Urteil des VG Köln vom 07.12.2005

VG Köln: staatsangehörigkeit, unbewegliches vermögen, russische föderation, einbürgerung, entlassung, verkehrswert, eigentümer, haus, udssr, grundstück

Verwaltungsgericht Köln, 10 K 356/05
Datum:
07.12.2005
Gericht:
Verwaltungsgericht Köln
Spruchkörper:
10. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
10 K 356/05
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens.
T a t b e s t a n d
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Unter dem am 08.11.2001 beantragten die am 00.00.1961 in Tschkalovsk/Gebiet
Leninabad/frühere UdSSR geborene Klägerin zu 1) und der am 00.00.1963 in
Moskau/frühere UdSSR geborene Kläger zu 2) bei dem Beklagten die Einbürgerung
nach § 85 AuslG. Die Kläger, die beide die russische Staatsangehörigkeit besitzen, sind
seit dem 21.10.1988 miteinander verheiratet. Sie sind am 02.10.1990 in das
Bundesgebiet eingereist und sind seit dem 13.12.1999 im Besitz einer
Aufenthaltsberechtigung. Bei Antragstellung erklärten beide Kläger u.a., sie seien bereit
auf ihre bisherige Staatsangehörigkeit zu verzichten.
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Unter dem 08.03.2002 sagte der Beklagte den Klägern die Einbürgerung für den Fall zu,
dass der Verlust der russischen Staatsangehörigkeit nachgewiesen werde; die Geltung
der Einbürgerungszusicherung war bis zum 31.3.2004 befristet.
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Am 23.01.2003 beantragten die Kläger bei dem Beklagten, sie unter Hinnahme der
Beibehaltung der russischen Staatsangehörigkeit einzubürgern. Ein Verlust der
russischen Staatsangehörigkeit sei für sie mit erheblichen wirtschaftlichen Nachteilen
verbunden. Die Klägerin zu 1) sei Eigentümer eines Grundstücks und eines
Wohnhauses im Dorf Zhkovka in Russland. Auch der Kläger zu 2) sei Eigentümer eines
Grundstücks für den privaten Wohnungsbau in diesem Dorf. Das Dorf liege in einem
Gebiet, in dem ausländische Bürger, Personen ohne Staatsangehörigkeit und
ausländische juristische Personen keine Grundstücke besitzen dürften. Sollten die
Kläger deshalb die russische Staatsangehörigkeit verlieren, könnten sie nicht
Eigentümer dieser Grundstücke bleiben und müssten das Eigentum aufgeben, was mit
erheblichen wirtschaftlichen Nachteilen verbunden sein würde. Bei einer Abgabe an die
Gemeinde werde lediglich der Regelpreis gezahlt, der deutlich geringer als der
Verkaufswert sei. Aber auch bei einem freihändigen Verkauf würden erhebliche
wirtschaftliche Nachteile entstehen, weil der Verkauf in einem relativ kurzen Zeitraum
zustandekommen müsse und das auf dem Grundstück aufstehende Haus noch nicht
fertiggestellt sei. Im Übrigen sei auch mit einer erheblichen Preissteigerung des
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Grundeigentums gerade in diesem Gebiet zu rechnen, was zu weiteren
Vermögensverlusten der Kläger führen werde.
Mit Bescheid vom 30.4.2004 lehnte es der Beklagte ab, die Kläger in den deutschen
Staatsverband einzubürgern und die Beibehaltung der russischen Staatsangehörigkeit
seitens der Kläger hinzunehmen. Zur Begründung wurde ausgeführt, die Kläger hätten
nicht hinreichend nachgewiesen, dass ihnen ein Vermögensverlust drohe. Es sei nicht
ersichtlich und auch nicht nachvollziehbar, dass die in ihrem Eigentum stehenden
Grundstücke nur unter Verlust verkauft werden könnten. Da wohl das auf dem
Grundstück aufstehende Haus zwischenzeitlich fertiggestellt sei, sei davon auszugehen,
dass ein Verkauf ohne vermögensrechtliche Nachteile möglich sei. Es stehe den
Klägern frei, ihr Vermögen zwecks Alterssicherung in andere Projekte zu investieren. Im
Übrigen hätten die Kläger die Grundstücke erst lange nach ihrer Ausreise aus Russland
erworben, was nunmehr nicht als Grundlage für eine Einbürgerung unter Hinnahme der
Mehrstaatigkeit dienen könne.
