das Internet als
Propagandawaffe zu nutzen. Die Homepage sei in Sparten, Themen und Dienste
gegliedert und - ähnlich einer Zeitung - redaktionell gestaltet. Auch hier seien die
Straftatbestände der §§ 130 Abs. 1, 2 und 3, 86 und 86a StGB verwirklicht. Des weiteren
werde der Krieg verherrlicht, und die Seite sei - hilfsweise - darüber hinaus offensichtlich
geeignet, Kinder und Jugendliche sittlich schwer zu gefährden.
Für Inhalte seien nach dem MDStV zwar in erster Linie die Content- und Service- Provider
verantwortlich. Jedoch könne auch gegen die Access-Provider vorgegangen werden, wenn
sich Maßnahmen gegen die anderen Verantwortlichen als nicht durch- führbar oder nicht
erfolgversprechend erwiesen. Dies sei vorliegend der Fall, denn eine Inanspruchnahme
der Service-Provider "T. " und "O. " erweise sich mangels Anerkennung und
Vollstreckbarkeit eines europäischen Urteils in den Vereinigten Staaten von Amerika als
nicht durchführbar. Die Sperrung der unzulässigen Angebote durch die Klägerin sei auch
technisch möglich. Nach dem derzeitigen Stand der Technik bestünden drei
Sperrmöglichkeiten, nämlich
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1. Ausschluss von Domains im Domain-Server (DNS), indem der Access- Provider den
DNS so konfiguriere, dass Anfragen nicht an den richtigen Server, sondern an eine
ungültige oder eine andere vordefinierte Seite weitergeleitet würden;
2. Verwendung eines Proxy-Servers, wobei die URL als genaues Zuordnungskriterium der
individuellen Web-Seite auf dem jeweiligen Server durch den Einsatz eines Proxys als
Filter gesperrt werde;
3. Ausschluss von IPs durch Sperrung im Router, indem der Router so konfiguriert werde,
dass der komplette Datenverkehr zu einer bestimmten IP-Adresse nicht weitergeleitet
werde.
4.
Die Maßnahmen seien auch zumutbar. Insbesondere die DNS-Variante lasse sich durch
einfache Konfiguration des DNS herbeiführen und erfordere nur einen einmaligen geringen
Personalaufwand; ein Sachaufwand entstehe nicht. Schließlich seien die Sperrungen auch
verhältnismäßig, insbesondere geeignet. Zwar könne eine Sperrung nach der DNS-
Methode umgangen werden. Für denjenigen, der weder eine technische Anleitung noch
den Zahlencode eines anderen DNS-Servers kenne, erscheine eine entsprechende
Manipulation aber schon schwieriger. Bei den 25 Millionen Internet-Nutzern in der
Bundesrepublik handele es sich keinesfalls mehr um ein technisch versiertes
Minderheitenpublikum, das die meisten technischen Funktionsweisen des Rechners
kenne. Insofern bewirke die DNS-Sperrung für den durchschnittlichen Nutzer eine nicht
unwesentliche Zugangserschwernis.
Die Klägerin legte gegen diesen Bescheid unter dem 25.2.2002 Widerspruch ein. Zur
Begründung machte sie geltend, dass reine Access-Provider wie sie nicht als Anbieter
fremder Dienste im Sinne des § 5 Abs. 3 MDStV angesehen werden und daher nicht
Adressaten einer Sperrungsverfügung sein könnten. Darüber hinaus komme der MDStV als
Ermächtigungsgrundlage auch deshalb nicht in Betracht, weil es sich - zumindest zum
überwiegenden Teil - nicht um Mediendienste, sondern um Teledienste handele; so sei
beispielsweise über die Seite "www.O. " eine Preisliste für den Bezug von Waren abrufbar.
Im übrigen sei die Verfügung nicht geeignet, den angestrebten Erfolg herbeizuführen, da
die genannten Sperrungsmöglichkeiten umgangen werden könnten. So habe der Nutzer
die freie Entscheidung darüber, welchen DNS-Server und welchen Proxy-Server er
verwende, und die Zuordnung einer IP-Adresse zu einem Domain-Name könne sich
jederzeit unangekündigt ändern. Schließlich sei die Verfügung hinsichtlich der geforderten
räumlichen und zeitlichen Beschränkung für die Inanspruchnahme der zu sperrenden
Seiten zu Forschungs- und Wissenschaftszwecken zu unbestimmt.
Unter dem 24.4.2002 teilte der Leiter des Hochschulrechenzentrums der Universität
Dortmund der Bezirksregierung Düsseldorf mit, dass das vereinbarte "Pilotprojekt" nicht bis
zum 30.4.2002 abgeschlossen werden könne. Es könne frühestens Mitte 2002 wieder
aufgenommen und somit erst in der zweiten Jahreshälfte abgeschlossen werden.
Die Bezirksregierung Düsseldorf wies den Widerspruch der Klägerin mit
Widerspruchsbescheid vom 12.8.2002 zurück. Zur Begründung führte sie in Vertiefung ihrer
bisherigen Ausführungen aus: Bei der Tätigkeit eines Access- Providers handele es sich
nicht um eine allein dem Telekommunikationsgesetz (TKG) unterfallende
Telekommunikationsdienstleistung, da der Access-Provider über die bloße
Zugangsmöglichkeit hinaus die zur Benutzung des Netzes erforderlichen
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Protokollfunktionen (IP-Adresse, Name-Service, Routing) zur Verfügung stelle. Auch sei die
Verfügung entgegen der Ansicht der Klägerin nicht zu unbestimmt. Dies gelte insbesondere
für die geforderte zeitliche und räumliche Begrenzung der Nutzung der inkriminierten
Seiten zu Wissenschafts-, Forschungs- und Lehrzwecken. Dadurch solle lediglich
gewährleistet werden, dass der Zugriff nur für wissenschaftlich tätige Personen und nur in
der Zeit möglich sei, in der sie wissenschaftlich tätig seien und im Forschungsauftrag
handelten. Des weiteren seien die angeordneten Maßnahmen zumutbar, denn die DNS-
Sperrung erfordere nur einen geringen Personal- und keinerlei Sachaufwand und bewirke
eine deutliche Erschwerung des Zugangs für den durchschnittlichen Internet-Nutzer.
Schließlich lägen keine Ermessensfehler vor. Ein Entschließungsermessen stehe ihr beim
Vorgehen gegen unzulässige Inhalte nicht zu. Die Auswahl des Verantwortlichen sei nicht
zu beanstanden, da sie zunächst versucht habe, gegen die primär Verantwortlichen
vorzugehen. Für den Fall, dass nicht der MDStV, sondern das Teledienstegesetz (TDG) im
vorliegenden Fall einschlägig sei, stütze sie ihre Verfügung hilfsweise auf § 14 Abs. 1 Ord-
nungsbehördengesetz NRW (OBG NRW) i.V.m. § 8 Abs. 2 Satz 2 TDG.
Die Klägerin hat am 5.9.2002 Klage erhoben. Sie macht in Vertiefung und Erweiterung
ihres bisherigen Vorbringens geltend: Sämtliche in der Verfügung genannten
Sperrmaßnahmen seien zur Erreichung des angestrebten Ziels ungeeignet, da die
Zugriffsmöglichkeit der Nutzer auf bestimmte Inhalte lediglich mehr oder minder stark
erschwert, nicht aber vollständig unterbunden werde. Die DNS-Sperrung könne auch vom
technisch nicht bewanderten Nutzer mit geringem Aufwand ausgehebelt werden, indem er
entweder auf einen anderen Domain-Name- Server wechsele oder direkt die IP-Adresse in
seinen Browser eingebe oder das Internet-by-Call-Verfahren wähle. Die Blockade von IP-
Adressen im Router sei ungeeignet, da sich die Zuordnung einer IP-Adresse zu einem
bestimmten Domain- Name jederzeit unangekündigt ändern könne. Der Einsatz eines
Proxy-Servers sei rechtswidrig, weil er einer unterschiedslosen staatlichen Vorkontrolle
sämtlicher Internet-Inhalte gleichkomme. Im übrigen werde durch den Einsatz eines Proxy-
Servers ebenso wie durch die Sperrung von IP-Adressen im Router auch der legale
Datenverkehr erheblich beeinträchtigt. Darüber hinaus sei die Sperrungsverfügung
insgesamt unverhältnismäßig. Zwar erfordere die in Rede stehende Sperrung zweier
Seiten lediglich einen einmaligen geringen personellen Aufwand. Jedoch seien mit Blick
auf weitere Internet-Seiten gleichen Inhalts zahlreiche weitere Sperrungs- verfügungen zu
erwarten, deren Umsetzung für die Klägerin nicht mehr nur einen geringen personellen
Aufwand bedeute. Die angegriffene Sperrungsverfügung sei des weiteren zu unbestimmt,
da die Auswahl unter den angegebenen Sperrungsmethoden der Klägerin überlassen
werde. Auch habe die Bezirksregierung Düsseldorf das ihr zustehende Ermessen verkannt.
