Urteil des VG Köln vom 18.05.2006

VG Köln: eugh, sonderabgabe, werbung, unternehmen, europäisches gemeinschaftsrecht, staatliche beihilfe, kommission, landwirtschaft, konkurrenz, herkunft

Verwaltungsgericht Köln, 13 K 2230/05
Datum:
18.05.2006
Gericht:
Verwaltungsgericht Köln
Spruchkörper:
13. Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
13 K 2230/05
Tenor:
Das Verfahren wird ausgesetzt.
Dem Bundesverfassungsgericht wird die Frage vorgelegt, ob § 10 Abs. 3
Nr. 2, 7 und 8 in Verbindung mit den §§ 1 und 2 des
Absatzfondsgesetzes in der Fassung des Gesetzes vom 21. Juni 1993
(BGBl. I S.998), zuletzt geändert durch die Siebente
Zuständigkeitsanpassungs-Verordnung vom 29. Oktober 2001 (BGBl. I
S.2785), gegen Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 105 GG und Art.
110 GG verstoßen und damit nichtig sind.
Gründe
1
I.
2
Die Klägerinnen, bei denen es sich um Unternehmen der deutschen
Ernährungswirtschaft handelt, wenden sich gegen ihre Heranziehung zu Beiträgen zum
zentralen Fonds zur Absatzförderung der deutschen Land- und Ernährungswirtschaft
(Absatzfonds).
3
Bei der Klägerin zu 1) handelt es sich um ein Mühlenunternehmen, welches
Brotgetreide vermahlt und anschließend als Mehl verkauft. Die Klägerin zu 2) produziert
und veräußert als Eierpackstelle Eier. Die Klägerin zu 3) betreibt eine
Geflügelschlachterei, in der Geflügelfleisch erzeugt und veräußert wird.
4
Die Klägerin zu 1) wurde von der Beklagten mit Bescheid Nr. 111 vom 24. Januar 2003
zur Zahlung eines Beitrags i. H. v. 4.893,08 Euro herangezogen. Der Bescheid bezog
sich auf den Monat Dezember 2002 und legte als Bemessungsgrundlage eine
vermahlene Brotgetreidemenge in diesem Zeitraum von 10.073.664 kg zugrunde.
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Hiergegen legte die Klägerin zu 1) am 4. Februar 2003 Widerspruch ein, den sie damit
begründete, dass infolge der Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen
Gemeinschaften (EuGH), die Verwendung und Ausgestaltung des bisherigen
Prüfzeichens der vom Absatzfonds finanzierten Centralen Marketinggesellschaft der
deutschen Agrarwirtschaft (CMA) für europarechtswidrig zu erklären, die Erhebung der
Beiträge in Form einer Sonderabgabe nicht mehr gerechtfertigt sei. Mit der Umwandlung
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des Gütezeichens in ein auch Erzeugern aus anderen EU-Staaten offenstehendes
Qualitätssiegel habe sich die bisher homogene Gruppe der deutschen Unternehmen der
Land- und Ernährungswirtschaft aufgelöst. Zudem würden hierdurch die Mittel der CMA
nicht mehr gruppennützig verwendet.
Mit Widerspruchsbescheid vom 7. Mai 2003 wies die Beklagte den Widerspruch mit der
Begründung zurück, dass ungeachtet der Entscheidung des EuGH die Absatzförderung
durch die CMA mit dem neuen Schwerpunkt Qualitätssicherung in zulässiger Weise
fortgesetzt werde. Damit werde auch der Zweck des Absatzfondsgeset- zes, die
deutsche Land- und Ernährungswirtschaft in Konkurrenz zu anderen Agrarexportländern
der Europäischen Union zu stärken, nach wie vor in zulässiger Weise verfolgt.
7
Die Klägerin zu 2) wurde von der Beklagten mit Bescheid vom 23. Mai 2003 zur Zahlung
eines Beitrags zum Absatzfonds i. H. v. 1.054,52 Euro für den Veranlagungszeitraum
Juli bis Dezember 2002 herangezogen. Als Bemessungsgrundlage diente hier eine von
der Beklagten durch Schätzung ermittelte Menge von 3.437.387 in dieser Zeit durch die
Klägerin verpackte Eier.
8
Die Klägerin zu 2) legte gegen diesen Bescheid am 10. Juni 2003 Widerspruch ein, der
auch hier unter Bezugnahme auf das Urteil des EuGH begründet wurde. Mit
Widerspruchsbescheid vom 25. Juli 2003 wies die Beklagte auch diesen Widerspruch
als unbegründet zurück.
9
Die Klägerin zu 3) zog die Beklagte mit Bescheid Nr. 023 vom 28. März 2003 auf der
Grundlage einer von ihr vorgenommenen Selbstveranlagung zur Zahlung eines Beitrags
i. H. v. 115.528,18 Euro heran. Der Bescheid bezog sich ebenfalls auf den Zeitraum Juli
bis Dezember 2002 und legte als Bemessungsgrundlage die Verarbeitung von
31.382.441 kg Geflügelfleisch zugrunde. Den hiergegen erhobenen Widerspruch vom
28. April 2003, der gleichfalls auf die durch die Entscheidung des EuGH geänderte
Sach- und Rechtslage für die staatliche Absatzförderung im Agrarbereich gestützt
wurde, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 16. September 2003 zurück.
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Alle drei Klägerinnen haben - zu jeweils unterschiedlichen Zeitpunkten - rechtzeitig und
der Rechtsmittelbelehrung entsprechend beim Verwaltungsgericht Frankfurt am Main
Klage erhoben (6 E 2775/03; 6 E 4202/03 sowie 6 E 4956/03). Das Verwaltungsgericht
Frankfurt am Main hat sich mit Beschlüssen vom 5. April 2005 im Hinblick auf die
Verlegung des Sitzes der beklagten Anstalt für örtlich unzuständig erklärt und alle drei
Verfahren an das Verwaltungsgericht Köln verwiesen.