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Nachdem die Bezirksregierung Köln den dagegen erhobenen Widerspruch der Kläger
mit Widerspruchsbescheid vom13.12.2004 zurückgewiesen hatte, haben die Kläger am
07.01.2005 Klage erhoben, zu deren Begründung sie ihren Vortrag aus dem
Vorverfahren wiederholen und vertiefen. Die Kläger beantragen,
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den Beklagten unter Aufhebung seines Bescheides vom 30.4.2004 und des
Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung Köln vom 13.12.2004 zu verpflichten, die
Kläger unter Hinnahme von Mehrstaatigkeit in den deutschen Staatsverband
einzubürgern.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Er verteidigt die angefochtenen Bescheide.
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Zum weiteren Sach- und Streitstand wird Bezug genommen auf den Inhalt der
gewechselten Schriftsätze auf die von dem Beklagten und der Bezirksregierung Köln
vorgelegten Verwaltungsvorgänge.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
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Die zulässige Klage ist nicht begründet; die Kläger sind durch die Weigerung des
Beklagten, sie unter Hinnahme von Mehrstaatigkeit in den deutschen Staatsverband
einzubürgern, nicht in ihren Rechten verletzt (§ 113 Abs. 5 VwGO).
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Dabei kann letztlich dahinstehen, ob in der Person der Kläger tatsächlich, wie von dem
Beklagten bisher angenommen, die Voraussetzungen des § 10 des
Staatsangehörigkeitsgesetzes - früher: Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz - vom
13.7.1913 (RGBl. I S. 583) in der Fassung des Gesetzes vom 15.7.1999 (BGBl. I S.
1618), zuletzt geändert durch das Gesetz vom 14.3.2005 (BGBl. I S. 721) - StAG -
hinsichtlich eines Anspruchs der Kläger auf Einbürgerung gegeben sind. Diese
Einbürgerung kann jedenfalls nicht erfolgen, ohne dass die Kläger ihre bisherige
Staatsangehörigkeit aufgeben oder verlieren (§ 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StAG).
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Von dieser Voraussetzung ist zunächst nicht gem. § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StAG
abzusehen. Die Kläger haben nicht glaubhaft machen können, dass ihr Heimatstaat, die
Russische Föderation, die Entlassung aus der russischen Staatsangehörigkeit von
unzumutbaren Bedingungen abhängig macht, selbst wenn, wie von dem Kläger zu 2) in
der mündlichen Verhandlung vorgetragen, die zuständige russische Behörde für eine
Entlassung aus der russischen Staatsangehörigkeit den Nachweis verlangt, dass die
Kläger das Eigentum an den Grundstücken im Dorf Zhkovka aufgegeben haben. Als
unzumutbar im Sinne von § 12 Abs. 1 Nr. 3 StAG sind Entlassungsbedingungen, die
nicht mehr als sachgerecht anerkannt werden können, wobei allgemeiner Maßstab eine
am Gerechtigkeitsdenken orientierte Betrachtung ist, die zum einen die
völkerrechtlichen Vorgaben, nämlich einerseits das Menschenrecht auf Wechsel der
Staatsangehörigkeit, andererseits das Recht der Staaten, autonom über die
Entlassungsgründe zu bestimmen, zum anderen die grundlegenden Entscheidungen
des Grundgesetzes und die nach der Rechtsordnung der Bundesrepublik anerkannten
Gründe berücksichtigt -
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Vgl. Berlit, in Gemeinschaftskommentar zum Staatsangehörigkeitsrecht, Stand:
Dezember 2004, Rdnr. 105 f. zu § 87 AuslG -.
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In Anwendung dieses Grundsatzes sind Einschränkungen hinsichtlich der Möglichkeit
des Erwerbs oder des Behalts von Grundeigentum durch Ausländer, die auch bei der
Entlassung aus der Staatsangehörigkeit berücksichtigt werden, der
Entscheidungsbefugnis jedes Staats zuzurechnen. Die Forderung an die Kläger, ihren
Grundbesitz im Dorf Zhkovka aufzugeben, kann deshalb nicht als unzumutbare
Bedingung im Sinne von § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 StAG qualifiziert werden -
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Vgl. Hessischer VGH, Urteil vom 22.05.1995 - 12 UE 2145/94 -, EZAR 278 Nr. 3;
Bayerischer VGH, Beschluss vom 02.12.1992 - 5 B 92.1211 -; Hailbronner/ Renner,
Staatsangehörigkeitsrecht, 4. Aufl., Rdnr. 17 zu § 12 StAG -.