Schließlich sei die Vorschrift des § 22 MDStV wegen Verstoßes gegen das Grundrecht der
Pressefreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG verfassungswidrig, da sie die Möglichkeit einer
Vorzensur schaffe. Auf § 14 OBG NRW könne die in Rede stehende Verfügung ebenfalls
nicht gestützt werden, da die Bezirksregierung insoweit nicht zuständig sei.
Die Klägerin beantragt,
die Sperrungsverfügung der Bezirksregierung Düsseldorf vom 12.2.2002 und den
Widerspruchsbescheid vom 12.8.2002 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie wiederholt im wesentlichen den Inhalt der angefochtenen Bescheide und führt
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ergänzend aus: Die Sperrungsverfügung sei hinreichend bestimmt, da sie das
vorgegebene Ziel eindeutig bezeichne. Dass mehrere Möglichkeiten zur Sperrung der
beiden inkriminierten Seiten aufgezeigt würden, sei unschädlich, da die Klägerin hieraus
das sie am wenigsten belastende Mittel wählen könne. Die Sper- rungsverfügung sei auch
nicht unverhältnismäßig, da sie jedenfalls geeignet sei, den gewünschten Erfolg zu fördern,
indem den Nutzern der Zugang zu den beanstandeten Seiten erschwert werde.
Das Gericht hat mit Blick auf den am 1.4.2003 in Kraft getretenen Jugendmedienschutz-
Staatsvertrag das Rubrum nach Anhörung der Beteiligten dahingehend geändert, dass
nicht mehr die Bezirksregierung Düsseldorf, sondern die Beklagte auf Behördenseite
beteiligt ist.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den sonstigen
Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge ergänzend Bezug
genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
A.
Richtige Beklagte des Verfahrens ist nicht mehr die Bezirksregierung Düsseldorf, sondern
die Landesanstalt für Medien, weil diese für den Erlass der streitgegenständlichen
Verfügung heute zuständig wäre. Zum 1. April 2003 ist nämlich der Staatsvertrag über den
Schutz der Menschenwürde und den Jugendschutz in Rundfunk und Telemedien
(Jugendmedienschutz-Staatsvertrag - JMStV) vom 10./27.9.2002 (GVBl. NRW S. 82) in
Kraft getreten. Für eine Maßnahme gegen Internet-Anbieter, welche - wie vorliegend - den
Zielen des JMStV dienen soll, zu denen ausweislich seines offiziellen Titels sowie seiner
Begründung, vgl. dazu LT-Drs. 13/3431, S. 4, neben dem Jugendschutz auch der Schutz
aller Nutzer vor Angeboten in elektroni- schen Medien gehört, die die Menschenwürde
verletzen, ist nunmehr nach § 20 Abs. 4 JMStV die Beklagte zuständig. Der Wortlaut des
JMStV und des Mediendienste- Staatsvertrages ließe es allerdings zu, beide Behörden
nebeneinander als zuständig anzusehen. Dies war vom Gesetzgeber aber wohl nicht
gewollt. Denn das In- krafttreten des JMStV sollte ausweislich der Gesetzesmaterialien
gerade dazu dienen, die "bisherigen zersplitterten Aufsichtszuständigkeiten" zu straffen
und effektiver zu gestalten. Der JMStV sollte neben die - im Übrigen unberührt bleibenden -
Bestimmungen des Teledienstegesetzes und des Mediendienste- Staatsvertrages treten,
diese jedoch für den Bereich des Jugendmedienschutzes und des Schutzes der
Menschenwürde mit seinen Sonderregelungen "überlagern". Vgl. die Begründung zum
Gesetzentwurf der Landesregierung, Land- tags-Drucksache 13/3431, S. 1, 4, 5. Die
Kammer schließt sich daher der von den Beteiligten und der Bezirksregierung Düsseldorf
übereinstimmend vertretenen Auffassung an, dass für den Erlass der in Rede stehenden
Sperrungsverfügung heute allein die Beklagte zuständig wäre. Ebenso in einem parallelen
Verfahren VG Arnsberg, Urteil vom 26.11.2004 - 13 K 3173/02 -, UA S. 7 ff., veröffentlicht in
der Recht- sprechungsdatenbank NRWE; anderer Ansicht Schenke, Polizei- und
Ordnungsrecht, 3. Aufl. 2004, Rn. 387.
Ein solcher Zuständigkeitswechsel, der in Abgrenzung zur Rechtsnachfolge als
"Funktionsnachfolge" bezeichnet wird, bewirkt im Falle eines Dauerverwaltungsaktes - um
einen solchen handelt es sich, wie noch zu zeigen sein wird -, dass die nunmehr
zuständige Behörde die Verfügung unter Kontrolle halten muss und gegebenenfalls für
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deren Aufhebung zuständig ist. Daraus folgt, dass bei einer im Zeitpunkt der
Funktionsnachfolge bereits anhängigen Anfechtungsklage ein gesetzlicher Parteiwechsel
stattfindet, den das Gericht von Amts wegen zu berücksichtigen hat, ohne dass es auf die
Voraussetzungen einer Klageänderung ankäme.
Vgl. dazu Ortloff, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, Kommentar, Stand: Sept.
2004, § 91 Rn. 47 ff. mit weiteren Nachwei- sen.
Dahin stehen kann, ob ein Kläger im Einzelfall ein berechtigtes Interesse haben kann,
gerade gegen die ursprünglich zuständige Behörde vorzugehen. Vgl. dazu Redeker, NVwZ
2000, 1223 ff..
Denn ein solches Interesse ist vorliegend weder vorgetragen worden noch ersichtlich. Die
Klägerin hat vielmehr einer Änderung des Rubrums vorbehaltlos zugestimmt.
B.
Die Klage ist unbegründet. Die Sperrungsverfügung vom 12.2.2002 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 12.8.2002 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in
ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 S. 1 VwGO). Dabei ist zu berücksichtigen, dass es sich bei der
Verfügung um einen Dauerverwaltungsakt handelt. Denn der Adressat wird durch die
Verfügung nicht nur zu einer einmaligen Maßnahme, der Einrichtung der Sperrung,
verpflichtet, sondern ihm wird überdies die Verpflichtung auferlegt, die Sperrung
gegebenenfalls zu erneuern, etwa wenn er neue Hardware anschafft oder neue Software
einsetzt, durch die die eingerichtete Sperre aufgehoben würde. Handelt es sich indes um
einen Dauerverwaltungsakt, so kommt es für die Begründetheit der Anfechtungsklage nicht
allein auf die Rechtmäßigkeit im Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung an (dazu
nachfolgend I.). Es ist vielmehr darüber hinaus zu prüfen, ob die Verfügung auch im
Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (noch) rechtmäßig ist (dazu nachfolgend II.).
I.
Rechtsgrundlage der Sperrungsverfügung im Zeitpunkt des Widerspruchsbescheides vom
12.8.2002 war § 22 Abs. 3 des Mediendienste-Staatsvertrages vom 27.6.1997 (GVBl. NW
S. 158) in der ab dem 1.7.2002 geltenden Fassung des Sechsten Staatsvertrages zur
Änderung des Rundfunkstaatsvertrages, des Rundfunkfinanzierungsstaatsvertrages und
des Mediendienste-Staatsvertrages vom 20./21.12.2001, bekannt gemacht am 7.6.2002
(GVBl. NW S. 178) - MDStV -.
1.
Nach Auffassung der Kammer handelt es sich bei den in Rede stehenden Internet- Seiten
um "Mediendienste", so dass der Anwendungsbereich des MDStV eröffnet ist.
Mediendienste sind gemäß § 2 Abs. 1 S. 1 MDStV Informations- und
Kommunikationsdienste in Text, Ton oder Bild, die unter Benutzung elektromagnetischer
Schwingungen ohne Verbindungsleitung oder längs oder mittels eines Leiters verbreitet
werden. Dazu gehören nach § 2 Abs. 2 Nr. 4 MDStV insbesondere Abrufdienste, bei denen
Text-, Ton- oder Bilddarbietungen auf Anforderung aus elektronischen Speichern zur
Nutzung übermittelt werden, mit Ausnahme von solchen Diensten, bei denen der
individuelle Leistungsaustausch oder die reine Übermittlung von Daten im Vordergrund
steht. Dabei ist im Bereich der Abrufdienste dann von einem Mediendienst - in Abgrenzung
zum Teledienst - auszugehen, wenn der Dienst der allgemeinen Meinungsbildung dienen
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soll, also die redaktionelle Gestaltung zur Meinungsbildung im Vordergrund steht. Dies
geht insbesondere aus § 2 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 4 Nr. 3 des Teledienstegesetzes vom
22.7.1997 (BGBl. I S. 1870), geändert durch Gesetz vom 14.12.2001 (BGBl. I S. 3721), -
TDG - hervor, das von den Bestimmungen des Mediendienste-Staatsvertrages nach
dessen § 2 Abs. 1 S. 3 unberührt bleiben soll. Unter redaktioneller Gestaltung ist das
Sammeln und Aufbereiten von verschiedenen Informationen oder Meinungen mit Blick auf
den potentiellen Empfänger zu verstehen. Die inhaltliche, sprachliche, graphische oder
akustische Bearbeitung eines Angebotes muss der Einwirkung auf die öffentliche
Meinungsbildung zu dienen bestimmt sein, und diese Bestimmung zur Meinungsbildung
darf nicht bloßes Bei- werk sein, sondern muss die Seite prägen.
