Urteil des VG Köln vom 19.11.2002

VG Köln: gefahr, untreue, komplexität des sachverhaltes, vernehmung von zeugen, hotel, zeugnisverweigerungsrecht, strafrechtliche verfolgung, restriktive auslegung, aussageverweigerungsrecht

Verwaltungsgericht Köln, 7 K 2677/98
Datum:
19.11.2002
Gericht:
Verwaltungsgericht Köln
Spruchkörper:
7. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
7 K 2677/98
Tenor:
Soweit der Kläger die Klage zurückgenommen hat, wird das Verfahren
eingestellt.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf
die Voll- streckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des
Vollstreckungsbetrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der
Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
1
Der Kläger war seit Februar 1990 Mitglied des Parteivorstandes der Partei des
Demokratischen Sozialismus (PDS). Außerdem war er von März 1990 an Mitglied des
aus der Mitte des Vorstandes im Dezember 1989 gebildeten Parteipräsidiums. Von Juni
1990 bis Oktober 1992 war er stellvertretender Parteivorsitzender.
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Am 21.12.1989 fasste der Parteivorstand der seinerzeit als solche bezeichneten SED
(Sozialistische Einheitspartei Deutschlands)/PDS einen Beschluss zur Bestäti- gung
des von ihrem außerordentlichen Parteitag am 17.12.1989 gefassten Be- schlusses zur
Sicherung des Parteivermögens. In diesem setzte sich die SED/PDS das Ziel, das
vorhandene Parteivermögen zu erhalten und wirksam gegen "Angriffe auf das
Eigentum" der Partei zu sichern, damit die Parteiarbeit in finanzieller Hinsicht für die
Zukunft gesichert sei.
3
Im Jahre 1995 setzte der Deutsche Bundestag den 2. Untersuchungsausschuss der 13.
Wahlperiode - "DDR-Vermögen" - ein (im Folgenden: 2. Untersuchungsaus- schuss).
Dieser sollte sich gemäß seines Untersuchungsauftrags (siehe dazu Bun- destags-
Drucksache 13/2483) unter anderem mit den unter I.6 bis I.10 aufgeführten Fragen
befassen:
4
"I.6 Inwieweit haben Unternehmen des Bereichs Kommerzielle Koordinie- rung - über
die Feststellungen der Berichte der Unabhängigen Kommission zur Überprüfung des
Vermögens der Parteien und Massenorganisationen der DDR (UKPV) hinaus - bei der
Veruntreuung von Vermögenswerten die Ver- bindung zu Unternehmen und Personen
von kommunistischen Parteien, die mit der SED/PDS wirtschaftlich zusammengewirkt
haben, genutzt?
5
I.7 Inwieweit wurden Mitglieder der PDS oder dieser Partei nahestehende Personen -
über die Feststellung der Berichte der UKPV hinaus - vor dem 3. Oktober 1990 von der
SED/PDS durch Vermögensverschiebungen finanziell unterstützt, um sich wirtschaftlich
betätigen zu können?
6
I.8 Welche Vermögensverschiebungen und Manipulationen von Bilanzen der
Unternehmen der DDR sind durch das Zusammenwirken "alter Seilschaf- ten" und
westlicher Geschäftspartner erfolgt, und wer hat davon profitiert?
7
I.9 Welche Maßnahmen haben Bundesregierung, Treuhandanstalt und andere
staatliche Stellen des Bundes zur Wiederbeschaffung veruntreuter Vermögenswerte
ergriffen?
8
I.10 Haben Kreditinstitute innerhalb und außerhalb der DDR bei Vermö-
gensveruntreuungen von Unternehmen und Personen der DDR eine Rolle ge- spielt
und wenn ja, welche?"
9
Unter dem 10.09.1996 beantragten die Mitglieder der CDU/CSU- und der FDP- Fraktion
im 2. Untersuchungsausschuss, dass durch die Vernehmung des Klägers als Zeuge
zum Untersuchungsauftrag des 2. Untersuchungsausschusses Beweis erhoben werden
solle. Dies wurde damit begründet, dass der Kläger als Mitglied des Präsidiums des
Parteivorstandes der SED/PDS in die Überlegungen und Aktivitäten zur Sicherung des
Vermögens dieser Partei eingebunden gewesen sei. Eine dieser Aktivitäten sei der so
genannte "Putnik-Deal" gewesen. Bei diesem hatten unter an- derem für die
Parteifinanzen und das Finanzwesen der PDS Verantwortliche im Jah- re 1990 den
Versuch unternommen, Vermögen der SED/PDS über die Begleichung fingierter
Forderungen eines sowjetrussisch-venezolanischen Unternehmens namens "Putnik"
ins Ausland zu verbringen. Die Vernehmung des Klägers sollte "über den Umfang und
die Art und Weise der vor dem 03.10.1990 durch die SED/PDS erfolgten
Vermögensverschiebungen Aufschluss geben (I.7 und I.10 des Untersuchungsauf-
trages)". Am 26.09.1996 beschloss der 2. Untersuchungsausschuss, den Kläger als
Zeugen zu vernehmen. Der Kläger sollte als ehemaliges Mitglied des Präsidiums des
Parteivorstandes der SED/PDS zu den Themenkomplexen I.7 und I.10 des Untersu-
chungsauftrags befragt werden.
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Die Vernehmung des Klägers fand in der 81. Sitzung des 2. Untersuchungsaus-
schusses am 09.10.1997 statt. Zu Beginn der Vernehmung des Klägers zur Sache führte
der Vorsitzende des 2. Untersuchungsausschusses ihm gegenüber aus, dass der
Parteitagsbeschluss über die Sicherung des Parteivermögens der PDS aus dem Jahre
1989 der Ausgangspunkt der Befragung sei. Der Kläger sei zu dieser Zeit zwar noch
nicht im Parteivorstand, aber doch wohl auf dem Parteitag gewesen. Der Vor- sitzende
des 2. Untersuchungsausschusses fragte den Kläger, ob er sich an diesen Beschluss
erinnern könne. Daraufhin erklärte der Kläger, dass er von seinem Zeug-
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nisverweigerungsrecht gemäß § 55 Strafprozessordnung (StPO) Gebrauch mache.
Dazu verlas er eine von ihm bereits am 30.05.1995 vor dem Landgericht Berlin in der
Putnik-Strafsache wegen Untreue bzw. Beihilfe zur Untreue zum Nachteil der PDS
abgegebene Erklärung, mit der er von seinem Auskunftsverweigerungsrecht gemäß §
55 StPO Gebrauch gemacht und in der er die Auskunftsverweigerung begründet hatte,
sowie die dazu ergangene Entscheidung des Gerichts. Die Erklärung hatte unter
anderem den folgenden Wortlaut:
"Den Angeklagten wird förmlich vorgeworfen, der PDS Geld entzogen zu haben, was
als Untreue strafbar ist. Der eigentliche Vorwurf aber lautet, versucht zu haben, das Geld
für die PDS zu retten, was ich politisch und moralisch kritisieren kann, was aber nicht
strafbar wäre... Trotz dieser Bedenken habe ich bei der ersten Verhandlung vor dem
Landgericht Berlin ausgesagt. Damals war ich davon überzeugt, dazu verpflichtet zu
sein. Inzwischen hat sich jedoch die Ermittlungs- und Anklagetätigkeit der
Staatsanwaltschaft verändert, und außerdem liegt das Urteil des Bundesgerichtshofs in
dieser Sache vor... Bedenklich stimmt mich das Urteil des Bundesgerichtshofs in dieser
Sache. Aus ihm habe ich zwei für mich als damaliges Leitungsmitglied der PDS
gewichtige Umstände entnommen. Zum einen konstruiert der Bundesgerichtshof aus
den Beschlüssen des außerordentlichen Parteitags der SED im Dezember 1989 eine
verbindliche Pflicht auch für mich, nicht nur mich solcher Handlungen, wie sie den
Angeklagten vorgeworfen werden, zu enthalten, sondern alles zu tun, um solche zu
verhindern. Ich kann aber nicht ausschließen, dass ich durch wahrheitsgemäße
Aussagen ein Unterlassen einräumen müsste, das zu strafrechtlichen Ermittlungen
führen könnte. Der Bundesgerichtshof will aufgeklärt wissen, ob sich die Situation der
PDS vom Dezember 1989 bis zum Geldtransfer durch die Angeklagten im Herbst 1990
möglicherweise so verändert hatte, dass ihnen der Transfer zumindest subjektiv nicht
mehr als Untreue vorgeworfen werden kann. Sicherlich hatte sich die Stimmung in der
PDS tatsächlich geändert, da die politischen und juristischen Angriffe auf die PDS
zugenommen hatten. Mit welcher wahrheitsgemäßen Aussage müsste ich deshalb
einräumen, zu dieser veränderten Stimmung beigetragen zu haben, diese zumindest
geduldet oder nicht konsequent genug unterbunden zu haben, und könnte ich mich
dadurch nicht wiederum selbst bezichtigen, zumindest in der Form der Unterlassung?