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Unter Ergänzung und Vertiefung des Vortrags aus dem Verwaltungsverfahren machen
die Klägerinnen geltend, dass das Absatzfondsgesetz verfassungswidrig sei. Von den
für die Verfassungsmäßigkeit einer Sonderabgabe erforderlichen Voraussetzungen sei
bereits das Vorliegen einer homogenen Gruppe mit spezifischer Sachnähe zu dem mit
der Abgabenerhebung verfolgten Zweck nicht mehr erfüllt. Die bei einer erstmaligen
Überprüfung durch das Bundesverfassungsgericht im Beschluss vom 31. Mai 1990
festgestellte Homogenität der Gruppe der deutschen Land- und Ernährungswirtschaft
bestehe heute nicht mehr. Durch zahlreiche Zusammenschlüsse und Übernahmen
seien viele vor allem größere Unternehmen aus diesem Bereich in Europa über den
jeweiligen Heimatmarkt hinausgewachsen. Zudem seien auch innerhalb der deutschen
Land- und Ernährungswirtschaft durch das verstärkte Vordringen von Lebensmitteln aus
ökologischem Anbau neue Erzeugungs- und Verwertungsformen entstanden, die einen
12
übergreifenden gemeinsamen Zweck nicht mehr rechtfertigten. Weiterhin sei infolge des
Urteils des EuGH eine gruppennützige Verwendung der erhobenen Beiträge nicht mehr
oder nur noch in unzureichendem Maße möglich. Die Öffnung insbesondere der von der
CMA selbst vergebenen bzw. von ihr geförderten Gütezeichen auch für ausländische
Wettbewerber lasse einen spezifischen Förderzweck zugunsten der deutschen Land-
und Ernährungswirtschaft entfallen. Eine wirksame herkunftsbezogene Werbung sei der
CMA durch die geänderte Rechtsprechung des EuGH gleichfalls untersagt. Die von der
CMA betriebene sog. generische Werbung komme auch ausländischen Unternehmen
der Ernährungswirtschaft zugute und vermittele der einheimischen Ernährungswirtschaft
damit keine spezifischen Vorteile. Schließlich habe der Gesetzgeber seine Pflicht zur
regelmäßigen Überprüfung des Fortbestands der Sonderabgabe gerade im Hinblick auf
das geänderte europarechtliche Umfeld nicht in der gebotenen Weise erfüllt.
Die Klägerin zu 1) beantragt,
13
den Beitragsbescheid der Beklagten vom 24. Januar 2003 in der Gestalt ihres
Widerspruchsbescheides vom 7. Mai 2003 aufzuheben.
14
Die Klägerin zu 2) beantragt,
15
den Beitragsbescheid der Beklagten vom 23. Mai 2003 in der Gestalt ihres
Widerspruchsbescheides vom 25. Juli 2003 aufzuheben. Die Klägerin zu 3) beantragt,
16
den Beitragsbescheid der Beklagten vom 28. März 2003 in der Gestalt ihres
Widerspruchsbescheides vom 16. September 2003 aufzuheben.
17
Die Beklagte beantragt,
18
die Klagen abzuweisen.
19
Sie verteidigt die angefochtenen Bescheide. Nach ihrer Auffassung sind die
verfassungsrechtlichen Grundlagen für die Heranziehung der Klägerinnen nicht
entfallen. Nach wie vor bestehe die deutsche Land- und Ernährungswirtschaft in der
durch das Bundesverfassungsgericht im Jahr 1990 festgestellten Form als homogene
Gruppe fort. Die im Rahmen des Absatzfondsgesetzes erhobenen Mittel würden auch
weiterhin jedenfalls überwiegend im Interesse der Gesamtgruppe verwendet. Dabei sei
auch von Bedeutung, dass hierbei nicht nur die durch die Rechtsprechung des EuGH
und die Rechtslage in der Europäischen Union unberührt gebliebene Förderung der
Ernährungswirtschaft im Ausland zu berücksichtigen sei, sondern auch die vielfältigen
Unterstützungsleistungen zugunsten der Land- und Ernährungswirtschaft im Inland, die
nicht Werbeaktivitäten beträfen.
20
Der Beigeladene beantragt ebenfalls,
21
die Klagen abzuweisen.
22
Er schließt sich den Ausführungen der Beklagten im Wesentlichen an und weist zudem
darauf hin, dass auch die von der CMA durchgeführten Maßnahmen des
Inlandsmarketings, selbst wenn in diesem Zusammenhang nicht mehr vorrangig mit der
Herkunft der Erzeugnisse geworben werden könne, allein schon wegen des größeren
Marktanteils der inländischen Land- und Ernährungswirtschaft jedenfalls überwiegend
23
den heimischen Unternehmen zugute kämen. Zudem sei es europarechtlich jedenfalls
weiter erlaubt, mit der Herkunft als sekundärer Werbebotschaft zu werben. Zu beachten
sei schließlich auch, dass in zahlreichen anderen Mitgliedsländern vergleichbare
Fördereinrichtungen den Absatz der dortigen Erzeugnisse unterstützten.
In der mündlichen Verhandlung sind die drei Klagen zur gemeinsamen Verhandlung
und Entscheidung verbunden worden.
24
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf die
zum Verfahren beigezogenen Verwaltungsvorgänge sowie die durch den Beigeladenen
eingereichten weiteren Unterlagen Bezug genommen.
25
II.
26
Gemäß Art. 100 Abs. 1 S. 1 GG in Verbindung mit § 80 Abs. 1 des Gesetzes über das
Bundesverfassungsgericht - BVerfGG - war das Verfahren auszusetzen und die
Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Vorlagefrage einzuholen, weil das
Gericht § 10 Abs. 3 Nr. 2, 7 und 8 in Verbindung mit den §§ 1 und 2 des Gesetzes über
die Errichtung eines zentralen Fonds zur Absatzförderung der deutschen Land- und
Ernährungswirtschaft in der Fassung der Bekanntmachung vom 21. Juni 1993
(Absatzfondsgesetz - AFoG - BGBl. I S.998), zuletzt geändert durch die Siebente
Zuständigkeitsanpassungs-Verordnung vom 29. Oktober 2001 (BGBl. I S.2785) wegen
Unvereinbarkeit mit Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz (GG) in Verbindung mit Art. 105 GG und
Art. 110 GG für verfassungswidrig hält und es für die Entscheidung des Gerichts auf die
Gültigkeit dieses Gesetzes ankommt. Die in diesen Bestimmungen geregelten Beiträge
der Betriebe der Land- und Ernährungswirtschaft zum Absatzförderungsfonds, zu denen
die Klägerinnen herangezogen worden sind, stehen mit den an die Erhebung einer
solchen Sonderabgabe zu stellenden verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht
(mehr) in Einklang.
