Urteil des VG Köln vom 21.02.2006

VG Köln: angemessene frist, arzneimittel, bestandteil, leitlinie, bse, nachbesserung, behörde, schlange, unternehmer, kategorie

Verwaltungsgericht Köln, 7 K 850/03
Datum:
21.02.2006
Gericht:
Verwaltungsgericht Köln
Spruchkörper:
7. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
7 K 850/03
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin
darf die Vollstreckung durch die Beklagte durch Sicherheitsleistung in
Höhe des Vollstreckungsbetrages abwenden, wenn nicht die Beklagte
zuvor Sicherheit in dieser Höhe leistet.
Tatbestand: Am 29. September 1999 stellte die Klägerin den Antrag auf Zulassung ihres
homöopathischen Arzneimittels D. N (Tabletten). Als arzneilich wirksame Bestandteile
nach Art und Menge waren angegeben:
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„In 1 Tablette sind verarbeitet: Hypericum perforatum Ø 6 mg Cimifuga racemosa Ø 6 mg
Sanguinaria canadensis dil. D3 4 mg Lachesis mutus dil. D8 4 mg"
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In der beigefügten Qualitätsdokumentation wurde zur Kontrolle der Ausgangsstoffe im
Hinblick auf die Reinheitsprüfung ausgeführt, dass die mikrobielle Reinheit der
Monographie des Europäischen Arzneibuchs Ph. Eur. 5.1.4, Kategorie 3 B entspreche.
Die Höchstmengen an Aflatoxinen hielten die Vorschriften der Aflatoxinverordnung wie
auch der Aflatoxin-Verbotsverordnung ein. Auch im Hinblick auf
Pflanzenschutzrückstände sowie Schwermetalle würden die zulässigen Grenzwerte
nicht überschritten.
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Im analytischen Gutachten von Dr. H. G. vom 10. September 1999 wurde ausgeführt,
dass der Herstellungsgang den Vorschriften 4a, 16.3 und 9 des Homöopatischen
Arzneibuchs (HAB) folge. Die verwendeten Wirkstoffe entsprächen zudem den
Monographien des HAB.
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Mit Mängelschreiben vom 31. Juli 2001 wurden der Klägerin von der Beklagten die
fachlichen Stellungnahmen übersandt und eine Frist von zwei Monaten zur Beseitigung
der dort aufgezeigten Mängel gesetzt.
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In der Stellungnahme zur pharmazeutischen Qualität wurde u.a. Folgendes ausgeführt:
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Es sei zu belegen, wie sichergestellt werde, dass die Anforderungen der Aflatoxin-
Verbotsverordnung für die arzneilich wirksamen Bestandteile Sanguinaria canadensis
und Lachesis mutus eingehalten werden. Für den Bestandteil Lachesis mutus sei
zudem die Abwesenheit jeglicher pathogener Agenzien nach der Monographie
„Homöopathische Zubereitungen" des Europäischen Arzneibuchs glaubhaft zu
beweisen. Es seien entsprechende Unterlagen vorzulegen. Der Herstellungsprozess sei
bezüglich einer Inaktivierung möglicher pathogener Agenzien viralen Ursprungs durch
Spiken mit einer ausreichenden Anzahl unterschiedlicher geeigneter Modellviren zu
validieren. Dies ergebe sich aus der „Note for Guidance on Virus Validation Studies: the
Design, Contribution and Interpretation of Studies Validating the Inactivation and
Removal of Viruses; CPMP/BWP/268/95 (1.1), Final". Schließlich seien die als
Identitätsprüfung für das Endprodukt angeführten Fingerprint HPLC unzureichend.
Mit Stellungnahme vom 27. September 2001 wies die Klägerin u.a. darauf hin, dass
Prüfungen auf Aflatoxine nur an getrockneten, schimmelverdächtigen Ausgangsdrogen,
nicht aber an Frischpflanzen oder Schlangengiften wie Lachesis D8 durchgeführt
würden. Zugleich legte die Klägerin eine Risikobewertung für den Bestandteil Lachesis
mutus bei, welcher von der Deutschen Homöopathischen Union (DHU), von der dieser
Bestandteil bezogen werde, erstellt worden sei. Weiterhin führte die Klägerin aus, dass
eine den Vorgaben des BfArM genügende, validierte Abreicherung durch die
homöopathische Potenzierung von Glyzerol bzw. Ethanol 43% M/M wohl nicht stattfinde.
