Urteil des VG Köln vom 27.08.2010

VG Köln (daten, anordnung, aufschiebende wirkung, antrag, unternehmen, überwiegende wahrscheinlichkeit, prüfung, interessenabwägung, ermittlung, interesse)

Verwaltungsgericht Köln, 21 L 1129/10
Datum:
27.08.2010
Gericht:
Verwaltungsgericht Köln
Spruchkörper:
21. Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
21 L 1129/10
Tenor:
Der Antrag wird abgelehnt. Die Antragstellerin trägt die Kosten des
Verfahrens.
Der Streitwert wird auf 25.000,00 Euro festgesetzt.
Gründe
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Der Antrag,
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die aufschiebende Wirkung der Klage 21 K 3308/10 gegen den Beschluss der
Antragsgegnerin vom 30. April 2010 (Az.: BK 3a-10/031) anzuordnen,
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ist zulässig, jedoch nicht begründet.
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Die im Rahmen des § 80 Abs. 5 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO -
vorzunehmende Abwägung der widerstreitenden Interessen fällt zum Nachteil der
Antragstellerin aus. Bei dieser Abwägung bleibt die gerichtliche Prüfung im Rahmen
des vorliegenden Verfahrens über den Antrag auf Gewährung vorläufigen
Rechtsschutzes vornehmlich auf solche Einwendungen beschränkt, die der
Rechtsschutzsuchende geltend macht, es sei denn, sonstige Mängel der angegriffenen
Behördenentscheidung stellen sich bei summarischer Prüfung als offensichtlich dar. Die
mit der Klage 21 K 3308/10 angefochtene Anordnung zur Ausgestaltung der
Kostenrechnung erweist sich weder aus den von der Antragstellerin vorgetragenen
Einwendungen - auch unter Berücksichtigung des von ihr vorgelegten Ökonomischen
Gutachtens zur Ermittlung der Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung nach dem
elektronischen Kostennachweis (EKN) der Bundesnetzagentur vom 06. August 2010 -
noch aus sonstigen Gründen als offensichtlich rechtswidrig; ebenso wenig kann auf der
Grundlage der im Rahmen des vorliegenden Verfahrens vorgenommenen
summarischen Prüfung festgestellt werden, dass die angegriffene Regelung
offensichtlich rechtmäßig ist und die dagegen gerichtete Klage der Antragstellerin
deshalb als aussichtslos zu bezeichnen wäre. Die danach unabhängig von den
Erfolgsaussichten der Klage vorzunehmende Abwägung der widerstreitenden
Interessen geht zum Nachteil der Antragstellerin aus.
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Vorliegend wird die Antragstellerin durch den angefochtenen Beschluss verpflichtet, zur
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Vorbereitung des nächsten Genehmigungsantrages ihre Kostenrechnung für die
Terminierungsentgelte nach Maßgabe des auf dem dem Beschluss anliegenden
Datenträger gespeicherten Kalkulationsschemas auszugestalten. Um der
Bundesnetzagentur die Möglichkeit einer betreiberübergreifenden Effizienzprüfung im
Rahmen des anstehenden Entgeltgenehmigungsverfahrens zu eröffnen, sind bestimmte
unternehmensspezifische Kostendaten (Primärdaten) strukturell normiert von allen
Mobilfunknetzbetreibern gleichermaßen - also ohne individuelle Wahlmöglichkeit - in
das vorgegebene Kalkulationsschema einzutragen. Die verbindliche Aufbereitung,
Eingabe und Zuordnung von Daten und Werten bezieht sich dabei auf die
vorgegebenen Unternehmensfunktionen, die Struktur der Netzelemente, die Struktur der
Kostenarten und die Abgrenzung der Dienste.
Der Antragstellerin wird allerdings gemäß Ziffer 1 Satz 2 des Beschlusstenors anheim
gestellt, das Schema um Indexreihen und um (weitere) Übertragungsverfahren zu
ergänzen, sowie im Schema eingesetzte Routingfaktorwerte, Übertragungsratenwerte,
Sprachkanalwerte und die Formeln zur Berechnung der Annuitäten und zur
Datenumrechnung in äquivalente Sprachminuten zu ändern. Der vorgegebene Zuschnitt
von Unternehmensfunktionen, Netzelementen, Kostenarten und Diensten darf allerdings
nicht verändert werden.
