Urteil des VG Köln vom 26.07.2006

VG Köln: krankenschwester, fristlose kündigung, anweisung, widerruf, gesundheitszustand, personalakte, behörde, zahl, mobbing, zukunft

Verwaltungsgericht Köln, 9 K 794/05
Datum:
26.07.2006
Gericht:
Verwaltungsgericht Köln
Spruchkörper:
9. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
9 K 794/05
Tenor:
Der Bescheid des Beklagten vom 30. Juni 2003 und der
Widerspruchsbescheid der Bezirksregierung Köln vom 13. Januar 2005
werden aufgehoben.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110
Prozent des beizutreibenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand Der am 00.00.0000 geborenen Klägerin wurde am 01. April 1991 die
Erlaubnis erteilt, die Berufsbezeichnung "Krankenschwester" zu führen.
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Ab dem 01. August 1991 war sie bei der Universitätsklinik Köln angestellt tätig. In der
Zeit bis 1998 kam es zu verschiedenen Beschwerden von Kollegen und Vorgesetzten
über die Klägerin, die ihr Arbeits- und Sozialverhalten betrafen. Die Klägerin erkrankte
und erschien seit dem 07. September 1998 nicht mehr zur Arbeit. Sie legte zunächst
zwei Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen von praktischen Ärzten und danach vier
Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen eines Facharztes für Psychiatrie vor. Am Ende der
Fehlzeit wurde der Klägerin von der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte eine
vierwöchige Rehabilitationsmaßnahme bewilligt, die mit der Einschätzung des Rehabili-
tationsträgers endete, die Klägerin sei arbeitsunfähig am bisherigen Arbeitsplatz, jedoch
voll einsetzbar als OP-Schwester in einem neuen Betätigungsfeld. Eine Aussage zur
behandelten Erkrankung enthielt die Bescheinigung vom 04. Mai 2000 nicht.
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Die Klägerin wurde daraufhin ab ihrer Arbeitsaufnahme am 10. Mai 2000 in einer
anderen Abteilung eingesetzt. Seit Januar 2001 beschwerten sich Kollegen und
Vorgesetzte der Klägerin bei der Personalstelle der Universitätsklinik in einer Vielzahl
von Schreiben über das Sozialverhalten und die Arbeitsleistung der Klägerin. Ein Teil
der Kollegen und Vorgesetzten bat ausdrücklich, nicht mehr mit der Klägerin
zusammenarbeiten zu müssen oder die Klägerin aus der derzeitigen Abteilung in eine
andere Abteilung zu versetzen. Die Klägerin verweigerte eine betriebsärztliche
Untersuchung, zu der sie die Universitätsklinik aufgefordert hatte. Im März 2001 sprach
die Universitätsklinik eine Änderungskündigung des Inhalts aus, dass die Klägerin
künftig nicht mehr als OP-Schwester, sondern nur noch als Krankenschwester
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eingesetzt werde. Die dagegen erhobene Kündigungsschutzklage hatte Erfolg (ArbG
Köln, Urteil vom 20. September 2001 - 1 Ca 3482/01 -). Eine beabsichtigte
Untersuchung nach Maßgabe des § 7 II BAT wurde nach der Umsetzung der Klägerin in
eine andere Abteilung vorläufig zurückgestellt. Seit Ende April 2001 kam es erneut zu
schriftlichen Beschwerden von Kollegen und Vorgesetzten über das Arbeitsverhalten
der Klägerin in der neuen Abteilung. Im September 2001 legten Mitarbeiter eine
Unterschriftenliste vor, in der sie sich gegen die weitere Zusammenarbeit mit der
Klägerin aussprachen.