Bei der bestimmungsgemäßen Anwendung des klägerischen Arzneimittels sei ein
Sicherheitsabstand von 10 Zehnerpotenzen zu einer potentiellen Gefährdung
entsprechend den Vorgaben der Beklagten gegeben.
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Mit Bescheid vom 10. Dezember 2001 versagte die Beklagte die Zulassung. Zur
Begründung wurde darauf hingewiesen, dass den beanstandeten Mängeln nicht
innerhalb der gesetzten Frist abgeholfen worden sei. U. a. würde nach wie vor der
Nachweis der Einhaltung der Grenzwerte der Aflatoxin-Verbotsverordnung fehlen. Den
Anforderungen der Monographie „Homöopathische Zubereitung" des Europäischen
Arzneibuches im Hinblick auf die Abwesenheit jeglicher pathogener Agenzien
entsprächen die vorgelegten Unterlagen für den Bestandteil Lachesis mutus nur in
Teilaspekten. Es fehle insbesondere eine Validierung des Herstellungsprozesses
bezüglich einer Inaktivierung möglicher pathogener Agenzien viralen Ursprungs durch
Spiken mit einer ausreichenden Anzahl unterschiedlicher geeigneter Modellviren.
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Am 09. Januar 2002 erhob die Klägerin Widerspruch, den sie u. a. dahingehend
begründete, dass die Abwesenheit pathogener Agenzien für den Bestandteil Lachesis
mutus ausreichend belegt sei. Dies ergebe sich aus einem Lieferantenzertifikat der
Ausgangsverdünnung der DHU in Karlsruhe sowie aus einer zusammenfassenden
Risikobewertung des tierischen Ausgangsmaterials. Auch ergebe sich dies aus dem mit
Schreiben vom 27. September 2001 vorgelegten BSE- Bewertungsschema.
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Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 16. Januar 2003
zurück. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die Versagung auf Grundlage des § 25
Abs. 4 Satz 2, Abs. 2 Satz 1 Nr. 1, 2 und 3 AMG erfolgt sei. Es seien nicht alle
beanstandeten Mängel des Mängelschreibens innerhalb der gesetzten Frist von zwei
Monaten beseitigt worden. Der Zulassungsantrag sei unvollständig, das Arzneimittel sei
nicht nach dem jeweils gesicherten Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse geprüft
und das Arzneimittel weise nicht die nach den anerkannten pharmazeutischen Regeln
angemessene Qualität auf. Es sei nach wie vor nicht der Nachweis der Einhaltung der
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Vorschriften der Aflatoxin-Verbotsverordnung erbracht. Im Hinblick auf die Abwesenheit
pathogener Agenzien genüge die mit dem Mängelschreiben vorgelegte Berechnung
nicht, da das für die Ermittlung des Risikos einer Übertragung von TSE bewährte
Schema hier weder direkt noch analog angewendet werden könne.
Die Klägerin hat am 13. Februar 2003 Klage erhoben, zu deren Begründung sie
Folgendes ausführt: Die Beklagte berufe sich zu Unrecht auf die Ausschlusswirkung des
§ 25 Abs. 4 Satz 4 AMG. Diese Vorschrift sei erst mit der 10. AMG-Novelle in das AMG
aufgenommen worden und am 12. Juli 2000 in Kraft getreten. Hätte die Beklagte den
Antrag der Klägerin vom 27. September 1999 in der gesetzlich vorgeschriebenen
Sieben-Monats-Frist beschieden, hätte diese Vorschrift überhaupt nicht Anwendung
finden können. Sie sei wegen des Ausschlusses späteren Vorbringens zudem
rechtsstaatlich bedenklich.