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Werden in das Schema zusätzliche, bislang nicht zur Ausfüllung vorgesehene Zellen,
Spalten, Zeilen und Tabellenblätter eingefügt, ist die Antragstellerin gemäß Ziffer 2 des
Beschlusstenors verpflichtet, das auf dem Datenträger gespeicherte
Kalkulationsschema in einem Doppel ohne diese Einfügungen auszufüllen.
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Die ausgefüllten Kalkulationsschemata sind der Bundesnetzagentur gemäß Ziffer 3 des
Beschlusstenors auf Datenträgern als Bestandteil der Kostenunterlagen nach § 33 TKG
und gemäß der Fristvorgabe des § 31 Abs. 5 Satz 2 TKG zu übermitteln.
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Gemäß Ziffer 4 des Beschlusses bleibt es der Antragstellerin unbenommen, der
Bundesnetzagentur über die ausgefüllten Kalkulationsschemata hinaus einen von ihr
selbst konzipierten Kostennachweis vorzulegen.
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Es ist bereits offen, auf welche Rechtsgrundlage die an die Antragstellerin gerichtete
Anordnung gestützt werden kann.
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Die Antragsgegnerin stützt ihre Anordnung zur Ausgestaltung der Kostenrechnung auf §
29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Satz 2 TKG. Danach kann die Bundesnetzagentur im
Rahmen oder zur Vorbereitung von Verfahren der Entgeltregulierung anordnen, dass
ein Unternehmen mit beträchtlicher Marktmacht die Kostenrechnung in einer Form
ausgestaltet, die es der Bundesnetzagentur ermöglicht, die für die Entgeltregulierung auf
Grund dieses Gesetzes notwendigen Daten zu erlangen. Die Bundesnetzagentur kann
zusätzlich die Übermittlung der Unterlagen auf Datenträgern anordnen.
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Aus Wortlaut und Systematik des § 29 TKG könnte sich ergeben, dass der
Anwendungsbereich des § 29 Abs. 1 TKG auf solche Anordnungen beschränkt ist, die
sich auf Vorgaben für die spezifische Ausgestaltung bzw. Form der Kostenrechnung
beziehen und sich nicht auch auf solche Anordnungen erstreckt, die die Methodik der
Kostenermittlung und -berechnung betreffen. Dafür spricht, dass § 29 Abs. 1 Satz 1 TKG
möglicherweise redundant wäre, wenn man unter "Form der Kostenrechnung" auch
Anordnungen zur Kostenrechnungsmethodik verstehen würde, denn solche werden
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ausdrücklich von § 29 Abs. 2 TKG erfasst. Vor diesem Hintergrund gewinnt der Umstand
Bedeutung, dass es in der Tat zweifelhaft ist, ob sich die hier getroffenen Anordnungen
in der Vorgabe einer formellen Ausgestaltung der Kostenrechnung erschöpfen oder ob
sie nicht vielmehr (auch) Verpflichtungen in Bezug auf Kostenrechnungsmethoden
beinhalten.
In der Tat werden mit dem Kalkulationsschema nicht nur Unterlagen und Angaben zu
ausgewählten Parametern abgefragt, sondern Daten in einem System angefordert, in
das unternehmensspezifische Kostendaten von allen Mobilfunknetzbetreibern
gleichermaßen einzutragen sind, was damit zu einer verbindlichen Aufbereitung,
Eingabe und Zuordnung von Daten und Werten durch die regulierten
Mobilfunknetzbetreiber führt. Insoweit ist möglicherweise auch die Art und Weise der
Ermittlung der Daten durch das vorgeschriebene Kostenschema betroffen, denn die
einzutragenden Daten müssen nicht zwingend den Daten und Werten entsprechen, wie
sie sich in den unternehmenseigenen Kostenrechnungssystemen finden. Denkbar ist
deswegen, dass die bei den Mobilfunkunternehmen vorhandenen Daten nicht lediglich
unverändert in das angeordnete Kalkulationsschema eingegeben werden können. Ob
das Kalkulationsschema Vorgaben dieser Art enthält und ob Vorgaben mit dieser
Reichweite noch vom Anwendungsbereich des § 29 Abs. 1 TKG umfasst sind, ist offen
und ggf. im Hauptsacheverfahren zu entscheiden.