Ich kann nicht ausschließen, dass Äußerungen von mir im Jahre 1990 von den
Angeklagten als Animierung zu entsprechendem Denken bzw. Handeln verstanden
bzw. missverstanden werden konnten. Unabhängig davon, dass ich in den Geldtransfer
der 107 Millionen DM nicht einbezogen war, muss ich aus den genannten Gründen
befürchten, mich der Gefahr eines Ermittlungsverfahrens auszusetzen, wenn ich hier
aussage. Deshalb verweigere ich gemäß § 55 StPO jegliche Aus- sage."
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Das Landgericht Berlin hatte daraufhin von einer weiteren Befragung des Klägers
abgesehen. Zur Begründung hatte es ausgeführt, auch das Ermittlungsverfahren 22 Js
330/90 der Staatsanwaltschaft II bei dem Landgericht Berlin (das so genannte
"Belvedere-Verfahren") richte sich wegen des Vorwurfs der Untreue zum Nachteil der
Belvedere Hotel GmbH im Zusammenhang mit der Sicherung des Vermögens der PDS
gegen "Verantwortliche der PDS" und "unbekannte Verantwortliche der PDS". Aufgrund
seiner Stellung als Mitglied des Vorstandes seit Februar 1990 und des Präsidiums der
PDS seit März 1990 und insbesondere als stellvertretender Parteivorsitzender von Juni
1990 bis Oktober 1992, also auch im Anklagezeitraum, sei der Kläger zu dem Kreis der
Verantwortlichen der PDS zu zählen. Angaben zur Behandlung des Parteivermögens
der PDS in dem vorliegenden Verfahren könnten daher zu seiner namentlichen
Einbeziehung in das Belvedere-Verfahren führen, zumal dort die Ermittlungen noch
13
nicht abgeschlossen seien. Auch wenn der Kläger angebe, in den Geldtransfer von 107
Millionen DM nicht einbezogen gewesen zu sein, so schließe das eine allgemeine
Absprache oder Mitwisserschaft innerhalb des Präsidiums über die Sicherung des
Parteivermögens nicht aus. Die Aussage des Klägers lasse sich nicht in einen das
Belvedere-Verfahren betreffenden und einen das Putnik-Verfahren betreffenden Teil
aufspalten. Es gehe in beiden Fällen um die Sicherung des Parteivermögens der PDS
im Jahre 1990.
Die Angeklagten im Putnik-Verfahren wurden durch Urteil des Landgerichts Berlin vom
20.06.1995 freigesprochen. Das Urteil wurde rechtskräftig.
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Der Vorsitzende des Vorstandes und des Präsidiums der PDS im Jahre 1990, H. ,
wurde am 30.08.1996 durch die Staatsanwaltschaft II bei dem Landgericht Berlin in dem
Belvedere-Ermittlungsverfahren als Zeuge vernommen. Die Staatsan- waltschaft hatte
ihm zuvor unter dem 20.06.1996 betreffend das "Ermittlungsverfahren gegen H1 u. a.
wegen Untreue zum Nachteil der Belvedere Hotel GmbH" mitgeteilt, dass das Verfahren
noch gegen 14 weitere, namentlich benannte Beschuldigte geführt werde. Nach dem
bisherigen Ergebnis der Ermittlungen lägen keinerlei Anhaltspunkte dafür vor, dass H.
im Zusammenhang mit den verfahrensgegenständlichen Vorwürfen der Gefahr
unterliege wegen einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit verfolgt zu werden.
Während seiner staatsanwaltschaftlichen Vernehmung bekundete H. unter anderem,
dass es mit Sicherheit keine Weisungen des Präsidiums oder des Vorstandes der PDS
gegeben habe, Geld auf Konten ausländischer Firmen oder Ein- richtungen zu
überweisen.
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Der Kläger schloss seine Erklärung vor dem 2. Untersuchungsausschuss mit dem
Hinweis, dass das Strafverfahren gegen unbekannte Verantwortliche der PDS im
Belvedere-Verfahren bei der Staatsanwaltschaft II bei dem Landgericht Berlin nach wie
vor laufe. Insofern habe sich an der Sach- und Rechtslage im Vergleich zum Mai 1995
nichts geändert.
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Daraufhin führte der Vorsitzende des 2. Untersuchungsausschusses gegenüber dem
Kläger aus, dass ihm ein Aussageverweigerungsrecht gemäß § 55 StPO hinsichtlich
des Belvedere-Falles zustehe. Dies gelte aber nicht für den Putnik-Fall. Deshalb
gestehe der 2. Untersuchungsausschuss dem Kläger ein Aussageverweigerungsrecht
zu diesem Fall nicht zu. Der Vorsitzende des 2. Untersuchungsausschusses stellte dem
Kläger, der erklärte, bei seiner Aussageverweigerung zum Fall Putnik zu bleiben,
Fragen und fragte ihn jeweils, ob er von seinem Aussageverweigerungsrecht gemäß §
55 StPO Gebrauch mache. Die Fragen lauteten:
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"Wann haben Sie zum ersten Mal erfahren, dass 107 Millionen DM von der PDS an die
Firma Putnik gezahlt worden sind?".
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"Ist Ihnen bekannt, dass mit Mitteln der PDS Firmen gegründet worden sind, das heißt:
dass Gelder der PDS als Gesellschaftskapital eingesetzt worden sind, und die
Gesellschafter dafür treuhänderisch für die PDS die Gesellschaftsanteile gehalten
haben ?"
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Der Kläger verweigerte jeweils gemäß § 55 StPO die Aussage.
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Mit Beschluss vom 09.10.1997 legte der 2. Untersuchungsausschuss dem Kläger die
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durch das Ausbleiben verursachten Kosten auf und setzte gegen ihn gemäß § 70 StPO
ein Ordnungsgeld in Höhe von 750,- DM fest. In den schriftlichen Beschlussgründen
heißt es, dass der Ausschuss dem Kläger ein Auskunftsverweigerungsrecht gemäß § 55
StPO im Hinblick auf das Belvedere- Ermittlungsverfahren zugebilligt habe. Insoweit
könne nicht ausgeschlossen werden, dass er sich durch Beantwortung von Fragen zu
Aktivitäten des PDS- Parteivorstandes zur Sicherung des Vermögens der PDS/SED der
Gefahr der Strafverfolgung aussetzen könne. Eine solche Gefahr habe der Ausschuss
dagegen bezüglich des Putnik-Verfahrens nicht feststellen können. Der Kläger habe
nicht dargelegt, inwieweit er sich mangels Vorliegens einer rechtswidrigen Tat durch
Beantwortung von Fragen zum Putnik-Verfahren der Gefahr der Strafverfolgung aus-
setzen würde, zumal das Landgericht Berlin rechtskräftig festgestellt habe, dass die dem
Putnik-Verfahren zugrunde liegenden Handlungen keine rechtswidrigen Taten
darstellten.
Am 16.10.1997 erhob der Kläger gegen den Kostenauferlegungs- und
Ordnungsgeldbeschluss beim Landgericht Bonn Beschwerde. Zur Begründung trug er
vor, einem Untersuchungsausschuss ständen die Befugnisse des § 70 StPO nicht zu.
Außerdem habe er zu Recht von seinem umfassenden Zeugnisverweigerungsrecht
gemäß § 55 StPO Gebrauch gemacht. Diesbezüglich verweist er zunächst auf seine
Erklärung vom 09.10.1997 sowie auf den Inhalt der Akten des 2.