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Eine Viral-Safety-Studie sei für die starken Verdünnungen, wie sie in dem
homöopathischen Arzneimittel vorkommen, überzogen. Die Verdünnung sei so stark,
dass nur wenige Moleküle übrigblieben. Der verwendete Ethanol sei zudem
antiseptisch. Die mit dem Mängelbeseitigungsschreiben vom 27. September 2001
vorgelegte Risikobewertung für Lachesis mutus sei von der Beklagten außer Acht
gelassen worden. Diese Risikobewertung habe den Nachweis der Abwesenheit
pathogener Agenzien in ausreichendem Maße erbracht.
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Die Klägerin beantragt,
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die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 10. Dezember 2001 in Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 16. Januar 2003 zu verpflichten, den Antrag der Klägerin
auf Zulassung des Fertigarzneimittels D. N unter Beachtung der Rechtsauffassung des
Gerichts erneut zu bescheiden.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie trägt ergänzend zu ihrem Vorbringen im Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren
Folgendes vor: Im Hinblick auf die Einhaltung der Aflatoxin- Verbotsverordnung wie
auch des Nachweises der Abwesenheit jeglicher pathogener Agenzien sei darauf
hinzuweisen, dass die Anforderungen auch für die von der Klägerin in Anspruch
genommenen starken Verdünnungen gelten. Dies folge beispielsweise für die
Abwesenheit pathogener Agenzien daraus, dass die entsprechenden Anforderungen
speziell in der Monographie „Homöopathische Zubereitungen" des Europäischen
Arzneibuches enthalten sei.
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Hinsichtlich der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf
den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der
Beklagten.
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Entscheidungsgründe:
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Die zulässige Verpflichtungsklage ist unbegründet. Der versagende Bescheid vom 10.
Dezember 2001 und der Widerspruchsbescheid vom 16. Januar 2003 sind rechtmäßig
und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO. Die
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Klägerin hat keinen Anspruch auf Neubescheidung ihres Zulas- sungsantrags.
Auf den Antrag des pharmazeutischen Unternehmers ist die Zulassung für ein
Arzneimittel gemäß § 25 Abs. 1 Satz 1 AMG zu erteilen, wenn kein Versagungsgrund
nach § 25 Abs. 2 AMG vorliegt. Besteht nach Ansicht der Behörde ein solcher
Versagungsgrund, so hat sie in der Regel gemäß § 25 Abs. 4 Satz 1 und 2 AMG die
Beanstandung auszusprechen und dem Antragsteller eine angemessene Frist zu deren
Beseitigung zu setzen. Erst wenn diese Frist fruchtlos verstreicht, ist gemäß Satz 3
dieser Vorschrift die Versagung auszusprechen.
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Die Beklagte hat sich zu Recht im Mängelschreiben vom 31. Juli 2001 im Hinblick auf
den Wirkstoff lachesis mutus D 8 auf die unzureichende Kontrolle der Ausgangsstoffe
berufen. Den beanstandeten Mängeln hat die Klägerin nicht innerhalb der gesetzten
Frist abgeholfen, sodass die Zulassung aufgrund der Vorschrift des § 25 Abs. 2 Satz 1
Nr. 2 AMG zu versagen war.
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Gemäß dieser Vorschrift ist die Zulassung zu versagen, wenn das Arzneimittel nicht
nach dem jeweils gesicherten Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse ausreichend
geprüft worden ist. Der Umfang der danach erforderlichen Prüfungen ergibt sich u. a.
aus den Arzneibüchern (Europäisches Arzneibuch, Deutsches Arzneibuch oder
Homöopathisches Arzneibuch). Diese enthalten gemäß § 55 Abs. 1 Satz 1 AMG eine
Sammlung anerkannter pharmazeutischer Regeln u. a. über die Prüfung von
Arzneimitteln und der bei ihrer Herstellung verwendeten Stoffe. Die in den
Arzneibüchern enthaltenen pharmazeutischen Regeln genießen den Charakter von
antizipierten Sachverständigengutachten und können gerichtlich nur mit dem
substantiierten Vorbringen angegriffen werden, dass sie nicht (mehr) dem gesicherten
Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse entsprechen.