27
Für die Entscheidung kommt es auf die Verfassungsmäßigkeit der genannten
Regelungen an.
28
Wenn die Regelungen in § 10 Abs. 3 Nr. 2, 7 und 8 AFoG verfassungsgemäß sind,
wären die Klagen aller drei Klägerinnen abzuweisen, weil die Heranziehungsbescheide
dann rechtmäßig wären und sie nicht in ihren Rechten verletzten. Die
Abgabenbescheide wären in diesem Fall durch die Ermächtigungsgrundlage des § 10
Abs. 3 Nr. 2, 7 und 8 AFoG gedeckt. Nach § 10 Abs.1 AFoG fließen dem Absatzfonds
zur Durchführung seiner Aufgaben, die nach § 2 Abs.1 AFoG in der zentralen Förderung
des Absatzes und der Verwertung von Erzeugnissen der deutschen Land- und
Ernährungswirtschaft durch Erschließung und Pflege von Märkten im In- und Ausland
bestehen, Beiträge gemäß den folgenden Absätzen zu, die nach § 10 Abs. 2 AFoG von
den Betrieben der Land- und Ernährungswirtschaft nach Maßgabe der Absätze 3 bis 8
erhoben werden. Als Beitragstatbestände nach § 10 Abs. 3 finden vorliegend
hinsichtlich der Klägerin zu 1) als Mühlenbetrieb Nr. 2, hinsichtlich der Klägerin zu 2) als
Eierpackstelle Nr.7 und hinsichtlich der Klägerin zu 3) als Geflügelschlachterei Nr. 8
AFoG Anwendung. Bei den drei Klägerinnen handelt es sich damit um die Stellen, an
denen die nach dem sogenannten "Flaschenhalsprinzip" organisierte Erhebung,
29
vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 13. Dezember 1979 - 7 C 17.78 -
;Buchholz Sammel- und Nachschlagewerk der Rechtsprechung des
30
Bundesverwaltungsgerichts (Buchholz), 451.533 AFoG Nr 2,
des von der Land- und Ernährungswirtschaft zu leistenden Beitrags zum
Absatzfondsgesetz zu erfolgen hat. Die tatbestandlichen Voraussetzungen für eine
Veranlagung nach diesen Beitragsziffern liegen - im Übrigen auch nach Auffassung der
Klägerinnen selbst - vor.
31
Wäre die Ermächtigungsgrundlage dagegen wegen Verletzung von Art. 2 Abs. 1 GG in
Verbindung mit Art. 105 GG und Art. 110 GG verfassungswidrig und nichtig, hätten die
Klagen Erfolg. Die drei Abgabenbescheide wären gemäß § 113 Abs.1 VwGO
aufzuheben, weil sie auf einer unwirksamen Ermächtigungsgrundlage beruhten, eine
anderweitige Ermächtigungsgrundlage nicht ersichtlich ist und die Klägerinnen
hierdurch in ihren Rechten verletzt wären.
32
Auch die weitere Voraussetzung des Art. 100 Abs.1 GG ist erfüllt. Die maßgebliche
Ermächtigungsgrundlage in § 10 Abs. 3 Nr. 2, 7 und 8 AFoG verstößt gegen Art. 2 Abs.
1 GG in Verbindung mit Art. 105 GG und Art. 110 GG und ist damit verfassungswidrig,
weil die Beiträge zum Absatzfonds sich heute als unzulässige Sonderabgabe
darstellen.
33
Nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts handelt es sich bei
der in § 10 Abs.1 AFoG geregelten Abgabe um eine sogenannte Sonderabgabe, die im
Hinblick auf die aus der Finanzverfassung des Grundgesetzes abzuleitende
grundsätzliche Verpflichtung, Gemeinlasten aus Steuermitteln zu finanzieren, nur eine
seltene und allein nach strikt auszulegenden und anzuwendenden
Zulässigkeitskriterien mögliche Ausnahme sein darf.
34
Vgl. Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschluss vom 31. Mai 1990 - 2 BvL 12,
13/88,2 BvR 1436/87 -, Entschei- dungen des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE)
82, 159ff.
35
Diese Kriterien erfüllen die Beiträge zum Absatzfonds nicht. Die Erhebung einer
Sonderabgabe ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nur
zulässig, wenn hiermit ein Zweck verfolgt wird, der über die bloße Mittelbeschaffung
hinausgeht, der Gesetzgeber auf den betroffenen Lebensbereich über die bloße
Finanzierungssicherung hinaus inhaltlichen Einfluss nimmt, eine homogene Gruppe mit
spezifischer Sachnähe zu dem mit der Abgabenerhebung verfolgten Zweck in Anspruch
genommen wird sowie schließlich eine gruppennützige Verwendung der eingezogenen
Mittel sichergestellt ist. Darüber hinaus darf es sich bei dem verfolgten Zweck nur um
eine zeitlich befristete Aufgabe handeln; der Gesetzgeber hat daher in regelmäßigen
Abständen zu prüfen, ob veränderte Umstände eine Änderung oder gar Aufhebung der
Abgabenregelungen erfordern.
36
Vgl. BVerfG, Urteil vom 10. Dezember 1980 - 2 BvF 3/77 -, BVerfGE 55, 274;
Beschlüsse vom 31. Mai 1990, a.a.O. und vom 9. November 1999 - 2 BvL 5/95 -
,BVerfGE 101, 141 sowie vom 18. Mai 2004 - 2 BvR 2374/99 - ,BVerfGE 110, 370.
37
Zusätzlich bedarf es nach der neueren Rechtsprechung für - vorliegend allerdings nicht
betroffene - Zeiträume nach dem 31. Dezember 2003 jeweils einer haushaltsrechtlich
vollständigen Dokumentation der erhobenen Sonderabgaben.