Vgl. dazu auch OVG NRW, Beschluss vom 19.3.2003 - 8 B 2567/02 - , NJW 2003, 2183 ff.
= NWVBl. 2003, 304 ff. = Multimedia und Recht (MMR) 2003, 348 ff. = Computer und Recht
(CR) 2003, 361 ff., und die Beschlüsse der Kammer vom 7.2.2003 - 6 L 2495/02 -, BA S. 15
f., vom 8.12.2004 - 6 L 2130/04 -, BA S. 5 f., und vom 13.12.2004 - 6 L 2430/04 -, BA S. 5 ff.,
jeweils mit weiteren Nachweisen; siehe überdies Schütz, Kommunikationsrecht, 2005, Rn.
208; Hoeren, Recht der Access-Provider, 2004, Rn. 605 ff.; Brunner, in: Manssen (Hrsg.),
Telekommunikations- und Multimediarecht, Stand: 11/2004, Rn. 14 ff. zu § 2 TDG;
Schenke, Polizei- und Ordnungsrecht, 3. Aufl. 2004, Rn. 386; Tettenborn, in: Beck'scher
IuKDG-Kommentar, 2001, § 2 TDG Rn. 53; Zimmermann, NJW 1999, 3145 f..
Demgegenüber handelt es sich um einen Teledienst insbesondere dann, wenn die
elektronisch erbrachten Leistungen auf ein konkretes Individualverhältnis zwischen Nutzer
und Anbieter bezogen sind - so z.B. beim Telebanking - oder wenn es sich um ein reines
Informationsangebot ohne redaktionelle Gestaltung zur Meinungsbildung handelt - so z.B.
bei online abrufbaren Fahrplänen, Wetterberichten oder Devisenkursen -.
Siehe zu diesen Beispielen auch die Gesetzesbegründung des MDStV einerseits (LT-
Drucksache 12/1954 f., S. 31 f.) und des TDG andererseits (BT-Drucksache 13/7385, S. 18
f.).
Bei der Entscheidung, ob ein Internet-Angebot dem Teledienstegesetz oder dem Me-
diendienste-Staatsvertrag zuzuordnen ist, wird regelmäßig nicht zwischen einzelnen
Bestandteilen des unter einer Internet-Adresse abrufbaren Angebots zu differen- zieren
sein. Es ist vielmehr eine die vorstehenden Aspekte berücksichtigende Gesamtschau des
inhaltlichen Angebotes vorzunehmen.
Vgl. OVG NRW, a.a.O., BA S. 16; Tettenborn, in: Beck'scher IuKDG- Kommentar, 2001, § 2
TDG Rn. 43; s. auch Brunner, a.a.O., Rn. 26 ff..
Gemessen an diesen Maßstäben handelt es sich bei den in Rede stehenden Internet-
Seiten um Mediendienste. Dazu hat die Kammer mit Beschluss vom 7.2.2003 - 6 L 2495/02
- ausgeführt:
"Auf der Seite "http://www.T. " wird (in englischer Sprache) einleitend festgestellt, dass es
sich bei T. um eine Organisation für die "mutigen Männer und Frauen" handele, die für den
Erhalt der "weißen westlichen Kultur", Ideale und Mei- nungsfreiheit kämpften, ein Forum
zur Entwicklung von Strategien und zur Bildung politischer und sozialer Gruppen mit dem
Ziel, den "Sieg" sicher zu stellen. Schon diese Einleitung legt die Einordnung als ein
Angebot zur Meinungsbildung nahe. Im Folgenden werden verschiedene aktuelle Fragen
der Weltpolitik angesprochen. In einem deutschsprachigen Bereich sind Texte abrufbar
über "Die politische Tat", "Wie organisieren?" u.a.. Insgesamt steht damit außer Zweifel,
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dass eine redaktionelle Gestaltung zur Meinungsbildung im Vorder- grund steht.
Auch die Seite "http://www.O. " ist vorwiegend durch ihre redaktionelle Gestaltung zur
Meinungsbildung geprägt. Hinsichtlich des neben die Einleitung platzierten Fotos von Gary
Lauck unter einer Hakenkreuzfahne, ausgestattet mit Hitlerfrisur und Schnurrbart sowie
Hakenkreuzbinde, sowie hinsichtlich der im Anschluss an die Einleitung abgedruckten
"Nazi Nachrichten", bei denen deutsche und andere Politiker verunglimpft werden, ist die
Bestimmung zur Meinungsbildung unzweifelhaft. Soweit auf der Seite auch Nazi-Artikel zur
Bestellung angeboten werden, z. B. Hakenkreuzaufkleber und -fahnen, CDs und Videos,
Bücher und anderes Propagandamaterial, stellt auch dies die Bestimmung zur
Meinungsbildung nicht in Frage - und zwar schon deshalb nicht, weil auch die Darbietung
dieser Artikel ihrem Gesamtbild nach auf Mei- nungsbildung ausgelegt ist."
An dieser Einschätzung hält die Kammer fest. Auf beiden Internet-Seiten werden kei-
neswegs bloße Informationen bereit gehalten; die Seiten weisen vielmehr sowohl dem
Inhalt als auch der Form der Präsentation nach einen meinungsprägenden Cha- rakter auf.
An der Einstufung der Internet-Seite "www.T. " als Mediendienst kann unter
Zugrundelegung der oben genannte Grundsätze ohnehin kein Zweifel bestehen. Das hier
zusammengestellte Angebot dient ersichtlich der Verbreitung rechtsextremen
Gedankenguts an einen unbestimmten Nutzerkreis, also der Meinungsbildung. Daneben
vorhandene Elemente, die sich als Teledienst qualifizieren ließen, etwa die
Diskussionsforen oder das Angebot zum Download bereitgestellter Embleme und Logos,
sind von völlig untergeordneter Bedeutung. Aber auch die Seite "www. O. " ist in erster
Linie auf Meinungsbildung ausgerichtet. Zwar enthält diese Seite neben rein redaktionellen
Teilen in erheblichem Umfang auch Bestellangebote, was für sich genommen eine
Einordnung als Teledienst denkbar erscheinen ließe. Der Schwerpunkt der Seite liegt aber
nach Auffassung der Kammer auf der Beeinflussung der Meinung eines unbestimmten
Nutzerkreises. Denn auch im Bereich der Bestellangebote ist die Seite in einer
meinungsprägenden Weise gestaltet. Die Angebote werden keineswegs sachlich
präsentiert, sondern als Teil eines die nationalsozialistische Weltan- schauung in
propagandistischer Weise darbietenden Gesamtbildes. Ob die Bestellangebote tatsächlich
wahrgenommen werden, dürfte aus Sicht der Anbieter der Seite auch von untergeordneter
Bedeutung sein.
Für die Einordnung als Mediendienste auch OVG NRW, a.a.O., BA S. 8; VG Arnsberg,
a.a.O., UA S. 17 f.; VG Gelsenkirchen, Beschluss vom 18.12.2002 - 1 L 2528/02 -, BA S. 5
f.; Dietlein/Heinemann, Kommunikation und Recht (K & R) 2004, 418, 419; Rosenkranz,
JurPC - Internet-Zeitschrift für Rechtsinformatik, Web-Dok. 16/2003 (abrufbar unter
"http://www.jurpc.de/aufsatz/20030016.htm"); anderer Ansicht für "www.O. ": Vassilaki, CR
2003, 367; zweifelnd Stadler, MMR 2003, 208, 209.
Bedenken in bezug auf die Verfassungsmäßigkeit der Ermächtigungsgrundlage bestehen
nicht. Insoweit macht die Kammer sich die Ausführungen des Oberverwaltungsgerichts in
dessen Beschluss vom 19.3.2003 (dort S. 9 ff.) zu eigen.
