Urteil des VG Köln vom 21.02.2002
VG Köln: genehmigung, zusammenschaltung, begriff, kollokation, dienstleistung, unternehmen, rückwirkung, post, telekommunikation, erfüllung
Verwaltungsgericht Köln, 1 K 4866/99
Datum:
21.02.2002
Gericht:
Verwaltungsgericht Köln
Spruchkörper:
1. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
1 K 4866/99
Tenor:
Die Beklagte wird unter Änderung des Bescheides der Regulierungsbe-
hörde für Telekommunikation und Post vom 20.05.1999 verpflichtet, der
Klägerin die Genehmigung der Entgelte für die Überlassung je eines
Standard-Kollokations- Raumes in Gera, Kassel und Landshut in
zuerkannter Höhe rückwirkend zu erteilen, und zwar hinsichtlich der mit
der F. GmbH & Co. KG und der O. GmbH getroffenen Vereinbarungen
ab dem 01.12.1998 und in Bezug auf die mit der B. GmbH getroffene
Vereinbarung ab dem 17.02.1999.
Die Klage im Übrigen wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.
Die Berufung wird zugelassen.
Die Revision unter Übergehung der Berufungsinstanz wird zugelassen.
T a t b e s t a n d
1
Die Klägerin schloss Vereinbarungen mit der B. GmbH (B. ), der F. GmbH & Co. KG ( )
und der O. GmbH (O. ) über die Zusammenschaltung der jeweiligen öffentlichen
PSTN/ISDN- Telekommunikationsnetze. Darin enthalten sind Entgelte für die
Überlassung von Standard-Kollokationsräumen in Gera in Höhe von jährlich 6.800,-
DM, in Kassel in Höhe von jährlich 6.300,- DM und in Landshut in Höhe von jährlich
5.300,- DM.
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Unter dem 09.03.1999 beantragte die Klägerin bei der Regulierungsbehörde für
Telekommunikation und Post (RegTP) rückwirkend zum 01.12.1998 die Genehmi- gung
dieser Entgelte, welche sich aus der Kostenposition für die Kaltmiete und ei- nem
Gemeinkostenzuschlag in Höhe von 14,96 % zusammensetzen.
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Mit Bescheid vom 20.05.1999 genehmigte die RegTP das beantragte Entgelt be- fristet
bis zum 31.12.1999 nur teilweise, und zwar hinsichtlich der Raummiete - je- weils ohne
Rückwirkung - in Höhe von jährlich 2.400,- DM (Gera), 1.920,- DM (Kas- sel) und 1.680,-
DM (Landshut). Im Übrigen lehnte sie den Antrag ab. Zur Begrün- dung führte sie im
Wesentlichen aus: Die beantragten Mietentgelte entsprächen nicht dem gesetzlichen
Maßstab, sondern enthielten Aufschläge, die nur aufgrund der marktbeherrschenden
Stellung der Klägerin durchzusetzen seien. Sie hätten daher nicht genehmigt werden
können. Statt dessen habe sie - die RegTP - auf den Ver- gleichsmaßstab der RDM-
Büromieten mit gutem Nutzungswert zurückgegriffen. Die- ser betrage in Gera 20,- DM,
in Kassel 16,- DM und in Landshut 14,- DM pro qm.
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Die Klägerin hat am 18.06.1999 Klage erhoben. Zur Begründung macht sie im
Wesentlichen geltend: Entgelte für die Überlassung von Standard- Kollokationsräumen
seien nicht gemäß § 39 TKG genehmigungspflichtig, da die Leistung nicht als
Gewährung eines Netzzugangs beurteilt werden könne. Der Begriff des Netzzugangs in
der Form der Zusammenschaltung werde vom Gesetz eng verstanden und beschränke
sich daher auf die Herstellung der physischen und logischen Verbindung der in Betracht
kommenden Netze. Falls eine Genehmigung doch erforderlich sein sollte, habe sie
darauf auch insoweit einen Anspruch, als die RegTP den Antrag abgelehnt habe. Bei
der Ermittlung der zulässigen Kaltmiete habe die RegTP zu Unrecht ausschließlich eine
Vergleichsmarktbetrachtung vorgenommen, statt zunächst die von ihr - der Klägerin -
nach § 2 TEntgV vorgelegten und ausreichenden Kostennachweise zu prüfen. Zudem
sei der Mietmarkt für Büroflächen als Vergleichsmaßstab ungeeignet, da
Kollokationsräume anderen Anforderungen hinsichtlich ihrer Lage und baulichen
Ausführung genügen müssten und für Technikgebäude eine geringere
Abschreibungsdauer anzusetzen sei. Die Nichtberücksichtigung des
Gemeinkostenzuschlags werde im angegriffenen Bescheid unzulässigerweise nicht
begründet. Dieser Zuschlag sei gerechtfertigt. Es liege keine Doppelverrechnung vor.