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Vgl. OVG Berlin, Beschluss vom 4. April 2001 - 5 N 13.00 -.
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Des Weiteren ergibt sich der erforderliche Prüfungsumfang aus sog. Leitlinien
(Guidelines) gemeinschaftsrechtlichen Ursprungs. Diese von der Kommission der
Europäischen Union oder der Europäischen Arzneimittelbehörde (EMEA)
herausgegebenen Leitlinien genießen zwar keine unmittelbare rechtliche
Bindungswirkung. Sie spiegeln aber wieder, was auf europäischer Ebene dem
gegenwärtigen bzw. dem zum Zeitpunkt ihrer Erstellung geltenden Stand der
wissenschaftlichen Erkenntnisse entspricht.
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Vgl. OVG Berlin, Urteil vom 25. November 1999 - 5 B 11.98 - sowie das Urteil der
Kammer vom 24. Januar 2006 - 7 K 7013/03 -, letzteres noch nicht rechtskräftig.
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Nach der Monographie des Europäischen Arzneibuchs „Homöopathische
Zubereitungen" in der zum Zeitpunkt des Mängelschreibens geltenden Fassung (Ph.
Eur. 1999, 1038) war in homöopatischen Zubereitungen für tierische Ausgangsstoffe die
Abwesenheit jeglicher pathogener Agenzien glaubhaft zu erweisen. Anders als die
gegenwärtige Fassung dieser Monographie (Ph. Eur. 5.0/1038), welche verlangt
aufzuzeigen, „dass die Herstellungsverfahren einen Schritt oder mehrere Schritte
einschließen, der/die erwiesenermaßen infektiöse Agenzien eliminiert/en oder
inaktiviert/en", führte die 1999er Fassung nicht näher aus, wie der Nachweis der
Abwesenheit pathogener Agenzien zu erbringen sei. Insoweit kann allerdings auf die
Leitlinie des EMEA-Ausschusses für Arzneimittelspezialitäten (CPMP)
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CPMP/BWP/268/95 vom 14. Februar 1996 (Leitlinie zu Virusvalidierungsstudien:
Design, Beitrag und interpretation von Validierungsstudien zur Inaktivierung und
Beseitigung von Viren) hingewiesen werden, welche von der Beklagten in den
entscheidenden Passagen in einer deutschen Übersetzung vorgelegt worden ist.
Die Maßgeblichkeit des Europäischen Arzneibuchs und der gemeinschafts- rechtlichen
Leitlinie steht auch in Übereinstimmung mit dem Homöopatischen Arznei- buch in der
Fassung vom 19. Juni 2003. Dort wird für in homöopatischen Arznei- mitteln verwendete
tierische Ausgangsstoffe festlegt, dass diese den Anforderungen der Monographie des
Europäischen Arzneibuchs „Homöopathische Zubereitungen" entsprechen müssen und
dass weiterhin die Anforderungen der geltenden Richtlinien der zuständigen Behörden
und der Europäischen Union einzuhalten sind (HAB 2003, H 5.2.4 Tiere).
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Aus der genannten Leitlinie zu Virusvalidierungsstudien ergibt sich, dass es zum
Nachweis der Abwesenheit infektiöser Viren der Durchführung von
Virusvalidierungsstudien bedarf. Diese sind derart durchzuführen, dass ein Virus
absichtlich dem Material verschiedener Herstellungsschritte hinzugegeben wird
(„spiking") und die Entfernung oder Inaktivierung dessen während des folgenden
Einzelschrittes oder der folgenden Schritte gemessen wird (Punkte 3.1 und 5.1).
Entsprechende Studien hat die Klägerin nicht durchgeführt. Den Zulassungsunterlagen
ist lediglich die Angabe der Klägerin zu entnehmen, dass die mikrobielle Reinheit der
Monographie des Europäischen Arzneibuchs „Mikrobiologische Qualität
pharmazeutischer Zubereitungen" (Ph. Eur. 5.1.4, Kategorie 3 B) entspreche und dass
die Vorschriften 4a, 16.3 und 9 sowie die Einzelstoffmonographien des Homöopatischen
Arzneibuchs (HAB) eingehalten würden.