Untersuchungsausschusses. Darüber hinaus habe sich der 2. Untersuchungsausschuss
gemäß seines Untersuchungsauftrags die Aufgabe auferlegt, sich ein umfassendes Bild
über die Verschiebung und Veruntreuung von Vermögenswerten und andere
vermögensrelevante Manipulationen im Zusammenhang mit Aktivitäten der SED/PDS,
insbesondere auch zur Sicherung von Vermögenswerten dieser Partei, zu verschaffen.
Dazu habe auch die Vernehmung von Zeugen dienen sollen. Jede Frage der Mitglieder
des Untersuchungsausschusses und jede Antwort darauf hätten also den Sinn eines
Bausteines zur Erstellung eines Gesamtbildes, dies auch hinsichtlich eventueller
Strafbarkeiten von Personen. Dabei sei aber dem Zeugen nicht sofort die Bedeutung der
Frage und deren intendierter Gesamtzusammenhang erkennbar, ebensowenig dann die
Bedeutung und der Zusammenhang der einzelnen Antwort. Gerade angesichts der
Punkte I.6 bis I.10 des Untersuchungsauftrags könne sich dem
Untersuchungsausschuss - und damit auch den Ermittlungsbehörden - die Möglichkeit
eröffnen, bei Auskunftsverweigerung eines Zeugen nach § 55 StPO hinsichtlich nur
einzelner Fragen aufgrund der bisherigen von ihm gegebenen Antworten auf eine
eventuelle Strafbarkeit zu schließen und ein Ermittlungsverfahren gegen den Zeugen
einzuleiten. Der 2. Untersuchungsausschuss habe die von ihm geladenen Zeugen
lediglich über den gesamten Untersuchungsauftrag, nicht jedoch über das konkrete
Beweisthema informiert. Den Zeugen seien die bisherigen Ermittlungen des 2.
Untersuchungsausschusses nicht bekannt, damit ebensowenig die zum 2.
Untersuchungsausschuss gehörenden Vorgänge, zu denen der 2.
Untersuchungsausschuss weiterhin ermittele und die auch für eine eventuelle
Strafverfolgung des Klägers relevant sein könnten. Der Freispruch der Angeklagten in
dem Putnik-Verfahren hindere eine strafrechtliche Verfolgung anderer Personen wegen
einer eigenständigen Strafbarkeit keineswegs. Diese Möglichkeit ergebe sich eindeutig
aus dem Abschnitt III. der Urteilsbegründung des Landgerichts Berlin, das auf die
Zusammenhänge zwischen dem Putnik-Deal und dem Belvedere-Verfahren verweise.
Die Sache "Belvedere-Hotel-GmbH" sei auch nur einer der Vorgänge, der inzwischen
zu dem Untersuchungsauftrag des 2. Untersuchungsausschusses gehöre. Weitere,
ähnliche Vorgänge würden ebenfalls von dem 2. Untersuchungsausschuss verfolgt,
seien dem Kläger aber konkret unbekannt.
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Der Vorsitzende des 2. Untersuchungsausschusses rügte für den Deutschen Bundestag
gegenüber dem Landgericht Bonn die Zulässigkeit des Rechtsweges, da seiner
Auffassung nach für das Begehren des Klägers der Verwaltungsrechtsweg eröffnet sei.
Mit Beschluss vom 15.12.1997 stellte das Landgericht Bonn fest, dass der Rechtsweg
zu den ordentlichen Gerichten gegeben sei. Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten
hob das Oberlandesgericht Köln mit Beschluss vom 25.02.1998 den Beschluss des
Landgerichts Bonn vom 15.12.1997 auf und verwies den Rechtsstreit an das
Verwaltungsgericht Köln.
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Die Akten des an das Verwaltungsgericht Köln verwiesenen Rechtsstreits sind am
02.04.1998 bei diesem eingegangen.
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Der Kläger nimmt dort zur Begründung seiner Klage zunächst auf die Beschwerdeschrift
an das Landgericht Bonn sowie auf seine Erklärung in der 81. Sitzung des 2.
Untersuchungsausschusses Bezug. Darüber hinaus sei er bereits seit Februar 1990
Mitglied des Parteivorstandes der PDS gewesen. Er habe also von vornherein zu einem
verantwortlichen Personenkreis der PDS gehört, auf den die Fragen des 2.
Untersuchungsausschusses abgezielt hätten. Aus dem Untersuchungsauftrag und der
Auffassung der Mehrheit der Mitglieder des 2. Untersuchungsausschusses gehe hervor,
dass es dem 2. Untersuchungsausschuss um eine umfassende Aufklärung auch
strafrechtlich relevanter Verhaltensweisen beteiligter Personen und ihrer Institutionen,
wie zum Beispiel Parteien, gegangen sei. Dabei seien keine konkreten Beweisthemen
formuliert worden, sondern lediglich der umfassende, sehr weit und allgemein gehaltene
Untersuchungsauftrag. Dieser stelle sich den Zeugen so dar, dass ein - auch -
strafrechtlich relevantes Beziehungsgeflecht zwischen den beteiligten Parteien,
Institutionen und Personen aufgehellt und durchschaubarer gemacht werden solle, und
zwar durchaus in dem Sinne, das Geschehen einer strafrechtlichen Klärung zuzuführen
und die haupt- verantwortlichen Personen strafrechtlich zu belangen. Dabei sei auch
das Urteil des Bundesgerichtshofes in der Putnik-Strafsache von Bedeutung, wonach
selbst Stim- mungsveränderungen bzw. die Verantwortung für solche
Stimmungsveränderungen strafrechtlich bedeutsam seien. Es sei unwahrscheinlich,
dass der 2. Untersuchungs- ausschuss, der das gesamte Beziehungsgeflecht seines
Untersuchungsauftrages ermitteln solle, derartige Veränderungen außer Acht lassen
wolle.
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Da aufgrund der Weite des Untersuchungsauftrages keinem der Zeugen klar geworden
sei, mit welchen Fragen er zu rechnen habe, habe sich für den Kläger die ganz konkrete
Möglichkeit ergeben, dass jede Frage einen Teil eines gesamten Beziehungsgeflechtes
aufklären solle und deshalb nur ein Mosaiksteinchen in einem Gesamtbild darstelle. Es
habe sich nirgendwo ein Hinweis darauf ergeben, dass bestimmte Komplexe eines
Gesamtzusammenhanges getrennt werden sollten. Der Untersuchungsausschuss - so
seine Darstellung - habe mit allen verfügbaren rechtlichen Mitteln ein Gesamtbild
erstellen und dabei durchaus auch strafrechtlich relevante Geschehnisse und Taten
aufdecken sollen. Gerade für diese Situation habe das Landgericht Berlin für
verschiedene Zeugen eine solche Gefahr strafrechtlicher Ermittlungen gegen sie
gesehen, dass es ihnen ein umfassendes Zeugnisverweigerungsrecht nach § 55 StPO
zubilligte, und zwar bereits vor jeder konkreten Frage. Für den Kläger habe als
wesentlicher Verantwortlicher der PDS für bestimmte Be- schlüsse und deren
Umsetzung in der PDS eine Situation bestanden, dass er von einer grundsätzlichen
Verdächtigung seiner Person für strafbare Handlungen habe ausgehen müssen. Habe
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er des Weiteren davon ausgehen müssen, dass der 2. Untersuchungsausschuss auch
die Aufgabe gehabt habe, ein Gesamtbild der strafrechtlich relevanten Geschehnisse zu
erstellen, und dass bei der Untersuchung jede einzelne Frage nur ein Mosaiksteinchen
in einem Gesamtbild darstellen solle, so habe er sich von vornherein in der
problematischen Situation befunden, sich auf eine Untersuchung seines
möglicherweise strafrechtlichen Verhaltens einstellen zu müssen, ohne dies jedoch
angesichts des ganz allgemein gehaltenen Untersuchungsauftrages ausreichend
erkennen zu können. Weil er die Aktenlage, die weiteren Untersuchungen und die
entsprechenden Verdächtigungen auch gegen seine Person gar nicht gekannt habe, sei
es ihm kaum möglich gewesen, genau den Zeitpunkt zu bestimmen, an dem er weitere
Fragen hätte ablehnen sollen.
Das strafrechtlich relevante Verhalten von verantwortlichen Personen der PDS habe
sich vor dem Hintergrund des umfassenden Untersuchungsauftrages keineswegs auf
die beiden Fälle des Putnik-Deals und des Belvedere-Verfahrens beschränkt, sondern
auf mögliches strafbares Verhalten im Hinblick auf Vermögensverschiebungen
überhaupt. Insofern habe der Kläger nicht bloß als Zeuge vor dem 2.
