Urteil des VG Köln vom 16.07.2008

VG Köln: bestrittene forderung, vollstreckungskosten, hauptsache, abgabenordnung, steuerfestsetzung, steuerbehörde, kauf, vwvg, vollstreckbarkeit, bedürfnis

Verwaltungsgericht Köln, 23 K 4827/07
Datum:
16.07.2008
Gericht:
Verwaltungsgericht Köln
Spruchkörper:
23. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
23 K 4827/07
Tenor:
Soweit die Beteiligten den Rechtsstreit übereinstimmend in der
Hauptsache für erledigt erklärt haben, wird das Verfahren eingestellt.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens tragen der Kläger zu 7/10 und die Beklagte
zu 3/10.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch
Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden,
wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung
Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
T a t b e s t a n d
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Das Amtsgericht Bonn eröffnete durch Beschluss vom 7. Mai 2004 (Az.: 98 IN 410/03)
über das Vermögen der Schuldnerin wegen Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung
das Insolvenzverfahren und bestellte den Kläger zum Insolvenzverwalter. Mit Schreiben
vom 16. Juni 2004 meldete die Beklagte beim Kläger schriftlich
Vergnügungssteuerforderungen sowie Ansprüche auf steuerliche Nebenleistungen in
Gesamthöhe von 401.222,67 Euro an. In dieser Summe waren Stundungszinsen in
Höhe von 13.661,00 Euro, Mahn- und Vollstreckungskosten in Höhe von 1.252,26 Euro
und Säumniszuschläge in Höhe von 49.347,25 Euro enthalten. Durch Schreiben vom 7.
Juli 2004 reduzierte die Beklagte die angemeldete Forderung um
Vergnügungssteuerforderungen in Höhe von 34.592,40 Euro auf 366.630,27 Euro. Im
Prüftermin vor dem Amtsgericht Bonn am 5. August 2004 bestritt der Kläger die
angemeldeten Forderungen in voller Höhe.
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Durch an den Kläger gerichteten Feststellungsbescheid vom 2. November 2004 stellte
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die Beklagte u. a. als Insolvenzforderungen Vergnügungssteuerforderungen für die
Jahre 2000 bis 2004 in Gesamthöhe von 302.369,76 Euro, Stundungszinsen gemäß
Zinsbescheid vom 16. Juli 2003 in Höhe von 13.661,00, Mahn- und
Vollstreckungskosten in Höhe von 1.252,26 Euro und Säumniszuschläge in Höhe von
49.347,25 Euro fest. Auf den Widerspruch des Klägers hob die Beklagte durch
Widerspruchsbescheid vom 13. April 2007 unter dessen Ziffer 1. ihren
Feststellungsbescheid vom 2. November 2004 hinsichtlich der aufgeführten
Vergnügungssteuern für die Jahre 2000 bis 2004 in Höhe von insgesamt 302.369,76
Euro auf. Weiterhin änderte sie den Feststellungsbescheid vom 2. November 2004
dahin, dass die Säumniszuschläge von 49.347,25 Euro auf 34.493,50 Euro reduziert
wurden. Im Übrigen wies die Beklagte den Widerspruch gegen den
Feststellungsbescheid als unbegründet zurück. Der Widerspruchsbescheid wurde dem
Kläger am 18. April 2007 zugestellt.
Der Kläger hat am 16. Mai 2007 Klage erhoben.
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Zur Begründung macht er geltend, die festgestellten Nebenforderungen seien nicht
begründet. Dies ergebe sich daraus, dass schon die gegen die Schuldnerin geltend
gemachten Vergnügungssteuern als Hauptforderung nicht begründet seien. Die
Besteuerung seitens der Beklagten nach dem sogenannten
Kommunalisierungsmodellgesetz sei fehlerhaft gewesen, wie sich aus der
Entscheidung des Gerichts vom 5. September 2007 (Az.: 23 K 927/07) ergebe.