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Aber selbst wenn die getroffenen Anordnungen - ganz oder teilweise - nicht auf § 29
Abs. 1 TKG gestützt werden könnten, führte dieser Umstand allein noch nicht zum Erfolg
der Antragstellerin im Hauptsacheverfahren. Es ist nämlich nicht auszuschließen, dass
die vorliegenden Anordnungen dann rechtsfehlerfrei auch auf § 29 Abs. 2 Satz 1 TKG
gestützt werden könnten. Hiernach kann die Regulierungsbehörde einem Unternehmen
mit beträchtlicher Marktmacht Verpflichtungen in Bezug auf Kostenrechnungsmethoden
erteilen. Insbesondere ist nicht offensichtlich auszuschließen, dass die von der
Antragsgegnerin im Rahmen des § 29 Abs. 1 TKG angestellten Ermessenserwägungen
- beide Vorschriften setzen eine ermessensfehlerfreie Entscheidung voraus -, nicht auch
eine Entscheidung nach § 29 Abs. 2 TKG tragen könnten.
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So ist insbesondere die Annahme der Antragsgegnerin, dass die getroffenen
Maßnahmen gemessen am Ermächtigungszweck des § 29 TKG geeignet und
erforderlich sind, ihr die Durchführung des Entgeltregulierungsverfahrens zu erleichtern,
nicht offensichtlich ermessensfehlerhaft.
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Zweck der Ermächtigungen in § 29 TKG Abs. 1 und 2 TKG ist es, die Durchführung von
Entgeltregulierungsverfahren zu erleichtern. Wie in der Gesetzesbegründung
festgehalten worden ist, setzen Entgeltregulierungsmaßnahmen seitens der
Regulierungsbehörde einen bestimmten Kenntnisstand voraus. Ohne Zugriff auf
umfassende Informationen über Kosten, Umsatzzahlen etc. ist vor dem Hintergrund
existierender Informationsasymmetrien zwischen Regulierungsbehörde und regulierten
Unternehmen eine sachgerechte Entgeltregulierung nicht möglich. Wesentliche
Informationen können nämlich nur der internen Kostenrechnung entnommen werden.
Insoweit und in Umsetzung von Art. 13 Abs. 1 und 4 der Richtlinie 2002/19/EG des
Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. März 2002 über den Zugang zu
elektronischen Kommunikationsnetzen und zugehörigen Einrichtungen sowie deren
Zusammenschaltung (Zugangsrichtlinie) und Art. 17 der Richtlinie 2002/22/EG des
Europäischen Parlaments und des Rates über den Universaldienst und Nutzerrechte
bei elektronischen Kommunikationsnetzen und - diensten (Universaldienstrichtlinie)
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wurde es als erforderlich angesehen, dass die Regulierungsbehörde Unternehmen mit
beträchtlicher Marktmacht angemessene und geeignete Auflagen zur Ausgestaltung der
Kostenrechnungssysteme machen kann,
vgl. BT-Drs. 15/2316 S. 67 f..
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Dass die weitere Erwägung der Antragsgegnerin, dass sie aufgrund der
unterschiedlichen Strukturen der Kostendarstellung der vier Mobilfunknetzbetreiber nicht
hinreichend in der Lage sei, den von ihr für erforderlich gehaltenen
unternehmensübergreifenden Effizienzmaßstab zu entwickeln und zu überprüfen, das
hier angeordnete einheitliche Kalkulationsschema zu rechtfertigen vermag, ist ebenfalls
nicht offensichtlich auszuschließen,
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vgl. hierzu Beschluss der Kammer vom 30. Juli 2010 - 21 L 797/10 -.
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Dass der Elektronische Kostennachweis, wie die Antragstellerin unter Bezugnahme auf
die entsprechenden Ausführungen in dem von ihr eingeholten Ökonomischen
Gutachten vom 06. August 2010 vorträgt, aufgrund seiner konkreten Ausgestaltung
offensichtlich nicht geeignet sein soll, dieses Ziel zu erreichen, erschließt sich der
Kammer aufgrund der hier nur möglichen summarischen Überprüfbarkeit nicht. Ob die
im Rahmen dieses Problembereichs angestellten Erwägungen im Einzelnen zutreffen,
bedarf vertiefter rechtlicher Überprüfung, die nicht in der zur Entscheidung
verbleibenden Zeit erfolgen kann. Der vorliegende Antrag wurde erst am 06. August
2010 bei Gericht anhängig gemacht, obwohl der angegriffene Beschluss vom 30. April
2010 der Antragstellerin bereits am 04. Mai 2010 zugestellt worden war und der
elektronische Kostennachweis bis zum 21. September 2010 bei der Antragsgegnerin
vorzulegen ist.
