Urteil des VG Köln vom 04.02.2009

VG Köln: spieleinsatz, bemessungsgrundlage, ausübung der option, stadt, satzung, vergnügungssteuer, wahlrecht, vorverfahren, gerät, dokumentation

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Verwaltungsgericht Köln, 23 K 3799/08
04.02.2009
Verwaltungsgericht Köln
23. Kammer
Urteil
23 K 3799/08
Der Abänderungsbescheid des Beklagten vom 05.09.2007 und der
Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 30.04.2008 werden
aufgehoben.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren wird für
notwendig erklärt.
Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung der Klägerin in
Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig
vollstreckbar.
T a t b e s t a n d:
Die Klägerin stellt in der Stadt Köln unter anderem Geldspielgeräte mit Gewinnmöglichkeit
auf. Mit Vergnügungssteuerbescheiden vom 12.01.2004 und 07.01.2005 setzte der
Beklagte ausgehend vom sogenannten Stückzahlmaßstab (pro Gerät und Monat in
Spielhallen 235,00 EUR bis einschließlich April 2004, danach 245,00 EUR) die
Vergnügungssteuer für Geräte mit Gewinnmöglichkeit in Spielhallen gegenüber der
Klägerin für das Jahr 2004 auf 203.040,00 EUR und für das Jahr 2005 auf 211.680,00 EUR
fest. Die Klägerin legte jeweils Widerspruch ein. Mit der Rückwirkenden Satzung zur
Besteuerung des Spielvergnügens an Geldspielgeräten im Gebiet der Stadt Köln vom 16.
Dezember 2005 regelte der Rat der Stadt Köln, dass Bemessungsgrundlage der Steuer auf
Geldspielgeräte nunmehr der Spieleinsatz sei, für den Zeitraum vom 01.01.2003 bis
31.12.2005. Die Widersprüche der Klägerin betreffend die Vergnügungssteuer 2004 und
2005 wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 22.01.2007 zurück und berichtigte
die bisherige Vergnügungssteuerfestsetzung betreffend Geldspielgeräte auf der Basis einer
Schätzung des Spieleinsatzes auf 233.280,00 EUR sowohl für das Jahr 2004 als auch für
das Jahr 2005. Die Klägerin erhob Klage vor dem erkennenden Gericht, Az: 23 K 970/07.
Mit der zweiten Änderungssatzung vom 07.05.2007 wurde in der Rückwirkenden Satzung
zur Besteuerung des Spielvergnügens an Geldspielgeräten im Gebiet der Stadt Köln vom
16.12.2005 hinsichtlich der Bemessungsgrundlage der Steuer am Spieleinsatz
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festgehalten. In Fällen, in denen der angemeldete Verpflichtete diesen jedoch nicht erkläre,
gelte als Spieleinsatz das 2,6157-fache des Einspielergebnisses. Die Steuer dürfe den für
die betreffenden Veranlagungszeiträume nach dem Stückzahlmaßstab festgesetzten
Betrag jedoch nicht übersteigen.
Mit Schreiben vom 03.05.2007 teilte die Klägerin mit, im Jahr 2004 habe das
durchschnittliche monatliche Brutto-Einspielergebnis pro Gerät in Spielhallen in Köln
2395,49 EUR betragen, im Jahr 2005 2291,44 EUR. Betrieben worden seien 71 bzw. 76
Geräte. Die Angabe des Spieleinsatzes sei für diese Zeit nicht möglich, weil es sich um
sogenannte Geräte nach alter Spielverordnung (SpielV) handele. Hinsichtlich eines
Geldspielgerätes nach neuer SpielV würde die 5 %ige Spieleinsatzsteuer hinsichtlich der
Geräte der Klägerin des Modells "La Ola" zu einer durchschnittlichen Steuerbelastung
zwischen 23,12 % und 39,39 % des Einspielergebnisses führen.
