Urteil des VG Köln vom 21.09.2006

VG Köln: ersatzvornahme, vwvg, festsetzungsverjährung, grobe fahrlässigkeit, fälligkeit, entstehung, verjährungsfrist, vollstreckung, verwaltungsakt, rechtsgrundlage

Verwaltungsgericht Köln, 20 K 8751/04
Datum:
21.09.2006
Gericht:
Verwaltungsgericht Köln
Spruchkörper:
20. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
20 K 8751/04
Tenor:
Der Bescheid des Beklagten vom 25. März 2004 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides des Landrates des Rhein-Erft Kreises vom 9.
November 2004 wird insoweit aufgehoben, als darin Portokosten in
Höhe von 5,60 Euro festgesetzt worden sind. Im Übrigen wird die Klage
abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf
die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe
von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, soweit nicht der
Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Berufung wird zugelassen.
T a t b e s t a n d Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit eines Leistungs- und
Gebührenbescheides betreffend die Kosten einer Ersatzvornahme.
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Durch Ordnungsverfügung vom 26. November 1997 gab der Beklagte dem Kläger unter
Anordnung der sofortigen Vollziehung auf, bis zum 22. Januar 1998 am Grundstück des
Klägers in I. alle entlang des L.------weges stehenden Pappeln einzukürzen. Dabei
wurde dem Kläger das Zwangsmittel der Ersatzvornahme angedroht, wobei die
voraussichtlichen Kosten mit 5.000,00 DM beziffert wurden. Am 27. Februar 1998 wurde
die Ersatzvornahme festgesetzt ("Kosten ca. 5.000,00 DM") und im Juli 1998 ausgeführt.
Dabei stellte sich heraus, dass die Pappeln innen faul und deshalb komplett zu fällen
waren. Am 17. Juli 1998 legte der Kläger Widerspruch gegen die Ordnungsverfügung
vom 26. November 1997 und die Festsetzungsverfügung vom 27. Februar 1998 ein. Mit
Bescheid vom 27. Oktober 1999 wies der Landrat des Rhein-Erft-Kreises den
Widerspruch als unzulässig zurück. Die dagegen erhobene Klage wies das erkennende
Gericht mit Urteil vom 10. Januar 2002 ab (20 K 10958/99). Die von ihm zugelassene
Berufung wies das Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen durch
Beschluss vom 11. November 2003 zurück (5 A 1064/02). Die Beschwerde des Klägers
gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Beschluss wies das
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Bundesverwaltungsgericht durch Beschluss vom 22. April 2004 zurück (6 B 8.04).
Durch Leistungsbescheid vom 12. Februar 2004 nahm der Beklagte den Kläger für die
Kosten der Ersatzvornahme in Anspruch. Der Kläger legte am 16. Februar 2004
Widerspruch ein und berief sich in erster Linie auf Verjährung etwaiger Ansprüche. Der
Beklagte hob den Leistungsbescheid durch Bescheid vom 25. März 2004 auf und nahm
den Kläger darin zugleich auf Zahlung von insgesamt 8.798,29 Euro in Anspruch. Im
Einzelnen wurden dem Kläger in Rechnung gestellt: 470,39 Euro Kosten der
gutachterlichen Stellungnahme durch Gartenarchitekt G. Walter, 5.864,01 Euro Kosten
des Baubetriebshofs des Beklagten für das Einkürzen der Pappeln, 2.095,07 Euro
Kosten des Baubetriebshofs des Beklagten für Abfahrtkosten des Astwerks und
angefallene Deponiegebühren, 260,96 Euro Kosten der weiteren gutachterlichen
Stellungnahme durch Gartenarchitekt Walter, 102,26 Euro Verwaltungsgebühren sowie
5,60 Euro Portokosten.
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Am 26. März 2004 legte der Kläger Widerspruch ein.