38
Vgl. BVerfG, Urteil vom 17. Juli 2003 - 2 BvL 1/99, 2 BvL 4/99, 2 BvL 6/99, 2 BvL 16/99,
2 BvL 18/99, 2 BvL 1/01 -, BVerfGE 108, 186.
39
Als Zweck des Absatzfondsgesetzes hat das Bundesverfassungsgericht 1990 die
Stärkung und den Schutz der deutschen Agrarwirtschaft in der Konkurrenz zu der
anderer Agrarexportländer in den Europäischen Gemeinschaften angesehen. Als
wesentlichen Grund in diesem Zusammenhang hat es dabei auf die im Vorfeld der
Verwirklichung des einheitlichen europäischen Binnenmarkts im Jahr 1992 zu
erwartende nochmalige Verschärfung des Wettbewerbs für die deutsche Agrarwirtschaft
verwiesen, der durch eine wirksame Absatzförderung für deutsche Agrarprodukte
begegnet werden müsse.
40
Es erscheint bereits als in hohem Maße zweifelhaft, ob dieser 1990 noch maßgebliche
Gesichtspunkt für die Notwendigkeit einer einheitlichen Absatzförderungsorganisation
der deutschen Land- und Ernährungswirtschaft auch nach 1993 unverändert fortgalt. Im
hier maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Bescheide im Jahre 2003
bestand der vollendete Binnenmarkt im Bereich der Landwirtschaft bereits seit mehr als
9 Jahren. Ziel seiner Einführung war gerade die Auflösung der nationalen Märkte und
die Schaffung eines gesamteuropäischen Marktes. Diesem Ziel widerstreitet jedoch
eine ausschließlich der Unterstützung der eigenen nationalen Land- und
Ernährungswirtschaft in ihrer Konkurrenzsituation zu anderen Agrarexportländern
dienende Absatzförderungseinrichtung.
41
Erhebliche Zweifel bestehen auch hinsichtlich des Fortbestandes der deutschen Land-
und Ernährungswirtschaft als von dem Gesetzgeber in der sozialen Wirklichkeit
vorgefundenen homogenen Gruppe, der allein mit Blick auf die mit dem endgültigen
Übergang in den gemeinsamen Markt verbundenen Übergangsschwierigkeiten eine
einheitliche Verantwortung für den Erhalt der eigenen Wettbewerbsfähigkeit zukam. Die
zwischenzeitlich eingetretene Vollendung des gemeinsamen Binnenmarkts hat zur
Folge, dass diese Klammer zwischenzeitlich entfallen ist. Es ist nicht erkennbar, dass
die mit der Abgabe belastete Gruppe heute noch dem mit der Erhebung verbundenen
Zweck, der Förderung und dem Schutz der deutschen Land- und Ernährungswirtschaft
in ihrem Wettbewerb mit der anderer Mitgliedsstaaten, näher steht als jede andere
Gruppe oder die Allgemeinheit der Steuerzahler.
42
Unternehmen der deutschen Land- und Ernährungswirtschaft haben - wie die
Klägerinnen nachvollziehbar dargelegt und durch Beispiele untermauert haben und was
auch von der Beklagten und der Beigeladenen nicht in Abrede gestellt wird - in einer
Vielzahl von Fällen die neuen Möglichkeiten genutzt, um durch Kooperationen mit oder
Übernahme von Marktteilnehmern aus anderen EU-Staaten ihre Absatzmöglichkeiten
über den bisherigen heimischen Markt hinaus zu erweitern. Andererseits betreiben
Unternehmen aus anderen EU-Staaten inzwischen neu gegründete oder von den
bisherigen deutschen Eigentümern erworbene Produktions- und Vertriebsstätten in
Deutschland. Nicht nachvollziehbar ist in diesem Zusammenhang die von dem
Beigeladenen vertretene Auffassung, wonach es in diesen Fällen immer nur auf die
Interessen des auf deutschem Staatsgebiet befindlichen Betriebsteils ankomme.
Angesichts der durch den gemeinsamen Markt gebotenen vielfältigen Möglichkeiten
zulässiger Organisationsstrukturen für in mehreren Mitgliedsstaaten tätige Unternehmen
ist die Zurechnung von möglicherweise rechtlich noch nicht einmal handlungsfähigen
Betriebsteilen zu einer "nationalen" Ernährungswirtschaft allein aufgrund des Orts der
Niederlassung nicht zu rechtfertigen. Eine wie bei Einführung des Absatzfondsgesetzes
43
im Jahre 1969 und auch 1990 noch vorgenommene eindeutige Definition "der"
deutschen Land- und Ernährungswirtschaft ist daher - durchaus im Sinne der
maßgeblichen europarechtlichen Bestimmungen - jedenfalls seit der Vollendung des
europäischen Binnenmarktes nicht mehr möglich.
Die Voraussetzungen für die fortdauernde Erhebung der hier in Rede stehenden
Sonderabgabe waren zum hier maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses der
angefochtenen Beitragsbescheide aber jedenfalls deshalb entfallen, weil die hieraus
stammenden Mittel zu einem erheblichen Teil keine gruppennützige Verwendung mehr
finden.
44
Die Auferlegung einer Sonderabgabe setzt gegenüber der belasteten Gruppe voraus,
dass zwischen den hiermit bewirkten Belastungen und den mit ihr finanzierten
Begünstigungen eine sachgerechte Verknüpfung besteht. Diese Verknüpfung wird
hergestellt, indem das Abgabenaufkommen im Interesse der Gruppe der
Abgabenpflichtigen, also gruppennützig, verwendet wird. "Fremdnützige"
Sonderabgaben sind, abgesehen von Ausnahmen, in denen die finanzielle
Inanspruchnahme der Abgabenpflichtigen zugunsten fremder Begünstigter aus triftigen
Gründen eindeutig gerechtfertigt ist, unzulässig. Zwar ist danach nicht erforderlich, dass
die Verwendung stets im spezifischen Interesse jedes einzelnen Abgabepflichtigen
erfolgt; eine Verwendung im überwiegenden Interesse der Gesamtgruppe muss jedoch
sichergestellt sein.
45
Vgl. BVerfG, Beschluss vom 31. Mai 1990, a.a.O., S. 180 f.
46
Diesen Anforderungen genügte die Verwendung der unter anderem aus Abgaben der
Klägerinnen gespeisten Mittel des Absatzfonds bereits im hier maßgeblichen Zeitpunkt
des Erlasses der angefochtenen Bescheide im Jahre 2003 nicht mehr.