Die Universitätsklinik Köln bat den Beklagten bereits mit Schreiben vom 31. Mai 2001,
die Klägerin amtsärztlich zu untersuchen. Der psychische Gesundheitszustand solle
auch mit Blick auf die Frage geprüft werden, ob die Klägerin noch berechtigt sei, als
Krankenschwester zu arbeiten. Die Klägerin wurde von dem Beklagten zum 09. Juli
2001 zur Begutachtung eingeladen und lehnte ihr dortiges Erscheinen ohne
Begründung ab. Der Beklagte forderte die Klägerin auf, ihrerseits ein entsprechendes
Gutachten vorzulegen. Die damalige Verfahrensbevollmächtigte der Klägerin führte
dazu aus, dass die Klägerin nach dem Ergebnis der arbeitsmedizinischen
Untersuchungen uneingeschränkt arbeitstauglich gewesen sei. Die gegen die Klägerin
erhobenen Vorwürfe seien im Übrigen unberechtigt. Unter dem 09. Dezember 1996 sei
ihr ein Zwischenzeugnis erteilt worden, das ihr gute bis befriedigende Leistungen
bescheinige. Sie sei im Mai 2000 als voll einsatzfähige OP- Schwester aus der
Rehabilitation zurückgekehrt. Nach Rückkehr an den Arbeitsplatz seien die
unberechtigten Vorwürfe gegen die Klägerin fortgeführt worden. In der HNO-Abteilung
habe sie zunächst eine Einarbeitungszeit benötigt, die ihr erst nach mehrmaliger
Aufforderung gewährt worden sei. Der Vorwurf des verlangsamten Denkens und
Handelns werde zwar erhoben, aber nicht belegt. Ebenfalls nicht belegt sei der Vorwurf,
sie habe Kollegen mit juristischen Schritten gedroht und beleidigt. Ein einziger Vorgang
sei konkretisiert worden, nämlich eine Operation vom 23. Januar 2001. Damals sei sie
erstmals zum Instrumentieren ein- gesetzt worden. Sie habe sich zunächst der
Anweisung des operierenden Arztes wi- dersetzt, Stäbchen zu zerteilen, weil diese nach
den Anweisungen des Herstellers nicht zerteilt werden dürften. Nachdem der Arzt seine
Anweisung aufrecht erhalten habe, sei sie dieser nachgekommen. Die für die Zeit nach
der Umsetzung in eine andere Station erhobenen Vorwürfe seien ebenfalls nicht
konkretisiert. Die Klägerin legte eine Bescheinigung der Frau Dr. (Uni Rom) I. vom 01.
Oktober 2001 vor. Darin heißt es, die Klägerin befinde sich bei ihr seit Juli 2000 in
psychotherapeutischer Behandlung und leide nicht unter Denk-, Merk- und
Konzentrationsstörungen. Sie vermittle jedoch den Eindruck, am Arbeitsplatz einer
"Mobbing"-Situation ausgesetzt zu sein.
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Unter dem 20. Dezember 2001 hörte der Beklagte die Klägerin zu dem beabsichtigten
Widerruf der Erlaubnis an, die Berufsbezeichnung Krankenschwester zu führen. Am 16.
Januar 2002 wurde die Klägerin erneut zu einer Begutachtung im Gesundheitsamt am
15. März 2002 eingeladen. Die frühere Verfahrensbevollmächtigte erklärte dazu, die
Klägerin sei am Arbeitsplatz unabkömmlich. Zum anberaumten Termin erschien der
Lebensgefährte der Klägerin, Herr U. I1. , der unter anderem erklärte, dass die Klägerin
gesund sei und dass die Universitätsklinik eine Kampagne gegen die Klägerin führe.
Am 15. März 2002 fand in der Universitätsklinik Köln wegen des Verhaltens und des
weiteren Einsatzes der Klägerin ein Gespräch statt, an dem die Klägerin und Mitarbeiter
der Abteilung sowie der Personalverwaltung teilnahmen.
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Unter dem 02. April 2002 fragte der Beklagte bei der Universitätsklinik an, ob die
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Bedenken an der gesundheitlichen Eignung der Klägerin fortbestünden. Diese teilte mit,
dass das Verhalten der Klägerin weiterhin Anlass zu erheblichen Beanstandungen
gebe und die Klägerin nicht in der Lage sei, die vorgetragene Kritik zu reflektieren.
Ferner sei die Klägerin wegen ihres Verhaltens nicht normal belastbar und einsetzbar.
Der Amtsarzt Dr. I2. führte unter dem 12. Juli 2002 nach Durchsicht des Aktenmaterials
aus, es lasse sich nicht objektiv einschätzen, ob und in welchem Umfang die Klägerin
erkrankt sei. Er empfahl ein Vorgehen des Arbeitgebers aufgrund des § 7 Abs. 2 BAT,
weil hinreichende ärztliche Erkenntnisse fehlten. Er empfahl wegen der vorgetragenen
Schwierigkeiten im konzentrativen Bereich eine neurophysiologische Untersuchung.
Die Universitätsklinik wies einen entsprechenden Vorschlag des Beklagten zurück.