Schließlich habe sie auch einen Anspruch auf Erteilung der beantragten Genehmigung
mit Rückwirkung zum 01.12.1998.
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Die Klägerin beantragt,
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1) den Bescheid der RegTP vom 20.05.1999 aufzuheben und festzustellen, dass die
Entgelte für die Überlassung je eines Standard-Kollokationsrau- mes in Gera, Kassel
und Landshut nicht der Genehmigungspflicht unter- liegen,
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2) hilfsweise, die Beklagte unter Änderung des Bescheides der RegTP vom 20.05.1999
zu verpflichten, ihr die Genehmigung der Entgelte für die Über- lassung je eines
Standard-Kollokationsraumes in Gera, Kassel und Lands- hut in beantragter Höhe für
die Zeit vom 01.12.1998 bis zum 31.12.1999 zu er- teilen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie führt über die Begründung des angegriffenen Bescheides hinaus im Wesentlichen
aus: Die Genehmigungspflichtigkeit der in Rede stehenden Entgelte ergebe sich aus §
39, 1. Alt. TKG. Die Überlassung eines Standard-Kollokationsraumes in der von der
Klägerin bereitgestellten Form falle unter das Tatbestandsmerkmal der Gewährung
eines Netzzugangs. Denn darunter seien auch die nicht über das Netz erbrachten
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Zusatzleistungen zu verstehen, die erforderlich seien, um den Netzzugang sicherzu-
stellen. Die teilweise Ablehnung der Entgeltgenehmigung sei zu Recht erfolgt. Eine
Überprüfung der Raummiete sei anhand der von der Klägerin vorgelegten Unterla- gen
nicht möglich. Der Ansatz der Klägerin beruhe auf zu hohen Gebäudewerten. Um den
Antrag nicht wegen Unvollständigkeit der Kostennachweise insgesamt ab- lehnen zu
müssen, habe die RegTP den Vergleichsmaßstab der RDM- Büroraummieten mit gutem
Nutzungswert herangezogen. Dieser sei geeignet. Abgesehen davon habe die Klägerin
ihren Zusammenschaltungspartnern die technische Ausstattung der Kollokationsräume
bereits durch die besonders genehmigten Bereitstellungsentgelte in Rechnung gestellt,
so dass sie nicht nochmals über die Kollokationsraummiete in Ansatz gebracht werden
dürfe. Die Nichtberücksichtigung des Gemeinkostenzuschlags beruhe darauf, dass nicht
ersichtlich sei, worin die Wertschöpfung bestehe. Durch das Geschäftsfeld "Lizen- sierte
Diensteanbieter/Carrier" (LDC) würden lediglich die diesem von der E. in Rechnung
gestellten Beträge durchgeschoben. Das Tätigwerden des Ge- schäftsfeldes sei schon
mit dem Zuschlag, mit dem die Hauptleistungen der Intercon- nection-Anschlüsse
beaufschlagt würden, abgegolten. Durch den Gemeinkostenzuschlag würden somit
Kosten in unzulässiger Weise zweimal angesetzt. Eine rückwirkende
Genehmigungserteilung komme nicht in Betracht, da eine Rückwirkung dem Sinn und
Zweck der TKG-Vorschriften über die ex-ante- Regulierung widerspreche.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der RegTP sowie auf den
Inhalt der Verfahrensakten 1 K 7079/98 (nebst Beiakten) und 1 K 9669/98 ver- wiesen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
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Die Klage ist im Wesentlichen unbegründet.
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1. Der Hauptantrag ist unbegründet, da Entgelte der Klägerin für die Überlassung von
Standard-Kollokationsräumen genehmigungspflichtig sind.
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Nach § 39, 1. Alt. TKG gilt § 25 Abs. 1 TKG, und damit die dort geregelte Rechtsfolge
der Genehmigungspflicht, für die Regulierung der Entgelte "für die Gewährung eines
Netzzugangs nach § 35". Diese Voraussetzung ist erfüllt.
