Urteil des VG Köln vom 29.10.2009

VG Köln (wiederherstellung der aufschiebenden wirkung, mit an sicherheit grenzender wahrscheinlichkeit, versammlung, öffentliche sicherheit, verfügung, aufzug, auflage, versammlungsfreiheit, antrag, verwaltungsgericht)

Verwaltungsgericht Köln, 20 K 2749/09
Datum:
29.10.2009
Gericht:
Verwaltungsgericht Köln
Spruchkörper:
20. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
20 K 2749/09
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf
die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe
von 110% des insgesamt vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn
nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110%
des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
T a t b e s t a n d:
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Die Klägerin meldete unter dem 14.04.2009 beim Beklagten einen politischen Umzug
an für Samstag, den 09.05.2009, im Zeitraum von 13.30 Uhr bis ca. 21.30 Uhr, mit dem
Thema "Demokratie und Versammlungsfreiheit statt Islamisierung - keine Groß-
Moschee nach Köln". Als Umzugsstrecke wurde angegeben: Barmer Platz in Köln-
Deutz, Lenneper Straße, Deutz-Mülheimer-Straße, Opladener Straße, Mindener Straße,
Deutzer Brücke, Augustinerstraße, Pippinstraße, Cäcilienstraße, Neumarkt,
Hahnenstraße, Rudolfplatz, Hohenzollernring, Friesenplatz, Venloer Straße,
Abschlusskundgebung im Bereich Venloer Straße/Ecke Innere Kanalstraße. Als
Teilnehmerzahl waren ca. 2000 Personen angegeben. Zuvor, am 17.10.2008, hatte
bereits die ebenfalls zur sogenannten "Pro-Bewegung" gehörende "Bürgerbewegung
Pro Köln e.V." eine öffentliche Versammlung mit dem Thema "Nein zur Islamisierung
Europas - Nein zur Kölner Groß-Moschee" für Samstag, den 09.05.2005, im Zeitraum
von 9.00 Uhr bis 19.00 Uhr, auf dem Roncalliplatz, hilfsweise Neumarkt oder
Rudolfplatz, in Köln angemeldet. Diese Versammlung war vom Beklagten am
13.02.2009 mit der Auflage bestätigt worden, dass die Versammlung nicht auf dem
Roncalliplatz stattfinden dürfe und dem Veranstalter zur Durchführung der Versammlung
stattdessen der Bereich Barmer Platz zugewiesen würde. Gleichzeitig war die sofortige
Vollziehung der verfügten Auflage angeordnet worden. Den Antrag der
Bürgerbewegung Pro Köln e.V. auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der
gegen die Auflage (VG Köln - 20 K 1333/09) lehnte die erkennende Kammer mit
Beschluss vom 09.04.2009 - 20 L 308/09 - ab.
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Am 16.04.2009 fand bezüglich des angemeldeten Aufzuges ein Kooperationsgespräch
zwischen Vertretern des Beklagten und der Klägerin statt. Mit Verfügung vom
28.04.2009 untersagte der Beklagte der Klägerin die angemeldete Versammlung
(Aufzug vom Bereich Barmer Platz nach Köln-Ehrenfeld mit Zwischenkundgebungen
und Abschlusskundgebung in Köln-Ehrenfeld), soweit diese am 09.05.2009 stattfinden
sollte; gleichzeitig ordnete er die sofortige Vollziehung dieser Verfügung an.
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Am 29.04.2009 hat die Klägerin gegen das Versammlungsverbot Klage erhoben und
gleichzeitig beim Verwaltungsgericht Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden
Wirkung der Klage gestellt. Den Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes hat
die erkennende Kammer mit Beschluss vom 05.05.2009 - 20 L 650/09 - abgelehnt, die
hiergegen eingelegte Beschwerde der Klägerin hat das Oberverwaltungsgericht für das
Land Nordrhein-Westfalen mit Beschluss vom 08.05.2009 - 5 B 593/09 -
zurückgewiesen; das Bundesverfassungsgericht hat den daraufhin von der Klägerin
gestellten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, gerichtet auf
Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen das
Versammlungsverbot, mit Beschluss vom 08.05.2009 - 1 BvR 1117/09 - abgelehnt.