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Der genannte Teil der Monographie des Europäischen Arzneibuchs, welches der
Kammer in der Fassung vom 15. August 2002 vorliegt, bezieht sich jedoch nicht auf
Viren, sondern nur auf Bakterien. Auch sind dort keine Validierungsstudien mit sog.
Spiken vorgesehen. Diese ergeben sich auch nicht aus den genannten
Herstellungsvorschriften oder der Einzelstoffmonographie zu lachesis mutus des
Homöopatischen Arzneibuchs. Auch die zur Mängelbeseitigung vorgelegte
Risikobewertung der Deutschen Homöopathischen Union enthält keine entsprechenden
Angaben.
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Der Klägerin ist es auch nicht gelungen aufzuzeigen, dass diese, unzweifelhaft nicht
erfüllten Anforderungen nicht dem gesicherten Stand der wissenschaftlichen
Erkenntnisse entsprechen oder dass die Abwesenheit pathogener Agenzien auf andere,
in gleichem Maße wissenschaftlich fundierte Weise nachgewiesen ist.
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Zunächst ist der Einwand der Klägerin ohne Belang, dass wegen der starken
Verdünnung des Arzneimittels (D 8 = 1 : 100.000.000) ohnehin nur einige Moleküle des
Ausgangsmaterials in dem Arzneimittel vorhanden seien. Diese Argumentation
verkennt, dass sich die aufgezeigten Prüfungsanforderungen des Europäischen und des
Homöopathischen Arzneibuchs gerade an homöopathische Arzneimittel wenden, die
üblicherweise in starken Verdünnungen verwendet werden.
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Sodann ist der Klägerin auch nicht der gleichwertige Nachweis auf andere Art und
Weise gelungen, aus dem sich die Abwesenheit pathogener Agenzien ergibt. Das gilt
namentlich für die mit Schreiben vom 27. September 2001 vorgelegte Risikobewertung
für den Stoff lachesis mutus durch die Deutsche Homöopathische Union. Dort wird
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lediglich ausgeführt, dass eine Kontamination des Schlangengifts durch Viren und eine
Übertragung der Viren von der Schlange auf den Menschen bislang nicht bekannt sei,
während im Übrigen verschiedene Viren in unterschiedlichen Organen der Schlange
nachgewiesen worden seien. Schließlich wird erläutert, dass es „eindeutige Hinweise"
gebe, dass das Schlangegift auch für Viren ein äußerst unwirtliches Medium sei.
Die hierzu angestellten theoretischen Überlegungen können nicht mit der durch die
Leitlinie CPMP/QWP/265/95 geforderten Eliminierung möglicher Viren durch die
Vornahme hierzu bestimmter Herstellungsschritte gleichgesetzt werden. Eine ebenso
valide Sicherheit der Abwesenheit pathogener Agenzien wird hierdurch nicht
gewährleistet. Das ergibt sich schon aus der verwendeten Formulierung, wonach es
„eindeutige Hinweise" auf die antiviralen Eigenschaften des Schlangengifts gebe.
Entscheidend ist zudem, dass die geforderte Eliminierung unabhängig von einem
tatsächlichen Befall mit Viren ein aktives Tun des pharmazeutischen Unternehmers
verlangt, das die Abwesenheit pathogener Agenzien sicherstellt. Dem kann eine zwar
wissenschaftlich begründete aber dennoch nur theoretische Überlegung zur
Wahrscheinlichkeit des Befalls mit Viren nicht gleichkommen.
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Schließlich kann auch dem mit Schreiben vom 27. September 2001 vorgelegten BSE-
Bewertungsschema kein ausreichender Hinweis auf die Abwesenheit pathogener
Agenzien entnommen werden. Es fehlt insoweit jegliche wissenschaftliche Erklärung, in
welchem Ausmaß Erkenntnisse aus der BSE- Bewertung auf die hier
streitgegenständliche Frage übertragbar sind.
