Urteil des VG Köln vom 11.08.2005
VG Köln: aufschiebende wirkung, gaststätte, öffentliches interesse, vollziehung, widerruf, androhung, kontrolle, auflage, versiegelung, wahrscheinlichkeit
Verwaltungsgericht Köln, 1 L 884/05
Datum:
11.08.2005
Gericht:
Verwaltungsgericht Köln
Spruchkörper:
1. Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
1 L 884/05
Tenor:
1. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers vom
04.05.2005 gegen die in der Ordnungsverfügung des Antragsgegners
vom 27.04.2005 enthaltene Schließungsanordnung und Androhung
unmittelbaren Zwan- ges wird wiederhergestellt bzw. angeordnet.
Im Übrigen wird der Antrag abgelehnt.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsteller.
2. Der Streitwert wird auf 7.500,- EUR festgesetzt.
G r ü n d e :
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Der Antrag,
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die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des An- tragstellers vom 04.05.2005
gegen die Ordnungsverfügung des Antragsgegners vom 27.04.2005 wiederherzustellen
bzw. an- zuordnen,
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ist nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.
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1. Hinsichtlich des in der Ordnungsverfügung enthaltenen Widerrufs der dem An-
tragsteller erteilten Gaststättenerlaubnis bleibt der Antrag ohne Erfolg.
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Soweit der Antragsteller gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 1 und 3 GastG in der durch Ge- setz zur
Umsetzung von Vorschlägen zu Bürokratieumbau und Deregulierung aus den Regionen
geänderten und seit dem 01.07.2005 in Kraft befindlichen Fassung (BGBl. I 2005 S.
1666 (1669)) für die Verabreichung alkoholfreier Getränke und zu- bereiteter Speisen
keiner Erlaubnis mehr bedarf, ist der Antrag bereits wegen feh- lenden
Rechtsschutzinteresses unzulässig, weil der Erlaubniswiderruf insoweit "ins Leere" geht
bzw. gegenstandslos geworden ist. Für den Ausschank alkoholischer Getränke benötigt
der Antragsteller gemäß § 2 Abs. 1 GastG hingegen weiterhin eine Gaststättenerlaubnis.
Insoweit ist der vom An- tragsgegner verfügte Widerruf nicht gegenstandslos geworden,
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so dass ein Rechts- schutzinteresse für den vorliegenden Aussetzungsantrag besteht.
Dieser hat allerdings in der Sache keinen Erfolg.
Zunächst genügt die einzelfallbezogene Begründung für die hinsichtlich des Wi- derrufs
verfügte Anordnung der sofortigen Vollziehung den Maßstäben des § 80 Abs. 3 Satz 1
VwGO, indem der Antragsgegner sinngemäß dargelegt hat, dass bei einem
Weiterbetrieb der Gaststätte mit erneuten Verstößen des Antragstellers gegen
gaststättenrechtliche- und immissionsschutzrechtliche Vorschriften zu rechnen sei, so
dass ein besonderes öffentliches Interesse am Sofortvollzug bestehe. Die Anordnung
der sofortigen Vollziehung begegnet auch nicht deshalb Bedenken, weil der
Antragsgegner den Antragsteller hierzu nicht angehört hat. Selbst wenn eine gesonderte
Anhörung zur Anordnung der sofortigen Vollziehung erforderlich wäre, wäre ein
derartiger Mangel entsprechend § 45 Abs. 1 Nr. 3 VwVfG dadurch geheilt, dass dem
Antragsteller im vorliegenden Verfahren ausreichend Gelegenheit zur Stel- lungnahme
gegeben worden ist und der Antragsgegner gleichwohl an seiner Anord- nung
festgehalten hat.
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Die im Rahmen des § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO vorzunehmende Interessenabwägung
zwischen dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung der angeordneten
Maßnahmen und dem Interesse des Antragstellers, von der Vollziehung verschont zu
bleiben, fällt zu Lasten des Antragstellers aus. Dabei ist maßgeblich zu berücksichtigen,
dass sein Widerspruch voraussichtlich ohne Erfolg sein wird.
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Der in der angefochtenen Ordnungsverfügung ausgesprochene Widerruf der dem
Antragsteller am 14.12.2004 erteilten Gaststättenerlaubnis erweist sich bei der im
Rahmen des vorläufigen Rechtsschutzes allein möglichen summarischen Prüfung als
rechtmäßig.