Mit Abänderungsbescheid vom 05.09.2007 berichtigte der Beklagte die angefochtenen
Steuerbescheide vom 12.01.2004 und 07.01.2005 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 22.01.2007 insofern, als die Vergnügungssteuer für
Apparate mit Gewinnmöglichkeit auf der Basis der geänderten Satzung nach den für die
Nutzung der Geräte aufgewendeten Beträgen (Spieleinsatz) berechnet und im Wege der
Schätzung für 2004 auf 203.040,00 EUR und für 2005 auf 211.680,00 EUR festgesetzt
wurde. Zur Begründung führte der Beklagte aus, die Klägerin habe auf seine Nachfrage
den Spieleinsatz der von ihr im Kölner Stadtgebiet betriebenen Geldspielgeräte nicht
erklärt. Auf Basis des von ihr mitgeteilten durchschnittlichen Einspielergebnisses ergebe
sich für das Jahr 2004 eine Steuer von 313,30 EUR und für das Jahr 2005 von 299,69 EUR
pro Gerät und Monat. Über die nach dem Stückzahlmaßstab festgesetzten Beträge
hinausgehende Forderungen würden nicht erhoben. Die Klägerin legte Widerspruch gegen
diesen Abänderungsbescheid ein. Zu dessen Begründung führte sie an, die
Schätzungsgrundlagen seien unzutreffend, da schon die zugrunde gelegten monatlichen
Einspielergebnisse nicht mit den Zahlen übereinstimmten, die sie mitgeteilt habe.
Die Klage 23 K 970/07 hingegen erklärten die Beteiligten übereinstimmend in der
Hauptsache für erledigt.
Mit Widerspruchsbescheid vom 30.04.2008 wies der Beklagte den Widerspruch gegen den
Abänderungsbescheid vom 04.09.2007 zurück. Die Verwendung des von der Klägerin
übermittelten Zahlenmaterials entspreche dem Prinzip der größten Wahrscheinlichkeit und
Wirklichkeitsnähe, so dass die Schätzung der Besteuerungsgrundlagen sachgerecht erfolgt
sei.
Die Klägerin hat am 04.06.2008 Klage erhoben. Zur Begründung führt sie aus, die vom
Beklagten rückwirkend gewählte Besteuerung nach dem Spieleinsatz sei ein rechtlich
ungeeigneter Maßstab, da davon ausgegangen werden müsse, dass einer nicht bekannten
Anzahl von Steuerpflichtigen durch die Besteuerung Unmögliches abverlangt werde und
der Beklagte in diesen Fällen die satzungsmäßige Bemessungsgrundlage auch nicht auf
anderem Wege ermitteln könne. Der Spieleinsatz sei in den Jahren 2004 und 2005 von
einer Vielzahl der aufgestellten Geräte überhaupt nicht erfasst und gespeichert worden. Die
Aufsteller seien in diesen Jahren lediglich zur Dokumentation des Einspielergebnisses,
nicht aber des Spieleinsatzes verpflichtet gewesen.
Die Klägerin beantragt,
den Abänderungsbescheid des Beklagten vom 05.09.2007 und den Widerspruchsbescheid
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des Beklagten vom 30.04.2008 aufzuheben sowie
die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen. Zur Begründung führt er aus, die Klägerin sei darauf hingewiesen
worden, statt des Spieleinsatzes könne auch das Einspielergebnis mitgeteilt werden. Zu
dessen Dokumentation sei sie verpflichtet gewesen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug
genommen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:
Die Klage hat in vollem Umfange Erfolg.
Die Anfechtungsklage ist zulässig. Der Abänderungsbescheid des Beklagten vom
05.09.2007 und der Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 30.04.2008 enthalten
unzweifelhaft eine selbstständige Beschwer. Der Beklagte hat der
Vergnügungssteuerfestsetzung darin nämlich (anders als in den zuvor angefochtenen
Steuerbescheiden vom 12.01.2004 und 07.01.2005, jeweils in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 22.01.2007) eine Schätzung des Einspielergebnisses und
nicht mehr des Spieleinsatzes zugrundegelegt. Er hat das Steuerverhältnis aufgrund
geänderter Satzungslage vollständig neu geprüft und geregelt.
Die Klage ist auch begründet. Die Vergnügungssteuerfestsetzung durch den
Abänderungsbescheid vom 05.09.2007 und den Widerspruchsbescheid vom 30.04.2008 ist
rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1
Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Die festgesetzte Steuerforderung für die Veranlagungsjahre 2004 und 2005 in Höhe von
zusammen 414.720,00 EUR wird zwar gestützt auf die Bestimmungen der §§ 2, 3, 4, 7 und
13 der Rückwirkenden Satzung zur Besteuerung des Spielvergnügens an
Geldspielgeräten im Gebiet der Stadt Köln vom 16.12.2005 in der Fassung der 2.
Änderungssatzung vom 07.05.2007 (RVStS). Die Regelung über die
Bemessungsgrundlage (§ 3 RVStS) ist allerdings unwirksam.