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Unter dem Begriff der "Gewährung" ist all das zu verstehen, was die Nutzung des
Netzzugangs erst ermöglicht. Das folgt zunächst daraus, dass § 39 TKG auf § 35 TKG
Bezug nimmt und dass dort in Absatz 1 die Gewährung eines Netzzugangs mit den
Worten beschrieben wird: "..hat anderen Nutzern Zugang zu seinem
Telekommunikationsnetz oder zu Teilen desselben zu ermöglichen". Ferner ist auf den
Wortlaut des § 35 Abs. 5 Satz 1 TKG hinzuweisen, wonach durch Rechtsverordnung
geregelt wird, "in welcher Weise" ein besonderer Netzzugang, insbesondere für die
Zusammenschaltung, zu ermöglichen ist. Dementsprechend regelt die
Netzzugangsverordnung (NZV) nicht nur die Herstellung der physischen und logischen
Netzverbindung als solche. Vielmehr betrifft sie auch die Art und Weise des räumlichen
Zugangs am Zusammenschaltungspunkt. Das ergibt sich bereits aus der Überschrift des
§ 3 NZV: "Räumlicher Zugang (Kollokation)". Noch deutlicher heißt es in § 3 Abs. 2
NZV, der Betreiber habe der Verpflichtung zur entbündelten Leistung nach Abs. 1 "durch
die Unterbringung der für die Nutzung der Leistung nach Absatz 1 erforderlichen
Einrichtungen in seinen Räumen nachzukommen ("physische Kollokation") und dem
Nutzer oder dessen Beauftragten jederzeit Zutritt zu diesen Einrichtungen zu
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gewähren".
Dass auch im vorliegenden Falle mit der Überlassung eines Kollokationsraumes der
Netzzugang in diesem Sinne erst ermöglicht wird, ergibt sich schließlich mit Deutlichkeit
aus den Erläuterungen der Klägerin, die diese im Rahmen eines vergleichbaren
anderen Antrages gemacht hat. Dort (BA II, 199 zu 1 K 7079/98) heißt es nämlich: "Die
E. bietet ihren ICP für die Zusammenschaltung IC- Anschlüsse in der Ausführung
Physical Co-Location an. Hierfür wird ein multifunktionaler Raum bereitgestellt, der die
Basis für die physische Kollokation bildet (Grundausstattung). Zweck dieses Raumes ist
es, für die ICP der Deutschen Telekom eine geeignete Infrastruktur bereitzustellen, um
die Zusammenschaltung bzw. den Anschluss des Inter-Building-Abschnittes in den
Räumlichkeiten der E. zu realisieren".
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2. Der Hilfsantrag ist insoweit, als er auf die Genehmigung von der Höhe nach über den
angegriffenen Bescheid hinausgehenden Entgelten gerichtet ist, ebenfalls unbe-
gründet.
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2.1 Das Telekommunikationsgesetz normiert nicht ausdrücklich, unter welchen Vor-
aussetzungen eine Entgeltgenehmigung zu erteilen ist. Es regelt in § 27 Abs. 3 nur den
Fall der Versagung der Genehmigung. Doch kann aus dieser Vorschrift sowie aus dem
Umstand, dass wegen der Grundrechtsrelevanz (Art. 14 und 12 GG) des
Genehmigungserfordernisses nichts für eine Ermessensentscheidung spricht, jedenfalls
im Umkehrschluss gefolgert werden, dass die Genehmigung zu erteilen ist, wenn keine
Versagungsgründe vorliegen.
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Nach § 39 i.V.m. §§ 25 Abs. 1, 27 Abs. 1 Nr. 1 und 27 Abs. 3 TKG ist die Genehmigung
zu versagen, wenn die Entgelte den Anforderungen des § 24 Abs. 2 Nr. 1 TKG nach
Maßgabe des § 27 Abs. 2 TKG oder offenkundig den Anforderungen des § 24 Abs. 2 Nr.
2 oder 3 TKG nicht entsprechen oder wenn sie mit diesem Gesetz oder anderen
Rechtsvorschriften nicht in Einklang stehen. Im Sinne der vorletzten Alternative steht ein
Entgelt "mit diesem Gesetz" u.a. dann nicht in Einklang, wenn es sich abweichend von §
24 Abs. 1 Satz 1 TKG nicht an den Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung
orientiert.