Weiterhin habe die seitens der Beklagten in der Vergangenheit durchgeführte
Besteuerung zu pauschalen Steuersätzen nicht im Einklang gestanden mit der
Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts gemäß dessen Urteil vom 13. April
2005. Im Übrigen werde bestritten, dass die Säumniszuschläge von der Beklagten
korrekt berechnet worden seien.
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In der mündlichen Verhandlung hat die Beklagte ihren Feststellungsbescheid vom 2.
November 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. April 2007
aufgehoben, soweit darin Stundungszinsen in Höhe von 13.661,00 Euro als
Insolvenzforderung gegen den Kläger festgestellt worden sind. Insoweit haben die
Beteiligten den Rechtsstreit wechselseitig in der Hauptsache für erledigt erklärt.
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Der Kläger beantragt,
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den Feststellungsbescheid der Beklagten vom 2. November 2004 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides der Beklagten vom 13. April 2007 und in der Gestalt der
Abänderung der Beklagten vom 16. Juli 2008 aufzuheben.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Zur Begründung verweist sie im Wesentlichen auf ihre Ausführungen in den
angefochtenen Bescheiden, soweit diese noch streitgegenständlich sind.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakte dieses Verfahrens sowie der Verfahrensakten 23 K 1945/07 und 23 K
109/07 und auf den Inhalt der Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug genommen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
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Das Verfahren ist in entsprechender Anwendung von § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO
einzustellen, soweit die Beteiligten den Rechtsstreit übereinstimmend in der
Hauptsache für erledigt erklärt haben.
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Die weitergehende Klage ist zulässig, aber nicht begründet.
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Der Feststellungsbescheid der Beklagten vom 2. November 2004 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides der Beklagten vom 13. April 2004 und in der Gestalt der
Abänderung der Beklagten vom 16. Juli 2008 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger
deshalb nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Er findet seine
Rechtsgrundlage in § 12 Abs. 1 Nr. 6 KAG NRW i. V. m. § 251 Abs. 3 AO analog. Die
Voraussetzungen der letztgenannten Bestimmung sind im vorliegenden Fall erfüllt,
soweit es die noch streitigen Mahn- und Vollstreckungskosten in Höhe von 1.252,26
Euro sowie Säumniszuschläge in Höhe von 34.493,50 Euro betrifft.
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Über das Vermögen der Schuldnerin ist durch Beschluss des Amtsgerichts Bonn vom 7.
Mai 2004 (Az.: 98 IN 410/03) das Insolvenzverfahren eröffnet worden. Die Beklagte hat
weiterhin i. S. v. § 251 Abs. 3 AO als kommunale Steuerbehörde in diesem
Insolvenzverfahren einen Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis als
Insolvenzforderung geltend gemacht. Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis
erfassen nach § 12 Abs. 1 Nr. 2 b KAG NRW i. V. m. § 37 Abs. 1 AO analog auch den
Anspruch auf eine steuerliche Nebenleistung. Darunter fallen nach § 12 Abs. 1 Nr. 1 b
KAG NRW i. V. m. § 3 Abs. 4 AO analog u. a. Verspätungszuschläge und Kosten. Die
Beklagte hat Ansprüche auf derartige steuerliche Nebenleistungen als
Insolvenzforderung geltend gemacht. Sie hat gegenüber dem Kläger durch Schreiben
vom 16. Juni 2004 auf der Grundlage von § 174 Abs. 1 Satz 1 InsO Mahn- und
Vollstreckungskosten in Höhe von 1.252,26 Euro und Säumniszuschläge in Höhe von
49.347,25 Euro zum Insolvenzverfahren angemeldet.
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Im konkreten Fall war es auch i. S. v. § 251 Abs. 3 AO erforderlich, die bezeichneten
Insolvenzforderungen durch schriftlichen Verwaltungsakt gegenüber dem Kläger
festzustellen. Das Erfordernis der Feststellung folgt hier daraus, dass die von der
Beklagten angemeldeten Forderungen i. S. v. § 179 Abs. 1 InsO streitig geblieben sind.
Denn der Kläger hat diese Forderungen im Prüftermin vor dem Amtsgericht Bonn am 5.