Zwar hat der Antragsgegner Bedenken gegen den zuvor verwendeten Stückzahlmaßstab
in § 3 RVStS Rechnung getragen. § 3 RVStS legt nunmehr in seinem Absatz 1 Satz 1 den
Spieleinsatz als die Bemessungsgrundlage der Vergnügungssteuer auf Geldspielgeräte für
den hier maßgeblichen Zeitraum bis Ende 2005 fest. § 3 Abs. 2 Satz 1 RVStS regelt -
Bedenken gegen die Möglichkeit der Ermittlung des Spieleinsatzes für diesen Zeitraum
aufgreifend - jedoch: Erklärt der Anmeldeverpflichtete für einzelne oder mehrere
Spielgeräte den Spieleinsatz nicht, gilt als Spieleinsatz das 2,6157-fache des
Einspielergebnisses.
Darin liegt ein Verstoß gegen den Grundsatz der Steuergerechtigkeit als Ausprägung des
Gleichheitsgrundsatzes des Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz. § 3 Abs. 2 Satz 1 RVStS ist nämlich
grundsätzlich geeignet, einzelne Aufsteller gegenüber anderen zu benachteiligen.
Eine Option/ein Wahlrecht, die/das ohne sachlichen Grund ggf. zu einer systemfremden
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partiellen Steuerfreistellung führt, verletzt den Gleichheitsgrundsatz,
vgl. Hessischer VGH, Beschluss vom 23.10.2007 - 5 TG 1924/07 - , HGZ 2007, 395; VG
Arnsberg, Urteil vom 24.04.2008 - 5 K 2713/06 -, juris-Dokument Rn. 85.
So verhält es sich hier. Nach dem Wortlaut des § 3 Abs. 2 Satz 1 RVStS kann ohne
zwingende Notwendigkeit ein entsprechend technisch ausgestatteter Automatenaufsteller
ggf. durch Ausübung der Option der Nichtangabe des realen Spieleinsatzes gezielt seine
Steuerverpflichtung gegenüber der sich nach der Bemessungsgrundlage des ihm
bekannten realen Spieleinsatzes ergebenden Vergnügungssteuer verringern.
§ 3 Abs. 2 Satz 1 RVStS räumt einem Teil der Automatenaufsteller effektiv ein allgemeines
Wahlrecht zwischen zwei Berechnungsmethoden des zu besteuernden Spieleraufwandes
ein, das sie für jeden einzelnen Geldspielautomaten und für jeden einzelnen Monat
fortlaufend ausüben können, und zwar über 36 Monate (Geltungsdauer der RVStS vom
01.01.2003 bis zum 31.12.2005 - § 13 RVStS i.V.m. § 15 der Satzung zur Besteuerung des
Spielvergnügens an Spielgeräten im Gebiet der Stadt Köln vom 16. Dezember 2005 (VStS)
in der Fassung der 4. Satzung zur Änderung der Satzung zur Besteuerung des
Spielvergnügens an Spielgeräten im Gebiet der Stadt Köln vom 12. März 2008). Effektiv
ausüben kann es jeder Automatenaufsteller, der sowohl das Einspielergebnis seiner
Automaten als auch den daran getätigten Spieleinsatz kennt. Zur Ausübung genügt die
bloße Nichtmitteilung des bekannten realen Spieleinsatzes für einzelne Monate und
Geräte, führt sie doch zu einer fiktiven Spieleinsatzberechnung nach dem 2,6157- fachen
Einspielergebnis. Ein echtes Wahlrecht wird begründet, da § 3 Abs. 2 Satz 1 RVStS die
Berechnung aufgrund eines aus dem Einspielergebnis hergeleiteten fiktiven Spieleinsatzes
nicht auf solche Geldspielgeräte beschränkt, die den Spieleinsatz nicht oder nur erschwert
dokumentieren können.
Die Größenordnung der potentiellen finanziellen Vorteile durch Ausübung des Wahlrechts
ergibt sich bei den Geräten, die auf der Grundlage der bis zum 31.12.2005 geltenden
Spielverordnung (SpielV 1962) zugelassen worden sind (Altgeräte), aus § 13 Nr. 6 SpielV
1962. Dort war als Voraussetzung für die Zulassung nur eine Mindestauszahlquote von 60
% geregelt. Die Einstellung einer höheren Auszahlquote war möglich und auch allgemein
üblich,
vgl. Stellungnahme der Spitzenverbände der Deutschen Unterhaltungsautomatenwirtschaft
vom 02.03.2006 im Rahmen der öffentlichen Anhörung des Finanzausschusses des
Deutschen Bundestages am 08.03.2006, (www.bundestag.de), Punkt 14: Geräte nach der
alten SpielV: 66,7 %, Geräte nach der neuen SpielV: 85 %.
