Urteil des VG Köln vom 13.12.2010

VG Köln (kläger, anspruch auf einbürgerung, gutachten, einbürgerung, stellungnahme, verhandlung, bezug, tätigkeit, sicherung, verwaltungsgericht)

Verwaltungsgericht Köln, 10 K 1952/09
Datum:
13.12.2010
Gericht:
Verwaltungsgericht Köln
Spruchkörper:
10. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
10 K 1952/09
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger
kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des
vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der
Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu
vollstreckenden Betrags leistet.
Tatbestand
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Der 1965 im Libanon geborene Kläger reiste 1986 mit einem libanesischen Reisepass
für palästinensische Flüchtlinge nach Deutschland ein; seine Staatsangehörigkeit ist
ungeklärt. Ab 1991 erhielt er zunächst mehrfach eine befristete, später eine unbefristete
Aufenthaltserlaubnis. 1991 beantragte er bei der Bezirksregierung Detmold seine
Einbürgerung; zum damaligen Zeitpunkt war er noch mit einer deutschen
Staatsangehörigen verheiratet. Nach Scheidung dieser Ehe heiratete der Kläger 1993
seine jetzige, ebenfalls aus dem Libanon stammende Ehefrau; aus dieser Ehe sind fünf
in den Jahren 1993 bis 1999 geborene Kinder hervorgegangen. Sein
Einbürgerungsantrag wurde nicht beschieden, die Einbürgerung vielmehr mehrfach
zurückgestellt, weil die damals örtlich zuständige Einbürgerungsbehörde Bedenken
hinsichtlich der Sicherung des Lebensunterhalts hatte. Der Kläger ist seit 1992 nicht
mehr erwerbstätig; er erhält seitdem öffentliche Leistungen zur Sicherung des
Lebensunterhalts für sich und seine Familie (zunächst Arbeitslosenhilfe und Leistungen
nach dem Bundessozialhilfegesetz, später - bis heute - Leistungen nach dem SGB II).
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Im Jahr 2000 verzog der Kläger zunächst in den Rhein-Sieg-Kreis, 2001 dann nach
Bonn und damit in den örtlichen Zuständigkeitsbereich des Beklagten.
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Der Beklagte bat die ARGE Bonn um Stellungnahme, ob der Kläger die
Inanspruchnahme öffentlicher Leistungen zu vertreten habe. Mit Schreiben vom
01.08.2007 teilte die ARGE Bonn mit: Der Kläger sei seit dem 03.02.1992 ohne
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Beschäftigung. Trotz umfangreicher Fördermaßnamen im Lauf der letzten Jahre habe er
keine Beschäftigung aufgenommen. Es sei nicht glaubhaft, dass der Kläger alles
unternommen habe, um eine Arbeitsstelle im Helferbereich zu finden.
In der Folgezeit machte der Kläger geltend, er sei aus gesundheitlichen Gründen -
hauptsächlich wegen dem orthopädischen Spektrum zuzuordnenden Beschwerden -
nicht oder nur in geringem Umfang arbeitsfähig; der Kläger legte dazu mehrere Atteste
der ihn behandelnden Ärzte vor, auf die wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird.
Ferner legte der Kläger eine Bescheinigung der Islamischen Gemeinschaft Bad-
Neuenahr-Ahrweiler vom 19.05.2008 vor, wonach er ab dem 01.06.2008 auf 400-Euro-
Basis als Aushilfslehrer Kinder im Grundschulalter in der arabischen Sprache
unterrichten solle.
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Der Beklagte bat die ARGE Bonn mit Rücksicht auf den neuen Vortrag des Klägers um
erneute Stellungnahme nach Durchführung einer ärztlichen Untersuchung. Mit
Schreiben vom 17.02.2009 teilte die ARGE Bonn mit: Der Gesundheitszustand des
Klägers sei durch den Ärztlichen Dienst der ARGE Bonn am 30.01.2009 überprüft
worden. Danach sei der Kläger vollschichtig leistungsfähig und könne täglich mehr als
sechs Stunden arbeiten; lediglich bestimmte Tätigkeiten kämen bei den vorliegenden
gesundheitlichen Beschwerden nicht in Betracht. Mit der endgültigen Bewertung der
Frage, ob der Kläger die Inanspruchnahme öffentlicher Mittel zu vertreten habe, solle
noch abgewartet werden, weil er seit der letzten Stellungnahme überwiegend
arbeitsunfähig gewesen sei und erst seit Anfang 2009 dem Arbeitsmarkt wieder zur
Verfügung stehe. Die Eigenbemühungen des Klägers müssten deshalb aktuell überprüft
werden.