Unter dem 04. April 2003 wurde der Klägerin zum 30. September 2003 gekündigt. Die
Universitätsklinik sprach am 03. Juni 2003 auch die fristlose Kündigung aus. Die
dagegen erhobene Kündigungsschutzklage hatte in zweiter Instanz im Wesentlichen mit
der Begründung Erfolg, dass der tätig gewordene Mitarbeiter der Universitätsklinik Köln
keine Berechtigung besessen habe, eine Kündigung auszusprechen (LAG Köln, Urteil
vom 17. März 2006 - 4 SA 85/05 -).
Der Beklagte widerrief mit Bescheid vom 30. Juni 2003 die der Klägerin erteilte
Erlaubnis, die Berufsbezeichnung "Krankenschwester" zu führen. Zur Begründung
führte er aus, die Fehlzeiten der Klägerin in der Zeit vom 07. September 1998 bis zum
10. Mai 2000 und die seitdem bekannt gewordenen beruflichen Fehlleistungen und
Verhaltensauffälligkeiten hätten Zweifel an der gesundheitlichen Eignung der Klägerin
aufkommen lassen. Der wiederholten Aufforderung, sich einer amtsärztlichen
Untersuchung zu unterziehen oder ihre gesundheitliche Eignung durch ein
amtsärztliches Gutachten nachzuweisen, sei die Klägerin nicht nachgekommen. Die
vorgelegte Bescheinigung der Frau Dr. I3. vom 01. Oktober 2001 sei nicht geeignet, die
bestehenden Zweifel auszuräumen. Wegen der Weigerung, an der Aufklärung des
Sachverhalts mitzuwirken, müsse zu Ungunsten der Klägerin davon ausgegangen
werden, dass sie die gesundheitliche Eignung für den Beruf der Krankenschwester nicht
mehr besitze. Im Rahmen der gebotenen Ermessensentscheidung sei berücksichtigt
worden, dass das Interesse der Patienten und der Volksgesundheit das Interesse der
Klägerin an einer weiteren Berufsausübung überwiege.
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Den am 24. Juli 2003 gegen diese Entscheidung eingelegten Widerspruch wies die
Bezirksregierung Köln mit Bescheid vom 13. Januar 2005 als unbegründet zurück. Zur
Begründung hieß es, die Anordnung, sich einer amtsärztlichen Untersuchung zu
unterziehen, stehe im Ermessen der Behörde und sei gerichtlich nur beschränkt
überprüfbar. Aufgrund der Weigerungen der Klägerin, sich einer Untersuchung zu
unterziehen, aufgrund der Erhebungen des Beklagten und des Umstandes, dass die
Klägerin wegen einer psychiatrischen Erkrankung längere Zeit nicht zur Arbeit
erschienen sei, bestehe ein hinreichender Grund für die Annahme, dass die Klägerin
weiterhin psychisch erkrankt und berufsunfähig sei. Ob diese Annahme zutreffend sei,
könne nur durch ein amtsärztliches Gutachten bestätigt oder widerlegt werden.
Nachdem die Klägerin sich geweigert habe, an einer entsprechenden Aufklärung
mitzuwirken und aufgrund der Tatsache, dass die Hinweise auf eine psychische
Erkrankung verdichtet seien, müsse davon ausgegangen werden, dass die Klägerin
berufsunfähig sei. Unabhängig davon habe sich die Klägerin eines Verhaltens schuldig
gemacht, aus dem sich ihre Unzuver- lässigkeit zur Ausübung des Berufs einer
Krankenschwester ergebe. Eine Vielzahl von Beschwerden über das Arbeitsverhalten
und das Sozialverhalten der Klägerin ließen den Schluss zu, dass sich die Klägerin
gerade auch im klinischen Bereich, der in besonderer Weise auf Zusammenarbeit und
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Verlässlichkeit angewiesen sei, als unzuverlässig erwiesen habe.