Bei einer Auszahlungsquote von 60 % verbleiben vom Spieleinsatz (100 %) als
Einspielergebnis 40 %. Der zutreffende Faktor zur Ermittlung des Spieleinsatzes aus dem
Einspielergebnis wäre dann 2,5 (40% x 2,5 = 100%). Der Beklagte hat ausweislich des
Beschlussvorschlages für die RVStS (Ratsvorlage) eine durchschnittliche
Auszahlungsquote von 61,77 % ermittelt, also ein Einspielergebnis von 38,23 % des
Spieleinsatzes und somit den durchschnittlich zutreffenden Faktor zur Ermittlung des
Spieleinsatzes aus dem Einspielergebnis von 2,6157 (38,23 % x 2,6157 = rund 100%). Die
durchschnittliche Auszahlungsquote lag beispielsweise in Aachen bei rund 70 %, der
Faktor zur Ermittlung des Spieleinsatzes aus dem Einspielergebnis liegt dort bei rund 3,5,
VG Aachen, Urteil vom 14.02.2008 - 4 K 743/07 -, juris-Dokument Rn. 63.
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In Hamburg hat der Gesetzgeber sogar einen Faktor von 4 angesetzt, § 12 Abs. 1 Satz 1
des Hamburgischen Spielvergnügungsteuergesetzes vom 29.09.2005 i.d.F. des Gesetzes
zur Änderung des Hamburgischen Spielvergnügungsteuergesetzes vom 06.10.2006
(HmbSpVStG), der sich nur bei einer Auszahlungsquote von 75 % ergibt (Einspielergebnis
dann 25 % des Spieleinsatzes; 25 % x 4 = 100 %).
Bei im Hinblick auf die seit dem 01.01.2006 geltende SpielV eingestellten Automaten
beträgt der Spieleinsatz sogar zwingend das 4- bzw. 4,39-fache des Einspielergebnisses,
VG Aachen, a.a.O., juris-Dokument Rn. 63.
Sollte ein Automatenaufsteller im Gebiet der Stadt Köln seinen Kunden dementsprechende
Auszahlungsquoten von 75 % bzw. 77,22 % geboten haben, stellte er sich bei Nutzung der
Wahlmöglichkeit des § 3 Abs. 2 Satz 1 RVStS (fiktiver Spieleinsatz ermittelt aus dem
2,6157-fachen Einspielergebnis) um durchschnittlich 34,6 % bzw. 40,4 % besser als bei
Angabe des realen Spieleinsatzes (2,6157 ist nur 65,4% von 4 bzw. 59,6 % von 4,39), d.h.
er zahlte weniger als 2/3 bzw. weniger als 3/5 der nach der Bemessungsgrundlage des § 3
Abs. 1 RVStS (realer Spieleinsatz) eigentlich zu zahlenden Vergnügungssteuer.
Bezeichnenderweise hat der Beklagte selbst in seiner Ratsvorlage für die 3.
Änderungssatzung zur für die Zeit ab dem 01.01.2006 geltenden VStS ausgeführt, für diese
Zeit könne auf den Spieleinsatz nicht mehr abgestellt werden. Ein Hilfsmaßstab des
2,6157-fachen Einspielergebnisses würde zu höchst unterschiedlichen Ergebnissen/
erheblichen Ungleichbehandlungen führen, wegen der dann nach neuer Spielverordnung
zugelassenen Geräte mit Auszahlungsquoten bis zu 80%. Verkannt hat er dabei betreffend
die RVStS für die Zeit bis zum 31.12.2005, dass auch schon in dieser Zeit die
Auszahlungsquoten lediglich mindestens 60 % betrugen, aber ohne weiteres sehr viel
höher liegen konnten (s.o.). Er hat auch nicht ansatzweise dargelegt, dass die von ihm
ermittelte (ebenfalls höhere) durchschnittliche Kölner Auszahlungsquote von 61,77 %
darauf beruhe, dass in den von ihm hierfür ausgewerteten Kassenstreifen ausschließlich
Auszahlungsquoten in einer engen Schwankungsbreite von 61 bis 62 % vorlagen und
darüber hinaus diese Kassenstreifen auch das tatsächlich vorhandene Spektrum der in
Köln angebotenen Auszahlungsquoten vollständig abdeckten. Die Ungleichbehandlung
entsteht gerade durch die auch bei einem rechnerisch richtigen Durchschnittswert
bestehende Schwankungsbreite der Auszahlungsquoten der einzelnen
Automatenaufsteller, Spielhallen bzw. sogar der einzelnen Geldspielgeräte innerhalb einer
Spielhalle.