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Die Klägerin ist auch Diensteanbieterin von fremden Inhalten im Sinne des § 22 Abs. 3
MDStV. "Diensteanbieter" ist nach § 3 Satz 1 Nr. 1 MDStV jede natürliche oder juristische
Person, die eigene oder fremde Mediendienste zur Nutzung bereit hält oder den Zugang
zur Nutzung vermittelt. Zwar hält die Klägerin die in Rede stehenden Inhalte nicht zur
Nutzung bereit; sie vermittelt jedoch den Zugang zu ihnen. Soweit die Klägerin die
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Auffassung vertritt, Access-Provider vermittelten nicht im Sinne des MDStV den Zugang zur
Nutzung, da sie eine rein technische Leistung erbrächten, während vom MDStV
Zugangsanbieter auf der Anwendungsebene, wie etwa die Betreiber von Suchmaschinen
oder Hyperlinklisten, erfasst würden, so auch Greiner, CR 2002, 620, 621 mit weiteren
Nachweisen, vermag die Kammer dem nicht zu folgen. Schon der Wortlaut des MDStV gibt
für eine solche Einschränkung nichts her. Die §§ 3, 7 und 8 MDStV zeigen vielmehr, dass
der Gesetzgeber gerade auch die Erbringer rein technischer Dienstleistungen als in den
Anwendungsbereich des Staatsvertrages einbezogen angesehen hat. Denn die dort
beschriebenen Tätigkeiten der reinen Durchleitung und der Zwischenspeicherung zur
beschleunigten Übermittlung von Informationen ("Caching") sind gerade keine Angebote
auf der Anwendungsebene, sondern technische Unterstützungsleistungen im Rahmen der
Netzinfrastruktur. Zu Recht hat im übrigen das Oberverwaltungsgericht - a.a.O., BA S. 13 ff.
- darauf hingewiesen, dass die §§ 7 bis 9 MDStV auf die Richtlinie 2000/31/EG des
Europäischen Parlaments und des Rates über bestimmte rechtliche Aspekte der Dienste
der Informationsgesellschaft, insbesondere des elektronischen Geschäftsverkehrs, im
Binnenmarkt vom 8.6.2000 ("Richtlinie über den elektronischen Geschäftsverkehr") - Abl.
EG Nr. L 178 - zurückgehen, deren Art. 12 bis 14 sie in innerstaatliches Recht umsetzen. In
Ziffer 42 der Präambel dieser Richtlinie heißt es:
"Die in dieser Richtlinie hinsichtlich der Verantwortlichkeit festgelegten Ausnahmen decken
nur Fälle ab, in denen die Tätigkeit des Anbieters von Diensten der
Informationsgesellschaft auf den rein technischen Vorgang beschränkt ist, ein
Kommunikationsnetz zu betreiben und den Zugang zu diesem zu vermitteln, über das von
Dritten zur Verfügung gestellte Informationen übermittelt oder zum alleinigen Zweck
vorübergehend gespeichert werden, die Übermittlung effizienter zu gestalten. Diese
Tätigkeit ist rein tech- nischer, automatischer und passiver Art, was bedeutet, dass der
Anbieter eines Dienstes der Informationsgesellschaft weder Kenntnis noch Kontrolle über
die weitergeleitete Information besitzt." Die Betonung des "rein technischen, automatischen
und passiven" Charakters der in den Art. 12 ff. der Richtlinie geregelten Dienste zeigt, dass
es hier gerade um die technische Netzinfrastruktur, die sich von den konkret übermittelten
Informationen lösen lässt, gehen soll. Dass Access-Provider zugleich als Anbieter einer
Telekommunikationsleistung anzusehen sein dürften, steht der Auffassung der Kammer,
dass es sich jedenfalls auch um eine Zugangsvermittlung im Sinne von § 3 Satz 1 Nr. 1, § 6
Abs. 2, § 7 MDStV handelt, nicht entgegen.
Ebenso Engel, MMR 2003, Beilage zu Heft 4/2003, S. 13; Spind- ler/Volkmann, MMR 2003,
353; dies., K & R 2002, 398, 399; Rosen- kranz, a.a.O., Absatz 5 ff.; Hoeren, Recht der
Access-Provider, 2004, Rn. 620 ff.; vgl. auch Kloepfer, Informationsrecht, 2002, § 13 Rn. 19
f..
3.
Die in Rede stehenden Angebote verstoßen auch gegen den MDStV in der zum Zeit- punkt
der letzten Verwaltungsentscheidung geltenden Fassung. Dazu hat das
Oberverwaltungsgericht in seinem Beschluss vom 19.3.2003 ausgeführt (BA S. 12): "Die
Webseiten enthalten offenkundig unzulässige Inhalte im Sinne des § 12 MDStV.
Die Webseite "www.T. " verstößt gegen strafrechtliche Bestimmungen (§ 12 Abs. 1 Nr. 1
MDStV). Der Tatbestand des § 86 a Abs. 1 Nr. 1 StGB wird auf mehreren Seiten durch die
Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen
(Hakenkreuzdarstellungen etc.) verwirklicht. Auch dürfte voraussichtlich der Tatbestand der
Volksverhetzung nach § 130 Abs. 1 Nr. 1 StGB erfüllt sein. In dem gesamten
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Internetangebot wird rechtsextremes Gedankengut verbreitet. Insbesondere mit dem Text
"Schafft befreite Zonen" wird zum Hass gegen Teile der Bevölkerung aufgestachelt bzw. zu
Gewalt und Willkürmaßnahmen aufgefordert. Nach der maßgeblichen Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs in vergleichbaren Fallkonstellationen tritt der zum Tatbestand
gehörende Erfolg bei der Verbreitung im Internet auch im Inland (§ 9 Abs. 1 Alt. 3 StGB) ein.
Vgl. BGH, Urteil vom 12. Dezember 2000 - 1 StR 184/00 -, NJW 2001, 624 ff.
Zudem ist das Angebot offensichtlich geeignet, Kinder und Jugendliche schwer zu
gefährden (§ 12 Abs. 1 Nr. 3 MDStV). Auf den Seiten von "www.O. " werden die Ju- den auf
zynische Weise verunglimpft. Es wird zum Hass und zur Vernichtung von Juden und
anderen Volksfeinden' aufgerufen, wodurch zumindest der Tatbestand der Volksverhetzung
nach § 130 Abs. 1 Nr. 1 StGB erfüllt ist. Ferner wird die Judenvernichtung gebilligt, wodurch
der qualifizierte Tatbestand des § 130 Abs. 3 StGB verwirklicht ist. Auf dem gesamten
Seitenangebot werden Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen verwendet, § 86
a Abs. 1 Nr. 1 StGB. Darüber hinaus wird mit dem Gesamtentwurf der Webseite auch der
Krieg verherrlicht (§ 12 Abs. 1 Nr. 2 MDStV). Insgesamt besteht offensichtlich die Eignung,
Kinder und Jugendliche sittlich schwer zu gefährden (§ 12 Abs. 1 Nr. 3 MDStV." Diesen
Ausführungen schließt die Kammer sich an, wobei es im Rahmen des vorlie- genden
Verfahrens mit Blick darauf, dass Kinder und Jugendliche kaum zu den Nutzern des von
der Klägerin vermittelten Zugangsangebots gehören dürften, allerdings vorrangig darauf
ankommt, dass die in Rede stehenden Webseiten gegen strafrechtliche Bestimmungen
verstoßen (§ 12 Abs. 1 Nr. 1 MDStV a. F.) und den Krieg verherrlichen (§ 12 Abs. 1 Nr. 2
MDStV a. F.). In bezug auf die Seite "www.T. " ist über die angeführten Beispiele hinaus
auch auf den unter anderem über die Rubrik "T. for kids/T. für Kinder" (!) zu erreichenden
Text "March of the titans - A history of the white race" hinzuweisen, den bereits das VG
Arnsberg (a.a.O.) zu Recht hervorgehoben hat. Hierbei handelt es sich um einen Überblick
über die Menschheitsgeschichte aus rechtsextremer Sicht. In Kapitel 64 ("The racial state -
The Third Reich") wird in unerträglicher Weise die Nazi-Herrschaft über Deutschland
verharmlost und Hitler als einer der bedeutenden Staatsmänner der Geschichte
beschrieben, dem die Geschichtsschreibung in verschiedener Hinsicht Unrecht getan
habe. Mehrere Zusatztexte befassen sich mit dem Holocaust. Unter anderem gelangt man
zu einem Text mit dem Titel "Auschwitz - Vernichtungs- oder Arbeitslager?", in dem die
gezielte Vernichtung von Juden im Konzentrationslager geleugnet wird ("http://www.T. "). In
nicht minder zynischer Weise wird in einem Text über die Wannsee-Konferenz ("The
Wannsee Protocol Analysed" - "http://www.T. ") ausgeführt, dort sei keineswegs die
Vernichtung der noch im Einflussbereich des Naziregimes lebenden Juden, sondern
lediglich deren Evakuierung diskutiert und beschlossen worden, wobei die
Konferenzteilnehmer auf die Sicherheit der Juden besondere Rücksicht genommen hätten
("nazi concern for jewish safety"). Dass diese Texte strafbare Inhalte enthalten, liegt auf der
Hand.