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Mit Bescheid vom 11.03.2009 lehnte der Beklagte den Einbürgerungsantrag im Hinblick
auf die fehlende - nach Auffassung des Beklagten durch den Kläger zu vertretende -
Unterhaltsfähigkeit ab.
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Der Kläger hat am 01.04.2009 Klage erhoben. Zur Begründung hat er zunächst sein
Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren wiederholt und vertieft; das Gutachten des
Ärztlichen Dienstes der ARGE vom 30.01.2009 - das der Kläger vorgelegt hat - sei nicht
geeignet, seine ausreichende Leistungsfähigkeit zu belegen, da er dort nur oberflächlich
untersucht worden sei.
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Das Gericht hat Beweis erhoben zu der Frage, ob der Kläger aus gesundheitlichen
Gründen vollständig oder teilweise leistungsunfähig ist, durch Einholung eines
Sachverständigengutachtens der Dres. H. und M. von der C. H1.
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T. GmbH, Zentrum C1. (im Folgenden: Gutachten Dr. H. ), sowie eines orthopädischen
Zusatzgutachtens der Dres. I. , Dr. N. und R. vom Gemeinschaftskrankenhaus C1. (im
Folgenden Gutachten Dr. I. ). Wegen der Beweisfragen im Einzelnen und des
Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf den Beweisbeschluss vom 03.02.2010 und
die beiden Gutachten vom 16.09.2010 und vom 21.08.2010 Bezug genommen.
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Im Anschluss daran trägt der Kläger nunmehr vor: Zwar gehe der durch das Gericht
beauftragte Gutachter davon aus, dass er, der Kläger, vollschichtig erwerbsfähig sei,
dies allerdings nur für "leichte Tätigkeit" und auch dies nur mit Einschränkungen. Unter
diesen Bedingungen sei ihm der Arbeitsmarkt faktisch verschlossen, als Bewerber mit
"Migrationshintergrund" sei er für solche Beschäftigungsstellen chancenlos. In der
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mündlichen Verhandlung hat der Kläger angegeben: Er bewerbe sich nach wie vor -
bisher stets erfolglos - auf für ihn geeignete Stellen; eine achtstündige Tätigkeit sei ihm
nicht zuzumuten. Zur Zeit habe er wieder eine Teilzeitbeschäftigung als Arabisch-Lehrer
in Aussicht.
Der Kläger beantragt,
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den Beklagten unter Aufhebung seines Bescheides vom 11.03.2009 zu
verpflichten, ihn in den deutschen Staatsverband einzubürgern.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Er ist weiter der Auffassung, der Kläger habe die Inanspruchnahme öffentlicher
Leistungen zu vertreten, weil er sich nicht ausreichend um Arbeit bemühe. Ergänzend
hat der Beklagte eine Stellungnahme der ARGE Bonn vom 16.06.2009 vorgelegt, auf
die wegen der Einzelheiten ebenfalls Bezug genommen wird. Darin heißt es u.a.: Die
Stelle als Lehrer bei der Islamischen Gemeinde Bad Neuenahr-Ahrweiler habe der
Kläger, wie sich bei einer persönlichen Vorsprache im Februar 2009 herausgestellt
habe, nicht angetreten. Bei dieser Vorsprache sei ihm das Ergebnis der Untersuchung
des Ärztlichen Dienstes der ARGE mitgeteilt worden. Der Kläger habe entgegnet, dass
er täglich nicht mehr als drei bis vier Stunden arbeiten könne. Der Kläger habe Listen
mit undatierten Bewerbungsbemühungen vorgelegt; aktuelle schriftliche
Bewerbungsnachweise lägen nicht vor.
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Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage ist unbegründet.