Die erreichbaren finanziellen Vorteile durch Ausübung des Wahlrechts werden besonders
dadurch verstärkt, dass jeden Monat erneut der jeweils günstigere Berechnungsansatz
gewählt werden kann, z.B. wenn in einem Monat einzelne hohe Gewinnausschüttungen
erfolgten, die das Einspielergebnis im Verhältnis zum Spieleinsatz außergewöhnlich
reduzierten oder sogar auf Null drückten.
Insbesondere dies erscheint der Kammer als nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung
gegenüber den Automatenaufstellern, die aufgrund technischer Gegebenheiten ihrer
Automaten tatsächlich keinen Spieleinsatz ermitteln können und die eigentlichen
Adressaten der Regelung des § 3 Abs. 2 RVStS sind. Insofern ging der Antragsgegner in
der Ratsvorlage fälschlich davon aus, § 3 Abs. 2 RVStS sei vergleichbar mit der vom
Bundesfinanzhof für rechtlich unbedenklich erachteten Regelung des § 12 Abs. 1 Satz 1
HmbSpVStG,
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BFH, Beschluss vom 01.02.2007 - II B 51/06 -, BFH/NV 2007, 987.
Ein freies und fortwährendes Wahlrecht liegt in Hamburg - anders als hier - nämlich nicht
vor,
FG Hamburg, Urteil vom 06.08.2008 - 7 K 189/06 -, juris- Dokument Rn. 46; vgl. VG
Aachen, a.a.O., juris-Dokument Rn. 12 und 60 zu einer der Regelung in § 12 Abs. 1
HmbSpVStG vergleichbaren Satzungsbestimmung. Denn die dortige Regelung wird durch
einen § 12 Abs. 1 Satz 2 HmbSpVStG dahingehend eingeschränkt, dass das Wahlrecht
nicht für jeden Monat erneut und unterschiedlich ausgeübt werden kann. Ein
Spielgeräteaufsteller kann in Hamburg schon dann nicht mehr auf die Berechnung nach
dem pauschal multiplizierten Einspielergebnis zurückgreifen, wenn er nur einmal den
realen Spieleinsatz erklärt hat. Ab diesem Zeitpunkt ist er für den gesamten zukünftigen
Zeitraum der Aufstellung des Spielgerätes in seinem Aufstellunternehmen verpflichtet, den
realen Spieleinsatz zu erklären. Dies ist nur konsequent vor dem Hintergrund, dass er zu
erkennen gegeben hat, nunmehr technisch zur Angabe der eigentlichen
Bemessungsgrundlage, des realen Einspielergebnisses, in der Lage zu sein. Dann
benötigt er keine fiktive Hilfsberechnung mehr. Eine derartige Regelung weist die
streitgegenständliche RVStS jedoch nicht auf.
Dem kann anders als vom Beklagten in der mündlichen Verhandlung geäußert auch nicht
entgegengehalten werden, die zweite Änderungssatzung vom 07.05.2007 habe nur noch
die Besteuerung derjenigen Automatenaufsteller regeln sollen, die ohnehin den
Spieleinsatz nicht erklären könnten, ein Wahlrecht könne also praktisch in den konkret
betroffenen Einzelfällen ohnehin nicht ausgeübt werden. Denn einerseits hat eine Satzung
Rechtssatzqualität, d.h. sie gilt abstrakt-generell. Andererseits kann, selbst wenn sämtliche
bei Erlass der zweiten Änderungssatzung vom 07.05.2007 noch nicht bestandskräftigen
Vergnügungssteuerfestsetzungen für die geregelten Jahre 2003 bis 2005 Fälle beträfen, in
denen die Automatenaufsteller für keinen einzigen ihrer Automaten auch nur für einen
einzigen Monat den Spieleinsatz erklärt hätten, daraus nicht zwingend geschlossen
werden, dass ihre sämtlichen Automaten tatsächlich im gesamten Zeitraum keinen
Spieleinsatz messen konnten. Allein die Klägerin betrieb in den streitigen Jahren 71 bzw.