August 2004 in voller Höhe bestritten. In einer solchen Situation darf die Steuerbehörde
die Forderungen auf der Grundlage von § 185 InsO und § 251 Abs. 3 AO durch
Feststellungsbescheid feststellen,
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vgl. nur Loose in Tipke/Kruse, Abgabenordnung - Finanzgerichts- ordnung, § 251 AO
Rdzf. 62; Brockmeyer in Klein, Abgabenordnung, 9. Aufl. 2006, § 251 Rdzf. 30; Bartone,
AO - StB 2008, 132, 134.
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Ein solcher Bescheid hat die Feststellung zum Inhalt, dass die bestrittene Forderung in
der geltend gemachten Höhe besteht und i. S. v. § 38 InsO begründet ist, und zwar im
Umfang der Anmeldung zur Insolvenztabelle (vgl. § 181 InsO),
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vgl. dazu nur Bundesfinanzhof, Urteil vom 23. Februar 2005 - VII R 63/03 - BFHE 209,
23; Loose, a. a. O., § 251 AO Rdzf. 68; Bartone, a. a. O., S. 134 jeweils m. w. N..
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Einen solchen Inhalt haben im vorliegenden Fall die angefochtenen Bescheide, soweit
sie noch Gegenstand des Klagebegehrens sind.
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Die Beklagte hat zunächst festgestellt, dass ihr Säumniszuschläge in Höhe von
34.493,50 Euro als Insolvenzforderung zustehen. Sie hat diese auf der Grundlage von §
12 Abs. 1 Nr. 5 b KAG NRW i. V. m. § 240 AO analog erhobenen Zuschläge in der
Anlage 2 zu ihrem Widerspruchsbescheid vom 13. April 2007 im Einzelnen dargelegt
und berechnet. Berechnungsfehler sind insoweit für das Gericht nicht erkennbar und
werden vom Kläger im Übrigen auch nicht substantiiert gerügt. Der Kläger wendet
allerdings ein, die festgestellten Säumniszuschläge seien nicht begründet, weil auch die
gegen die Schuldnerin geltend gemachten Vergnügungssteuern als Hauptforderung
nicht begründet seien. Mit diesem Einwand vermag der Kläger allerdings im
vorliegenden Fall nicht durchzudringen. Nach § 240 Abs. 1 Satz 4 AO, der über § 12
Abs. 1 Nr. 5 b KAG NRW entsprechende Anwendung findet, bleiben bis dahin verwirkte
Säumniszuschläge unberührt, wenn die Festsetzung einer Steuer oder Steuervergütung
aufgehoben, geändert oder nach § 129 AO berichtigt wird. Mit dieser ausdrücklichen
Regelung hat der Gesetzgeber bewusst in Kauf genommen, dass Säumniszuschläge
auch dann zu entrichten sind, wenn sich die Steuerfestsetzung später als unrechtmäßig
erweist und ein entsprechender Abgabenbescheid durch gerichtliches Urteil
aufgehoben wird. Hiergegen bestehen auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken.
Denn dem Rechtsschutzbedürfnis des Steuerpflichten ist durch die Möglichkeit des
einstweiligen Rechtsschutzes gegen die Steuerfestsetzung selbst hinreichend Genüge
getan,
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vgl. dazu nur Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 30. Januar 1986 - 2 BvR
1336/85 -, Deutsche Steuerzeitung/Eildienst 1986, 107; ferner Bundesfinanzhof, Urteil
vom 30. März 2006 - V R 2/04 -, BFHE 212, 23; Bundesverwaltungsgericht, Beschluss
vom 2. Mai 1995 - 8 B 50.95 -, Buchholz 401.0, § 240 AO Nr. 1; Rüsken in Klein,
Abgabenordnung, 9. Aufl. 2006, § 240 Rdzf. 1 und Rdzf. 23, 24; Laurenroth/Sauthoff in
Driehaus u.a., Kommunalabgabenrecht, § 12 Rdzf. 76, 91,92 jeweils m. w. N.