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Durch Widerspruchsbescheid vom 9. November 2004 - zugestellt am 17. November
2004 - wies der Landrat des Rhein-Erft Kreises den Widerspruch zurück. Die der
Durchführung der Ersatzvornahme zugrunde liegenden Bescheide seien
bestandskräftig. Auch wenn die Höhe der nun tatsächlichen entstandenen Kosten die
Höhe der damals veranschlagten Kosten weit überschreite, sei dies unschädlich. Dies
sei nämlich darauf zurückzuführen, dass weitaus stärkere Kürzungen der Pappeln
notwendig gewesen seien, als zunächst vorherzusehen gewesen sei. Die in Rechnung
gestellten Auslagen seien tatsächlich angefallen. Die Verwaltungsgebühr sei auch zu
Recht erhoben worden. Auf eine Verjährung des Anspruches könne sich der Kläger
nicht berufen: letztendlich sei erst mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom
22. April 2004 das Verfahren betreffend die Wirksamkeit der dem Leistungsbescheid
zugrunde liegenden Ordnungsverfügungen abgeschlossen gewesen. Da die
Rechtmäßigkeit der Ersatzvornahme Vorraussetzung für die Inanspruchnahme für die
Kosten sei, sei die Forderung letztendlich erst mit Abschluss des Verfahrens entstanden
und demnach eine Verjährung nicht eingetreten.
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Am 14. Dezember 2004 hat der Kläger Klage erhoben.
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Zur Begründung führt er im Wesentlichen aus, der Bescheid sei wegen eingetretener
Festsetzungsverjährung rechtswidrig. Nach § 77 Abs. 4 Satz 1 VwVG NRW i.V.m. § 20
Abs. 1 Satz 1 Gebührengesetz NRW (GebG NRW) sei eine Kostenfestsetzung nach
Ablauf der Festsetzungsfrist von vier Jahren nicht mehr zulässig. Nach § 20 Abs. 1 Satz
2 GebG NRW beginne die Festsetzungsfrist mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem der
Kostenanspruch entstanden sei. Die geltend gemachte Verwaltungsgebühr entstehe
nach § 7a Abs. 2 KostO NRW, sobald die Anwendung des Verwaltungszwanges - hier
die Ersatzvornahme - begonnen habe. Demnach sei die Gebührenschuld Anfang Juni
1998 entstanden und sogleich fällig geworden. Die diesbezügliche Festsetzungsfrist sei
somit am 31.12.2002 abgelaufen. § 17 GebG NRW, wonach die Kosten erst mit der
Bekanntgabe mit der Kostenentscheidung fällig würden, sei hier nicht einschlägig, da §
7a Abs. 2 KostO NRW gemäß § 77 Abs. 4 Satz 2 VwVG NRW hinsichtlich der Fälligkeit
lex specialis sei und somit vorgehe. Hinsichtlich des Entstehens des den Ersatz von
Auslagen betreffenden Kostenanspruchs treffe die Kostenordnung NRW keine
Bestimmung. § 11 Abs. 4 Satz 1 KostO NRW regele lediglich die Fälligkeit der
Ersatzpflicht und setze hierzu ihre Entstehung voraus. Der gemäß § 77 Abs. 4 Satz 2
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VwVG NRW anwendbare § 11 Abs. 2 GebG NRW bestimme, dass die Kostenschuld
hinsichtlich der Auslagen mit der Aufwendung der zu erstattenden Beträge entstehe, das
heißt, die auflaufenden Rechnungen bezahlt würden. Insoweit seien genaue Angaben
zwar nicht vorhanden; da es sich jedoch um Kosten eigenen Personals und eigenen
Fuhrparks aus 1997 und 1998 handele, sei davon auszugehen, dass die aufgewandten
Kosten unmittelbar vergütet worden seien. Die Festsetzungsfrist sei daher insoweit
jedenfalls nach § 20 Abs. 1 Satz 2 GebG NRW mit dem 31.12.2003 abgelaufen. Auch
insoweit sei § 17 GebG NRW nicht einschlägig, da § 11 Abs. 4 Satz 1 KostO NRW
gemäß § 77 Abs. 4 Satz 2 VwVG NRW vorgehe. Dass die Rechtmäßigkeit der