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Er findet seine Rechtsgrundlage in § 15 Abs. 2 i.V.m. § 4 Abs. 1 Nr. 1 GastG. Gemäß §
15 Abs. 2 GastG ist eine erteilte Gaststättenerlaubnis zu widerrufen, wenn nachträglich
Tatsachen eintreten, die die Versagung der Erlaubnis nach § 4 Abs. 1 Nr. 1 GastG
rechtfertigen würden. Nach § 4 Abs. 1 Nr. 1 GastG ist die Erlaubnis zu versagen, wenn
Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Betreiber die für den Gewerbebetrieb
erforderliche Zuverlässigkeit nicht besitzt. Zur Versagung bzw. zum Widerruf der
Gaststättenerlaubnis genügt es, dass bei verständiger Würdigung aller Umstände eine
gewisse Wahrscheinlichkeit dafür besteht, der Gewerbetreibende werde seinen Betrieb
nicht ordnungsgemäß, d.h. im Einklang mit der Rechtsordnung führen; hierfür reichen
beachtliche Zweifel aus. Eine mit an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit ist nicht
erforderlich, anderenfalls es kaum noch Fälle geben wür- de, in denen eine
Gaststättenerlaubnis aufgrund von § 4 Abs. 1 Nr. 1 GastG abge- lehnt (bzw. widerrufen)
werden könnte. Aus dem Gedanken der Gefahrenabwehr folgt regelmäßig die
Notwendigkeit, eine Prognose über die zukünftige Entwicklung abzugeben, welche
naturgemäß mit einer gewissen Unsicherheit verbunden ist,
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BVerwG, Urteil vom 16.09.1975 - 1 C 27.74 -, BVerwGE 49, 154 (156 f.); VGH BW, Urteil
vom 11.05.1984 - 14 S 116/84 -, GewArch 1985, 167, sowie Beschlüsse vom
07.08.1986 - 14 S 1961/86 -, GewArch 1987, 32 und vom 07.04.1989 - 14 S 272/89 -,
NVwZ-RR 1990, 187.
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Gemessen an diesen Grundsätzen ist der Antragsteller als unzuverlässig anzusehen.
Sein bisheriges Verhalten rechtfertigt die Annahme, dass er seinen Gaststättenbetrieb in
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Zukunft nicht ordnungsgemäß bzw. im Einklang mit der Rechtsordnung führen wird.
Dem Antragsteller sind nach Aktenlage eine Vielzahl von Sperrzeitüberschreitungen
sowie Verstöße gegen Auflagen zur ihm erteilten Gaststättenerlaubnis anzulasten.
Bereits in der Nacht nach der Eröffnung der Gaststätte am 11.06.2004 hat der
Antragsteller seine Gaststätte unstreitig bis 6.00 Uhr morgens, also unter Verstoß gegen
die allgemeine Sperrzeit gemäß § 3 Abs. 1 GastVO geöffnet gehalten, weswegen ihm
vom Antragsgegner durch Bescheid vom 12.07.2004 ein Bußgeld in Höhe von 100,-
EUR auferlegt worden ist. Auch am 16.10.2004 und 07.11.2004 hat der Antragsteller
gegen die allgemeine Sperrzeit verstoßen. Bei Kontrollen in der Zeit von von 5.30 Uhr
bis 5.45 Uhr bzw. von 5.40 Uhr bis 6.00 Uhr ist durch Beamte der Kreispolizeibehörde
des Rheinisch- Bergischen Kreises festgestellt worden, dass die Gaststätte geöffnet
war. Auch wegen dieser Verstöße hat der Antragsgegner gegenüber dem Antragsteller
mit Bescheid vom 21.02.2005 ein Bußgeld in Höhe von jeweils 250,- EUR festgesetzt.