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Die Klägerin verfolgt nunmehr (Schriftsatz vom 24.06.2009) ihr Begehren in der
Hauptsache im Wege der Fortsetzungsfeststellungsklage nach § 113 Abs. 1 Satz 4
VwGO weiter. Sie macht geltend, dass sich das berechtigte Interesse an der
Feststellung der Rechtswidrigkeit des Versammlungsverbotes zum einen aus dem
Gesichtspunkt der Wiederholungsgefahr ergebe, da sie beabsichtige, auch im Jahre
2010 gemeinsam mit der Bürgerbewegung Pro Köln e.V. einen Anti-Islamisierungs-
Kongress in Köln durchzuführen. Zum anderen ergebe sich das rechtliche Interesse
unter dem Gesichtspunkt der Rehabilitation, da durch das Verbot in schwerwiegender
Weise in das Grundrecht der Versammlungsfreiheit eingegriffen worden sei. In der
Sache trägt sie vor, dass das angegriffene, gegen sie als Nichtstörerin ergangene
Versammlungsverbot den verfassungsrechtlichen Maßstäben bei der Auslegung des §
15 Abs. 1 VersG nicht standhalte. Soweit der Beklagte behauptet habe, dass für die für
den 09.05.2009 angemeldete Versammlung mit einer mindestens gleich starken
Mobilisierung und Zielsetzung des politischen Gegners wie bei der Versammlung am
20.09.2008 zu rechnen sei, werde offenbar bewusst unterschlagen, dass die
Mobilisierungsanstrengung aus dem linksextremen Milieu mit der bundesweiten
Mobilisierung vor dem 20.09.2008 überhaupt nicht vergleichbar gewesen sei. Gegen
den geplanten Aufzug sei höchstens im Kölner Umland regional mobilisiert worden. Im
Übrigen hätten seitens der Bürgerbewegung Pro Köln e.V. nach dem 20.09.2008 sechs
öffentliche Kundgebungen gegen den Bau der geplanten Groß-Moschee in Ehrenfeld
stattgefunden und seien durchweg problemlos verlaufen. Das vom Beklagten nunmehr
beschriebene Gewaltszenario sei mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht
zu befürchten gewesen. Soweit sich der Beklagte auf den polizeilichen Notstand berufe,
handele es sich um teilweise unsubstantiierte bloße Befürchtungen; nachprüfbare
Tatsachen als Grundlage dieser Befürchtungen seien in der Verfügung nicht mitgeteilt
worden. Die Klägerin ihrerseits habe im Rahmen ihrer Kooperationsverpflichtungen sich
uneingeschränkt bereit erklärt, an dem zu erstellenden Sicherheitskonzept für den
Demonstrationszug mitzuwirken. Dennoch habe der Beklagte leichtfertig die
Voraussetzungen des nur ausnahmsweise im Versammlungsrecht anzuwendenden
polizeilichen Notstandes zu ihren Ungunsten angewandt. Sie sei dadurch massiv in
ihren Grundrechten aus Art. 8 Abs. 1 und 5 Abs. 1 GG verletzt worden; im Übrigen werde
ihr durch das angegriffene Versammlungsverbot in rechtswidriger Weise schlechthin
verweigert, an der freien Bildung der öffentlichen Meinung im Wege der
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Versammlungskundgebung teilzuhaben. Die Chancengleichheit auf Teilhabe an der
politischen Willensbildung, die auch sie für sich in Anspruch nehme und weiterhin
nehmen werde, verkörpere sich gerade in den Grundrechten der Meinungs- und
Versammlungsfreiheit. Es habe sich letztlich die Einschätzung der Klägerin, dass im Mai
2009 die Mobilisierung von Linksextremisten nicht ansatzweise mit der bundesweiten
Mobilisierung im Vorfeld des 20.09.2008 zu vergleichen sei, am 09.05.2009 bestätigt. Es
hätten sich wesentlich weniger Gegendemonstranten in Köln eingefunden und die
Gewalttätigkeiten hätten sich in Grenzen gehalten; die Polizei habe die Lage im Griff
gehabt. Soweit der Beklagte geltend mache, dass es nicht möglich gewesen sei, zwei
Kundgebungen der Pro-Bewegung und einen diese verbindenden Aufzug zu schützen
und zu ermöglichen, hätte er jedenfalls hier mildere Mittel, wie z.B. eine Verkürzung der
Wegstrecke oder ein Verbot nur der Abschlusskundgebung, anwenden können. Dies
habe der Beklagte aber nicht einmal in Erwägung gezogen. Sie, die Klägerin, habe
vorab darauf hingewiesen, dass ihr gerade der Aufzug durch die Kölner Innenstadt
unabhängig von der genauen Route besonders wichtig sei; im Hinblick auf die Route
habe sie mehrfach ausdrücklich ihre Kooperationsbereitschaft erklärt. Dennoch habe
der Beklagte ein vollständiges Verbot anstelle einer Auflage vorgezogen.