Ersatzvornahme Voraussetzung für die Kostenerstattung sei, führe zu keinem anderen
Ergebnis. Die Rechtmäßigkeit des Grundverwaltungsaktes sei Voraussetzung für das
Erheben der Kosten, nicht aber für deren Entstehung und Fälligkeit: auch nach § 11
Abs. 4 Satz 1 KostO NRW entstandene und fällige Kosten könnten gegebenenfalls
gemäß § 14 Abs. 1 KostO NRW nicht zu erheben sein. Dementsprechend bestehe kein
zwangsläufiger Zusammenhang zwischen der Rechtmäßigkeit der Ersatzvornahme und
dem Entstehen eines Kostenanspruches. Die Verjährung hänge von der Fälligkeit eines
Anspruchs, nicht aber vom Bestand oder Nichtbestand des Rechtsgrundes ab. Nach §
43 Abs. 2 VwVfG NRW bleibe ein Verwaltungsakt wirksam, solange er nicht
aufgehoben werde. Eine Änderung der materiellen Rechtslage sei dementsprechend
hier im Laufe des Verfahrens nicht erfolgt.
Im Übrigen sei die Kostenforderung nicht nachvollziehbar. Es fehle jegliche
Stundenaufstellung für Personal wie Fuhrpark. Die in Ansatz gebrachten Kosten seien
übersetzt. Ein Stundensatz von 71 bzw. 74 DM für Personalkosten und 42 DM für den
Fuhrpark ließe den Schluss zu, dass eine Gewinnerzielung beabsichtigt sei. Auch die
Abfuhrkosten der Container und die geltend gemachten Deponiegebühren könnten nicht
nachvollzogen werden.
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Der Kläger beantragt,
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den Bescheid des Beklagten vom 25. März 2004 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides des Landrates des Rhein-Erft Kreises vom 9. November 2004
aufzuheben.
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Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
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Er vertritt die Auffassung, die Verjährungsfrist habe erst mit Abschluss der
verwaltungsgerichtlichen Verfahren betreffend die Rechtmäßigkeit der Ersatzvornahme
zu laufen begonnen. Zuvor sei die Festsetzungsverjährung gehemmt gewesen.
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Der von den Beteiligten in der mündlichen Verhandlung vom 16. März 2006
geschlossene Vergleich ist vom Kläger widerrufen worden. Die Beteiligten haben sich
mit einer Entscheidung ohne weitere mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird ergänzend auf den Inhalt der Gerichtsakte nebst
beigezogenen Verwaltungsvorgängen des Beklagten und des Landrates des Rhein-Erft
Kreises sowie der Akte 20 K 10958/99 Bezug genommen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
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Das Gericht kann gemäß § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung
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entscheiden, weil sich die Beteiligten damit einverstanden erklärt haben. Das Gericht
konnte auch in der aus dem Tenor ersichtlichen Weise entscheiden. Auch wenn sich
aus den Erörterungen im Rahmen des Abschlusses des Widerrufsvergleichs in der
mündlichen Verhandlung vom 16. März 2006 und insbesondere in der durch das Gericht
vorgeschlagenen Kostenregelung ein aus damaliger Sicht des Gerichts höheres
Prozessrisiko auf Seiten des Beklagten ergeben haben mag, hat das Gericht - wie auch
aus der Sitzungsniederschrift ersichtlich - auf die rechtlich erheblichen Fragestellungen
des Falles ergebnisoffen hingewiesen. Auch und gerade deswegen war der zunächst
von den Beteiligten angenommene, in der Folge jedoch vom Kläger widerrufene
Vergleichsvorschlag den Beteiligten unterbreitet worden.
Die zulässige Anfechtungsklage hat überwiegend keinen Erfolg.