21
Entgegen der Auffassung der Klägerin ist die Orientierung an den Kosten der effizienten
Leistungsbereitstellung nicht nur eine bloße gesetzgeberische Zielvorstellung, der
neben den Anforderungen des § 24 Abs. 2 TKG keine selbständige regulatorische
Bedeutung zukommt. Ebenso wenig lässt sich einwenden, aus § 24 Abs. 1 TKG ergebe
sich lediglich eine Bezugsgröße, die eine Prüfung der maßgeblichen Tatbestände des §
24 Abs. 2 TKG erleichtere bzw. ermögliche
22
so aber: Wegmann, Regulierte Marktöffnung in der Telekommunikation, 1. Aufl. 2001, S.
310, 311.
23
Gegen eine derartige Sichtweise spricht bereits der eindeutige Wortlaut des § 24 Abs. 1
Satz 1 TKG, wonach Entgelte sich an den Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung
zu orientieren und den Anforderungen nach Absatz 2 zu entsprechen haben. Es handelt
sich somit um kumulativ normierte Voraussetzungen. Das bedeutet, dass die
Genehmigung schon dann zu versagen ist, wenn eine dieser Voraussetzungen - hier
möglicherweise die der Orientierung an den Kosten der effizienten
Leistungsbereitstellung - fehlt. Ob darüber hinaus auch einer der in § 25 Abs. 2 TKG
24
normierten sog. Missbrauchstatbestände erfüllt ist oder nicht, ist dann nicht
entscheidungserheblich.
Darauf, dass die Orientierung an den Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung vom
Gesetzgeber als unerlässliche Genehmigungsvoraussetzung auch gewollt ist, deutet
ferner die Begründung des mit dem Text des § 24 TKG übereinstimmenden § 23 des
Gesetzentwurfs hin. Denn dort
25
BT-Drs. 13/3609, S. 42
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heißt es, die Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung seien Ausgangspunkt der
Entgeltprüfung. Daraus lässt sich zwanglos ableiten, dass die Genehmigung - jeden-
falls - dann zu versagen ist, wenn die Entgeltprüfung bereits im Ausgangspunkt negativ
verläuft.
27
Bestätigt wird diese Auslegung durch § 27 Abs. 1 Nr. 1 TKG, worin für Fälle der
Einzelentgeltgenehmigung der Maßstab der Kosten der effizienten
Leistungsbereitstellung sogar ausschließlich genannt wird.
28
Ferner ist zu berücksichtigen, dass § 25 Abs. 1 TKG den Maßstab für die
Entgeltbeurteilung nicht etwa auf die in § 24 Abs. 2 TKG genannten, am Kartellrecht
ausgerichteten negativen (Missbrauchs-) Voraussetzungen beschränkt, sondern eine
Genehmigung "nach Maßgabe der §§ 24 und 27 bis 31", also einschließlich der
Voraussetzungen des § 24 Abs. 1 TKG, vorsieht.
29
Gegen die hier vertretene Auffassung
30
ebenso ohne weiteres: Schuster/Stürmer, a.a.O., § 24 Rn. 13 ff; Spoerr in
Trute/Spoerr/Bosch, Telekommunikationsgesetz mit FTEG, 1. Aufl., § 24 Rn. 62,
31
spricht auch nicht die Vorschrift des § 30 Abs. 4 TKG über die ex post- Regulierung.
Zwar ist darin nur eine Entgeltprüfung anhand des Maßstabes des § 24 Abs. 2 TKG
vorgesehen. Doch beruht dies auf den Besonderheiten einer nachträglichen
Regulierung, die sich - ebenso wie die Preismissbrauchskontrolle nach § 19 Abs. 4
GWB - wesentlich von der hier einschlägigen ex ante-Regulierung nach § 25 Abs. 1
TKG unterscheidet.
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Zusätzlich ist bei der Auslegung zu beachten, dass das Telekommunikationsgesetz
neben der Realisierung des Verfassungsauftrages aus Art. 87 f GG auch der Umsetzung
der europäischen Entscheidungen zur Liberalisierung der Telekommunikationsmärkte
dient,
33
so die Begründung des TKG-Gesetzentwurfs: BT-Drs. 13/3609, S. 34.