Am 29.01.2005, 19.02.2005, 20.02.2005 und 26.02.2005 mussten Beamte der
Kreispolizeibehörde ausweislich mehrerer Gaststätten- bzw. Lagemeldungen vom
22.02.2005 und 26.02.2005 bei jeweils nach 1.00 Uhr nachts erfolgten Kontrollen
feststellen, dass das Lokal des Antragstellers entgegen der nunmehr in der
Gaststättenerlaubnis vom 14.12.2004 enthaltenen Sperrzeitregelung (1.00 Uhr bis 6.00
Uhr) geöffnet war und Gäste bewirtet worden sind. Wegen dieser Verstöße hat der
Antragsgegner den Antragsteller mit Bescheiden vom 11.03.2005 und 05.04.2005 mit
Bußgeldern in Höhe von 1.500,- EUR (für die ersten drei Verstöße) und von 1.000,-
EUR belegt. Da der Antragsteller die vorgenannten Sperrzeitverstöße lediglich pauschal
bestritten und lediglich im Hinblick auf ihm gleichfalls vorgeworfene Ruhestörungen
entlastende Umstände geltend gemacht hat, hat die Kammer keine Veranlassung, an
der Richtigkeit der Feststellungen der Kreispolizeibehörde zu zweifeln, zumal der
Antragsteller die aufgeführten Bußgeldbescheide sämtlich hat bestandskräftig werden
lassen. Dem Antragsteller sind ferner zwei weitere Sperrzeitverstöße am 02.04.2005
(Kontrolle des Ordnungsamtes um 1.08 Uhr) und 03.04.2005 (Kontrolle der
Kreispolizeibehörde von 3.46 Uhr bis 4.00 Uhr) anzulasten, die vom Antragsgegner mit
Bescheid vom 06.05.2005 mit Bußgeldern in Höhe von 1.500,- EUR und 2.500,- EUR
geahndet worden sind. Soweit der Antragsteller hiergegen Einspruch eingelegt und
geltend gemacht hat, die Gaststätte sei am 02.04.2005 ab 1.00 Uhr geschlossen
gewesen und die anwesenden Gäste, die "weitestgehend" bezahlt hätten, hätten
lediglich in der Gaststätte auf ein Taxi gewartet, vermag dies den Antragsteller nicht zu
entlasten. Abgesehen davon, dass der Vortrag im Widerspruch zu den von Bediensteten
des Antragsgegners getroffenen Feststellungen steht, wonach alle Gäste noch über
einen Zeitraum von 10 Minuten hätten abkassiert werden müssen und vom Personal
auch danach nicht zum Verlassen der Gaststätte aufgefordert worden seien, räumt der
Antragsteller letztlich selbst ein, nicht alle Gäste so rechtzeitig abkassiert zu haben,
dass der Betrieb tatsächlich um 1.00 Uhr geschlossen werden konnte. Auch sein
Vortrag zum Sperrzeitverstoß am 03.04.2005 überzeugt nicht. Zunächst hat er bestätigt,
seinen Gästen um etwa 3.30 Uhr nachts in der Gaststätte noch ein Bier "als Absacker"
verabreicht zu haben. Seine weitere Einlassung, es habe sich um eine private Feier
gehandelt, hält das Gericht für eine wenig überzeugende Schutzbehauptung, da der
Antragsteller ausweislich der Gaststättenmeldung der Kreispolizeibehörde vom
03.04.2005 gegenüber den Polizeibeamten nichts von einer Privatfeier erwähnt,
sondern - auf die Sperrzeitregelung angesprochen - mit dem Hinweis "was soll ich denn
machen", letztlich den Verstoß eingeräumt hat. Desweiteren hat der Antragsteller
ausweislich einer Lagemeldung der Kreispolizeibehörde auch noch nach Erlass der
Ordnungsverfügung, nämlich am 01.05.2005, gegen die Sperrzeit verstoßen, indem er
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um 2.41 Uhr noch Gäste in seinem Lokal bewirtet hat. Soweit der Antragsteller geltend
gemacht hat, die in der Gaststättenerlaubnis enthaltene Sperrzeitregelung sei
unverhältnismäßig, vermag dies die beschriebenen Sperrzeitverstöße nicht
auszuräumen, da die Sperrzeitregelung angesichts der vom Antragsgegner unter dem
14.12.2004 verfügten Anordnung der sofortigen Vollziehung stets vollziehbar war und
mittlerweile bestandskräftig ist, nachdem der Widerspruch gegen die Sperrzeitregelung
mit Bescheid des Landrates des Rheinisch-Bergischen-Kreises vom 02.03.2005
zurückgewiesen worden ist und der Antragsteller hiergegen keine Klage erhoben hat.
