Urteil des VG Köln vom 18.06.2003
VG Köln: aufschiebende wirkung, bundesamt, abschiebung, wiedereinreise, haftentlassung, interessenabwägung, anerkennung, behörde, asylbewerber, bedingung
Verwaltungsgericht Köln, 1 L 1244/03.A
Datum:
18.06.2003
Gericht:
Verwaltungsgericht Köln
Spruchkörper:
1. Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
1 L 1244/03.A
Tenor:
Die aufschiebende Wirkung der Klage 1 K 3338/03.A wird insoweit
angeordnet, als dem Antragsteller unter Ziffer 3., 1. Absatz des
Bescheides des Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer
Flüchtlinge vom 15. Mai 2003 die Abschiebung aus der Haft heraus
angekündigt worden ist.
Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsteller zu 2/3, die
Antragsgegnerin zu 1/3.
Gründe:
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Der Antrag nach § 80 Abs. 5 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) hat nur in dem
aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.
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Die im Rahmen des Antrages nach § 80 Abs. 5 VwGO gebotene Interessenabwägung
ergibt, dass dem privaten Interesse des Antragstellers an der Anordnung der
aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die aufenthaltsbeendende Entscheidung -
diese ist gemäß § 36 des Asylverfahrensgesetzes (AsylVfG) Gegenstand des
gerichtlichen Eilverfahrens - nur insoweit Vorrang vor dem öffentlichen Interesse an der
sofortigen Vollziehung einzuräumen ist, als ihm das Bundesamt für die Anerkennung
ausländischer Flüchtlinge (Bundesamt) im Bescheid vom 15. Mai 2003 die Abschiebung
aus der Haft heraus angekündigt hat. Im Übrigen geht die Interessenabwägung zu
Lasten des Antragstellers aus.
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Es bestehen ernsthafte Zweifel an der Rechtmäßigkeit der in Ziffer 3, 1. Absatz des
angefochtenen Bescheides getroffenen Abschiebungsregelung.
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Hierbei handelt es sich nämlich um eine Abschiebungsanordnung, für die das
Asylverfahrensgesetz dem Bundesamt keine Ermächtigungsgrundlage zur Verfügung
stellt. Dies ergibt sich aus Folgendem: Das Bundesamt ist gemäß §§ 71 Abs. 4, 34 Abs.
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1 AsylVfG, 50 des Ausländergesetzes (AuslG) für den Erlass einer
Abschiebungsandrohung zuständig; diese ist bei Vorliegen der Voraussetzungen des §
34 Abs. 1 AsylVfG ausnahmslos zu erlassen. Damit und mit der nachfolgenden
Benachrichtigung der Ausländerbehörde (§ 40 Abs. 1 AsylVfG) endet - von der
Sonderregelung des § 34 a Abs. 2 AsylVfG abgesehen - die Zuständigkeit des
Bundesamtes. Mangels einer ausdrücklichen Kompetenzzuweisung, derer es gemäß §
5 Abs. 1 Satz 2 AsylVfG bedarf, sind die weiteren Stufen des Vollstreckungsverfahrens
der Ausländerbehörde vorbehalten; hierzu zählt nicht nur die Durchführung der
Abschiebung, d.h. die Anwendung des unmittelbaren Zwangs, sondern ebenso - als
zweite Stufe des gestreckten Vollstreckungsverfahrens - die Anordnung bzw.
Festsetzung des Zwangsmittels. Einer solchen vollstreckungsrechtlich eindeutigen
Begrifflichkeit hat sich das Bundesamt hier nicht bedient, insbesondere ist nicht
ausdrücklich von einer Androhung des Zwangsmittels, das damit erst in Aussicht gestellt
wird, die Rede, obwohl dies zur Vermeidung von Missverständnissen und Unklarheiten,
die immer zu Lasten der Behörde gehen, angezeigt erscheint. Vielmehr wird die
(bevorstehende) Tatsache einer Abschiebung aus der Haft heraus als feststehende
Entscheidung der Behörde mitgeteilt. Dies lässt die Regelung als
Abschiebungsanordnung verstehen, weil damit, wie für die Festsetzung kennzeichnend,
die Anwendung des Zwangsmittels, insbesondere in zeitlicher Hinsicht, näher bestimmt
wird,
vgl. OVG NRW, Urteil vom 27. August 2002 - 8 A 5652/00.A -, VGH Baden-Württemberg,
Urteil vom 05. Juli 2001 - A 14 S 2181/00 -.