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Das Gericht muss sich nicht mit der Frage befassen, ob die Klägerin nach der
Bekanntgabe des Versagungsbescheids den erforderlichen Nachweis der Abwesenheit
pathogener Agenzien noch erbracht hat. Denn die Nachreichung von Unterlagen nach
Ablauf dieser Frist ist gemäß § 25 Abs. 4 Satz 4 AMG ausgeschlossen und die
Zulassung nach Satz 3 dieser Vorschrift zwingend zu versagen. Diese Regelung
begegnet auch keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Sie wurde mit der 10. AMG-
Novelle eingefügt und ist am 12. Juli 2000 in Kraft getreten. Sie war daher von der
Beklagten ab diesem Zeitpunkt zu beachten. Ob die Beklagte dadurch rechtsfehlerhaft
gehandelt hat, dass sie entgegen § 27 Abs. 1 AMG nicht innerhalb von sieben Monaten
und damit vor In-Kraft-Treten der 10. AMG- Novelle über den Zulassungsantrag
entschieden hat und ob sich hieraus eventuelle Sekundäransprüche der Klägerin
ergeben können, ist dabei für den streit- gegenständlichen Anspruch auf Erteilung der
Zulassung irrelevant.
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In der anzuwendenden Regelung des § 25 Abs. 4 AMG in der Fassung des Zehnten
Gesetzes zur Änderung der Arzneimittelgesetzes (BGBl. I S. 1002) vermag das Gericht
keine unverhältnismäßige Belastung der Klägerin zu erblicken. Nach der amtlichen
Begründung zu der genannten Vorschrift,
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vgl. Bundesrats-Drucksache 565/99 vom 15. Oktober 1999, S. 12 f.,
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dient die Regelung vor allem der Straffung des Zulassungsverfahrens. Auch wegen des
ständig fortschreitenden wissenschaftlichen Erkenntnisstandes sollen danach zur
Vermeidung von wiederholenden Bearbeitungen des Zulassungsantrags sowohl durch
die Behörde als auch durch den pharmazeutischen Unternehmer möglichst nur
zulassungsreife Anträge gestellt werden, die allenfalls kleinere Mängel aufweisen, die
innerhalb der gesetzlichen Maximalfrist von sechs Monaten behoben werden können.
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Im Falle von Mängeln, die zeitaufwändigere Untersuchungen erforderlich machen, hält
die Bundesregierung nach der genannten amtlichen Begründung die Stellung eines
Neuantrags für das angemessene Mittel. Dies macht deutlich, dass die
Ausschlusswirkung des § 25 Abs. 4 Satz 4 AMG keinesfalls zu einem Anspruchsverlust
des Antragstellers führt, sondern dass dieser lediglich gezwungen ist, anstatt der
Nachbesserung während des laufenden Verwaltungsverfahrens nach erfolgter
Nachbesserung ein neues Verwaltungsverfahren in Gang zu setzen. Gegenüber der
Maxime der Beschleunigung der Verfahren und der Erreichung größtmöglicher
wissenschaftlicher Aktualität der Antragsunterlagen erscheint dieser rein
verfahrenstechnische Nachteil für den pharmazeutischen Unternehmer eher
unbedeutend.
Auch die mit Schreiben vom 31. Juli 2001 gesetzte Frist zur Mängelbeseitigung von
zwei Monaten ist nicht zu beanstanden. Gemäß § 25 Abs. 4 Satz 2 AMG dient die Frist
dazu, dem Antragsteller Gelegenheit zu geben, beanstandeten Mängeln abzuhelfen. Es
ist nicht ersichtlich, dass die gesetzte Frist zur Beseitigung der beanstandeten Mängel
unangemessen kurz gewesen ist. Insbesondere ist von der Klägerin weder im
Verwaltungs- noch im Klageverfahren vorgetragen worden, dass sie zur Beseitigung der
Mängel bestimmte Maßnahmen ergreifen wollte, die einen längeren Zeitraum
erforderlich gemacht hätten.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO, §§ 708
Nr. 11, 711 ZPO.
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