47
Eines der wesentlichen Instrumente zur Wahrnehmung der dem Absatzfonds nach § 2
Abs.1 AFoG obliegenden und der CMA übertragenen Aufgabe, den Absatz und die
Verwertung von Erzeugnissen der deutschen Land- und Ernährungswirtschaft durch
Erschließung und Pflege von Märkten im In- und Ausland mit modernen Mitteln und
Methoden zu fördern, sollte von Beginn an die Werbung unter Hervorhebung der
Warenqualität im In- und Ausland darstellen.
48
Vgl. Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten
vom 21. März 1969, BTDrs. V/4006, S. 2.
49
Demgemäß lag dabei noch im Jahr 1996 sowohl im In- wie auch im Ausland ein
erhebliches Übergewicht bei der herkunftsspezifischen Produktwerbung für deutsche
Agrarerzeugnisse. So betrugen etwa nach Feststellungen des Hessischen
Verwaltungsgerichtshofs seinerzeit in dem beispielhaft aufgeführten Etatposten
"Produktmarketing Fleisch" der Anteil allein herkunftsspezifischer Werbe- und
Produktmaßnahmen 55 % und der zumindest auch herkunftsspezifische Anteil 15 %.
50
Vgl. Hessischer Verwaltungsgerichtshof (HessVGH), Urteil vom 7. März 2002 - 10 UE
4381/98 - zitiert nach JURIS, Rz. 55.
51
Die nach § 2 Abs.1 Satz 1 AFoG gebotene Förderung des Absatzes und der Verwertung
von Erzeugnissen gerade der deutschen Land- und Ernährungswirtschaft setzt eine
52
entsprechende Orientierung von Werbemaßnahmen der CMA auch voraus, da nur
hierdurch sichergestellt werden kann, dass ihr Effekt vorrangig deren Erzeugnissen
zugute kommt. Für eine langfristig angelegte und wirksame Absatzförderung kommt es
entscheidend darauf an, dass die beworbenen Produkte gerade der deutschen
Ernährungswirtschaft zugerechnet werden und als deutsche Ware ihren Markt finden,
vgl. BVerfG, Beschluss vom 31. Mai 1990, a.a.O., S. 185.
53
Diese Zielsetzung kollidiert heute jedoch mit höherrangigem (Europa-)Recht: Mit dem
Inkrafttreten der von der Kommission erlassenen Gemeinschaftsleitlinien für staatliche
Beihifen zur Werbung für die im Anhang I des EG-Vertrags genannten Erzeugnisse und
bestimmte nicht in Anhang I genannte Erzeugnisse vom 12. September 2001 (Abl. der
EG C 252, S. 5ff, im weiteren: "Werbeleitlinie") sowie insbesondere mit dem Urteil des
EuGH vom 5. November 2002 (C-325/00),
54
vgl. Amtl. Slg. 2002, S. I-09977ff,
55
sind die Möglichkeiten für eine europarechtlich zulässige herkunftsbezogene Werbung
in einem Maße eingeschränkt worden, die auch unter Berücksichtigung der noch
verbliebenen Ausnahmen in diesem Bereich eine wirksame Absatzförderung unter
Berücksichtigung des gesetzlichen Ziels, die deutsche Land- und Ernährungswirtschaft
gerade in Konkurrenz zu den entsprechenden Wirtschaftskreisen der anderen EU-
Mitgliedsstaaten zu stärken und zu schützen, weitgehend unmöglich macht.
56
Sowohl der Erlass der Werbeleitlinie als auch das Urteil des EuGH sind Ausdruck der
fortgesetzten Bemühungen der Organe der Europäischen Union, die staatliche
Unterstützung für die eigenen nationalen Land- und Ernährungswirtschaften, die
grundsätzlich als geeignet angesehen wird, unter Verstoß gegen Art. 87 Abs.1 EGV den
Wettbewerb zu verfälschen und den Handel zwischen den Mitgliedstaaten zu
beeinträchtigen, zurückzudrängen,
57
vgl. Entscheidung der Kommission zur Staatlichen Beihilfe N 571/2002 - Deutschland -
Absatzfondsgesetz vom 21. Januar 2004 (C(2004)44fin, S. 10 unter Hinweis auf EuGH,
Urteil vom 17. September 1980, C-730/79, Amtliche Sammlung der Entscheidungen des
Gerichtshofs (Amtl. Slg.) 1980, S. 2671, Rn. 11 und 12.
58
Daneben sind sie auch Ausdruck der zunehmend weiten Auslegung des in Art 28
(früher: Art. 30) EGV enthaltenen Verbots von Regelungen oder sonstigen Maßnahmen
der Mitgliedsstaaten, die geeignet sind, den innergemeinschaftlichen Handel
unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potenziell zu behindern,
59
vgl. EuGH, Urteil vom 5. November 2002, a.a.O., Rdnr. 22 mit weiteren Nachw.
60
Nach der Entscheidung des EuGH führt eine staatliche Regelung, die der Förderung
des Absatzes von in Deutschland hergestellten Erzeugnissen dient und deren
Werbebotschaft die deutsche Herkunft der betreffenden Erzeugnisse hervorhebt, schon
aufgrund ihrer nur vermutlichen Wirkung auf den Verbraucher, deshalb beim Kauf
deutschen Erzeugnissen den Vorzug vor importierten Produkten zu geben, zu einem
Verstoß gegen Art. 30 EGV (heute Art. 28 Abs.2 EGV).
61
Die bisher in diesem Bereich weiter verlangte Absicht, eingeführte Produkte durch
62
inländische Ware ersetzen zu wollen,
vgl. EuGH, Urteil vom 24. November 1982 - Rechtssache 249/81 -, Amtl. Slg. 1982, S.
4005,
63
bzw. eingeführte Produkte in den Augen der Verbraucher herabzusetzen,
64
vgl. EuGH, Urteil vom 13. Dezember 1983 - Rechtssache 222/82, Amtl. Slg. 1983, S.
4083,
65
ist nicht mehr zusätzliche Voraussetzung für einen Verstoß gegen diese Bestimmung,
66
vgl. Korte/Oschmann, "Das CMA-Gütezeichen - Ein Auslaufmodell?" in NJW 2003,
1766, 1767.