Entgegen einer teilweise vertretenen Ansicht, vgl. Engel, MMR 2003, Beilage zu Heft
4/2003, S. 9, ist das deutsche Strafrecht auf den vorliegenden Sachverhalt auch
anwendbar. So auch Greiner, CR 2002, 620, 621.
Richtig ist zwar, dass dem deutschen Strafrecht durch die in der erwähnten Entschei- dung
des Bundesgerichtshofes vom 12.12.2000 vertretene Ausdehnung des "Erfolgsortes" bei
Delikten im Zusammenhang mit dem Internet ein sehr weiter Anwendungsbereich eröffnet
wird. Selbst wenn man jedoch mit Rücksicht darauf eine einschränkende Auslegung des §
9 befürwortete, vgl. zu den zahlreichen Ansätzen in dieser Richtung nur Tröndle/ Fischer,
StGB, Kommentar, 52. Aufl. 2004, § 9 Rn. 5 ff., hätte man vorliegend einen Erfolgsort in
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Deutschland anzunehmen. Bei den in Rede stehenden Internet-Seiten handelt es sich
nämlich durchaus nicht um Angebote, die sich allein mit us-amerikanischen Themen
befassen und an dortige Nutzer gerichtet sind. Die Seiten haben vielmehr einen deutlich
erkennbaren Bezug zu Deutschland. Dies geht im Falle von "www.O. " schon aus dem
Namen der Seite (NSDAP-Auslandsorganisation) hervor und wird auch an deren Inhalten,
etwa an der verunglimpfenden Darstellung bundesdeutscher Politiker, deutlich. Auch die
"T. "-Seite richtet sich erkennbar gerade auch an deutsche Nutzer. Sie enthält eine
deutschsprachige Sektion und beschäftigt sich im Rahmen der oben erwähnten
Geschichts-"Darstellung" gerade auch mit der deutschen Geschichte, wobei sie angesichts
der Hervorhebung Hitlers als eines bedeutenden Staatsmannes Deutschland offenbar eine
Vorreiterrolle bei der Umsetzung rechtsextremen Gedankenguts zuerkennt. Beide Seiten
weisen damit einen Bezug zu Deutschland auf, der eine Anknüpfung des deutschen
Strafrechts ohne weiteres erlaubt.
4.
Auch die weitere Voraussetzung des § 22 Abs. 3 MDStV, der zufolge sich Maßnahmen
gegenüber dem Verantwortlichen nach § 6 Abs. 1 MDStV als nicht durchführbar oder nicht
erfolgversprechend erwiesen haben müssen, ist erfüllt. Dabei kann dahinstehen, ob - wie in
anderen bei der Kammer anhängigen Verfahren vorgetragen - die hinter den beiden
Internet-Angeboten stehenden Personen erkennbar sind. Denn ihre Inanspruchnahme
verspricht ebensowenig Erfolg wie ein Vorgehen gegen die - möglicherweise von den
vorgenannten Personen verschiedenen - Content-Provider. Die Bezirksregierung
Düsseldorf hat vor Erlass der Sperrungsverfügungen entsprechende Bemühungen
erfolglos unternommen.
5.
Entgegen der Ansicht der Klägerin wird die Verfügung auch den Anforderungen des § 37
Abs. 1 VwVfG NRW gerecht, ist also hinreichend bestimmt. Dazu hat die Kammer bereits in
ihrem Beschluss vom 7.2.2003 in dem Verfahren 6 L 2495/02 ausgeführt:
"Dies ist hinsichtlich des mit der Verfügung angestrebten Zieles unzweifelhaft, denn das
Ziel, die Sperrung der in Rede stehenden Inhalte, wird durch den Verfügungstenor
eindeutig vorgegeben. Bedenken könnte allerdings die Tatsache auslösen, dass das zum
Erreichen des Zieles zu wählende Mittel durch die Verfügung nicht vorgegeben, sondern
der Antragstellerin die Auswahl zwischen den - mindestens drei - vorhandenen
Sperrungsmöglichkeiten überlassen wird. Ein solches Vorgehen kann insbesondere im
Hinblick auf die Tatsache, dass der Verwaltungsakt Grundlage der
Verwaltungsvollstreckung ist, bedenklich sein, vgl. OVG NW, Urt. v. 11.6.1992 - 20 A
2485/89 -, NVwZ 1993, 1000 f.; VGH Hessen, Beschl. v. 26.7.1994 - 4 TH 1779/93 -, BRS
56, Nr. 212; P.Stelkens/U.Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 6. Aufl. 2001, § 37
Rn. 27. Letztlich ist bei der Frage der Bestimmtheit jedoch auf den Einzelfall abzustellen,
wie sich schon aus der eine Abwägung andeutenden Formulierung des § 37 Abs. 1 VwVfG
("hinreichend") ergibt. Im Einzelfall kann eine gewisse Unbestimmtheit unabdingbar oder
sogar geboten sein, etwa wenn die Entscheidung zwischen mehreren zur Verfügung
stehenden Mitteln einen Kernbereich der Entscheidungsfreiheit des Adressaten betrifft, vgl.
BVerwG, Urt. v. 15.2.1990 - 4 C 41.87 -, BVerwGE 84, 335 ff., zu dem nicht näher
konkretisierten Gebot, eine Baulücke zu schließen; für die Möglichkeit, dem Adressaten die
Wahl des Mittels zu überlassen, etwa auch Hennecke, in: Knack, VwVfG, 6. Aufl. 1998, §
37 Rn. 3.2.6. mit weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung; Kopp/Ramsauer, VwVfG,
7. Aufl. 2000, § 37 Rn. 16.
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Vorliegend dürfte das Vorgehen der Antragsgegnerin im Hinblick auf das
Bestimmtheitsgebot vertretbar sein. Die Gespräche bzw. Anhörungen im Vorfeld der
Sperrungsverfügung haben gezeigt, dass die verschiedenen diskutierten Möglichkeiten der
Sperrung den jeweiligen Provider in sehr unterschiedlicher Weise belasten können, je
nach dem, über welche technische Infrastruktur, welches Personal und welchen
Kundenkreis er verfügt. Darüber hinaus wurden weitere technische Möglichkeiten erörtert,
deren Durchführbarkeit noch nicht erprobt ist. Vor diesem Hintergrund dürfte es im Ergebnis
nicht zu beanstanden sein, wenn die Antragsgegnerin dem einzelnen Provider die
Entscheidung überlässt, mit welcher Methode er seiner Verpflichtung zur Sperrung
nachkommt. Damit wird den Adressaten der Verfügung ein Spielraum bei der Gestaltung
ihrer Gewerbebetriebe belassen und somit auch ihr Recht, betriebliche Entscheidungen
selbst zu treffen, weitgehend gewahrt. Zugleich wird der Antragstellerin ein Spielraum
eingeräumt, um selbst neue technische Vorgehensweisen zu entwickeln. Dass die
Sperrungsverfügung Grundlage der Verwaltungsvollstreckung ist, steht dem nicht zwingend
entgegen, denn bei der Androhung und Festsetzung eines entsprechenden Zwangsmittels
wäre die Antrags- gegnerin an das Gebot der Verhältnismäßigkeit gebunden und müsste
diejenige Maßnahme ergreifen, die die Antragstellerin am wenigsten beeinträchtigt (§ 58
Abs. 1 Verwaltungsvollstreckungsgesetz NW).
An diesen Überlegungen hält die Kammer weiterhin fest.
Ebenso im Ergebnis OVG NRW, a.a.O., BA S. 15 f.; VG Arnsberg, a.a.O., UA S. 22.
Sie hält auch die Beschreibung der drei zur Auswahl gestellten Sperrungsmethoden nicht
für zu unbestimmt. Insoweit ist zunächst festzustellen, dass bei den Adressaten der
Verfügung die erforderliche technische Versiertheit vorausgesetzt werden kann. Vor
diesem Hintergrund und angesichts des erkennbaren Zieles der Verfügung sind die drei
Sperrungsmethoden hinreichend klar umschrieben. Dass bei der Sperrung im Wege der
"DNS-Methode" auch sog. "Sub-Domains" mitgesperrt werden und werden sollen, liegt auf
der Hand. Dass bei der "IP- bzw. Router-Methode" die konkreten IP-Nummern nicht
angegeben sind, führt ebenfalls nicht zur Unbestimmtheit der Verfügung. Der Klägerin ist es
ohne weiteres möglich, die jeweilige IP-Nummer zu ermitteln. Bei Zugrundelegung ihres
eigenen Vortrages, dem zufolge die IP-Nummern des öfteren wechseln, wäre die Angabe
einer bestimmten IP-Nummer in der Verfügung wenig sinnvoll gewesen. Unzweifelhaft ist
unter Zugrundelegung dieses Vortrages auch, dass Änderungen der zu den beiden Seiten
führenden IP-Nummern im Laufe der Zeit nachgegangen werden muss, da andernfalls die
Sperrung nach kurzer Zeit unwirksam würde. Dass schließlich bei der "Proxy-Variante"
nicht ausdrücklich angegeben ist, ob der eingesetzte Proxy ein sog. "Zwangsproxy" oder
ein optionaler Proxy zu sein hat, steht der Bestimmtheit eben- falls nicht entgegen.