Untersuchungsausschuss gestanden, sondern als grundsätzlich verantwortliche Person
für Vermögensverschiebungen. Dabei sei es völlig irrelevant, im welchem Umfang
Personen bereits bestraft worden seien. Unterstelle man die Möglichkeit, dass
Untersuchungsausschüsse auch aus politischen Gründen immer mehr dazu neigten,
Zeugen in die Ecke zu drängen, um sie schließlich strafrechtlich verfolgen zu lassen,
ergebe sich daraus das berechtigte Misstrauen auch des Klägers als Zeugen,
gegenüber der Meinung des 2. Untersuchungsausschusses, es könne kein strafrechtlich
relevantes Verhalten des Klägers mehr vorliegen.
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Schließlich sei nicht ersichtlich, dass sich Ermittlungsrichtung und -gegenstand im
Belvedere-Verfahren selbst so geändert hätten, dass der Kläger anders als noch 1995
keine Strafverfolgung mehr zu befürchten gehabt habe. Eine Gefahr der Strafverfolgung
sei ferner selbst dann nicht ausgeräumt, wenn die Ermittlungen sich zum Zeitpunkt der
Vernehmung des Klägers vor dem 2. Untersuchungsausschuss nur noch gegen
Verantwortliche der Belvedere Hotel GmbH gerichtet hätten. Eine Gewissheit, dass die
Ermittlungen nicht wieder in die alte Richtung gehen würden, habe es nicht gegeben.
Jedenfalls habe der Kläger keine Kenntnis von einer Konkretisierung der
Ermittlungstätigkeit gehabt. Er habe im Zeitpunkt seiner Vernehmung keinerlei
Anhaltspunkte dafür gehabt, dass das Verfahren nicht mehr gegen Verantwortliche und
unbekannte Verantwortliche der PDS geführt werde. Insbesondere sei er vom 2.
Untersuchungsausschuss nicht auf diesen Umstand hingewiesen worden. Das sei
insofern von Bedeutung, als Maßnahmen nach § 70 StPO nur ergriffen werden dürften,
wenn der Verstoß gegen die Zeugenpflicht schuldhaft erfolge.
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In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger den mit Schriftsatz vom 27.01.2002
gestellten Antrag festzustellen, dass ihm gegenüber dem 2. Untersuchungsausschuss
des 13. Deutschen Bundestages ein Zeugnisverweigerungsrecht zustand,
zurückgenommen.
29
Der Kläger beantragt,
30
den Beschluss des 2. Untersuchungsausschusses des 13. Deutschen Bundestages in
seiner Sitzung vom 09. Oktober 1997 aufzuheben.
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Die Beklagte beantragt,
32
die Klage abzuweisen.
33
Sie trägt vor, die am 02.04.1998 beim Verwaltungsgericht Köln eingegangene Klage sei
unzulässig. Die Frist des § 74 Abs. 1 Satz 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) sei
versäumt worden. § 17 b Abs. 1 Satz 2 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) finde keine
Anwendung, da der Kläger schuldhaft das sachlich unzuständige Landgericht Bonn
angerufen habe.
34
Die Klage sei auch unbegründet. Der Ordnungsgeld- und Kostenauferlegungsbeschluss
sei materiell rechtmäßig. Im Untersuchungsausschussverfahren sei zunächst daran zu
denken, eine uneingeschränkte Auskunftspflicht des Zeugen anzunehmen. Diese sei im
Sinne einer "Beweisverbotslösung" durch ein entsprechendes
Beweisverwertungsverbot im Strafprozess zu flankieren. Dazu sei die Rechtsprechung
des Bundesverfas- sungsgerichts zur Auskunftspflicht des Gemeinschuldners im
Konkursverfahren heranzuziehen. Da dieser einer der wichtigsten Informationsträger im
Insolvenzverfahren sei, auf dessen Auskünfte die Gläubiger und die Verfahrensorgane
zur ordnungsgemäßen Abwicklung der Insolvenz angewiesen seien, sei er
uneingeschränkt auskunftspflichtig. Diesen Ansatz habe der Gesetzgeber nunmehr in §
97 Abs. 1 Insolvenzordnung (InsO) übernommen. Er sei durch den Bundesgerichtshof
ferner auf die eidesstattliche Versicherung im Vollstreckungsverfahren gemäß § 807
Zivilprozessordnung (ZPO) ausgedehnt worden. Diese Rechtsprechung könne auf das
parlamentarische Untersuchungs- ausschussverfahren übertragen werden.
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Darüber hinaus habe der Kläger sich nicht auf ein umfassendes
Zeugnisverweigerungsrecht gemäß § 55 StPO berufen können. Seine Erklärung vor
dem 2. Untersuchungsausschuss sei lediglich ins Blaue hinein erfolgt und sei demnach
nicht geeignet, ein umfassendes Zeugnisverweigerungsrecht zu begründen. Er habe
schon die erste Frage des Vorsitzenden des 2. Untersuchungsausschusses
beantworten können, ohne sich der Gefahr einer Strafverfolgung auszusetzen. Es sei
schlechthin nicht ersichtlich, wie sich der Kläger durch die bloße Teilnahme an dem
außerordentlichen Parteitag der SED/PDS am 17.12.1989 oder durch die bloße
Erinnerung an den dort gefassten Beschluss zur Sicherung des Parteivermögens
strafbar gemacht haben solle. Der Beschluss des Parteivorstandes der SED/PDS vom
21.12.1989 in Verbindung mit dem Beschluss des außerordentlichen Parteitages vom
17.12.1989 habe im Übrigen den maßgeblichen Grund dafür gebildet, dass sich
Verantwortliche der PDS durch die Veranlassung einer Überweisung von rund 107
Millionen DM auf das Konto der Firma Putnik nicht wegen Untreue zum Nachteil der
PDS strafbar gemacht hätten. Dies ergebe sich auch aus den Ausführungen im Urteil
des Landgerichts Berlin im Putnik-Verfahren vom 20.06.1995. Zum Zeitpunkt der
Vernehmung des Klägers vor dem 2. Untersuchungsausschuss sei deshalb eine
Strafverfolgung in Sachen Putnik- Deal nicht mehr betrieben worden und auch nicht zu
befürchten gewesen, dass eine Beantwortung der Frage des Vorsitzenden des 2.
Untersuchungsausschusses zur Wiederaufnahme der Ermittlungen gegen
Verantwortliche der PDS, darunter den Kläger, hätte führen können.
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Es seien auch keinerlei objektive Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die
Beantwortung der in Rede stehenden Fragen über Zahlungen von Geldern der PDS an
die Firma Putnik zu einer Einbeziehung des Klägers in das seinerzeit noch laufende
Verfahren in Sachen Belvedere Hotel GmbH hätte führen können. Die Hingabe des
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Darlehens in Höhe von 66 Millionen Mark an die Belvedere Hotel GmbH sei überdies
von dem Beschluss des außerordentlichen Parteitages der SED/PDS vom 17.12.1989
gedeckt gewesen. Eine Strafbarkeit der Verantwortlichen der PDS wegen Untreue habe
insoweit also schon aus tatsächlichen Gründen nicht in Betracht kommen können. Auch
hier verhalte es sich so, dass eine etwaige Mitwirkung des Klägers an diesem
Beschluss gerade den Grund für den Ausschluss jeglicher Strafbarkeit bilde. Zudem
erscheine es als ausgeschlossen, dem Kläger hinsichtlich der einzelnen Tatkomplexe
des Belvedere-Verfahrens bereits am 17.12.1989 einen hinreichend konkreten
Beteiligungsvorsatz zu unterstellen, weil die wesentlichen Merkmale des Geschehens
zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht festgestanden hätten.
Der Kläger sei des Weiteren zur Zeit seiner etwaigen Beteiligung an dem
außerordentlichen Parteitag der SED/PDS am 17.12.1989 noch nicht Mitglied des
Parteivorstandes gewesen. Die Frage nach dem Parteitagsbeschluss vom 17.12.1989
selbst habe also überhaupt nichts mit Stimmungsveränderungen im Anschluss an den
außerordentlichen Parteitag vom 17.12.1989 zu tun.