67
Vor diesem Hintergrund weisen die Klägerinnen zu Recht darauf hin, dass danach von
der CMA initiierte Werbemaßnahmen, die das für eine Bevorzugung spezifisch
deutscher Produkte unverzichtbare Herkunftsargument einsetzen, schon bei einem auch
nur möglichen Erfolg dieser Werbung gegen europäisches Gemeinschaftsrecht
verstießen.
68
Dass der CMA auch ohne Herkunftsbezug Werbemaßnahmen im Inland möglich wären,
die einerseits mit europarechtlichen Bestimmungen vereinbar, andererseits jedoch
wirksam die Absatzchancen der deutschen Ernährungswirtschaft gegenüber der aus
anderen EU-Staaten zu verbessern geeignet sind, haben - trotz entsprechender
Aufforderung in dem Auflagenbeschluss des Verwaltungsgerichts Frankfurt vom 15.
November 2004 - weder die Beklagte noch der Beigeladene überzeugend dargelegt.
Auch sonst sind hierfür keine hinreichenden Anhaltspunkte ersichtlich.
69
Soweit die Beklagte und insbesondere der Beigeladene darauf verweisen, dass
herkunftsbezogene Werbemaßnahmen jedenfalls dann auch noch europarechtlich
zulässig seien, wenn sie entweder die Auslandswerbung beträfen bzw. als
Inlandswerbung entweder die deutsche Herkunft nicht als vorrangige Werbebotschaft
enthielten oder aber Waren mit geschützter Ursprungsbezeichnung oder geschützten
geografischen Angaben förderten, spricht dies nicht gegen den vorstehenden Befund.
Denn bei der Auslandswerbung sowie der Förderung für geschützte
Herkunftsbezeichnungen handelt es sich, wie sich auch aus den vorgelegten
Aufstellungen und den Angaben der Vertreter des Beigeladenen in der mündlichen
Verhandlung ergibt, nur um im Verhältnis zur Gesamtaufgabe der CMA untergeordnete
oder punktuelle Förderbereiche. Im Bereich der Werbung mit der Herkunft als
sekundärer Werbebotschaft ist schließlich zu berücksichtigen, dass auch diese
europarechtlich grundsätzlich zulässige Form der herkunftsbezogenen Werbung
jedenfalls dann gleichfalls unzulässig wird, wenn sich hieraus die ernsthafte Absicht
eines Mitgliedsstaats ergibt, aus anderen Mitgliedsstaaten importierte Produkte durch
einheimische Erzeugnisse ersetzen zu wollen,
70
vgl. Werbeleitlinien, Ziff. 3.1.1 Nr.24.
71
Eine sekundäre Werbebotschaft wird danach immer dann ebenfalls europarechtlich
unzulässig, wenn sie in der nach der Zielsetzung des Absatzfondsgesetzes
vorgesehenen Weise wirkt, also die deutsche Land- und Ernährungswirtschaft in ihrer
72
Konkurrenzsituation zu der anderer Mitgliedsstaaten der EU stärkt und schützt. Bereits
die im Sinne der Zielsetzung des Absatzfonds erfolgreiche "Profilierung" deutscher
Produkte, wie sie die Beklagte noch in ihrer Antwort auf den Fragen- und
Auflagenbeschluss des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 15. November
2004 mit Schriftsatz vom 2. März 2005 als wesentliche Aufgabe der CMA bezeichnetet
hat, steht damit - auch ohne eine hiermit verbundene Diskriminierung ausländischer
Erzeugnisse - mit Europarecht nicht mehr in Einklang.
Soweit die Beklagte sowie der Beigeladene auch eine allein "generische", also auf
Herkunftsmerkmale verzichtende Werbung für einzelne Lebensmittelarten geeignet hält,
spezifische Vorteile gerade für die deutsche Land- und Ernährungswirtschaft im
Wettbewerb mit ihren ausländischen Mitbewerbern zu begründen, vermag auch dies
nicht zu überzeugen. Fehlt es in einzelnen Bereichen ohnehin an einer ernsthaften
ausländischen Konkurrenz, ist in diesem Zusammenhang bereits die Erforderlichkeit
des Einsatzes von Werbemitteln fraglich. Sieht sich die deutsche Land- und
Ernährungswirtschaft dagegen in anderen Bereichen starker ausländischer Konkurrenz
ausgesetzt, so stellt eine allein auf einzelne Lebensmittelarten bezogene Werbung
durch die CMA für die deutsche Land- und Ernährungswirtschaft sogar eher einen
wirtschaftlichen Nachteil dar, da hierdurch auch der Absatz der von ausländischen
Wettbewerbern angebotenen Lebensmittel aus dem beworbenen Bereich gefördert
würde, ohne dass diese, im Gegensatz zu den dem AFoG unterliegenden deutschen
Unternehmen, hierfür eine Kostenbelastung tragen müssten.
73
Weiter stellt nach den vorstehend dargestellten Grundsätzen - jedenfalls seit der
Öffnung auch für potentielle ausländische Interessenten - auch der Aufbau sogenannter
Qualitätssicherungssysteme durch die CMA keine spezifisch gruppennützige
Verwendung von Mitteln aus dem Absatzfonds dar. Weder das aufgrund der
Entscheidung des EuGH auch für ausländische Wettbewerber "geöffnete" CMA-
Gütezeichen noch das deshalb von vornherein ohne jegliche nationale Beschränkung
vergebene sog. "QS"-Zeichen ("Qualität und Sicherheit") sind geeignet, gerade die
deutsche Land- und Ernährungswirtschaft in ihrer Konkurrenzsituation mit den
Erzeugern oder Anbietern aus anderen EU-Staaten wirksam zu unterstützen. Dies ergibt
sich aus ähnlichen Überlegungen, wie sie auch gegen die Gruppennützigkeit einer
allein generischen Werbung sprechen: Sofern mit den mit Mitteln des Absatzfonds
finanzierten Qualitätssicherungssystemen und dem Gebrauch der hiermit verbundenen
Zeichen wegen fehlender Beachtung durch die Konsumenten keine absatzfördernde
Wirkung für die deutsche Land- und Ernährungswirtschaft verbunden sein sollte, fehlt
wiederum die Eignung als Maßnahme im Sinne von § 2 Abs.1 Satz 1 AFoG. Sollten sie
hingegen letztlich den Absatz von hiermit ausgezeichneten Erzeugnissen spürbar
verbessern, so käme dieser Vorteil der deutschen Land- und Ernährungswirtschaft in
ihrem Wettbewerb mit ausländischen Anbietern, die gleichfalls die betreffenden
Qualitätszeichen für ihre Produkte verwenden könnten, nicht nur nicht zugute, sondern
fügten ihnen sogar noch einen Wettbewerbsnachteil zu, weil den ausländischen
Verwendern diese positiven Auswirkungen ohne eine damit verknüpfte Pflicht zur
Beitragsleistung zum Absatzfonds zugute käme. Dass der Anteil ausländischer Nutzer
der Qualitätszeichen derzeit noch klein sein mag, spricht nicht gegen diese Bewertung.