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Die angefochtenen Bescheide haben weiterhin zum Inhalt, dass die Beklagte Mahn-
und Vollstreckungskosten in Höhe von 1.252,26 Euro als Insolvenzforderung
beansprucht. Auch diese Feststellung ist rechtlich nicht zu beanstanden. Die Beklagte
hat in der Anlage 2 zum Widerspruchsbescheid vom 13. April 2007 im Einzelnen
aufgeführt, dass ihr Mahngebühren auf der Grundlage von § 2 und § 8 Abs. 3 der
Kostenordnung zum Verwaltungsvollstreckungsgesetz NRW in Höhe von insgesamt
310,26 Euro und Pfändungsgebühren auf der Grundlage von § 4 und § 8 Abs. 3 der
Kostenordnung in Höhe von insgesamt 942,00 Euro zustehen. Berechnungsfehler sind
für das Gericht auch an dieser Stelle nicht ersichtlich, werden vom Kläger auch nicht
geltend gemacht. Er wendet auch insoweit ein, da die Vergnügungssteuern schon als
Hauptforderung nicht begründet seien, seien auch diese Nebenforderungen nicht
begründet. Der Kläger kann mit dieser Rüge ebenfalls nicht durchdringen.
Einwendungen gegen die Rechtmäßigkeit des zu vollstreckenden Steuerbescheides
können im vorliegenden Fall nicht geltend gemacht werden. Dies ergibt sich aus § 7
Abs. 1 VwVG NRW. Danach sind Einwendungen gegen die Rechtmäßigkeit des den
Anspruch vollziehenden Leistungsbescheids, auch wenn diese nach Eintritt der
Bestandskraft entstanden sind, außerhalb des Zwangsverfahrens mit den hierfür
zugelassenen Rechtsbehelfen zu verfolgen. Dies gilt auch, wenn das Zwangsverfahren
- wie hier - schon abgeschlossen ist. Sonstige Einwände gegen die Richtigkeit der
Kostenfeststellung macht der Kläger nicht geltend; sie sind auch für das Gericht nicht
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erkennbar.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 155 Abs. 1 Satz 1 und 161 Abs. 2 VwGO.
Die Beklagte ist mit Verfahrenskosten zu belasten, soweit der Rechtsstreit von den
Beteiligten in der mündlichen Verhandlung übereinstimmend in der Hauptsache für
erledigt erklärt worden ist, nachdem die Beklagte ihren Feststellungsbescheid vom 2.
November 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. April 2007
aufgehoben hat, soweit darin Stundungszinsen in Höhe von 13.661,00 Euro als
Insolvenzforderung gegen den Kläger festgestellt worden sind. Ihr
Feststellungsbescheid vom 2. November 2004 war nämlich insoweit rechtswidrig. Eine
entsprechende Feststellung war i. S. v. § 12 Abs. 1 Nr. 6 KAG NRW i. V. m. § 251 Abs. 3
AO nicht erforderlich. Ein Bedürfnis für einen derartigen Feststellungsbescheid besteht
nicht mehr, wenn schon vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens ein bestandskräftiger
Steuerbescheid gegen den Schuldner ergangen ist,
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Bundesfinanzhof, Urteil vom 23. Februar 2005, a.a.O.; Brockmeyer, a.a.O., § 251 Rdzf.
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So liegt der Fall hier. Die Beklagte hatte die Stundungszinsen schon durch
Zinsbescheid vom 16. Juli 2003 unanfechtbar gegen die Schuldnerin festgesetzt. Diese
hatte zwar gegen diesen Bescheid Widerspruch eingelegt, aber dann gegen den ihr am
20. Januar 2004 zugestellten Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 15. Januar
2004 keine Klage erhoben. Einer nochmaligen Feststellung der Forderung i. S. v. § 251
Abs. 3 AO bedurfte es vor diesem Hintergrund nicht. Der Kläger hat vielmehr diese
unanfechtbar festgesetzte Zinsforderung im Prüftermin vor dem Amtsgericht Bonn am 5.
August 2004 unzutreffender Weise bestritten.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§
708 Nr. 11 und 711 ZPO.
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