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Auch die zweite Frage des Vorsitzenden des 2. Untersuchungsausschusses habe der
Kläger beantworten können, ohne sich der Gefahr der Strafverfolgung auszusetzen. Ein
sachlicher Zusammenhang zwischen dieser Frage und dem Belvedere-Verfahren lasse
sich von vornherein nicht konstruieren. Der Putnik- Vorgang wiederum unterfalle keinem
Straftatbestand. Außerdem habe der Kläger selbst erklärt, in den Geldtransfer der 107
Millionen DM nicht einbezogen gewesen zu sein. Demnach wäre ein eventueller
Vermögensschaden zum Nachteil der PDS bereits eingetreten, bevor der Kläger von
dieser Transaktion Kenntnis erlangt habe. Er habe sich insoweit nicht einmal wegen
Strafvereitelung strafbar machen können. Gleiches gelte schließlich für die
Beantwortung der dritten Frage des Vorsitzenden des 2. Untersuchungsausschusses.
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Endlich sei die Vernehmungssituation vor dem 2. Untersuchungsausschuss mit der vor
dem Landgericht Berlin im Jahre 1995 nicht vergleichbar. Die Situation und
Beurteilungsgrundlage habe sich seit 1995 grundlegend verändert. Da das Putnik-
Verfahren mit einem Freispruch der Angeklagten vom Vorwurf der Untreue beendet
worden sei, sei eine Strafverfolgung des Klägers in diesem Zusammenhang zum
Zeitpunkt der Vernehmung nicht mehr zu erwarten gewesen. Im Hinblick auf das
Belvedere-Verfahren habe sich zum Zeitpunkt der Vernehmung vor dem 2.
Untersuchungsausschuss die Ermittlungsrichtung und auch der Ermittlungsgegenstand
soweit konkretisiert, dass nur noch finanzielle Transaktionen der Belvedere Hotel GmbH
Gegenstand der Untersuchungen gewesen seien, die sich auch deshalb nur noch
gegen Verantwortliche der Belvedere Hotel GmbH (und deren Geschäfts- bzw.
Verhandlungspartner) gerichtet hätten. Ein strafrechtlich relevanter Zusammenhang
zwischen diesen Tatkomplexen und den Themen der vom 2. Untersuchungsausschuss
gestellten Fragen sei allerdings nicht festzustellen.
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Der Umfang der Untersuchungsauftrages an den 2. Untersuchungsausschuss allein
biete keinen Anlass für eine besondere Handhabung des
Auskunftsverweigerungsrechts. Insoweit bestehe kein qualitativer Unterschied etwa zu
komplexen strafgerichtlichen Umfangverfahren. Auch in solchen Verfahren sei
Voraussetzung eines umfassenden Auskunftsverweigerungsrechts ein konkreter durch
Tatsachen gestützter Zusammenhang zwischen Vernehmungsgegenstand und
(eventuell) belastender Beweislage. Wollte man Zeugen in parlamentarischen
Untersuchungsausschussverfahren gleichsam in generalisierender, pauschaler Sicht
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ein umfassendes Auskunftsverweigerungsrecht einräumen, so wäre damit für Zeugen
ein Verfahrensstatus geschaffen, der weit über das hinaus gehe, was bisher unter dem
Stichwort "Betroffenenrechte" erörtert und zuerkannt worden sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streistandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakte und auf die von der Beklagten übersandten Akten des 2.
Untersuchungsausschusses in der 13. Wahlperiode (Ordner Nr. 446 - 453, Ordner "MAT
B 87" betreffend das Verfahren "Belvedere Hotel GmbH" der Staatsanwaltschaft II bei
dem Landgericht Berlin (22 Js 330/90), Ordner Nr. 230 - 257 betreffend das Verfahren
"Putnik-Deal"der Staatsanwaltschaft II bei dem Landgericht Berlin (22 Js 328/90)) Bezug
genommen. E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
42
Soweit der Kläger die Klage zurückgenommen hat, ist das Verfahren entsprechend § 92
Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen.
43
Im Übrigen ist die Klage zulässig, aber unbegründet.
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Statthafte Klageart ist die Anfechtungsklage, da der Beschluss des 2.
Untersuchungsausschusses vom 09.10.1997 als Maßnahme des Zeugniszwangs einen
Verwaltungsakt im Sinne von § 35 Satz 1 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG)
darstellt.
45
Vgl. dazu zum Beispiel Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein- Westfalen
(OVG NRW), Urteil vom 24.03.1998 - 5 A 216/95 - , S. 12 des amtli- chen Umdrucks.
46
Die Klagefrist des § 74 Abs. 1 Satz 2 VwGO ist gewahrt worden. Danach muss die
Klage innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsaktes erhoben
werden, wenn ein Widerspruchsbescheid nach § 68 VwGO nicht erforderlich ist.
Vorliegend war ein Widerspruchsbescheid entsprechend § 68 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 VwGO
nicht erforderlich.
47
Vgl. Verwaltungsgericht Köln, Urteil vom 21.09.1994 - 23 K 8011/93 - , S. 9 f. des
amtlichen Umdrucks.
48
Die Einlegung der Beschwerde gegen den Beschluss des 2.
Untersuchungsausschusses vom 09.10.1997 beim Landgericht Bonn am 16.10.1997
erfolgte innerhalb der Monatsfrist des § 74 Abs. 1 Satz 2 VwGO. Obwohl das
Landgericht Bonn das sachlich unzuständige Gericht war, wurde durch die
Beschwerdeeinlegung die Klagefrist auch hinsichtlich des verwaltungsgerichtlichen
Verfahrens eingehalten. Gemäß § 17 b Abs. 1 Satz 2 GVG bleiben die Wirkungen der
Rechtshängigkeit bestehen, nachdem der Rechtsstreit an das zuständige Gericht des
zulässigen Rechtswegs verwiesen worden ist. Dies gilt auch dann, wenn der Kläger
womöglich schuldhaft ein Gericht eines unzulässigen Rechtswegs angerufen hat.
49
Vgl. OVG Koblenz, Beschluss vom 11.05.1995 - 10 A 11400/95 - , NVwZ- RR 1996,
181; Kopp/Schenke, VwGO, 12. Auflage 2000, § 74 Rn. 8 und § 83 Rn. 20.
50
Überdies lässt sich von einer schuldhaften Anrufung eines unzuständigen Gerichts
durch den Kläger nicht sprechen, weil das Landgericht Bonn den Rechtsweg zu den
ordentlichen Gerichten als gegeben ansah und die klägerische Auffassung insoweit von
einem Kollegialgericht geteilt wurde.
51
Die angefochtene Maßnahme hat sich nicht zwischenzeitlich erledigt, weil der 2.
Untersuchungsausschuss mit Ablauf der 13. Wahlperiode des Deutschen Bundestages
seine Arbeit beendet hat. Aus dem Grundsatz der Diskontinuität ergeben sich keine
Auswirkungen auf die Zulässigkeit der Klage. Die Verhängung des Ordnungsgeldes
sowie die Auferlegung der Sitzungskosten maßregeln im Vorfeld von
Beugemaßnahmen das Verhalten des Klägers in der Ausschusssitzung vom 09.10.1997
und beschweren ihn nach wie vor.
52
Vgl. OVG NRW, Urteil vom 24.03.1998 - 5 A 216/95 - , S. 12 des amtlichen Umdrucks;
OVG NRW, Urteil vom 24.03.1998 - 5 A 239/95 - , S. 10 des amtlichen Umdrucks.
53
Die Klage ist jedoch unbegründet.
54
Der Beschluss des 2. Untersuchungsausschusses vom 09.10.1997 ist rechtmäßig und
verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
55
Maßgebliche Sach- und Rechtslage für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des
Beschlusses vom 09.10.1997 ist die im Zeitpunkt seines Erlasses geltende. Das Gesetz
zur Regelung des Rechts der Untersuchungsausschüsse des Deutschen Bundestages
(Untersuchungsausschussgesetz - PUAG) vom 19.06.2001 (BGBl. I S. 1142) bleibt
daher außer Betracht.