Dies lässt sich vielmehr zwanglos darauf zurückführen, dass sowohl der
absatzfördernde Wert des geänderten CMA-Gütezeichens als auch der des
gerichtsbekannt mit erheblichen Startschwierigkeiten belasteten QS-Systems derzeit
noch weitgehend ungeklärt ist.
74
Ob die von der CMA eingesetzten Mittel für die Durchführung von Messen, für
absatzwirtschaftliche Fortbildung von Landwirten und Verkaufspersonal des
Einzelhandels sowie allgemeine Information über ernährungswissenschaftliche Themen
letztlich jeweils für sich gruppennützige Verwendung im vorgenannten Sinne findet,
kann offen bleiben. Denn all diese weitere Aktivitäten sind neben den Bereichen
Werbung und Qualitätssicherung auch nach den auf den "Finanzierungsplan 2004" der
CMA gestützten Angaben der Beklagten im Schriftsatz vom 2. März 2005 nur von
untergeordneter Bedeutung.
75
Gleiches gilt auch für die durch den Beigeladenen mit den Aufgaben nach § 2 Abs. 3
AFoG betraute Zentrale Markt- und Preisberichtstelle für Erzeugnisse der Land-, Forst-
und Ernährungswirtschaft GmBH (ZMP). Nach den Angaben der Bundesregierung
gegenüber der Kommission erhält die ZMP für die Durchführung ihrer Aufgaben
lediglich 9 Mio. Euro, während der CMA danach pro Jahr rund 100,5 Mio. Euro für ihre
Tätigkeit zufließen.
76
Vgl. Entscheidung der Kommission zur Staatlichen Beihilfe N 571/2002 - Deutschland -
Absatzfondsgesetz vom 21. Januar 2004 (C(2004)44fin, S. 7.
77
Darüber hinaus bestehen aber auch insofern erhebliche Zweifel an der gruppennützigen
Verwendung der der ZMP aus den Beiträgen der Unternehmen der Land- und
Ernährungswirtschaft zufließenden Mittel. Nach den Angaben der Bundesregierung
gegenüber der Kommission begünstigt die Tätigkeit der ZMP nämlich nicht spezifisch
die deutsche Land- und Ernährungswirtschaft. Sie bietet ihre Leistungen vielmehr gegen
eine geringe und nicht kostendeckende Schutzgebühr jedem interessierten Dritten an.
Da die Leistungen der ZMP damit der Allgemeinheit und nicht - wie die der CMA -
vorrangig einem spezifischen Kreis von Unternehmen zugute kommen, bewertete die
Kommission die an die ZMP gerichteten Zuschüsse auch im Gegensatz zu denen an die
CMA nicht als grundsätzlich verbotene staatliche Beihilfe im Sinne von § 87 Abs. 1
EGV.
78
Vgl. Entscheidung der Kommission zur Staatlichen Beihilfe N 571/2002 - Deutschland -
Absatzfondsgesetz vom 21. Januar 2004 (C(2004)44fin, a.a.O.
79
Die Verfassungswidrigkeit der im Absatzfondsgesetz geregelten Sonderabgabe ergibt
sich zum anderen auch aus der unzureichenden Erfüllung der dem Gesetzgeber
obliegenden Verpflichtung, die verfassungsrechtlichen Voraussetzungen für ein
Festhalten an der Zwangsabgabe in regelmäßigen Abständen zu überprüfen.
80
Die Bindung zulässiger Sonderabgaben an einen besonderen Sachzweck hat das
Bundesverfassungsgericht durch Prüfungs- und Anpassungspflichten des Gesetzgebers
verstärkt: Soll eine Aufgabe auf längere Zeit durch Erhebung einer Sonderabgabe
finanziert werden, so ist der Gesetzgeber gehalten, in angemessenen Zeitabständen zu
überprüfen, ob seine ursprüngliche Entscheidung für den Einsatz des Mittels
"Sonderabgabe" aufrechtzuerhalten oder ob sie wegen veränderter Umstände, vor allem
wegen Wegfalls des Finanzierungszwecks oder Zielerreichung, zu ändern oder
aufzuheben ist,
81
vgl. BVerfG, Urteile vom 17. Juli 2003 - 2 BvL 1/99, 2 BvL 4/99, 2 BvL 6/99, 2 BvL 16/99,
2 BvL 18/99, 2 BvL 1/01 -, BVerfGE 108, 186 <218> sowie Beschluss vom 31. Mai 1990,
a.a.O. , BVerfGE 82, 159 <181>; vgl. auch bereits BVerfG, Urt. vom 10. Dezember 1980 -
82
2 BvF 3/77 -, BVerfGE 55, 274 <308>.
In welchen Zeitabständen die Fortdauer der sachlichen Rechtfertigung einer
Sonderabgabe vom Gesetzgeber zu prüfen ist, lässt sich nicht generell und abstrakt,
sondern nur nach den besonderen Umständen der konkreten Sonderabgabe und den
ihr zugrunde liegenden Verhältnissen bemessen.