Am 01. Februar 2005 hat die Klägerin Klage erhoben. Zur Begründung trägt sie im
Wesentlichen vor: Die angebliche gesundheitliche Nichteignung sei bisher nicht
hinreichend belegt. In dem Widerspruchsbescheid sei ausgeführt, dass die
vermeintliche psychische Erkrankung bislang medizinisch nicht bestätigt worden sei. Es
sei nicht die Aufgabe der Klägerin, die gesundheitliche Nichteignung zu beweisen. Aus
den Mitteilungen von Kollegen über ihr Arbeitsverhalten könne nicht geschlossen
werden, dass sie - die Klägerin - psychisch krank sei. Selbst der Amtsarzt Dr. I2. habe
dazu ausgeführt, dass aufgrund der vorgelegten Unterlagen auf keine spezifische
Erkrankung geschlossen werden könne. Dass sich die Klägerin nicht habe untersuchen
lassen, könne ihr nicht zum Nachteil gereichen. Das Gesetz sehe eine Verpflichtung,
sich entsprechend untersuchen zu lassen, nicht vor. Es sei auch fehlerhaft, eine
Unzuverlässigkeit der Klägerin anzunehmen. Die entsprechenden Vorwürfe aus ihrem
Arbeitsumfeld habe die Bezirksregierung nicht einfach als wahr unterstellen und ihrer
Entscheidung zugrunde legen dürfen. Auf ihr detailliertes Widerspruchsvorbringen sei
die Behörde nicht eingegangen.
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Die Klägerin beantragt,
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den Widerrufsbescheid des Beklagten vom 30. Juni 2003 und den Wider-
spruchsbescheid der Bezirksregierung Köln vom 13. Januar 2005 aufzuheben.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Zur Begründung trägt er unter anderem vor, der Amtsarzt Dr. I2. habe die Äußerungen
des Klinikpersonals nicht berücksichtigen können, die nach seiner Stellungnahme zur
Akte gelangt seien. Ferner könne es nicht sein, dass die Klägerin es selbst in der Hand
habe, ob ihre Berufsfähigkeit näher untersucht und festgestellt werde. Ferner sei nicht
anzunehmen, dass die von vielen Mitarbeitern vorgetragenen Beschwerden auf
Mobbing zurückzuführen seien. Dem stehe schon die Zahl der Äußerungen und der
Umstand entgegen, dass die Universitätsklinik ein zu großes Gebilde sei, um von
Mitarbeitern der Personalverwaltung gesteuert oder manipuliert werden zu können.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge sowie die über die Klägerin
geführte Personalakte der Universitätsklinik Köln ergänzend Bezug genom- men.
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Entscheidungsgründe Die Klage, über die die Kammer mit Einverständnis der
Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden kann (§ 101 Abs. 2 VwGO), ist
zulässig und begründet.
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Der Bescheid des Beklagten vom 30. Juni 2003 und der Widerspruchsbescheid der
Bezirksregierung Köln vom 13. Januar 2005 sind rechtswidrig und verletzen die
Klägerin in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
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Die Erlaubnis zur Führung der Berufsbezeichnung "Krankenschwester" kann nach
Maßgabe des § 2 Abs. 2 des Krankenpflegegesetzes vom 16. Juli 2003 (BGBl. I S.
1442), zuletzt geändert durch Artikel 1 der Verordnung vom 22. Oktober 2004 (BGBl. I S.
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2657) - KrPflG - entzogen werden. Nach § 2 Abs. 2 Satz 3 KrPflG kann ein Widerruf
erfolgen, wenn nachträglich die Voraussetzung nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 KrPflG
weggefallen ist. § 2 Abs. 1 Nr. 3 KrPflG bestimmt, dass eine Erlaubnis nach § 2 Abs. 1
KrPflG nur zu erteilen ist, wenn die Antragstellerin oder der Antragsteller in
gesundheitlicher Hinsicht zur Ausübung des Berufs geeignet ist. Ein Widerruf setzt also
die Feststellung voraus, dass die gesundheitliche Eignung nach Erteilung der Erlaubnis
weggefallen ist.
Eine medizinisch fundierte Feststellung, dass die Klägerin den beruflichen
Anforderungen an eine Krankenschwester (vgl. § 3 KrPflG) aus gesundheitlichen
Gründen nicht mehr entsprechen könnte, hat der Beklagte aufgrund vorliegender
ärztlicher Befunde oder aufgrund einer ärztlichen Begutachtung nicht getroffen. Vielmehr
entspricht die Klägerin nach den Ergebnissen der allgemeinen betriebsärztlichen
Untersuchungen in der Universitätsklinik den spezifischen Anforderungen des Berufs
und des konkreten Arbeitsplatzes, soweit dies betriebsärztlich untersucht wird. Der
Amtsarzt Dr. I2. hat unter dem 12. Juli 2002 aufgrund einer Durchsicht des ihm
vorgelegten Aktenmaterials ausgeführt, es lasse sich nicht objektiv einschätzen, ob und
in welchem Umfang die Klägerin er- krankt sei.