56
Ermächtigungsgrundlage für die Auferlegung der Kosten und die Verhängung des
Ordnungsgeldes ist nach dem Vorstehenden Art. 44 Abs. 2 Satz 1 Grundgesetz (GG) in
Verbindung mit § 70 Abs. 1 StPO. Gemäß Art. 44 Abs. 2 Satz 1 GG finden auf
Beweiserhebungen eines Untersuchungsausschusses die Vorschriften über den
Strafprozess sinngemäß Anwendung. Dazu zählt auch die Befugnis, Maßnahmen des
Zeugniszwanges nach § 70 Abs. 1 StPO zu ergreifen. Der Untersuchungsausschuss als
die die Ermittlungen führende Stelle ist in sinngemäßer Anwendung von § 70 Abs. 1, §
161 a Abs. 2 StPO selbst berechtigt, dem Zeugen, der das Zeugnis ohne gesetzlichen
Grund verweigert, die hierdurch verursachten Kosten aufzuerlegen und gegen ihn ein
Ordnungsgeld festzusetzen.
57
Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschluss vom 01.10.1987 - 2 BvR 1165/86 - ,
BVerfGE 76, 363, 385.
58
Der Beschluss vom 09.10.1997 ist formell und materiell rechtmäßig.
59
Die Voraussetzungen des Art. 44 Abs. 2 Satz 1 GG in Verbindung mit § 70 Abs. 1 StPO
für die Auferlegung von Kosten und die Verhängung eines Ordnungsgeldes liegen vor.
60
Nach § 70 Abs. 1 Satz 1 StPO werden einem Zeugen, der das Zeugnis ohne
gesetzlichen Grund verweigert, die durch die Weigerung entstandenen Kosten auferlegt.
Zugleich wird gegen ihn gemäß § 70 Abs. 1 Satz 2 StPO ein Ordnungsgeld und für den
Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft festgesetzt. Ein
Ordnungsgeld darf zudem gegen einen Zeugen nur verhängt werden, wenn er
schuldhaft gegen die Zeugenpflicht verstoßen hat.
61
BGH, Beschluss vom 13.10.1995 - StB 71/95 - , juris; BGH, Beschluss vom 28.12.1978 -
StB 235/78 - , BGHSt 28, 240, 259.
62
Dem Kläger stand für die Verweigerung des Zeugnisses in der 81. Sitzung des 2.
Untersuchungsausschusses am 09.10.1997 kein gesetzlicher Grund zur Seite. Er war
nicht entsprechend § 55 Abs. 1 StPO zu einer umfassenden Aussageverweigerung
berechtigt.
63
§ 55 Abs. 1 StPO findet über die Verweisung des Art. 44 Abs. 2 Satz 1 GG auch in
Verfahren vor parlamentarischen Untersuchungsausschüssen Anwendung.
64
BVerfG, Beschluss vom 01.10.1987 - 2 BvR 1165/86 - , BVerfGE 76, 363, 387.
65
Der Auffassung der Beklagten, in parlamentarischen
Untersuchungsausschussverfahren sei eine umfassende Auskunftspflicht des Zeugen,
flankiert durch ein entsprechendes Beweisverwertungsverbot in einem gegebenenfalls
nachfolgenden Strafprozess, zu statuieren, ist nicht beizupflichten. Sie findet im
anzuwendenden Recht keine tragfähige Stütze. Der uneingeschränkte Wortlaut der
Verweisungsnorm des Art. 44 Abs. 2 Satz 1 GG erstreckt sich nicht nur auf § 55 StPO,
sondern auch auf weitere befugnisbegrenzende Regelungen der Strafprozessordnung,
nämlich das Zeugnisverweigerungsrecht der Angehörigen (§ 52 StPO), der
Berufsgeheimnisträger und der Berufshelfer (§ 53, § 53 a StPO) sowie auf die
Bestimmung des § 68 a StPO über die Zulässigkeit bloßstellender Fra- gen.
66
Vgl. BVerfG, Beschluss vom 01.10.1987 - 2 BvR 1165/86 - , BVerfGE 76, 363, 387.
67
Der von Seiten der Beklagten vorgeschlagene Weg ließe sich methodisch allenfalls
entweder durch eine restriktive Interpretation - mittels einer teleologischen Reduktion -
der Worte "sinngemäße Anwendung" in Art. 44 Abs. 2 Satz 1 GG oder durch eine
analoge Anwendung des § 97 Abs. 1 InsO im Untersuchungsausschussverfahren
beschreiten.
68
Vgl. zur Statuierung einer Auskunftspflicht des Zeugen in parlamentarischen
Untersuchungsausschussverfahren aus rechtspolitischer Sicht Kölbel/Morlok, ZRP
2000, 217, insb. 219 ff.; Danckert, ZRP 2000, 476, insb. 478 f.
69
Beide Ansätze schlagen indes fehl. Eine teleologische Reduktion einer Norm kommt in
Betracht, wenn bei buchstabengetreuer Anwendung der Norm nach dem Textsinn ihr
Anwendungsbereich auch Lebenssachverhalte erfasst, die nach dem Normzweck nicht
erfasst werden sollen, was dazu führen kann, dass der vom Gesetz verfolgte
Normzweck in sein Gegenteil verkehrt wird. Die im Gesetz fehlende Einschränkung des
Anwendungsbereiches wird dann im Wege einer richterrechtlich vorgenommenen
teleologischen Reduktion erwirkt. Rüthers, Rechtstheorie, 1999, Rn. 903.
70
Art. 44 Abs. 2 Satz 1 GG bietet für die Vornahme einer teleologischen Reduktion jedoch
keinen hinreichenden Anhalt. Sein Wortlaut reicht - jedenfalls was die Zeugenrechte der
§§ 52 ff. StPO anbelangt - nicht weiter als sein Sinn und Zweck. Das Wort "sinngemäß"
soll zum Ausdruck bringen, dass die Vorschriften der StPO in parlamentarischen
Untersuchungsausschussverfahren deshalb nicht unmittelbar gelten können, weil es in
einem Untersuchungsausschussverfahren keinen Beschuldigten gibt. Ansonsten aber
soll der Zeuge vor einer Selbstbelastung und der Gefahr einer verfahrensexternen
Strafverfolgung, welche aufgrund des Informationstransfers zwischen
Untersuchungsausschuss- und strafrechtlichem Ermittlungsverfahren, der sich aufgrund
71
der Öffentlichkeitswirksamkeit des ersteren naheliegender Weise ergeben kann,
genauso geschützt werden. Dies ergibt sich auch daraus, dass das in § 55 StPO zum
Ausdruck kommende "nemo tenetur"- Prinzip nicht nur einfachgesetzlich, sondern auch
grundrechtlich in Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG verankert ist, was
der Untersuchungsausschuss bei der Ausgestaltung des Verfahrens zu beachten hat.
Vgl. BVerfG, Beschluss vom 01.10.1987 - 2 BvR 1165/86 - , BVerfGE 76, 363, 388.
72
Die Pflicht des Zeugen zur Aussage geht somit aufgrund des öffentlichen Interesses an
der Tatsachenermittlung durch den Untersuchungsausschuss nur privaten
Geheimhaltungsinteressen wie zum Beispiel denjenigen aus § 93, § 404 Aktiengesetz,
§ 85 GmbH-Gesetz vor, soweit nicht das Prozessrecht selbst diese als schützenswert
anerkennt.
73
BVerfG, Beschluss vom 01.10.1987 - 2 BvR 1165/86 - , BVerfGE 76, 363, 387.
74
Eine restriktive Auslegung des Art. 44 Abs. 2 Satz 1 GG unter Aussparung der
Zeugenrechte der §§ 52 ff. StPO liefe auch dem erklärten Willen des einfachen
Gesetzgebers vor und nach Inkrafttreten des PUAG zuwider.
75
Vgl. BT-Drucksache 14/5790, S. 18 zu § 22 PUAG.
76
Für eine analoge Anwendung des § 97 Abs. 1 InsO, der in seinem Satz 2 vorsieht, dass
der Schuldner unter anderem dem Insolvenzgericht auch Tatsachen zu offenbaren hat,
die geeignet sind, eine Verfolgung wegen einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit
herbeizuführen und in seinem Satz 3 die Verwendung dieser Auskünfte ohne
Zustimmung des Schuldners in einem Straf- oder Ordnungswidrigkeitenverfahren
verbietet, besteht gleichfalls kein Raum. Es fehlt sowohl an einer planwidrigen
Regelungslücke als auch an einer hinreichenden Vergleichbarkeit des
Untersuchungsausschuss- mit dem Insolvenzverfahren.
77
Zu den Voraussetzungen eines Analogieschlusses siehe Rüthers, Rechtstheorie, 1999,
Rn. 889.