21
Die Antragsgegnerin hat auch das ihr obliegende Ermessen nicht offensichtlich
fehlerhaft ausgeübt.
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Die Antragstellerin ist diesbezüglich der Ansicht, dass die Antragsgegnerin das ihr
durch § 29 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 TKG eingeräumte Ermessen nicht fehlerfrei ausgeübt
habe. Aus dem von ihr vorgelegten Ökonomischen Gutachten vom 06. August 2010
ergebe sich vielmehr, dass die Ausgestaltung des Elektronischen Kostennachweises
nicht geeignet sei, es der Antragsgegnerin zu ermöglichen, die für die
Entgeltgenehmigung auf Grund des Telekommunikationsgesetzes notwendigen Daten
zu erlangen. Gestützt wird diese Annahme im Wesentlichen darauf, dass der
methodische Ansatz der Antragsgegnerin, den Elektronischen Kostennachweis als Top-
Down-Modell auszugestalten, nicht geeignet sei, die Kosten der effizienten
Leistungsbereitstellung der Antragstellerin zutreffend zu ermitteln. Ferner führe die von
der Antragsgegnerin vorgegebene Annuitätenformel zur Bestimmung der jährlichen
Kapitalkosten zu Ergebnissen, auf deren Grundlage die Kosten der effizienten
Leistungsbereitstellung der Sprachterminierungsleistungen der Antragstellerin nicht
sachgerecht ermittelt werden könnten. Außerdem ermögliche die Ausgestaltung des
Elektronischen Kostennachweises bezüglich der Routingfaktoren keine sachgerechte
Aufteilung der Kosten auf die Dienste der Antragstellerin, und die Umrechnung des
Datenverkehrs in Sprachminutenäquivalente führe nur zu einer verzerrten Ermittlung der
Kosten der Sprachterminierung. Schließlich seien die Ergebnisse, die sich bei
Verwendung des Elektronischen Kostennachweises ergäben, offensichtlich nicht
geeignet, einen chancengleichen Wettbewerb i.S.d. § 2 Abs. 2 Nr. 2 TKG
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sicherzustellen, und die Verwendung des Elektronischen Kostennachweises führe
ferner zu Ergebnissen, die in offensichtlichem Widerspruch zu dem in § 1 TKG
niedergelegten Grundsatz der technologieneutralen Regulierung stehe.
Allein der Umfang der hier angesprochenen Problembereiche zeigt, dass die damit
verbundenen Fragen sich nicht abschließend im vorliegenden summarischen Verfahren
beantworten lassen, sondern vertiefter Prüfung im Hauptsacheverfahren -
gegebenenfalls sogar unter Inanspruchnahme sachverständiger Hilfe - bedürfen.
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Die wegen des hiernach nicht hinreichend verlässlich abschätzbaren Ausgangs des
Hauptsacheverfahrens erforderliche, von den Erfolgsaussichten der Klage losgelöste
Abwägung zwischen dem Interesse der Antragstellerin an der aufschiebenden Wirkung
der Klage einerseits und dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit der
angegriffenen Regelung andererseits geht zu Ungunsten der Antragstellerin aus.
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Bei dieser Interessenabwägung ist der Rechtsschutzanspruch umso stärker und darf
umso weniger zurückstehen, je schwerer die dem Betroffenen auferlegte Belastung
wiegt und je mehr die Maßnahmen der Verwaltung Unabänderliches bewirken.
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BVerwG, Beschluss vom 14. April 2005 - 4 VR 1005.04 -, Buchholz 310 § 80 VwGO Nr.
69.