Nachdem diese Frage bereits in den Anhörungsgesprächen diskutiert worden ist, konnte
aus der Tatsache, dass die Verfügung insoweit keine Angabe enthält, geschlossen werden,
dass die Art des Proxy durch den Verfügungsadressaten gewählt werden darf, wobei die
Beklagte allerdings in der mündlichen Verhandlung unwidersprochen vorgetragen hat,
dass von Providern, die über Proxy-Server verfügten, ganz überwiegend "Zwangsproxys"
zumindest in der Weise verwendet würden, dass die dem Nutzer zur Verfügung gestellte
Zugangssoftware eine tatsächliche Inanspruchnahme des Proxys gewährleiste. Entgegen
der von der Klägerin im Widerspruchsverfahren vertretenen Auffassung genügt auch der
dem Tenor der angegriffenen Verfügung mit Blick auf das Grundrecht der
Wissenschaftsfreiheit (Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG) beigefügte Zusatz den Anforderungen des §
37 Abs. 1 VwVfG NRW. Dabei kann dahinstehen, ob sich bereits der Formulierung des
Bescheides "Die Nutzungsmöglichkeiten sind insoweit durch geeignete technische
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Maßnahmen zeitlich und räumlich zu begrenzen." hinreichend deutlich entnehmen lässt, in
welchem Umfang eine räumliche und zeitliche Begrenzung erfolgen soll. Denn die
Bezirksregierung Düsseldorf hat diesen Satz im Widerspruchsbescheid dahingehend
erläutert, dass gewährleistet werden solle, dass der Zugriff auf die inkriminierten Seiten nur
für wissenschaftlich tätige Personen und nur in der Zeit möglich ist, in der sie
wissenschaftlich tätig sind. Bedenken an der hinreichenden Bestimmtheit auch des
Zusatzes zum Verfügungstenor bestehen danach nicht (mehr).
Die Verfügung geht gegenüber der Klägerin auch nicht etwa deshalb von vornherein ins
Leere, weil eine Nutzung der in Rede stehenden Webseiten im Rahmen des von ihr
vermittelten Zugangs ohnehin nur zu wissenschaftlichen Zwecken erfolgte. Zwar hat die
Klägerin insoweit in der mündlichen Verhandlung vorgetragen, dass die Studierenden eine
Erklärung unterschreiben müssten, den Internetzugang nur zu Studienzwecken zu nutzen.
Jedoch hat die Klägerin zugleich eingeräumt, dass sie eine entsprechende Kontrolle nicht
durchführe und davon ausgehe, dass eine Nutzung tatsächlich auch zu studienfremden
Zwecken erfolge. Dass ein Zugriff auf die beiden inkriminierten Webseiten zu nicht
wissenschaftlichen Zwecken im Rahmen des von der Klägerin vermittelten Zugangs von
vornherein ausgeschlossen ist, kann daher nicht genommen werden.
Schließlich ist die angefochtene Verfügung auch nicht deshalb rechtswidrig, weil die von
der Klägerin verlangte Maßnahme unmöglich wäre. Dass die Vornahme der angeregten
Maßnahmen möglich ist, ergibt sich schon daraus, dass die Klägerin sowie etliche weitere
Provider die angeordnete Sperrung inzwischen vorgenommen haben. Dabei ist es der
Klägerin nach ihren Angaben in der mündlichen Verhandlung technisch auch möglich, den
Zugang zur den inkriminierten Seiten zu wissenschaftlichen Zwecken zu ermöglichen.
6.
Die Verfügung leidet im Ergebnis auch nicht an Ermessensfehlern. Unzutreffend ist
allerdings die Annahme der Bezirksregierung Düsseldorf, es stehe ihr bei der
Entscheidung über die Maßnahme kein Entschließungsermessen zu, sie sei also zu einem
Einschreiten verpflichtet. Dies ist zwar in bezug auf § 22 Abs. 2 MDStV richtig. Bei § 22
Abs. 3 MDStV jedoch, der eine eigenständige (subsidiäre) Rechtsgrundlage für eine
Sperrungsverfügung enthält, billigt der MDStV der Aufsichtsbehörde Ermessen auch
hinsichtlich des "Ob" des Einschreitens zu. So OVG NRW, a.a.O., BA S. 16 f., und der
Beschluss der Kammer vom 17.10.2003 - 6 L 699/03 -, BA S. 11, anders noch die Tendenz
der Kammer im Beschluss vom 7.2.2003 - 6 L 2495/02 -, BA S. 21. Dennoch ist die
Verfügung nicht ermessensfehlerhaft. Die Bezirksregierung Düsseldorf hat das
Entschließungsermessen jedenfalls im Widerspruchsbescheid - und damit rechtzeitig -
ausgeübt. Dort hat die Behörde nämlich ausgeführt, dass sie auch die Voraussetzungen für
ein Eingreifen auf der Grundlage des § 14 OBG NRW für gegeben hält. In diesem
Zusammenhang hat sie erläutert, warum sie sich für ein Tätigwerden entschieden hat
(Seite 16). Diese Ermessensüberlegungen tragen ohne Weiteres auch die gleich gelagerte
Entscheidung, ob auf der Grundlage des Medien- dienste-Staatsvertrages eingegriffen
werden soll. Fehler bei der Ausübung des Auswahlermessens, insbesondere hinsichtlich
der Störerauswahl, sind nicht erkennbar. Die Bezirksregierung hat sich - in Anlehnung an
die durch § 22 Abs. 2 und 3 MDStV vorgegebene Rangfolge - zunächst um ein Vorgehen
gegen die Service- bzw. Content-Provider bemüht und erst nach dem Scheitern dieser
Bemühungen die - soweit ersichtlich - allein verbliebenen Verantwortlichen, die Access-
Provider, in Anspruch genommen. Diese Entscheidung hat die Behörde auch ausführlich
begründet.
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7.
Die angefochtene Verfügung ist schließlich auch nicht unverhältnismäßig, wobei hier,
namentlich bei der Geeignetheit und der Angemessenheit bzw. Zumutbarkeit der
Maßnahme, nach Auffassung der Kammer das Hauptproblem der Verfügung liegt.
a)
Keine der drei in der Verfügung genannten Sperrungsalternativen kann im Rechtssinne als
ungeeignet angesehen werden. Eine Maßnahme der Gefahrenabwehr ist nämlich bereits
dann geeignet zur Erreichung eines legitimen Zweckes, wenn durch sie der gewünschte
Erfolg gefördert, also die Gefahr gemindert wird. Voraussetzung der Rechtmäßigkeit einer
entsprechenden Maßnahme ist also nicht, dass die Gefahr durch sie vollständig beseitigt
wird; ausreichend, aber auch erforderlich ist vielmehr, dass die angeordnete Maßnahme
einen wirksamen Beitrag zur Gefahrenabwehr leisten kann.
Vgl. Rachor, in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 3. Aufl. 2001, Teil F Rn.
222; Pieroth/Schlink/Kniesel, Polizei- und Ordnungsrecht, 2002, § 10 Rn. 22; Schenke,
Polizei- und Ordnungsrecht, 3. Aufl. 2004, Rn. 333.
Eine auch nur annähernd vollständige Beseitigung der Gefahr ist durch keine der drei
Maßnahmen zu erreichen. Denn einem technisch versierten Nutzer stehen zahlreiche
Wege offen, um jede der Sperrungsvarianten gezielt zu umgehen. Vgl. dazu nur Schneider,
MMR 2004, 18 ff.; ders., MMR 1999, 571 ff..
Das Internet ist jedoch inzwischen ein Massenmedium. Es wird in breitem Umfang auch
von Personen genutzt, die sich mit den technischen Details niemals aus- einandergesetzt
haben und die auch die Konfiguration ihrer eigenen Hard- und Software entweder Dritten
überlassen oder nach Möglichkeit in dem werksseitig eingestellten Zustand belassen. Bei
diesem Typ von Nutzer (im folgenden: "Normal- Nutzer") entfalten die Sperrungsvarianten
einen gewissen Effekt; der Zugang zu den in Rede stehenden Seiten wird für ihn jedenfalls
unbequemer, unter Umständen sogar ganz erheblich erschwert.