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Weitere objektive Befunde zum aktuellen Gesundheitszustand der Klägerin gibt es nicht.
Der Beklagte hat vielmehr angenommen, dass Anhaltspunkte für eine gesundheitliche
Nichteignung vorliegen, die Klägerin an der Aufklärung des Sachverhalts unberechtigt
nicht mitgewirkt habe und sich daher die Anhaltspunkte zu ihren Lasten entsprechend §
444 ZPO dahingehend verdichten, dass sie in gesundheitlicher Hinsicht zur Ausübung
des Berufs nicht mehr geeignet ist.
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Für die zugrunde liegende Annahme, dass die Klägerin wegen einer psychischen oder
neurologischen Erkrankung berufsunfähig sein könnte, fehlt es bereits an hinreichenden
tatsächlichen Anhaltspunkten. Die große Anzahl von Beschwerden gegen die Klägerin
besagt über ihren Gesundheitszustand unmittelbar nichts. Selbst wenn man die
Richtigkeit aller entsprechenden Mitteilungen unterstellt, sind Rückschlüsse auf
gesundheitliche Ursachen lediglich Mutmaßungen. In den Beschwerden wird
überwiegend das fachliche und soziale Verhalten der Klägerin gerügt. Auch die
Beobachtungen, das Verhalten und die Auffassungsgabe seien verlangsamt und es
fehle die Einsicht in die Wirkung ihres Verhaltens auf Dritte, bieten einen nur
unspezifischen Anhalt für eine Erkrankung. Dabei mag die Bescheinigung der Frau Dr.
(Uni Rom) I. vom 01. Oktober 2001, die Klägerin leide nicht unter Denk- Merk- und
Konzentrationsstörungen, außer Betracht bleiben. Denn die Klägerin befand sich bei ihr
seit geraumer Zeit in psychotherapeutischer Behandlung, und die Ärztin hat der Klägerin
in Kenntnis des bisherigen Behandlungserfolgs nicht deren psychische oder
neurologische Gesundheit (positiv) bescheinigt. Gegen gesundheitlich verursachte
Defizite spricht, dass sich die Kläge- rin nach dem Inhalt ihrer Personalakte bisher nicht
als gute oder herausragende Fachkraft gezeigt hat. Ferner hat sie sich nicht unmittelbar
berufsbezogen fortgebildet und ist anderthalb Jahre aus gesundheitlichen Gründen
ausgefallen, was angesichts sich ständig ändernder beruflicher Anforderungen ein
weiteres erhebliches Defizit in ihrer beruflichen Qualifikation zur Folge gehabt haben
dürfte. Bereits vor dem Jahre 1998 hat es erhebliche fachliche und persönliche
Probleme gegeben, wie sich aus der Personalakte ergibt.
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Vor diesem Hintergrund fehlt es an hinreichenden tatsächlichen Feststellungen, die für
einen Wegfall der gesundheitlichen Eignung sprechen. Damit entfällt zugleich die
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Grundlage für die weitere Schlussfolgerung des Beklagten, wegen der verweigerten
amtsärztlichen Untersuchung müsse zu Ungunsten der Klägerin davon ausgegangen
werden, dass sie die gesundheitliche Eignung für den Beruf der Krankenschwester nicht
mehr besitze.
Ein Widerruf wegen mangelnder Zuverlässigkeit der Klägerin kommt ebenfalls nicht in
Betracht. Nach § 2 Abs. 2 Satz 2 KrPflG ist die Erlaubnis zu widerrufen, wenn
nachträglich die Voraussetzung nach Absatz 1 Nr. 2 weggefallen ist. Dies setzt voraus,
dass sich der Betreffende nach Erteilung der Erlaubnis eines Verhaltens schuldig
gemacht hat, aus dem sich die Unzuverlässigkeit zur Ausübung des Berufs ergibt. Das
fragliche Verhalten muss nach der Art, der Schwere und der Zahl von Verstößen gegen
Berufspflichten die Prognose rechtfertigen, der Betroffene biete aufgrund der
begangenen Verfehlungen nicht die Gewähr, in Zukunft den berufsspezifischen
Vorschriften und Pflichten zu entsprechen. Dabei sind die gesamte Persönlichkeit der
betroffenen Person und ihre Lebensumstände im Zeitpunkt des Abschlusses des
Verwaltungsverfahrens zu würdigen,
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vgl. BVerwG, Urteil vom 26. September 2002 - 3 C 37.01 -, NJW 2003, 913 ff., zu § 4
Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BApO; Beschluss vom 10. Dezember 1993, - 3 B 38.93 -, Buchholz