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Für die vorzunehmende Interessenabwägung ist allerdings eine gesetzgeberische
Wertentscheidung für den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung, wie sie auch hier in
Gestalt des § 137 Abs. 1 TKG vorliegt, von erheblicher Bedeutung. Um eine
Entscheidung zu rechtfertigen, die zu einer Abweichung von dem durch den
Gesetzgeber angeordneten grundsätzlichen Vorrang des Vollziehungsinteresses führt,
bedarf es besonderer Umstände. Dabei ist das Gericht zu einer Einzelfallbetrachtung
grundsätzlich nur im Hinblick auf solche Umstände angehalten, die von den Beteiligten
vorgetragen werden und die Annahme rechtfertigen können, dass im konkreten Fall von
der gesetzgeberischen Grundentscheidung ausnahmsweise abzuweichen ist.
Dementsprechend muss der Antragsteller die Wertung des Gesetzgebers mit
Besonderheiten seiner Situation entkräften und Wege aufzeigen, die gleichwohl den
öffentlichen Belangen noch Rechnung tragen. Dabei sind die Folgen, die sich für die
Antragstellerin mit dem Sofortvollzug verbinden, nur insoweit beachtlich, als sie nicht
schon als regelmäßige Folge der gesetzlichen Anordnung des Sofortvollzugs in der
gesetzgeberischen Grundentscheidung Berücksichtigung gefunden haben.
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Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 10. Oktober 2003 - 1 BvR 2025/03 -, NVwZ
2004, 93.
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Ausgehend von diesem Maßstab ergibt sich, dass die Nachteile, die voraussichtlich für
die Antragstellerin eintreten werden, wenn der vorliegende Antrag abgelehnt wird, die
Klage jedoch später Erfolg hat, nicht die nachteiligen Folgen für das öffentliche
Interesse überwiegen, die sich ergeben, wenn dem Aussetzungsantrag stattgegeben,
die Klage später hingegen abgewiesen würde.
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Insbesondere liegen - bei einer Gesamtbetrachtung der von der Antragstellerin geltend
gemachten Nachteile - keine solchen außergewöhnlichen Umstände vor, die sogar ein
Abweichen von dem regelmäßig im Rahmen der Prüfung des § 80 Abs. 5 VwGO
anzuwendenden Prüfungsmaßstabs rechtfertigen würden, wie dies die Antragstellerin
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fordert.
Betrachtet man isoliert allein die Nachteile für die Antragstellerin, die ihr durch die
Befolgung der streitgegenständlichen Anordnung drohen könnten, wie z.B. einen
erhöhten finanziellen und personellen Aufwand für die Erstellung des Elektronischen
Kostennachweises, die sich beim Obsiegen im Hauptsacheverfahren als nutzlos
erweisen könnten, so wurden entsprechende Gründe von ihr weder vorgetragen noch
beziffert.
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Was die darüber hinausgehenden Befürchtungen der Antragstellerin anbetrifft, dass
nämlich die "Spruchpraxis der Kammer" im Widerspruch zu dem Erfordernis der
Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes gemäß Art. 19 Abs. 4 GG stehe und sie
hierdurch unzumutbare Nachteile erleide, wenn sie die streitgegenständliche
Anordnung befolgen müsse, sind diese nicht begründet.
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Bei der vom Gericht bei offenen Erfolgsaussichten der Hauptsacheklage zu treffenden
Interessenabwägung ist - entgegen der Ansicht der Antragstellerin - zu berücksichtigen,
dass die Antragstellerin auf der Grundlage der streitgegenständlichen Anordnung nur
zur Aufbereitung und Offenlegung von Daten verpflichtet wird. Sie kann die auf der
Grundlage dieser Daten erteilte Entgeltgenehmigung ohne Einschränkungen zur
gerichtlichen Überprüfung stellen, wenn sie der Auffassung ist, dass sie an relevanten
Rechtsfehlern leidet. Der Einwand, dass die mit dem Elektronischen Kostennachweis
erhobenen Daten bzw. die von der Antragsgegnerin gewählte Methodik insgesamt zur
Ermittlung der Kosten der effizienten Leistungsbereitstellung ihres Unternehmens
ungeeignet sind, ist ihr schon deshalb nicht verschlossen, da insoweit die angegriffene
Verfügung die Möglichkeit ergänzender Angaben ausdrücklich offen lässt.
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Dies führt auch nicht zu einer Verkürzung eines effektiven Rechtsschutzes gemäß Art.