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Sie ist nur hinsichtlich der festgesetzten Portokosten begründet. Insoweit ist der
angefochtene Verwaltungsakt rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§
113 Abs. 1 Satz 1 VwGO), weil es an einer entsprechenden Rechtsgrundlage fehlt.
Insbesondere können die geltend gemachten Zustellungskosten für den
Leistungsbescheid nicht unter § 11 Abs. 2 Nr. 1 KostO NRW gefasst werden, da es sich
nicht (mehr) um Kosten der Vollstreckung handelt.
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Vgl. bereits OVG NRW, Urteil vom 13. September 1977 - IV A 474/76 -, DÖV 1978, 59.
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Im Übrigen ist die Klage unbegründet. Der angefochtene Bescheid ist in dem sich aus
dem Tenor ergebenden Umfang rechtmäßig und verletzt den Kläger insoweit nicht in
seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
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Rechtsgrundlage für die Kostenauferlegung ist § 77 Abs. 1 VwVG NRW (in der bei
Erlass des angefochtenen Bescheides gültigen Fassung der Bekanntmachung vom 19.
Februar 2003, geändert durch Ergänzung vom 12. September 2003). Danach werden für
Amtshandlungen nach dem Verwaltungsvollstreckungsgesetz nach näherer
Bestimmung der Kostenordnung zum Verwaltungsvollstreckungsgesetz vom
Vollstreckungsschuldner Kosten erhoben. Die ungeschriebenermaßen erforderliche
Rechtmäßigkeit der hier in Rede stehenden Ersatzvornahme ergibt sich aus den nach
Abschluss der geführten gerichtlichen Verfahren unanfechtbar gewordenen
Ordnungsverfügungen des Beklagten vom 26. November 1997 und 27. Februar 1998.
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Die Auslagenersatzpflicht des Klägers folgt aus § 77 Abs. 1 VwVG NRW i.V.m. § 11
Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 Nr. 7 KostO NRW (vom 12. August 1997, in der bei Erlass des
angefochtenen Bescheides maßgeblichen Fassung zuletzt geändert durch Verordnung
vom 9. März 2003). Der Auslagenanfall ergibt sich aus den im Verwaltungsvorgang des
Beklagten befindlichen Rechnungen. Eine Fehlerhaftigkeit des Bescheides drängte sich
dem Gericht insoweit nicht auf. Der Kläger hat die Höhe der in Rechnung gestellten
Beträge nur unsubstantiiert bestritten. Die in Zweifel gezogenen Stundensätze
entsprechen der Lebenserfahrung. Unschädlich bleibt in diesem Zusammenhang auch,
dass es zu einer deutlichen Überschreitung des ursprünglich veranschlagten und
gemäß § 63 Abs. 4 VwVG NRW angegebenen Betrages gekommen ist. Zur Vermeidung
von Wiederholungen wird insoweit zunächst Bezug genommen auf die zutreffenden
Ausführungen im Widerspruchsbescheid vom 9. November 2004, § 117 Abs. 5 VwGO.
Hinzugefügt sei, dass keine durchgreifenden Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der
Landesgesetzgeber durch Unterlassen der Aufnahme einer § 13 Abs. 4 Satz 2
BundesVwVG entsprechenden Vorschrift eine gegenteilige Anordnung treffen wollte;
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dagegen spricht bereits, dass es sich bei § 63 Abs. 4 VwVG NRW nur um eine
Sollvorschrift handelt.
Entgegen der Ansicht des Klägers ist der angefochtene Bescheid auch nicht wegen
zuvor eingetretener Festsetzungsverjährung gemäß § 77 Abs. 4 VwVG NRW i.V.m. § 20
Abs. 1 Sätze 1 und 2 GebG NRW in der zum Zeitpunkt des Bescheiderlasses geltenden
Fassung vom 23. August 1999, zuletzt geändert durch Gesetz vom 18. Dezember 2002,
in Kraft getreten am 28. Januar 2003, rechtswidrig. Zwar enthält das erstmals eine
Festsetzungsverjährung in das GebG NRW einführende vorgenannte Änderungsgesetz,
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vgl. GV NRW 2003, S. 24-29,
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keine Übergangsregelung für zu diesem Zeitpunkt bereits entstandene und im
Verjährungslauf befindliche Forderungen. Die Anwendung allgemeiner Grundsätze und
die Auslegung des Änderungsgesetzes ergibt jedoch, dass die hier in Rede stehenden
Forderungen nicht infolge der gut ein Jahr vor Bescheiderlass in Kraft getretenen
Neuregelung der Verjährung anheimgefallen waren.