Dies gilt zunächst für die sog. "DNS-Methode". Haupteinwand gegen die Geeignetheit
dieser Variante ist nach Auffassung der Kammer die Behauptung, bei der Verwendung von
Suchmaschinen und Linklisten laufe die Sperrung von vornherein ins Leere. Dieser
Einwand wäre vor allem deshalb gravierend, weil gerade die beschriebene Gruppe der
"Normal-Nutzer" häufig nicht den konkreten Domain-Namen bzw. die konkrete URL der
Zielseite kennen und daher auf eine Suchmaschine zurückgreifen wird. Die Erörterung
dieses Problems in der mündlichen Verhandlung hat jedoch das - unstreitige - Ergebnis
erbracht, dass es auf die Funktionsweise der jeweiligen Suchmaschine ankommt, ob beim
"Anklicken" eines in der Ergebnisliste der Suchmaschine angezeigten Angebots der DNS-
Server des Providers aktiviert werden muss mit der Folge, dass die Sperrung greift. Dies
wird jedenfalls bei einem Teil der Suchmaschinen durchaus der Fall sein. Ähnliches gilt für
die Linklisten. In bezug auf die Suchmaschinen kommt (aus heutiger Sicht) hinzu, dass die
Betreiber praktisch aller wichtigen Suchmaschinen in Deutschland inzwischen angekündigt
haben, die Nachweise, die auf eine der zu sperrenden Domains verweisen, ihrerseits zu
sperren. Auch von dieser Seite wird die Umgehung der Sperre also erschwert. Die anderen
Möglichkeiten, eine Sperrung in der "DNS- Variante" zu umgehen, z.B. die Verwendung
eines Anonymizers, die Verwendung eigener oder alternativer DNS-Server, die direkte
Eingabe der IP-Nummer, der Zugriff auf die Seite über eine Call-by-Call-Verbindung, etwa
zu einem us- amerikanischen Anbieter, dürften in der genannten Gruppe der "Normal-
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Nutzer" keine große Rolle spielen. Insgesamt ist festzustellen, dass die DNS-Sperrung für
technisch versierte Nutzer kein Hindernis darstellt und dass es bei den Normal- Nutzern
vom Zufall abhängen kann, ob die Sperre greift. Dass die Sperre aber praktisch überhaupt
keinen Zugriff auf die in Rede stehenden Seiten verhindert und damit ungeeignet ist, kann
nicht angenommen werden.
Für die Geeignetheit der DNS-Variante auch OVG NRW, a.a.O., S. 18 f.; VG Arnsberg,
a.a.O., S. 23 f.; Spindler, in: Spindler/Schmitz/Geis, TDG, Kommentar, Rn. 43 f. zu § 9 TDG;
ders./Volkmann, MMR 2003, 353, 354 und K & R 2002, 398, 406; Greiner, CR 2002, 620,
622; Dietlein/Heinemann, K & R 2004, 423, 424; anderer Ansicht Schneider, MMR 2004, 18
ff.; Vassilaki, CR 2003, 367, 368; Stadler, MMR 2002, 343, 345, und MMR 2003, 208, 209;
Engel, MMR 2003, Beilage zu Heft 4/2003, S. 25 f.; Rosenkranz, a.a.O., Abs. 20.
Ob die Geeignetheit der "DNS-Methode" für die Rechtmäßigkeit der Sperrungsverfü- gung
ausreicht, wie dies die Bezirksregierung Düsseldorf ausweislich der Begründung ihrer
Bescheide möglicherweise angenommen hat, oder ob nicht alle drei Varianten geeignet
sein müssen, weil die Behörde, würde sie dem Adressaten ungeeignete Methoden zur
Auswahl belassen, widersprüchlich handeln und das durch die Verfügung ausgesprochene
Handlungsgebot in Frage stellen würde, braucht nicht entschieden zu werden. Denn auch
die beiden anderen Varianten sind nach Auffassung der Kammer nicht ungeeignet.
Soweit der "IP- bzw. Router-Methode" von der Klägerin entgegengehalten wird, sie entfalte
jedenfalls keine dauerhafte Wirkung, weil die IP-Nummern häufig wechselten, hat die
mündliche Verhandlung ergeben, dass ein solcher Wechsel jedenfalls nicht so oft
stattfindet wie teilweise behauptet. Die angeführten Fälle stündlich wechselnder oder sogar
permanent rotierender IP-Nummern betreffen vielmehr offenbar andere Typen von Internet-
Angeboten. Bei den beiden in Rede stehenden Seiten ist ein derart häufiger Wechsel
hingegen kaum zu erwarten. Im übrigen beinhaltet die Sperrungsverfügung in der "IP-
Variante" - wie oben bereits aufgezeigt - das Gebot, entsprechende Änderungen zu
verfolgen, die Sperrung also an geänderte IP-Nummern anzupassen. Geschieht dies,
möglicherweise auch automatisiert, so sind die sich aus dem Wechsel der IP-Nummern
ergebenden Bedenken ausgeräumt. Bezüglich anderer Umgehungsmöglichkeiten gilt das
Gesagte; sie stehen in erster Linie technisch versierten Nutzern offen. Von der
Ungeeignetheit dieser Sperrungsmethode kann demnach nicht ausgegangen wer- den.
Ebenso im Ergebnis Greiner, CR 2002, 620, 622; Rosenkranz, a.a.O.:, Abs. 22; anderer
Ansicht Stadler, MMR 2002, 343, 345; Engel, MMR 2003, Beilage zu Heft 4/2003, S. 26.
Dass auch die Verwendung eines Proxy-Servers geeignet ist, einen Teil der Zugriffe der
"Normal-Nutzer" zu erschweren, hat die mündliche Verhandlung ergeben. Selbst bei einem
optionalen Proxy-Server wird der Zugang für einen Teil der Benutzer erschwert, deren
Software so eingestellt ist, dass auf den Proxy-Server zugegriffen wird. In der Regel wird
der Provider aber, wenn er überhaupt einen Proxy-Server betreibt, zumindest über die von
ihm bereitgestellte Zugangssoftware dafür sorgen, dass der Proxy-Server auch in Anspruch
genommen wird, zumal er über die Funktion des Proxys als Speicher häufig aufgerufener
Inhalte ("Cache-Funktion") seine ("traffic"-) Kosten reduzieren kann. Für die Geeignetheit
der Proxy-Variante auch Greiner, CR 2002, 620, 622; anderer Ansicht Stadler, MMR 2002,
343, 346; Engel, MMR 2003, Beilage zu Heft 4/2003, S. 26 f.
b)
Die Maßnahme ist auch erforderlich; ein milderes, ebenso effizientes Mittel zur Unter-
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bindung der Angebote ist nicht ersichtlich. Dazu hat das OVG NRW in seinem Be- schluss
vom 19.3.2003 (BA S. 19 f.) ausgeführt: "Es ist - wie dargelegt - nicht ersichtlich, dass die
Antragsgegnerin mit Erfolg gegenüber den für die Seiten Verantwortlichen vorgehen oder
ein Einschreiten veranlassen kann. Die Möglichkeit des Einsatzes der von der
Antragstellerin angeführten Filtersoftware ist - wie die Antragsgegnerin vorgetragen hat -
abhängig von der Mitwirkung der Content-Provider, die ihre Seiten freiwillig selbst
bewerten und indizieren müssten. Von einer Bereitschaft hierzu kann im vorliegenden
Verfahren nicht ausgegangen werden. Zudem müsste hierfür jeder einzelne Nutzer
Software installieren. Die Bereitschaft dazu dürfte gering sein. Es entspricht auch nicht Sinn
und Zweck der Regelungen des MDStV, dass der einzelne Nutzer selbst aktiv werden
muss, um vor unzulässigen Inhalten geschützt zu werden. Es geht der Antragsgegnerin zu
Recht nicht darum, lediglich einen Schutz vor ungewollter Konfrontation mit den beiden
Webseiten zu gewährleisten. Vielmehr soll gegen die Verbreitung strafrechtlich relevanter
Inhalte vorgegangen werden. Auch die von der Antragstellerin angesprochene Förderung
des kritischen Umgangs mit rechtsradikalen Seiten ist nicht geeignet, das von der
Antragsgegnerin verfolgte Ziel, den Zugang zu den beiden Seiten zu verhindern, zu
erreichen."
Dem schließt die Kammer sich an.
Ebenso im Ergebnis auch VG Arnsberg, a.a.O., UA S. 24; Greiner, CR 2002, 620, 622;
Dietlein/Heinemann, K & R 2004, 418, 423; Spindler/ Volkmann, K & R 2002, 398, 406.
c)
Die Maßnahme ist schließlich auch nicht unangemessen bzw. - so ausdrücklich § 22 Abs.