78
Der Kläger durfte das Zeugnis jedoch nicht gestützt auf § 55 Abs. 1 StPO umfassend
verweigern. Gemäß § 55 Abs. 1 StPO kann jeder Zeuge die Auskunft auf solche Fragen
verweigern, deren Beantwortung ihm selbst oder einem in § 52 Abs. 1 StPO
bezeichneten Angehörigen die Gefahr zuziehen würde, wegen einer Straftat oder einer
Ordnungswidrigkeit verfolgt zu werden. In eine solche Gefahr geriete er dann, wenn eine
Ermittlungsbehörde aus seiner wahrheitsgemäßen Aussage Tatsachen entnehmen
könnte - nicht müsste - , die sie gemäß § 152 Abs. 2 StPO zur Einleitung eines
Ermittlungsverfahrens veranlassen könnten. Da die Schwelle eines Anfangsverdachts
im Sinne des § 152 Abs. 2 StPO niedrig liegt, ist auch das Bestehen einer
entsprechenden Gefahr bereits weit im Vorfeld einer direkten Belastung zu bejahen.
79
BVerfG, Beschluss vom 06.02.2002 - 2 BvR 1249/01 (3. Kammer) - , Strafverteidiger
2002, 177; vgl. auch BGH, Beschluss vom 13.11.1998 - StB 12/98 - , NJW 1999, 1413.
80
Ein solcher Anfangsverdacht muss sich auf zureichende tatsächliche Anhaltspunkte,
das heißt auf konkrete Tatsachen stützen, die dafür sprechen, dass gerade der zu
untersuchende Lebenssachverhalt eine Straftat enthält. Bloße, nicht durch konkrete
81
Umstände belegte Vermutungen oder rein denktheoretische Möglichkeiten reichen
weder für einen prozessual ausreichenden Anfangsverdacht noch für ein
Auskunftsverweigerungsrecht nach § 55 StPO aus.
Vgl. hierzu insgesamt BGH, Beschluss vom 01.06.1994 - 1 BJs 182/83 - , MDR 1994,
929 f. mit weiteren Nachweisen.
82
§ 55 StPO gibt dem Zeugen grundsätzlich zwar nur das Recht, die Auskunft auf einzelne
Fragen zu verweigern. Jedoch kann die gesamte in Betracht kommende Aussage des
Zeugen mit seinem möglicherweise strafbaren oder ordnungswidrigen Verhalten in
derart engem Zusammenhang stehen, dass nichts übrig bleibt, was er ohne die Gefahr
der Verfolgung einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit aussagen könnte.
83
Vgl. BGH, Beschluss vom 07.05.1987 - 1 BJs 46/96 - 5 I BGs 286/87 -, Strafverteidiger
1987, 328.
84
Dies kann insbesondere bei Fragen der Fall sein, die ein Teilstück in einem
mosaikartigen Beweisgebäude betreffen und die demzufolge mittelbar zu einer
Belastung des Zeugen beitragen können.
85
Vgl. BGH, Beschluss vom 07.05.1987 - 1 BJs 46/96 - 5 I BGs 286/87 -, Strafverteidiger
1987, 328; 329; BGH, Beschluss vom 27.06.1988 - 1 BJs 280/87 - , 6 - StB 14/88 - ,
wistra 1988, 358; BGH, Beschluss vom 16.12.1988 - 1 BJs 327/87 - 4 StB 57/88 - , NJW
1989, 2703; BGH, Beschluss vom 01.06.1994 - 1 BJs 182/83 - , MDR 1994, 929, 930;
BGH, Beschluss vom 13.11.1998 - StB 12/98 - , NJW 1999, 1413.
86
In diesen Fällen kommt das Auskunftsverweigerungsrecht im Ergebnis einem
umfassenden Zeugnisverweigerungsrecht gleich.
87
Andererseits ist das Recht des Zeugen aus § 55 Abs. 1 StPO hinsichtlich mittelbar einen
Anfangsverdacht begründender Tatsachen nicht gegeben, wenn er etwa Angaben über
rechtskräftig abgeurteilte eigene Taten machen müsste und die Gefahr weiterer
Verfolgung zweifellos ausgeschlossen ist.
88
BVerfG, Beschluss vom 06.02.2002 - 2 BvR 1249/01 (3. Kammer) - , Strafverteidiger
2002, 177 f; BGH, Beschluss vom 13.11.1998 - StB 12/98 - , NJW 1999, 1413. Die
Tatsache, auf die ein Zeuge die Verweigerung des Zeugnisses gemäß § 55 Abs. 1
StPO stützt, ist gemäß § 56 Satz 1 StPO auf Verlangen glaubhaft zu machen. Dabei
dürfen Angaben über die Tat, derentwegen Verfolgungsgefahr besteht, nicht verlangt
werden; denn das wäre ohne Selbstbelastung nicht möglich. Die Glaubhaftmachung
erstreckt sich daher nur auf die Annahme des Zeugen, dass diese vorliegt.
89
Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 44. Auflage 1999, § 56 Rn. 2.
90
Gemessen an diesen Maßstäben stand dem Kläger kein zu einem umfassenden
Zeugnisverweigerungsrecht verdichtetes Auskunftsverweigerungsrecht aus § 55 Abs. 1
StPO zu. Er hätte jedenfalls die erste ihm in der 81. Sitzung des 2.
Untersuchungsausschusses nach Verlesen seiner Erklärung und nach dem Hinweis
des Vorsitzenden des 2. Untersuchungsausschusses, dass ein
Aussageverweigerungsrecht zum Putnik-Fall nicht in Betracht komme, gestellte Frage
auch in Anbetracht des weitgefassten Untersuchungsauftrages des 2.
91
Untersuchungsausschusses wahrheitsgemäß beantworten können, ohne dass sich
gegen ihn ein Anfangsverdacht im Sinne von § 152 Abs. 2 StPO im Hinblick auf eine
Untreue gemäß § 266 Abs. 1 2. Alt. StGB zum Nachteil der PDS bzw. der Teilnahme (§
26, § 27 StGB) an einer Untreue als allein in Betracht kommendem Straftat- bestand
ergeben hätte.
Gemäß § 266 Abs. 1 2. Alt. StGB wird bestraft, wer die ihm kraft Gesetzes, behördlichen
Auftrags, Rechtsgeschäfts oder eines Treueverhältnisses obliegende Pflicht, fremde
Vermögensinteressen wahrzunehmen, verletzt und dadurch dem, dessen
Vermögensinteressen er zu betreuen hat, Nachteil zufügt. Vorliegend müssten sich also
zunächst aus einer wahrheitsgemäßen Antwort des Klägers zureichende tatsächliche
Anhaltspunkte dafür ergeben, dass er eine ihm als Vorstands- und Präsidiumsmitglied
der PDS gegenüber derselben obliegende Vermögensbetreuungspflicht (durch Tun
oder Unterlassen gemäß § 13 StGB) verletzt hat oder dass er an einer solchen
Verletzung der Vermögensbetreuungspflicht in einer die Tatbestände des § 26 StGB
oder des § 27 StGB erfüllenden Weise teilgenommen hat. Eine Pflichtwidrigkeit im
Sinne einer Untreue nach § 266 Abs. 1 2. Alt. StGB kann etwa darin gefunden werden,
dass Geldbeträge dem jederzeitigen Zugriff der PDS entgegen deren erklärten Zielen
sat- zungswidrig entzogen wurden.
92
BGH, Beschluss vom 20.10.1993 - 5 StR 635/92 - , juris = MDR 1994, 191.
93
Die Antwort jedenfalls auf die erste dem Kläger gestellte Frage konnte aus der Sicht des
Aussagezeitpunktes am 09.10.1997 keinen Anfangsverdacht im Hinblick auf eine
Teilnahme - eine täterschaftliche Beteiligung lag offenkundig nicht vor - an einer
Untreue im Zusammenhang mit dem Putnik-Deal, der sich zwischen dem 28.08.1990
und dem 09.10.1990 abspielte, herbeiführen. Insoweit fehlte es - auch für den Kläger
ersichtlich - an einer teilnahmefähigen vorsätzlichen und rechtswidrigen Haupttat,
nachdem die in dem Putnik-Verfahren angeklagten Personen mangels Vorliegens der
Verletzung einer Vermögensbetreuungspflicht und auch mangels Vorsatzes durch Urteil
des Landgerichts Berlin vom 20.06.1995 freigesprochen worden waren und das Urteil
rechtskräftig geworden war.