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Art. 3 des Gesetzes zur Änderung des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes und des
Gebührengesetzes vom 18. Dezember 2002 (GV.NRW 2003 Nr. 3, S. 29) regelt das In-
Kraft-Treten des Gesetzes. Er bestimmt schlicht, dass das Gesetz am Tag nach der
Verkündung in Kraft tritt. Es weist damit weder Übergangsregelungen noch
rückwirkende Anordnungen auf; die Gesetzeswirkung entfaltet sich ab In-Kraft-Treten.
Mangels anderweitiger Anordnung,
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vgl. etwa die im Zuge der Schuldrechtsmodernisierung in Art. 229 § 6 EGBGB
getroffene,
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werden von der Gesetzeswirkung erfasst (erst) ab diesem Zeitpunkt (nur) solche
Sachverhalte, die nach In-Kraft-Treten des Gesetzes eintreten. Dafür spricht auch, dass
etwa im vorliegenden Fall sonst Festsetzungsverjährung rechnerisch am 31. Dezember
2002 eingetreten wäre und damit bevor das dieses Ergebnis anordnende Gesetz
überhaupt in Kraft getreten war. Der "Verjährungserfolg" nach In-Kraft-Treten des
Gesetzes setzt demnach auch einen erst nach In-Kraft-Treten des Gesetzes
begonnenen Verjährungslauf voraus. Gegenteiliges, also, dass das Gesetz nicht nur
erstmalig eine Festsetzungsverjährung in die entsprechenden Normwerke einführen,
sondern auch bestehende Ansprüche vernichten wollte, lässt sich weder dem Wortlaut
noch den Gesetzgebungsmaterialien entnehmen.
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Vgl. zu Letzterem LT-Drs. 13/3192, S. 72 und 77.
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Ausgehend davon unterfällt der vor In-Kraft-Treten des Änderungsgesetzes entstandene
Anspruch nicht der Verjährungsregelung des § 20 GebG NRW n.F.. Vor In-Kraft-Treten
seiner Änderung am 28. Januar 2003 enthielt das VwVG NRW keine Regelung über die
Verjährung. § 20 GebG NRW a.F. regelte nur die Zahlungsverjährung; ebenso Art. 8 §§
1 und 2 AGBGB. Die - hier zu beantwortende - Frage, ob die Befugnis des Beklagten zur
Festsetzung der Kosten der Ersatzvornahme im März 2004 verjährt war, ist deshalb
unter Heranziehung der im BGB normierten allgemeinen Grundsätze zur Verjährung zu
beantworten. Nach § 195 BGB in der bis zum 1. Januar 2002 und damit zur Zeit des
Entstehens der Forderungen geltenden Fassung betrug die - hier allein in Frage
kommende - Regelverjährungsfrist 30 Jahre. Sie begann nach § 198 BGB a.F. mit der
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Entstehung des Anspruchs, demnach hier gemäß § 11 Abs. 2 GebG NRW mit der
Aufwendung des zu erstattenden Betrages bzw. - soweit man für Forderungen aus
1997/1998 den Rückgriff auf das GebG NRW (noch) nicht zulassen will, sobald sie von
der Vollzugsbehörde nach pflichtgemäßem Ermessen veranlasst werden durften.
Vgl. OVG NRW, Urteil vom 25. Januar 1980 - 11 A 19/78 -.