Die Klägerin beantragt,
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festzustellen, dass das Verbot vom 28.04.2009 der mit Schreiben vom 14.04.2009
angemeldeten Versammlung (Aufzug vom Bereich Barmer Platz nach Köln-Ehrenfeld
mit Zwischenkundgebungen und Abschlusskundgebung in Köln-Ehrenfeld), soweit
diese am 09.05.2009 stattfinden sollte, rechtswidrig war.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Er hält seine Gefahrenprognose vor allem auch im Hinblick auf die Versammlung vom
20.09.2008 und die an diesem Tage eingetretenen gewalttätigen Ereignisse für
gerechtfertigt. Was die sechs Kundgebungen von "Pro Köln" in den Monaten November
2008 bis April 2009 im Nahbereich des Grundstücks des geplanten Moscheebaus
anbetreffe, so sei es an diesen sechs Tagen lediglich aufgrund der starken
Polizeipräsenz zu keinen Übergriffen von Störergruppen gekommen. Für die
Versammlung vom 09.05.2009 sei indes mit mehreren tausend Personen zu rechnen
gewesen, deren Ziel gewesen wäre, die Versammlung zu verhindern. Ein
Polizeieinsatz, der notwendig gewesen wäre, um zwei Kundgebungen der "Pro-
Bewegung" und einen diese verbindenden Aufzug zu schützen, sei mit den zur
Verfügung gestandenen Polizeikräften, die bundesweit angefordert worden seien, nicht
vorstellbar gewesen. Es sei für diesen Tag zur Einsatzbewältigung bereits eine Zahl von
5.651 Polizeikräften vorgesehen gewesen. Für den Schutz des angemeldeten Aufzuges
wären insgesamt 2.460 weitere Polizeikräfte erforderlich gewesen, diese hätten indes
nicht zur Verfügung gestanden.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakte, der Verfahrensakte 20 L 650/09 sowie des vom Beklagten vorgelegten
Verwaltungsvorganges verwiesen, des Weiteren auf die Gerichtsakten 20 K 6466/08
und 20 K 1333/09 (Fortsetzungsfeststellungsklagen der Bürgerbewegung Pro Köln e.V.
gegen den Beklagten).
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:
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Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
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Sie ist als Fortsetzungsfeststellungsklage in entsprechender Anwendung des § 113
Abs. 1 Satz 4 VwGO statthaft. Das erforderliche berechtigte Interesse liegt nach der
Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts stets vor, wenn die angegriffene
Maßnahme die Versammlungsfreiheit schwer beeinträchtigt, wenn also - wie vorliegend
- die Grundrechtsausübung durch ein Versammlungsverbot tatsächlich unterbunden
oder die Versammlung aufgelöst worden ist.
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Vgl. BVerfG, BVerfGE 110, 77 = DVBl. 2004, 822.
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Die Fortsetzungsfeststellungsklage hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.
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Das angefochtene Versammlungsverbot vom 28.04.2009 ist rechtmäßig und verletzt die
Klägerin nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
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Ermächtigungsgrundlage für das ausgesprochene Verbot des angemeldeten Aufzuges
mit Kundgebungen ist § 15 Abs. 1 VersG, wonach die zuständige Behörde die
Versammlung verbieten kann, wenn nach den zur Zeit des Erlasses der Verfügung
erkennbaren Umständen die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bei Durchführung der
Versammlung unmittelbar gefährdet ist.
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Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Zur Begründung wird zwecks Vermeidung von
Wiederholungen auf die Ausführungen in dem Beschluss der Kammer vom 05.05.2009
im Verfahren 20 L 650/09 sowie den im Beschwerdeverfahren ergangenen Beschluss
des OVG NRW vom 08.05.2009 - 5 B 593/09 - verwiesen. Die Klägerin hat die dortigen
Ausführungen durch ihr weiteres Vorbringen im Klageverfahren nicht zu entkräften
vermocht. Dabei ist im Hinblick auf die Frage der Einschätzung zu erwartender
Gegendemonstranten und - gewaltbereiter - Störer darauf hinzuweisen, dass der Polizei
bei ihrer Gefahrenprognose ein nicht geringer Einschätzungsspielraum zuzubilligen ist.
Anhaltspunkte für eine sachfremde oder gar willkürliche Lagebeurteilung seitens des
Beklagten vermag die Kammer - auch weiterhin - nicht zu erkennen. Insoweit wird
ergänzend auf die Ausführungen der Kammer im Urteil vom heutigen Tage im Verfahren
20 K 1333/09 verwiesen.
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Des Weiteren wird Bezug genommen auf den Beschluss des
Bundesverfassungsgerichts vom 08.05.2009 - 1 BvR 1117/09. Das
Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung insbesondere ausdrücklich
darauf hingewiesen, dass es sich bei der verbotenen Versammlung lediglich um die
Umgestaltung einer Versammlung mit demselben Teilnehmerkreis gehandelt habe. Des
Weiteren hat es auf die Gründe seines Beschlusses im Verfahren 1 BvR 1116/09
verwiesen, da die dort genannten Gesichtspunkte auch hier Geltung fänden. Zu den
Gründen jenes Beschlusses hat die Kammer in dem am heutigen Tage gleichfalls
ergangenen Urteil im Verfahren 20 K 1333/09 ausgeführt; auf die Entscheidungsgründe
dieses Urteils wird ebenfalls Bezug genommen.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 167 Abs. 1, 2 VwGO, 708 Nr.11, 711 ZPO.
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