Darüber hinaus hat der Antragsteller auch gegen die Auflage (Ziff. 5) zur
Gaststättenerlaubnis vom 14.12.2004 verstoßen, Türen und Fenster stets geschlossen
zu halten und bis zum 10.01.2005 eine Fachunternehmerbescheinigung über die
Installation und den ordnungsgemäßen Betrieb der in der Gaststätte befindlichen
Lüftungsanlage vorzulegen. So mussten Beamte der Kreispolizeibehörde ausweislich
einer Lagemeldung vom 10.05.2005 bei einer Kontrolle am 30.04.2005 (23.00 Uhr)
feststellen, dass die Eingangstür weit geöffnet war und die Fenster sich in Kippstellung
befanden. Eine Fachunternehmerbescheinigung zur Ordnungsgemäßheit der
Belüftungsanlage hat der Antragsteller erst lange nach Ablauf der in der Auflage
geregelten Frist, nämlich erst am 03.06.2005 dem Antragsgegner vorgelegt.
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Die Vielzahl der aufgezeigten Verstöße, die auch nach Einleitung des laufenden
Widerrufsverfahrens nicht abgerissen sind, belegen eindrucksvoll, dass der
Antragsteller nicht gewillt ist, seine Gaststätte im Einklang mit geltenden
Rechtsvorschriften zu führen. Er ist deshalb als unzuverlässig anzusehen. Ob ihm auch
Verstöße gegen immissionsschutzrechtliche Bestimmungen oder Verletzungen
öffentlich-rechtlicher Erklärungs- und Zahlungspflichten anzulasten sind, bedarf daher
keiner weiteren Überprüfung.
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2. Erfolg hat der Antrag auf Regelung der Vollziehung allerdings, soweit der
Antragsgegner in der angegriffenen Ordnungsverfügung gemäß § 15 Abs. 2 GewO
i.V.m. § 31 GastG die Schließung des Gaststättenbetriebs verfügt und dem Antragsteller
nach §§ 55 bis 59, 62, 63 VwVG NRW unmittelbaren Zwang durch Versiegelung der
Eingangstür angedroht hat, da alles dafür spricht, dass Schließungsanordnung und
Zwangsmittelandrohung rechtswidrig sind. Wie bereits oben ausgeführt, bedarf der
Antragsteller gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 2 und 3 GastG in der seit dem 01.07.2005 geltenden
Fassung für die Verabreichung alkoholfreier Getränke und zubereiteter Speisen keiner
Erlaubnis mehr, so dass insoweit die Voraussetzungen für eine Schließung des
Betriebes nach § 15 Abs. 2 GewO nicht vorliegen. Der Antragsgegner wird im Hinblick
auf den erfolgten Widerruf der Gaststättenerlaubnis für den Ausschank alkoholischer
Getränke lediglich eine Teilschließung, etwa in Form einer Aufforderung, den
Ausschank alkoholischer Getränke zu unterlassen, verfügen dürfen. Dementsprechend
begegnet nunmehr auch die Androhung unmittelbaren Zwanges in Form der
Versiegelung der Eingangstür Bedenken, weil sie dem Antragsteller die erlaubte
Nutzung seines Betriebes zur Verabreichung alkoholfreier Getränke und zubereiteter
Speisen unmöglich machen würde. Insoweit dürften als Zwangsmittel zur Durchsetzung
der auf den Ausschank alkoholischer Getränke bezogenen Unterlassensaufforderung
die Androhung unmittelbaren Zwanges durch Verplombung/Unbrauchbarmachung der
Bierzapfeinrichtungen oder gegebenenfalls die Beschlagnahme alkoholischer
Getränkevorräte oder auch die Androhung eines Zwangsgeldes in Betracht kommen.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 S. 3 VwGO. Der Antragsgegner ist nur
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zu einem geringen Teil unterlegen, da eine mit einer Widerrufsentscheidung
verbundene Zwangsmittelandrohung nach der Rechtsprechung des OVG NRW
(Beschluss vom 01.10.2004 - 4 B 1637/04 -) bei der Streitwertfestsetzung zu
vernachlässigen ist.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 52 Abs. 1, 53 Abs. 3 Nr. 2 GKG.
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