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2004 in Kraft getretenen waren demnach 30 Jahre noch nicht abgelaufen. Aufgrund des
zum 1. Januar 2002 Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes ist die Verjährungsfrist
jedoch - durch ausdrückliche gesetzgeberische Anordnung -,
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vgl. Art. 229 § 6 EGBGB,
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nach § 195 BGB n.F. auf drei Jahre verkürzt worden und zwar mit Wirkung für alle zu
diesem Zeitpunkt bestehenden noch nicht verjährten Ansprüche. Sie beginnt gemäß §
199 BGB am Ende des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger
von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners
Kenntnis erlangt hat oder ohne grobe Fahrlässigkeit hätte erlangen müssen. Gemäß Art.
229 § 6 Abs. 1 Satz 2 EGBGB richtet sich jedoch der Beginn der Verjährung für den
Zeitraum vor dem 1. Januar 2002 nach dem BGB in der bis zu diesem Tag geltenden
Fassung und wird für den - u.a. hier gegebenen - Fall, dass die Verjährungsfrist nach
neuem Recht kürzer ist, erst ab dem 1. Januar 2002 berechnet, Art. 229 § 6 Abs. 4
EGBGB. Dies zugrundegelegt, endete die Festsetzungsfrist 1. Januar 2005 und damit
erst nach Erlass des angefochtenen Bescheides.
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Selbst wenn man den obigen Darlegungen nicht folgen wollte, ergäbe sich nichts
anderes: Unterwirft man die Forderung einschränkungslos dem Regelungsregime des
GebG NRW in der bei Erlass des angefochtenen Verwaltungsakts geltenden Fassung,
wäre die Forderung zum Zeitpunkt des Ergehens des angefochtenen Bescheides noch
nicht verjährt gewesen, weil die Festsetzungsfrist nach § 20 Abs. 1 Satz 3 GebG NRW
analog für den Zeitraum der betreffend die Ersatzvornahme selbst geführten
Rechtsstreitigkeiten gehemmt war. In Widerspruch und Klage des Klägers gegen die
dem angefochtenen Bescheid zugrundeliegenden Ordnungs- und
Zwangsmittelfestsetzungsverfügungen war konkludent ein "Antrag auf Nicht-
Festsetzung" enthalten. Im Hinblick darauf, dass dieser Fall vom Gesetzgeber
unvollständigerweise nicht geregelt ist und unter Berücksichtigung der Tatsache, dass
in der Festsetzung der Ersatzvornahme (kraft Gesetzes) die konkrete Ankündigung einer
Kostenfestsetzung enthalten ist, spricht alles dafür, dass der Gesetzgeber, hätte er
diesen Fall berücksichtigt, ihn gleichbehandelt hätte mit einem Antrag auf Aufhebung
oder Änderung der Festsetzung.
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Die Gebührenfestsetzung beruht auf § 77 Abs. 2, 4 VwVG i.V.m. § 7a Nr. 9 KostO NRW
und ist jedenfalls nicht übersetzt. Nach §§ 7a Abs. 2 KostO, 199 BGB begann die
Festsetzungsverjährung 1998 und endete am 1. Januar 2005. Wegen der Einzelheiten
wird auf die entsprechenden Ausführungen betreffend den Auslagenersatz Bezug
genommen. Zum Zeitpunkt des Ergehens des Gebührenbescheides am 24. März 2004
war sonach Festsetzungsverjährung noch nicht eingetreten.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO. Die Entscheidung über
die vorläufige Vollstreckbarkeit ist nach §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO ergangen.
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Die Berufung war gemäß §§ 124 Abs. 2 Nr. 3, 124a Abs. 1 Satz 1 VwGO zuzulassen,
weil die hier im Kern entscheidungserhebliche Rechtsfrage des zeitlichen
Anwendungsbereichs des Gebührengesetzes NRW in der Fassung des
Änderungsgesetzes vom 18. Dezember 2002 auch von über diesen Fall
hinausgehender Bedeutung ist und bislang keine abschließende obergerichtliche
Entscheidung erfahren hat.
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