94
Selbst wenn der Kläger weiterhin im Zuge seiner Antworten gegenüber dem 2.
Untersuchungsausschuss hätte einräumen müssen, dass er die den Putnik-Deal
unmittelbar durchführenden Personen zu der Vornahme der Vermögensverschiebungen
- anders als vom Landgericht Berlin festgestellt,
95
Urteil vom 20.06.1995 - (514) 22 Js 287/90 KLs (9/93) - , S. 19 des amtlichen Umdrucks:
"Allerdings wollten die Zeugen (darunter auch der Kläger) in Details des Transfers nicht
eingeweiht werden. Sie versicherten die Angeklagten ihres Vertrauens und gaben ihnen
auf den Weg: "So genau wollen wir das nicht wissen...". -
96
im Einzelnen bewegt und darüber im Tatzeitraum und nicht erst im nachhinein konkret
informiert gewesen wäre, änderte dies nichts an der rechtlichen Bewertung, dass die als
teilnahmefähige Haupttaten in Betracht kommenden Handlungen den
Untreuetatbestand nicht verwirklichten. Nachdem die Staatsanwaltschaft das den
Putnik-Deal betreffende freisprechende Urteil des Landgerichts Berlin hatte rechtskräftig
werden lassen, musste der Kläger zum Zeitpunkt seiner Aussage vor dem 2.
Untersuchungsausschuss im Oktober 1997 nicht mehr befürchten, sich insoweit der
Gefahr der Strafverfolgung auszusetzen.
97
Der Kläger kann ein umfassendes Zeugnisverweigerungsrecht auch nicht darauf
gründen, dass er sich durch die Beantwortung der ihm gestellten Fragen der Gefahr der
Strafverfolgung im Hinblick auf das Belvedere-Verfahren hätte aussetzen können.
98
Dies ergibt sich bereits daraus, dass jedenfalls die erste an den Kläger gerichtete Frage
nicht unmittelbar den Belvedere-Themenkomplex berührte und nach der Äußerung des
Vorsitzenden des 2. Untersuchungsausschusses, dass dem Kläger zum Belvedere-Fall
ein Aussageverweigerungsrecht zustehe, erkennbarer Weise auch nicht berühren sollte.
Ungeachtet der relativen Komplexität des Sachverhaltes ist nicht ersichtlich, inwieweit
wahrheitsgemäße Aussagen des Klägers in Bezug auf den strafrechtlich bereits
aufgearbeiteten Putnik-Komplex auch nur mittelbare Rückschlüsse auf ein strafbares
Verhalten im Kontext des Belvedere-Verfahrens zulassen könnten. Die denkbaren
Antworten des Klägers auf die erste Frage hätten sich nicht einmal weit im Vorfeld einer
direkten Belastung bewegt. Putnik- und Belvedere-Verfahren betrafen offenbar
voneinander trennbare Vorgänge: während es in dem einen Fall um die Begleichung
fingierter Forderungen gegen die PDS ging, hatte der andere Fall die Gewährung eines
Darlehens aus dem Vermögen der PDS an eine GmbH und nachfolgend dessen
Überweisung ins Ausland zum Gegenstand. Während im Putnik-Verfahren die PDS
selbst als geschädigter Vermögensträger in Betracht gezogen wurde, befasste sich das
Belvedere-Verfahren mit Vermögensverschiebungen zum Nachteil der Belvedere Hotel
GmbH.
99
Ob der Kläger auch die zweite an ihn gerichtete Frage hätte beantworten müssen, kann
letztlich offen bleiben. Zum einen fehlt es an einem umfassenden
Aussageverweigerungsrecht bereits deshalb, weil der Kläger - wie vorstehend
ausgeführt - wenigstens teilweise zur Aussage verpflichtet war. Zum anderen hätte der
Kläger, wenn er sich beschränkt auf die zweite Frage auf ein
Auskunftsverweigerungsrecht gemäß § 55 StPO hätte berufen wollen, konkret auf diese
Frage bezogen darlegen müssen, warum er sich durch deren Beantwortung der Gefahr
der Strafverfolgung aussetzen würde, was jedoch nicht geschehen ist.
100
Der Kläger hat auch schuldhaft gehandelt. Denn er ist vor seiner Vernehmung zur
Sache durch den Vorsitzenden des 2. Untersuchungsausschusses über die
Unzulässigkeit einer etwaigen umfassenden Zeugnisverweigerung aufgeklärt worden.
Soweit der Kläger sich gleichwohl für berechtigt gehalten hat, das Zeugnis umfassend
zu verweigern, liegt darin ein nach den Grundsätzen des § 17 StGB zu behandelnder
Verbotsirrtum. Dieser Irrtum war für den Kläger bereits aufgrund des genannten
Hinweises des Vorsitzenden des 2. Untersuchungsausschuss, der in dieser Funktion im
Vorfeld der Verhängung von Beugemaßnahmen ebenso wie ein Gericht in einer
vergleichbaren Situation die Befugnis zur sorgfältigen Prüfung des Umfangs der
Zeugenpflicht hat,
101
vgl. dazu BGH, Beschluss vom 28.12.1978 - StB 235/78 - , BGHSt 28, 240, 258,
102
vermeidbar.
103
Vgl. Kammergericht, Beschluss vom 16.09.1998 - 2 Ws 189/98 - , juris; Dahs, in:
Löwe/Rosenberg, StPO, 24. Auflage 1988, Band 1, § 70 Rn. 6; Senge, in: Karlsruher
Kommentar zur StPO, 4. Auflage 1999, § 70 Rn. 4; Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO,
44. Auflage 1999, § 70 Rn. 4.
104
Ein Rechtsirrtum des Klägers im Hinblick auf das Bestehen einer Aussageverpflichtung
jedenfalls hinsichtlich von auf den Putnik-Deal bezogenen Fragen vor dem 2.
Untersuchungsausschuss ist nicht deshalb unvermeidbar, weil das Landgericht Berlin
ihm am 30.05.1995 ein umfassendes Zeugnisverweigerungsrecht zugebilligt hatte. Zum
einen sind das Straf- und das Untersuchungsausschussverfahren in struktureller
Hinsicht nicht hinreichend miteinander vergleichbar, um von der Zubilligung eines
umfassenden Zeugnisverweigerungsrechts im Strafverfahren auf das gleichzeitige
Bestehen eines solchen auch im Untersuchungsausschussverfahren notwendigerweise
schließen zu können. Im Rahmen des letzteren geht es nicht um die Ermittlung
strafbaren Unrechts, sondern allgemein um die Aufarbeitung von Vorgängen im
politischen Raum, die auch nicht strafbaren Charakter tragen können. Daher kann ein
Zeuge, der zu einem zumal strafrechtlich bereits aufgearbeiteten Sachverhalt vor einem
parlamentarischen Untersuchungsausschuss gehört werden soll, nicht davon ausgehen,
dass ein ihm zuvor durch ein Strafgericht zuerkanntes umfassendes
Zeugnisverweigerungsrecht auch gegenüber dem Untersuchungsausschuss zwingend
Geltung beanspruchen kann. Zum anderen hat sich die Sach- und Rechtslage zwischen
dem 30.05.1995 und dem 13.11.1997 grundlegend verändert. Die Angeklagten des
Putnik-Verfahrens sind rechtskräftig freigesprochen worden. Es sind mehr als zwei
Jahre vergangen, ohne dass die Staatsanwaltschaft im Ermittlungsverfahren in Sachen
Belvedere Hotel GmbH irgend welche gegen den Kläger gerichtete
Ermittlungsmaßnahmen getroffen oder Erkenntnisse gesammelt hätte. Nachdem
überdies jedenfalls die erste dem Kläger gestellte Frage den vom Belvedere- ersichtlich
unterscheidbaren Putnik-Komplex betraf und insoweit nach den obigen Ausführungen
ein umfassendes Aussageverweigerungsrecht offen- sichtlich nicht in Betracht kam,
105
vgl. dazu BGH, Beschluss vom 13.10.1995 - StB 71/95 - juris,
106
konnte der Kläger erkennen, grundsätzlich zur Aussage verpflichtet zu sein.
107
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1, § 155 Abs. 2 VwGO; diejenige über die
vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 167 Abs. 1, Abs. 2 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr.
11, § 711 ZPO.
108