19 Abs. 4 GG. Insbesondere führt nicht die "Spruchpraxis der Kammer" zu den von der
Antragstellerin befürchteten Folgen, sondern diese ergeben sich, wenn überhaupt, aus
der gesetzlichen Regelung des § 35 Abs. 5 TKG. Nach Satz 2 dieser Vorschrift kann
das Gericht im Verfahren nach § 123 VwGO die vorläufige Zahlung eines beantragten
höheren Entgeltes - mit der möglichen Rückwirkung im Sinne des § 35 Abs. 5 Satz 3
TKG - nämlich nur anordnen, wenn überwiegend wahrscheinlich ist, dass der Anspruch
auf die Genehmigung des höheren Entgeltes besteht. Diese vom Gesetz geforderte
überwiegende Wahrscheinlichkeit ist vom antragstellenden Unternehmen glaubhaft zu
machen.
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Darüber hinaus basieren die von der Antragstellerin befürchteten Nachteile auf
Vermutungen, die bei der hier vorzunehmenden Interessenabwägung nicht
berücksichtigt werden können. Ob nämlich die Verwendung des von der Antragstellerin
vorgeschriebenen Elektronischen Kostennachweises zu der Genehmigung eines
niedrigeren Entgeltes führen wird als bei der Vorlage von Kostenunterlagen, die die
Antragstellerin selbst erstellt hat, bzw. - wie bei den vorangegangenen
Entgeltgenehmigungen - bei einer Vergleichsmarktbetrachtung, ist genauso offen wie
die Frage, ob - im Falle der Genehmigung eines niedrigeren Entgeltes als dem
beantragten - ein Antrag auf Anordnung höherer Entgelte erfolgreich sein wird oder
nicht.
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Demgegenüber überwiegt das öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung der
sofortigen Vollziehbarkeit des angegriffenen Beschlusses, wenn man die Folgen in den
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Blick nimmt, die sich ergeben, wenn dem vorliegenden Antrag entsprochen würde, die
Klage gegen die angegriffene Zugangsanordnung jedoch erfolglos bliebe. In diesem
Falle bestünde nämlich die Gefahr, dass das anstehende Entgeltregulierungsverfahren
nicht in der gebotenen Weise transparent und effektiv durchgeführt werden könnte. Dies
liefe den Interessen des Wettbewerbs und somit letztlich auch den Interessen der
Verbraucher an einer effektiven Entgeltregulierung auf einer belastbaren Datenbasis
zuwider.
Von besonderem Gewicht ist in diesem Zusammenhang auch, dass in Anbetracht der
für die Vorlage des Elektronischen Kostennachweises noch verbleibenden Frist bis zum
21. September 2010 davon auszugehen ist, dass die mit der Antragstellerin am Markt
konkurrierenden Mobilfunkunternehmen - ebenso wie die Antragstellerin selbst auch - in
ihren Vorbereitungen zur Erstellung des Kostennachweises bereits weit fortgeschritten
sein dürften, zumal das Gericht einen entsprechenden gegen die Pflicht zur Vorlage des
Kostennachweises gerichteten Antrag eines dieser Unternehmen mit Beschluss vom 30.
Juli 2010 (21 L 797/10) abgelehnt und damit insoweit eine gewisse Rechtssicherheit
bereits hergestellt hat. Die von diesen Unternehmen zur Vorbereitung des
Kostennachweises bereits getätigten Aufwendungen würden bei einem Erfolg des
vorliegenden Antrags der Antragstellerin weitgehend entwertet, ganz abgesehen davon,
dass das anstehende Genehmigungsverfahren massiv erschwert würde, wenn nunmehr
- einige Wochen vor Ablauf der gesetzten Frist - bei den betroffenen Unternehmen
Unsicherheiten über Art und Umfang der vorzulegenden Kostennachweise entstehen
würden. Auch in diesem Zusammenhang fällt bei der Interessenabwägung ins Gewicht,
dass die Antragstellerin zur Vermeidung bzw. Verminderung dieser Nachteile ihre
Einwendungen gegen den Elektronischen Kostennachweis deutlich früher in einem
gerichtlichen Verfahren hätte geltend machen können.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
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Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz.
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Dieser Beschluss ist nach § 137 Abs. 3 Satz 1 TKG unanfechtbar.
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