76 Geldspielgeräte. Mit Schreiben vom 03.05.2007 gab sie unter Hinweis auf die Geräte
nach alter Spielverordnung zwar nur das durchschnittliche Einspielergebnis an. Dass sie
bezüglich keines einzigen Gerätes und Monates in der Lage gewesen wäre, den
Spieleinsatz mitzuteilen, ergibt sich aus dieser Globalangabe jedoch nicht zwingend.
Zudem hätte es dem Rat der Stadt Köln freigestanden, wenn er davon ausgegangen wäre,
dass von den noch zu besteuernden Geldspielgeräten für 2003 bis 2005 kein einziges den
Spieleinsatz ausweisen könne, dies in der Satzung Niederschlag finden zu lassen, z.B.
indem er die dann gänzlich irrelevante Regelbesteuerung nach dem Spieleinsatz direkt
durch die einzig durchführbare Bemessungsgrundlage ​Einspielergebnis" ersetzt hätte.
Aufgrund der Beschlussvorlage des Beklagten für die zweite Änderungssatzung kann der
Rat der Stadt Köln zudem - selbst wenn es so wäre - bei seiner Beschlussfassung nicht
davon ausgegangen sein, dass bei sämtlichen noch nicht bestandskräftigen
Vergnügungssteuerfällen keinerlei Spieleinsatz erklärt werden könnte. Denn in der
Beschlussvorlage formulierte der Beklagte die Nichterklärbarkeit des Spieleinsatzes als
absolute Ausnahme: ​Bei Spielgeräten [...] nach der bis zum 31.12.2005 geltenden
Spielverordnung [...] lässt sich der Spieleinsatz zwar regelmäßig durch Multiplikation der
Anzahl der bezahlten Spiele mit dem Preis pro Spiel ermitteln, jedoch ist nicht von der
Hand zu weisen, dass die Bemessungsgrundlage in Einzelfällen für die Vergangenheit
nicht auf dieser Basis ermittelbar ist" (Unterstreichungen durch die Kammer). Soweit es in
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der Ratsvorlage weiter heißt: ​Sofern sich im Einzelfall der Spieleinsatz nicht ermitteln lässt,
ist der Spieleinsatz durch Hochrechnung des Einspielergebnisses zu bestimmen", hat dies
gerade keinen Niederschlag in einer danach gebotenen Einschränkung des Wahlrechts auf
solche Einzelfälle gefunden.
Eine bloße Teilnichtigkeit des § 3 Abs. 2 RVStS bei Fortbestand des § 3 Abs. 1 RVStS ist
auszuschließen. Derartiges setzt nämlich jedenfalls voraus, dass die
Bemessungsgrundlage in § 3 Abs. 1 RVStS (Spieleinsatz) vom Satzungsgeber sicher auch
ohne die nichtige Option des § 3 Abs. 2 RVStS erlassen bzw. aufrechterhalten worden
wäre,
vgl. VG Arnsberg, a.a.O., juris-Dokument Rn. 100; zur Teilnichtigkeit von Satzungen
allgemein vgl. nur Gerhardt/Bier in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 47 (Stand:
Juli 2005) Rn. 110, m.w.N. aus der Rechtsprechung.
Dies ist nicht der Fall. Denn zum Einen hat der Satzungsgeber für die Zeit ab dem
01.01.2006 statt des Spieleinsatzes als Bemessungsgrundlage gerade das
Einspielergebnis gewählt, § 4 Abs. 1 Nr. 1 VStS. Zum Anderen hat er ausweislich der
Ratsvorlage gerade auch angenommen, es sei technisch nicht stets möglich, den
Spieleinsatz zu ermitteln, so dass an diesem als Bemessungsgrundlage nicht ohne einen
ergänzenden § 3 Abs. 2 RVStS festgehalten werden könne.
Dahinstehen kann nach allem, ob der Spieleinsatz für den streitigen Zeitraum
(technikbedingt) nicht ohnehin ein untauglicher Steuermaßstab für die Vergnügungssteuer
ist,
so Sächsisches OVG, Urteil vom 06.10.2008 - 5 A 237/08 -, juris- Dokument Rn. 28.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Zuziehung eines
Bevollmächtigten für das Vorverfahren war notwendig im Sinne des § 162 Abs. 2 Satz 2
VwGO, da sie vom Standpunkt eines verständigen, nicht rechtskundigen Beteiligten für
erforderlich gehalten werden durfte. Das Verfahren war rechtlich schwierig, denn
Satzungsbestimmungen des Beklagten waren zu überprüfen. Die Entscheidung über die
vorläufige Vollsteckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i. V. m. § 709 Sätze 1 und 2 ZPO.