418.1 Heilhilfsberufe Nr. 5 zum Krankenpflegegesetz.
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Ein solches Fehlverhalten der Klägerin kann vorliegend nicht festgestellt werden. Die
gegen die Klägerin von ihren Kollegen und Vorgesetzten erhobenen Vorwürfe erlauben
zwar die Schlussfolgerung, dass jedenfalls seit der Rückkehr der Klägerin aus ihrer
krankheitsbedingten Arbeitsunterbrechung vom 07. September 1998 bis zum 10. Mai
2000 ein fachlich und persönlich reibungsloses Arbeiten nicht mehr möglich gewesen
ist. Ihre Vorgesetzten und ihre Kollegen in verschiedenen Abteilungen der
Universitätsklinik haben die Verwaltung wiederholt schriftlich und unter Benennung ihrer
eigenen Namen gebeten, nicht mehr mit der Klägerin zusammenarbeiten zu müssen, sie
zu versetzen oder selbst versetzt zu werden, wenn die Klägerin an ihrem bisherigen
Arbeitsplatz verbleiben sollte. Derartige wiederholte und schriftlich dokumentierte
Bekundungen belegen eine massive und über eine einzelne Episode hinausgehende
Störung der Betriebsabläufe, wobei die Verursachung und Verantwortung im Detail
offen bleiben muss. Ein konkretes Fehlverhalten der Klägerin, das die Prognose
rechtfertigt, sie werde auch in Zukunft nicht die berufsspezifischen Vorschriften und
Pflichten beachten, liegt damit jedoch nicht vor. Die dokumentierten Konflikte lassen im
Wesentlichen den Hintergrund er- kennen, dass die Klägerin auf einer aus ihrer Sicht
richtigen Berechnung der regelmäßigen Pausenzeiten beharrt, sie eigene Vorstellungen
von den Kompetenzen des Pflegepersonals und des ärztlichen Personals, namentlich
bei der Verabreichung von Infusionen, hat und zuletzt darauf, dass sie sich während
einer Operation einer ärztlichen Anweisung über das Zerteilen von Stäbchen widersetzt
hat, weil die Anweisung nach ihrer Meinung den Herstellervorgaben widerspricht. Diese
Vorfälle und der Vorwurf des verlangsamten unkonzentrierten Verhaltens mögen
Zeichen für eine mangelnde Anpassungsfähigkeit an veränderte Situationen und für
Leistungsdefizite sein. Daraus ließe sich - wie etwa auch das Landesarbeitsgericht in
seinem Urteil vom 17. März 2006 ausgeführt hat - jedoch nur folgern, dass die Klägerin
für bestimmte Tätigkeitsbereiche nicht oder derzeit nicht geeignet ist, wenn etwa im
Operationsbereich wegen der erhöhten Gefahren für die Patienten von dem beteiligten
ärztlichen und nichtärztlichen Personal höchste Zuverlässigkeit und erhöhte
Leistungsfähigkeit in körperlicher, geistiger und sozialer Hinsicht gefordert sind. Für
derartige Leistungsdefizite spricht zudem, dass die früher schon als OP- Schwester tätig
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gewesene Klägerin im Mai 2000 an ihren Arbeitsplatz zurückgekehrt ist und
Fehlleistungen noch im Jahre 2001 damit verteidigt hat, nicht ordnungsgemäß
eingearbeitet worden zu sein. Mehr oder weniger ausgeprägte Defizite rechtfertigen
jedoch nicht die Annahme, die Klägerin werde die berufsspezifischen Vorschriften und
Pflichten allgemein nicht beachten. Die der Klägerin erteilte Erlaubnis kann daher auch
nicht gemäß § 2 Abs. 2 Satz 2, Abs. 1 Nr. 2 KrPflG wegen nachträglich eingetretener
Unzuverlässigkeit widerrufen werden.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
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Die Vollstreckbarkeitsentscheidung beruht auf § 167 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VwGO i.V.m.
§ 709 Satz 2 der Zivilprozessordnung.
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