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Der Bescheid des Beklagten vom 11.03.2009 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger
nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 der Verwaltungsgerichtsordnung -VwGO -). Der
Kläger hat keinen Anspruch auf Einbürgerung.
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Auf den Einbürgerungsantrag des Klägers finden gemäß § 40c des
Staatsangehörigkeitsgesetzes (StAG) in der seit dem 28.08.2007 geltenden Fassung in
Verbindung mit § 40c in der bis zu diesem Datum geltenden Fassung (a.F.) die für ihn
bei konkreter Betrachtung günstigeren Vorschriften der §§ 85 ff. des Ausländergesetzes
(AuslG) in der vor dem 01.01.2000 geltenden Fassung (AuslG a.F.) Anwendung. Der
Kläger hat seine Einbürgerung bereits 1991 beantragt; Gegenstand des
Verwaltungsverfahrens war ungeachtet des mehrfachen Wechsels der örtlichen
Zuständigkeit und der erst später beantragten - hier nicht streitgegenständlichen -
Miteinbürgerung seiner Kinder dieser Antrag.
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Der Einbürgerung des Klägers steht entgegen, dass er nicht in der Lage ist, den
Lebensunterhalt für sich und seine unterhaltsberechtigten Familienangehörigen ohne
Inanspruchnahme von öffentlichen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts zu
bestreiten, § 86 Abs. 1 Nr. 3 AuslG a.F. (im Wesentlichen übereinstimmend mit der
heute geltenden Vorschrift des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StAG). Der Kläger hat nicht
nachgewiesen, dass er den Bezug von Hilfe zum Lebensunterhalt nicht zu vertreten hat.
Der Kläger ist trotz gesundheitlicher Einschränkungen - noch - arbeitsfähig. Dies steht
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für das Gericht durch das überzeugende arbeitsmedizinische Gutachten Dr. H. und das
orthopädische Ergänzungsgutachten Dr. I. fest. Dabei geht das Gericht zugunsten des
Klägers von der Feststellung im Gutachten Dr. H. aus, dass der Kläger aufgrund seiner
dem orthopädischen Spektrum zuzuordnenden Beschwerden (u.a. Zustand nach
Bandscheibenvorfall) nur Tätigkeiten mit einer leichten (körperlichen) Arbeitsschwere
ausüben kann, während im Gutachten Dr. I. - weitergehend - von der Möglichkeit einer
mittelschweren Tätigkeit ausgegangen wird. Die Leistungsfähigkeit des Klägers ist
demnach zwar eingeschränkt, wenn aber bestimmte Arbeitsbedingungen eingehalten
werden, so ist der Kläger vollschichtig arbeitsfähig.
Ausreichende Bemühungen, einen Arbeitsplatz zu finden, hat der Kläger nicht
nachgewiesen. Gegenüber der ARGE hat er - wie sich aus deren Stellungnahme der
ARGE vom 16.06.2009 ergibt - seinerzeit lediglich undatierte, zudem mit einer früheren
Listen von Bewerbungen übereinstimmende Bewerbungen vorgelegt. In der mündlichen
Verhandlung hat der Kläger zwar erneut angegeben, er bewerbe sich weiter auf für ihn
geeignete Stellen. Nachweise hierzu hat der Kläger aber auch im gerichtlichen
Verfahren nicht beigebracht, vielmehr in der mündlichen Verhandlung erneut betont,
eine Vollzeittätigkeit sei ihm nicht zumutbar. Dies stimmt mit dem Ergebnis des
Sachverständigengutachtens nicht überein. Es steht auch nicht fest, dass Bemühungen
des Klägers um einen Arbeitsplatz von vorneherein zum Scheitern verurteilt sind. Der
45-jährige Kläger spricht die deutsche Sprache, wie sich u.a. auch in der mündlichen
Verhandlung gezeigt hat, durchaus zufriedenstellend. Seine gesundheitlichen
Einschränkungen lassen noch viele Berufsfelder, etwa als Pförtner, im Büro, im
Einzelhandel o.ä. als möglich erscheinen.
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Eine Einbürgerung nach § 8 StAG scheidet wegen der fehlenden Unterhaltsfähigkeit
ebenfalls aus.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr.11, 711
ZPO.
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