34
Mithin ist u.a. bedeutsam, was das Gemeinschaftsrecht im Zeitpunkt des Erlasses des
Telekommunikationsgesetzes den Mitgliedstaaten in Bezug auf den Kostenmaßstab
vorgab. Schon in Anhang 2, Ziffer 4 der Richtlinie 90/387/EWG des Rates vom
28.06.1990 zur Verwirklichung des Binnenmarktes für Telekommunikationsdienste
durch Einführung eines offenen Netzzugangs, ABl. EG Nr.L 192 S. 1, hieß es, dass
Tarife "grundsätzlich an den Kosten orientiert" sein müssen. Ähnlich heißt es in Art. 7
Abs. 2 der den hier maßgeblichen Bereich der Zusammenschaltung betreffenden
35
Richtlinie 97/33/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Juni 1997,
ABl. EG Nr.L 199 S. 32, dass Zusammenschaltungsentgelte dem Grundsatz der
Kostenorientierung unterliegen. Ist aber ein Tarif, der nicht dem Grundsatz der
Kostenorientierung entspricht, gemeinschaftsrechtlich ohne weiteres, d.h. ohne
Erfüllung zusätzlicher Missbrauchskriterien, unzulässig, so besteht keinerlei Anlass, das
diesen Maßstab umsetzende nationale Recht abweichend auszulegen. Andernfalls
würde der sich klar und deutlich aus der Gesetzesbegründung ergebende Wille des
TKG- Gesetzgebers zur Erfüllung gemeinschaftsrechtlicher Umsetzungsverpflichtungen
verfehlt.
Schließlich kann nicht unberücksichtigt bleiben, dass auch der
telekommunikationsrechtliche Verordnungsgeber die ex-ante-Entgeltregulierung nicht
auf die Prüfung der Voraussetzungen des § 24 Abs. 2 TKG reduziert. Vielmehr hat er in
§ 3 Abs. 1 TEntgV der RegTP den obligatorischen Prüfauftrag erteilt, "ob und inwieweit
die beantragten Entgelte sich an den Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung im
Sinne des Absatzes 2 orientieren". Er hat damit den Maßstab des § 24 Abs. 1 Satz 1, 1.
Alt. TKG als eigenständige Genehmigungsvoraussetzung ausdrücklich bestätigt.
36
Wie sich die Absätze 1 und 2 des § 24 TKG ansonsten zueinander verhalten,
insbesondere welche nicht schon von Absatz 1 erfassten Fälle in Absatz 2 geregelt
sind, braucht aus Anlass des vorliegenden Rechtsstreits nicht beantwortet zu werden,
da die RegTP - wie noch darzustellen sein wird - eine ordnungsgemäße Prüfung
anhand des Maßstabes des Absatzes 1 hier nicht durchgeführt hat.
37
2.2 Zur Beantwortung der mithin entscheidungserheblichen Frage, ob und inwieweit
sich die über die erteilte Genehmigung hinaus von der Klägerin beantragten Entgelte an
den Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung orientieren, ist die diesen Maß- stab
konkretisierende
38
so auch: Manssen, Telekommunikations- und Multimediarecht, Kommentar, a.a.O., § 27
Anhang Rn. 22,
39
Vorschrift des § 3 Abs. 2 TEntgV heranzuziehen. Danach ergeben sich die Kosten der
effizienten Leistungsbereitstellung "aus den langfristigen zusätzlichen Kosten der
Leistungsbereitstellung und einem angemessenen Zuschlag für
leistungsmengenneutrale Gemeinkosten, jeweils einschließlich einer angemessenen
Verzinsung des eingesetzten Kapitals, soweit diese Kosten jeweils für die
Leistungsbereitstellung notwendig sind".
40
Wie sich aus § 3 Abs. 1 und Abs. 4 Satz 1 TEntgV ergibt, muss die RegTP von den vom
beantragenden Unternehmen gemäß § 2 Abs. 2 TEntgV vorzulegenden
Kostennachweisen ausgehen. Das bedeutet, dass sie zunächst zu prüfen hat, welche
der geltend gemachten Kosten durch diese Unterlagen nachgewiesen und ob diese
nachgewiesenen Kosten nach § 3 Abs. 2 TEntgV berücksichtigungsfähig sind,
41
ähnlich: Manssen, a.a.O. § 27 Anhang Rn. 7 und 20; Schütz/Müller, MMR 1999, 128
(131); Schuster/Stürmer, a.a.O., Anh § 27 § 3 TEntgV, Rn. 1.