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Die Notwendigkeit, ihren Grundbesitz in Zhkovka zwecks Entlassung aus der
russischen Staatsangehörigkeit aufzugeben, ist auch nicht als erheblicher Nachteil für
die Kläger im Sinne von § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 5 StAG anzusehen. Der Zwang, als
Entlassungsvoraussetzung unbewegliches Vermögen zu veräußern, bedeutet nämlich
für sich allein keinen (erheblichen) Nachteil, wenn und soweit ein Veräußerungserlös
erzielt werden kann, der dem Verkehrswert entspricht -
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Vgl. Berlit, a.a.O., Rdnr. 235 f. zu § 87 AuslG -.
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Eine Minderung des Vermögens des Einzubürgernden ist nämlich dann nicht
festzustellen. Die Kläger haben hinsichtlich ihres Grundbesitzes nicht glaubhaft machen
können, dass es ihnen nicht möglich ist, bei einer Veräußerung eine dem Verkehrswert
entsprechenden Erlös zu erzielen. Zum einen hat der Kläger zu 2) in der mündlichen
Verhandlung angegeben, das auf den Grundstücken aufstehende Haus sei inzwischen
fertiggestellt, wenn auch noch die Bauabnahme ausstehe. Weiterhin ist nicht ersichtlich,
dass ein möglicher Verkauf der Grundstücke unter einem Zeitdruck erfolgen müsste,
durch die Veräußerungsmöglichkeiten eingeschränkt würden. Der Beklagte hat den
Klägern bereits unter dem 8.3.2002 eine auf zwei Jahre befristete
Einbürgerungszusicherung erteilt und seitens der Vertreter des Beklagten ist in der
mündlichen Verhandlung klargestellt worden, dass der Beklagte auch derzeit zur
Erteilung einer solchen Einbürgerungszusicherung bereit ist. Damit aber stand und steht
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ein Zeitraum von mehreren Jahren für die Veräußerung der Grundstücke durch die
Kläger zur Verfügung, so dass von einem ungewöhnlichen Zeitdruck nicht mehr
gesprochen werden kann. Ausgehend von der Stellungnahme der Rechtsanwältin C.
vom 2.9.2003, die seitens der Kläger in das Verwaltungsverfahren eingeführt worden ist,
spricht deshalb die Wahrscheinlichkeit dafür, dass die Kläger in der Lage sind, die
Grundstücke zu einem dem Verkehrswert entsprechenden Erlös zu veräußern, wobei zu
berücksichtigen ist, dass es den Klägern obliegt, mögliche mit der Aufgabe der
russischen Staatsangehörigkeit verbundene erhebliche Nachteile glaubhaft zu machen -
Vgl. VG Berlin, Urteil vom 11.6.2003 - VG 2 A 109.99 -, InfAuslR 2003, 352,
Hailbronner/Renner a.a.O., Rdnr. 27 zu § 12 StAG.
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Mangels zeitlich-sachlichen Zusammenhangs mit der Aufgabe der Staatsangehörigkeit
kann in diesem Zusammenhang nicht berücksichtigt werden, dass der Grundbesitz der
Kläger möglicherweise in der Zukunft eine erhebliche Wertsteigerung erfahren könnte,
weil insoweit allein auf die unmittelbar im Zusammenhang mit der Aufgabe der
bisherigen Staatsangehörigkeit stehenden Umstände abgestellt werden kann -
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Vgl. Berlit, a.a.O., Rdnr. 224 zu § 87 AuslG -.
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Aus dem gleichen Grunde kann auch keine Berücksichtigung finden, dass die Kläger
möglicherweise nach dem von ihnen unter dem 31.10.2001 abgeschlossenen
Darlehensvertrag zu einer Abstandszahlung verpflichtet sind, sollten sie ihren
Grundbesitz veräußern. Insoweit handelt es sich nicht mit einem unmittelbar mit der
Aufgabe der russischen Staatsangehörigkeit verbundenen Nachteil, eine mögliche
Verpflichtung der Kläger beruht vielmehr allein auf der von ihnen zu verantwortenden
Vertragsgestaltung; im Übrigen erscheint die von den Klägern vorgetragene Auslegung
des Vertrages nicht zwingend, da die von ihnen befürchtete Abstandszahlung
ausschließlich bei einer Kündigung des Vertrages durch die Kläger fällig werden
könnte, eine Fortsetzung des Vertrages vielmehr seitens des Darlehensgebers auch bei
Stellung einer anderen Sicherheitsleistung durch die Kläger - etwa eines mit dem
Verkaufserlös erworbenen anderen Grundstücks - erfolgen könnte.
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Da nach allem ein Anspruch der Kläger auf Einbürgerung unter Hinnahme der
Mehrstaatigkeit nicht ersichtlich ist, war die Klage mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1
VwGO abzuweisen.
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