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Damit erweist sich die Regelung der Ziffer 3, 1. Absatz des Bescheides vom 15. Mai
2003 als rechtswidrig.
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Es bleibt dem Bundesamt unbenommen, nunmehr eine ordnungsgemäße, den
Anforderungen der §§ 71 Abs. 4, 34, 36 Abs. 1 AsylVfG, 50 AuslG genügende Abschieb-
ungsandrohung zu erlassen.
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Soweit sich der Aussetzungsantrag gegen die unter Ziffer 3, 2. Absatz des Bescheides
vom 15. Mai 2003 verfügte Abschiebungsandrohung für den Fall der Haftentlassung
richtet, geht er ins Leere. Da die Bedingung der Haftentlassung noch nicht eingetreten
ist, entfaltet die Abschiebungsandrohung insoweit derzeit keine Rechtswirkungen.
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Soweit sich der Aussetzungsantrag schließlich gegen die in dem Bundesamtsbescheid
vom 15. Mai 2003 unter Ziffer 3, 3. Absatz enthaltene Abschiebungsandrohung "für den
Fall einer erneuten unerlaubten Wiedereinreise in die Bundesrepublik Deutschland"
richtet, fehlt es dem Antrag bereits am erforderlichen Rechtsschutzinteresse.
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Dies folgt aus dem Umstand, dass durch die erstrebte Anordnung der aufschiebenden
Wirkung der Klage insoweit ersichtlich weder ein rechtlicher noch ein tatsächlicher
Vorteil für den Antragsteller bewirkt werden kann. Die Frage der sofortigen
Vollziehbarkeit der letztgenannten Abschiebungsandrohung hat nämlich keine
Auswirkungen auf den aufenthaltsrechtlichen Status des Antragstellers: Er ist nicht erst
durch diese Abschiebungsandrohung für den "Fall der Wiedereinreise", sondern bereits
aufgrund der Ablehnung der Durchführung eines weiteren Asylverfahrens vollziehbar
ausreisepflichtig geworden. Die Ablehnung der Durchführung eines weiteren
Asylverfahrens ist im Übrigen nicht zu beanstanden. Ungeachtet der Frage des
Vorliegens des erforderlichen Kausalzusammenhangs genügen die vagen und
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pauschalen Angaben des Antragstellers zu seinem angeblichen Verfolgungsschicksal
nicht dem auch und gerade im Asylfolgeverfahren geltenden Erfordernis der
hinreichenden Substantiierung. So lässt sich dem spärlichen Vortrag des Antragstellers
schon nicht entnehmen, aus welchem Grund er mehrfach festgenommen, wonach er
befragt und wie er misshandelt worden sein will. Auch hinsichtlich des angeblich gegen
ihn ergangenen Haftbefehls ist nicht ersicht- lich, welchen Vorwurf die türkischen Stellen
dem Antragsteller angeblich machen.
Vorsorglich weist das Gericht indes darauf hin, dass die ergangene
Abschiebungsandrohung insoweit rechtswidrig ist, da das Asylverfahrensgesetz keine
Vorschrift enthält, welche das Bundesamt ermächtigt, einem Asylbewerber für den Fall
der zukünftigen erneuten unerlaubten Wiedereinreise in die Bundesrepublik die
Abschiebung anzudrohen,
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vgl. OVG NRW, Beschluss vom 23. März 2000 - 10 A 1284/00.A -, Urteil vom 27. August
2002 - 8 A 5652/00.A -; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 05. Juli 2001 - A 14 S
2181/00 -.
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Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO, 83 b Abs. 1 AsylVfG.
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Hinsichtlich des Gegenstandswertes wird auf § 83 b Abs. 2 AsylVfG hingewiesen. Der
Beschluss ist gemäß § 80 AsylVfG unanfechtbar.
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