42
Zusätzlich soll die Regulierungsbehörde in diesem Prüfungsrahmen insbesondere eine
Vergleichsmarktbetrachtung nach Maßgabe des § 3 Abs. 3 TEntgV durchführen.
Anschließend ist in einem weiteren Schritt gemäß § 3 Abs. 4 TEntgV zu prüfen, ob
43
nachgewiesene weitere Aufwendungen, die den Rahmen des § 3 Abs. 2 TEntgV
übersteigen und daher für die effiziente Leistungsbereitstellung nicht notwendig sind,
gleichwohl berücksichtigt werden können, weil hierfür eine rechtliche Verpflichtung
besteht oder das beantragende Unternehmen eine sonstige sachliche Rechtfertigung
nachweist.
Die Kammer hat keine Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit dieser Bestimmungen.
Insbesondere bestehen keine durchgreifenden Bedenken dagegen, dass darin nicht nur
Verfahrensfragen normiert sind, sondern wesentliche materielle Kostenregelungen
getroffen werden. Die Ermächtigung in § 27 Abs. 4 Satz 1 TKG, "die in Absatz 1
genannten Genehmigungsarten näher zu regeln", beschränkt sich nämlich nicht auf
Verfahrensfragen. Vielmehr umfasst der Begriff der Genehmigungsarten auch die Frage,
was mit der in § 27 Abs. 1 Nr. 1 TKG - im Unterschied zu Nr. 2 - genannten "Grundlage
der auf die einzelne Dienstleistung entfallenden Kosten der effizienten
Leistungsbereitstellung" gemeint ist. Lässt sich aber - wie hier - der Inhalt der
Verordnungsermächtigung durch Auslegung (Wortlaut und Systematik) ermitteln, genügt
diese auch den Bestimmtheitsanforderungen des Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG
44
vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 04.05.1997, NJW 1998, 669 (670) und vom 01.08.1987,
NVwZ 1988, 345 (346).
45
2.3 Ausgehend davon hat die RegTP im Ergebnis zu Recht eine im Vergleich zum
angegriffenen Bescheid betragsmäßig höhere Entgeltgenehmigung abgelehnt. Im
Einzelnen ist dazu auszuführen:
46
In Bezug auf die Raummiete sind die Angaben in der Anlage zum Entgeltantrag vom
09.03.1999 (BA I, 5) als "Kostennachweis" i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 4 und Abs. 2 TEntgV
anzusehen. Die darin enthaltene bloße Bezifferung der Raummiete pro Quadratmeter in
Gera mit 49,20 DM, in Kassel mit 45,50 DM und in Landshut mit 38,25 DM stellt aber nur
eine Kostenbehauptung dar. Von einem Nachweis im materiellen Sinne kann schon
deshalb nicht die Rede sein, weil es an Belegen dafür fehlt, dass es sich bei diesen
Beträgen um der Klägerin tatsächlich entstandene Kosten handelt. Zwar hat sie in der
mündlichen Verhandlung erstmals behauptet, diese Betragsangaben seien einem
zwischen ihr und der E. tatsächlich geschlossenen Mietvertrag entnommen. Doch lässt
sich für die Richtigkeit dieser Behauptung nichts aus den für die Kostenprüfung gemäß
§ 3 Abs. 1 TEntgV allein maßgeblichen Antragsunterlagen entnehmen. Außerdem hat
die Klägerin den entsprechenden Mietvertrag nicht vorgelegt. Selbst wenn man davon
ausginge, dass die Mietbeträge von der E. in Rechnung gestellt wurden, fehlte es an
nachprüfbaren Anhaltspunkten oder gar an Belegen dafür, dass auch eine
entsprechende tatsächliche Vermögensverschiebung zwischen der Klägerin und ihrer
100%-igen Tochter E. stattgefunden hat. Zwar mag es entsprechende
Buchungsvorgänge geben. Doch besagt dies nichts darüber, ob diese Buchungen
aussagekräftig und realistisch sind. Abgesehen davon wird deren Bedeutung zusätzlich
dadurch verringert, dass die E. nicht Eigentümerin der Kollokationsräume ist, von der
Klägerin rechtlich beherrscht wird und nur die Verwaltung der Immobilien der Klägerin
betreibt. Insgesamt gesehen kann derartigen Buchungsvorgängen im Rahmen einer
TKG-Entgeltprüfung somit kein höherer Stellenwert zukommen, als wenn die Klägerin
sich selbst eine Kostenrechnung unmittelbar, d.h. ohne den buchungstechnischen
Umweg über die E. , ausgestellt hätte. Wollte man dies gleichwohl als Kostennachweis
ausreichen lassen, könnte von einer den Zielen des TKG entsprechenden
regulatorischen Entgeltprüfung nicht mehr die Rede sein. Denn diese erfordert
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angesichts des auf Herstellung eines chancengleichen und funktionsgerechten
Wettbewerbs gerichteten Zwecks der Regulierung (vgl. § 2 Abs. 2 Satz 2 TKG), dass die
vom Marktbeherrscher präsentierten Zahlen und Rechenwerke genau und besonders
sorgfältig hinterfragt werden. Dieser kritische Ansatz hat - entgegen der in der
mündlichen Verhandlung geäußerten Auffassung des Prozessbevollmächtigten der
Klägerin - nichts mit Voreingenommenheit oder unberechtigtem Misstrauen zu tun.