3 Satz 1 letzter Halbsatz MDStV - unzumutbar. Ausgangspunkt der Überlegungen muss
insoweit allerdings die Feststellung sein, dass die von der Klägerin verlangte Maßnahme -
wie oben gesehen - wenig effizient ist, weil ein erheblicher Teil der Nutzer nicht oder
jedenfalls nicht dauerhaft am Zugriff auf die in Rede stehenden Seiten gehindert wird. Dies
macht die Maßnahme zwar, da es vorliegend um den Schutz der von der Verfassung zum
obersten Wert erhobenen Menschenwürde geht, nicht von vornherein unzumutbar. Es
erfordert aber einen genauen Blick auf den dem Adressaten der Sperrungsverfügung
entstehenden Aufwand. Dieser darf zu der durch jede der Sperrungsalternativen erzielten,
moderaten Wirkung nicht außer Verhältnis stehen. Dabei ist auf die Verhältnisse des
jeweiligen Providers abzustellen, für den die Maßnahmen je nach der Organisation seines
Betriebes unterschiedlich belastend sein können.
Vgl. dazu Beschluss der Kammer vom 17.10.2003 - 6 L 699/03 -. Gemessen an diesen
Maßstäben hält die Kammer die Verfügung für angemessen. Dass ihr bei der Umsetzung
der Verfügung ein Aufwand entstünde, der zu dem erzielten Effekt außer Verhältnis steht,
hat die Klägerin nicht dargetan. Vielmehr hat sie in der mündlichen Verhandlung erklärt,
dass die auf die für sofort vollziehbar erklärte Sperrungsverfügung hin von ihr
vorgenommene Einrichtung einer sog. DNS- Sperre einen Personalaufwand von 10-15
Minuten erfordert habe. Dass ihr darüber hinaus für die laufende Unterhaltung der Sperre
ein nennenswerter Aufwand entstünde, hat sie nicht geltend gemacht.
In bezug auf die "IP- bzw. Router-Methode" und die "Proxy-Methode" ist festzustellen, dass
ihre Zumutbarkeit wohl ganz wesentlich von dem jeweiligen Provider abhängt. Ob dieser
etwa bereits einen Proxy-Server betreibt oder ob hinreichend qualifiziertes Personal für die
Vornahme der offenbar nicht ganz einfachen Änderungen am Router vorhanden ist, dürfte
insoweit eine Rolle spielen. Von vornherein unangemessen sind indes auch diese
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Methoden nicht. Wer bereits einen Proxy-Server betreibt, wird dessen Verwendung zur
Umsetzung der Sperrung möglicherweise bevorzugen. Bei der Sperrung von IP-Nummern
im Router bedeutet es zwar einen zusätzlichen Aufwand, nach der Einrichtung der
Sperrung Änderungen der IP-Nummern nachzugehen, wie es die Verfügung verlangt
(siehe oben). Der Aufwand wird sich aber möglicherweise durch eine Automatisierung
dieser Tätigkeit in Grenzen halten lassen. Dass die Sperrung mittels der "IP- bzw. Router-
Methode" oder der "Proxy-Methode" in bezug auf zwei Adressen im Falle der Klägerin
unzumutbar wäre, ist danach nicht erkennbar und wird im übrigen auch nicht geltend
gemacht. Vielmehr hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung erklärt, dass sie
zwischenzeitlich einen Zwangsproxy eingerichtet habe, mit dem sie eine Sperrung
innerhalb von 15 Minuten vornehmen könne.
Soweit die Klägerin ausführt, entscheidend sei, dass der vorliegenden Sperrungsverfügung
ersichtlich Pilotcharakter zukomme und dass die Beklagte im Falle eines für sie positiven
Ausgangs des Verfahrens vermutlich eine größere Zahl weiterer Sperrungen verfügen
werde, ist darauf hinzuweisen, dass dies für die Entscheidung des vorliegenden Verfahrens
nicht relevant sein kann. Denn für die Rechtmäßigkeit der Sperrungsverfügung
insbesondere auch im Hinblick auf ihre Zumutbarkeit ist allein auf die konkret verfügte
Maßnahme abzustellen. Wenn die Beklagte sich in Zukunft zum Erlass weiterer
Sperrungsverfügungen entschließen sollte, so wird sie allerdings nach Auffassung der
Kammer zu berücksichtigen haben, dass mit der Zahl der vorzunehmenden und aufrecht zu
erhaltenden Sperren naturgemäß der Aufwand für die Provider steigt (wenn auch wohl
nicht linear). Insoweit erscheint der Kammer in der Tat denkbar, dass irgendwann ein Punkt
erreicht sein könnte, an dem die Maßnahme dem Provider nicht mehr zugemutet werden
kann. Ob und wann ein solcher Punkt erreicht wird, wird auch von der technischen
Entwicklung abhängen, die möglicherweise andere Sperrungsalternati- ven hervorbringen
oder den Aufwand für die vorhandenen Methoden reduzieren wird. Die Beklagte wird
diesbezügliche Einwände der Provider jedenfalls weiterhin zur Kenntnis zu nehmen und zu
erwägen haben.
Vgl. zur Verhältnismäßigkeit von Sperrungsverfügungen auch Zimmermann, NJW 1999,
3145, 3151; Spindler/Volkmann, K & R 2002, 398, 407 f.; Greiner, CR 2002, 620, 623;
Stadler, MMR 2002, 343, 345 ff.; Engel, MMR 2003, Beilage zu Heft 4/2003, S. 19;
Rosenkranz, a.a.O., Abs. 26; Vassilaki, CR 2003, 367, 368, König, in: Schütz,
Kommunikationsrecht, 2005, Rn. 660.
8.
Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Verfügung bestehen nicht. Soweit die Klägerin
in Art. 5 Abs. 1 GG enthaltene Grundrechte als berührt ansieht, ist festzustellen, dass es
sich - einen Eingriff in den Schutzbereich der Meinungs-, Presse- oder Rundfunkfreiheit
unterstellt - bei den §§ 11, 12, 22 MDStV um ein allgemeines Gesetz im Sinne des Art. 5
Abs. 2 GG handelt, das vorliegend auch in einer den Anforderungen des Art. 5 GG gerecht
werdenden Weise angewendet worden ist. Eine Zensur im Sinne des Art. 5 Abs. 1 Satz 3
GG liegt nicht vor, da Zensur im Sinne dieser Bestimmung nur die "Vorzensur" ist, nicht
aber ein Ein- schreiten gegen bereits publizierte Inhalte.
Ein Eingriff in das Grundrecht der Wissenschaftsfreiheit (Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG), das der
Klägerin in ihrer Funktion als institutioneller Sachwalter der bei ihr tätigen Wissenschaftler
und Studenten zusteht, wird durch den Zusatz zum Verfügungstenor ausgeschlossen.
II.
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Auch unter Zugrundelegung der heutigen Rechtlage ist die Verfügung rechtmäßig.
Ermächtigungsgrundlage wäre nunmehr - wie oben bereits angedeutet - § 20 Abs. 4
JMStV. Danach trifft bei Verstößen gegen den JMStV für Anbieter von Telemedien, zu
denen gemäß § 3 Abs. 2 Nr. 1 JMStV sowohl Mediendienste als auch Teledienste gehören,
die zuständige Landesmedienanstalt durch die Kommission für Jugendmedienschutz
entsprechend § 22 Abs. 2 bis 4 MDStV die jeweilige Maß- nahme.
Ein Verstoß gegen den JMStV liegt vor. Die in Rede stehenden Seiten verstoßen nämlich
jedenfalls gegen § 4 Abs. 1 Nrn. 2, 3 und 4 JMStV. Wegen der Einzelheiten wird auf die
Ausführungen unter I. 3. verwiesen; die dort behandelten Tatbestände des § 12 MDStV a.F.
finden sich in § 4 JMStV in weitgehend unveränderter Form wieder. Wegen der sonstigen
Voraussetzungen eines Eingreifens auf der Grundlage von § 20 Abs. 4 JMStV kann
ebenfalls auf die Ausführungen unter Ziffer I. Bezug genommen werden. Dass der Erlass
einer entsprechenden Sperrungsverfügung heute eine Entscheidung der Kommission für
Jugendmedienschutz nach § 14 JMStV voraussetzte, macht die angefochtene
Sperrungsverfügung nicht rechtswidrig, da es sich insoweit um eine Verfahrensregelung
handelt, die bisher nicht bestand.
C.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Entscheidung über die Zulassung der Berufung beruht auf § 124a Abs. 1 Satz 1 i.V.m.
§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO. Nach Auffassung der Kammer hat die Rechtssache
grundsätzliche Bedeutung, weil sie eine Reihe von Fragen aufwirft, die über den kon-
kreten Fall hinaus aus Gründen der Rechtssicherheit, der Einheit der Rechtsordnung und
der Fortbildung des Rechts von Bedeutung sind. Das Oberverwaltungsgericht hat ein
vergleichbares (Hauptsache-) Verfahren bislang nicht entschieden.