Vielmehr ergibt er sich aus dem Sinn und Zweck einer echten Kostenprüfung und ist in
tatsächlicher Hinsicht durch von der Klägerin nicht dementierte, glaubhafte
Pressedarstellungen zur Immobilienbewertung
vgl. etwa: Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 20.12.2001 ( Bilanzwert der Grundstücke
nach unten korrigiert/Wertberichtigung von 900 Millionen DM ) und vom 07.07.2001
(Rechnungshof prüft Telekom-Bilanz/Immobilien-Ab- wertung wird untersucht)
48
hinreichend veranlasst.
49
Ob andererseits der Ansatz der RegTP, die Mietkosten unter Berufung auf § 3 Abs. 3
TEntgV anhand des Immobilienpreisspiegels für RDM-Büromieten mit gutem
Nutzungswert zu ermitteln, rechtmäßig ist oder ob sich die Vergleichsmarktbetrachtung
nach dieser Vorschrift etwa nur auf Unternehmen aus Telekommunikationsmärkten
erstrecken darf, kann hier auf sich beruhen. Denn die Klägerin hat die
Entgeltgenehmigung insofern mit ihrem Hilfsantrag nicht angegriffen.
50
Der Gemeinkostenzuschlag von 14,96 % ist in der Anlage zum Entgeltantrag vom
09.03.1999 nur beziffert, so dass es schon aus diesem Grunde an dem erforderlichen
Kostennachweis fehlt. Zusätzlich ist in Bezug auf diese Kostenposition § 2 Abs. 2 Satz 2
TEntgV zu berücksichtigen. Danach ist beim Nachweis der Gemeinkosten anzugeben
"und zu erläutern", wie die Gemeinkosten der jeweiligen Dienstleistung zugeordnet
werden.
51
Selbst wenn man jedoch entsprechend dem Hinweis auf Seite 3 (unten) des Antrages
ergänzend auf die Angaben im Entgeltantrag vom 22.05.1998 (BA I, 146/147 zu 1 K
7079/98) zurückgreifen würde, führte dies zu keinem für die Klägerin günstigeren
Ergebnis. Aus der dort wiedergegebenen Berechnung ergibt sich nämlich zum einen,
dass z.B. Personalkosten, Managementkosten, Vertriebsprovisionen und eine
Konzernumlage der Konzerncostcenter des gesamten "KGF LDC" (=
Konzerngeschäftsfeld "Lizensierte Diensteanbieter/Carrier") umgelegt werden. Dies
geht jedoch weit über den Bereich der hier berücksichtigungsfähigen Gemeinkosten
hinaus. Zwar betrifft der Begriff der Gemeinkosten gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 TEntgV
"Kosten, die sich der Leistung nicht unmittelbar zuordnen lassen", die also - wie es in §
3 Abs. 2 TEntgV heißt - "leistungsmengenneutral" sind. Bereits auf dieser Ebene fehlt es
in der oben genannten zweiseitigen Darstellung indes an einer nachvollziehbaren,
gemäß § 2 Abs. 2 Satz 2 TEntgV aber erforderlichen Erläuterung der Zuordnung der
einzelnen Kostengruppen zur in Rede stehenden Dienstleistung
52
vgl. dazu: Manssen, a.a.O., § 27 Anhang Rn. 16, 22; Schuster/Stürmer, a.a.O. Anh § 27
§ 3 TEntgV, Rn. 9, 11, 12.
53
Nach § 3 Abs. 2 TEntgV kommt es ferner inhaltlich u.a. darauf an, ob der Zuschlag für
die der jeweiligen Leistung zuordnungsfähigen Gemeinkosten "angemessen" und ob er
gerade "für die Leistungsbereitstellung notwendig" ist
54
vgl. dazu: Manssen, a.a.O., § 27 Anhang Rn. 25 - 27; Schuster/Stürmer, a.a.O. Anh § 27
§ 3 TEntgV, Rn. 20; Spoerr, a.a.O., § 24 Rn. 25; Wegmann, a.a.O., S. 303.
55
Mit diesen zusätzlichen Anforderungen werden nicht etwa die Gemeinkosten
begriffswidrig eingegrenzt. Vielmehr wird damit ermöglicht, was in der
Betriebswirtschaftslehre für eine sachgerechte, den Anforderungen u.a. des
Verursacherprinzips und der Proportionalität Rechnung tragenden Zuordnung von
Gemeinkosten allgemein vertreten wird
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vgl. Busse von Colbe/Pellens, Lexikon des Rechnungswesens, 4. Aufl., Stichworte:
Einzel- und Gemeinkosten sowie Prozesskostenrechnung; Wöhe, Einführung in die
Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, 20. Aufl., S. 1120 ff.
57
Bei Zugrundelegung dieser Maßstäbe lässt sich nicht feststellen, was z.B. die in der
Aufstellung auf Bl. 146 (BA I zu 1 K 7079/98) genannten Kostenpositionen, wie
Vertriebsprovisionen, Zinsen auf Forderungen, "Verrechnung, Querschnitt und Seko"
und die Konzernumlage der Konzerncostcenter, mit der Überlassung von
Kollokationsräumen auch nur mittelbar zu tun haben und dass sie für die Bereitstellung
dieser Leistung sogar notwendig sind. Abgesehen davon ist zu bemängeln, dass Kosten
des gesamten, von der Klägerin als übergeordneter Querschnitts-Funktionsbereich
bezeichneten Konzerngeschäftsfeldes LDC umgelegt werden, obwohl die
Geschäftsbeziehungen zu lizensierten Diensteanbietern/Carriern weit über das
hinausgehen, was dem hier allenfalls einschlägigen Funktionsbereich der
Netzzusammenschaltung/Netzzugänge für Wettbewerber zugeordnet werden kann.
Schließlich fehlt es an einer prüfungsfähigen Angabe und Erläuterung der auf Bl. 147
(BA I zu 1 K 7079/98) unter Ziff. 2 bis 6 aufgeführten "Kosten des KGF ohne
Gemeinkosten" und an entsprechenden Belegen.
58
All diese Mängel sind derart gravierend, dass sie sich auf den geltend gemachten
Gemeinkostenzuschlag insgesamt auswirken, so dass dieser auch nicht teilweise
anerkannt werden kann.
59
2.4 Die Klage ist teilweise begründet, soweit der Hilfsantrag auf die Erteilung einer
rückwirkenden Entgeltgenehmigung in bewilligter Höhe gerichtet ist.
60
Die Kammer und das OVG NRW
61
vgl.: VG Köln, Urteil vom 30.08.2001 - 1 K 10404/98 -; OVG NRW, Beschluss vom
14.12.2001 - 13 B 1362/01 -,
62
haben die Frage der rückwirkenden Erteilung der Genehmigung von
Wettbewerberentgelten bereits bejaht. Die Gründe sind den Beteiligten bekannt und
müssen daher hier nicht wiederholt werden.
63
Allerdings kann der von der Klägerin begehrte Rückwirkungszeitpunkt (01.12.1998) nur
in Bezug auf diejenigen Entgelte angesetzt werden, die mit den
Zusammenschaltungspartnern enco.tel und O. vereinbart wurden. Der mit B.
geschlossene Zusammenschaltungsvertrag datiert jedoch vom 19.01.1999 und
17.02.1999, so dass wegen der Einzelvertragsbezogenheit der Entgeltgenehmigung
64
vgl.: VG Köln, Urteil vom 06.04.2000 - 1 K 3375/98 -; OVG NRW, Beschluss vom
20.12.2001 - 13 A 3112/00 -,
65
insoweit nur das letztgenannte Datum als Rückwirkungszeitpunkt berücksichtigt werden
kann.
66
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO.
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Die Zulassung der Berufung beruht auf § 124 a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 3 V
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