83
Vgl. BVerfG, Urteil vom 17. Juli 2003, a.a.O., S. 231
84
Der Gesetzgeber hätte für die hier in Rede stehenden Heranziehungszeiträume im
Jahre 2002 die Verpflichtung gehabt, die Gültigkeit der bisher für die Sonderabgaben
nach dem AFoG maßgeblichen Gründe aufgrund der seit 1993 vollzogenen
Veränderungen zu überprüfen. Wie bereits ausgeführt, beruhte der Erlass des
Absatzfondsgesetzes im Jahre 1969 maßgeblich auf der seinerzeit gehegten
Befürchtung, dass nur durch die Bildung einer zentralen Einrichtung der Deutschen
Land- und Ernährungswirtschaft sich diese im kommenden Gemeinsamen Markt werde
behaupten können,
85
vgl. Schriftlicher Bericht des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten
vom 21. März 1969, BTDrs. V/4006, S. 1f sowie S.6.
86
Auch bei seiner Entscheidung im Jahre 1990 hatte das Bundesverfassungsgericht die
"Einführung eines Absatzfonds zur zentralen Werbung für deutsche landwirtschaftliche
Erzeugnisse" schwerpunktmäßig damit begründet, dass hierdurch die deutsche
Agrarwirtschaft in Konkurrenz zu anderen Agrarexportländern der Europäischen
Gemeinschaften gestärkt und geschützt werden sollte. Wichtig sei die weiterhin
wirksame Absatzförderung deutscher Agrarprodukte vor allem im Hinblick auf den
(noch) verschärften Wettbewerb, der im Zusammenhang mit der Verwirklichung eines
einheitlichen europäischen Binnenmarktes bis 1992 erwartet werde. Die
dahingehenden Untersuchungen der Bundesregierung und des Ausschusses für
Ernährung, Landwirtschaft und Forsten des Deutschen Bundestags hat das Gericht
seinerzeit für hinreichend angesehen, die Weitergeltung des Absatzfondsgesetzes zu
begründen.
87
Vgl. BVerfG, Beschluss vom 31. Mai 1990, a.a.O., S. 183.
88
Dabei verwies das Gericht als einen Grund für das Fortbestehen des
Finanzierungszwecks des Absatzfondsgesetzes insbesondere auf die nach Aussagen
der damaligen Bundesregierung bestehenden erheblichen Einfuhrüberschüsse im
ernährungswirtschaftlichen Handel mit den EG- Partnerländern und mit Drittländern.
Zugleich machte es aber deutlich, dass in diesem Rahmen die "gegenwärtige
Entwicklung in Deutschland und Europa zusätzliche Anforderungen an die
Förderungspolitik stellen" könnten. Die verfassungsgerichtlich gebotene Überprüfung
der grundsätzlich temporären Aufgabe bestätige also nur für die Gegenwart das
Fortbestehen von Finanzierungsaufgabe und Finanzierungszweck.
89
Vgl. BVerfG, Beschluss vom 31. Mai 1990, a.a.O., S. 189f.
90
Vor dem Hintergrund der Vollendung des Europäischen Binnenmarkts auf dem Gebiet
der Landwirtschaft, dessen bereits langjährigen Bestehens sowie der zunehmend
engeren europarechtlichen Vorgaben für die einem Mitgliedsstaat zurechenbare
91
Förderung des Absatzes der Erzeugnisse seiner Agrarwirtschaft, wie sie insbesondere
in den Werbeleitlinien von 2001 und schließlich in der Entscheidung des EuGH vom 5.
November 2002 ihren Niederschlag gefunden haben, und im Hinblick auf die durch den
Europäischen Binnenmarkt für die deutsche Agrarwirtschaft insgesamt bewirkten
Änderungen war es für den Gesetzgeber verfassungsrechtlich geboten, den Fortbestand
des ursprünglichen Förderzwecks insgesamt, jedenfalls aber des hierfür bisher
vorgesehenen finanziellen Instrumentariums einer neuen Prüfung zu unterziehen.
Dieser Verpflichtung ist er jedoch nicht nachgekommen, insbesondere nicht im
Zusammenhang mit einer Änderung des Absatzfondsgesetzes.
In der Zeit nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts am 31. Mai 1990
erfolgten zwar insgesamt sieben Änderungen von Bestimmungen des
Absatzfondsgesetzes:
92
Gesetz über den Holzabsatzfonds (FAfG) vom 13. Dezember 1990, BGBl I 1990, 2760;
93
Gesetz zur Änderung des Absatzfondsgesetzes und des Forstabsatzfondsgesetzes
(AbsFondsG/FAfGÄndG) vom 29. Januar 1993, BGBl I 1993, 114;
94
Bekanntmachung der Neufassung des Absatzfondsgesetzes (AbsFondsGBek93) vom
21. Juni 1993, BGBl I 1993, 998
95
Gesetz zur Reform des Weinrechts (WeinRRefG) vom 8. Juli 1994, BGBl I 1994, 1467
96
Gesetz über die Errichtung einer Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung und
zur Änderung von Vorschriften auf den Gebieten der Land- und Ernährungswirtschaft
(BLEGuÄndG) vom 2. August 1994, BGBl I 1994, 2018;
97
Gesetz zur Sanierung des Bundeshaushalts (HSanG) vom 22. Dezember 1999, BGBl I
1999, 2534;
98
Siebente Zuständigkeitsanpassungs-Verordnung (ZustAnpV 7) vom 29. Oktober 2001,
BGBl I 2001, 2785
99
Gesetz zur Änderung des Absatzfondsgesetzes (AbsFondsGÄndG 2002) vom 8. August
2002, BGBl I 2002, 3114
100
Von diesen Gesetzgebungsverfahren hatten - sieht man von der nur redaktionelle
Bedeutung aufweisenden Neubekanntmachung vom 21. Juni 1993 ab - allerdings nur
zwei, nämlich die beiden Gesetze zur Änderung des Absatzfondsgesetzes aus den
Jahren 1993 und 2002, vorrangig Neuregelungen von Bestimmungen des
Absatzfondsgesetzes zum Gegenstand. In den übrigen Verfahren waren Bestimmungen
des Absatzfondsgesetzes lediglich Gegenstand von Folgeänderungen im
Zusammenhang mit der Änderung anderer Gesetze. Eine grundsätzliche Überprüfung
des Fortbestands der verfassungsrechtlichen Rechtfertigung der im Absatzfondsgesetz
geregelten Sonderabgabe duch den Gestezgeber fand hier nicht statt und war in diesem
Zusammenhang auch nicht zu erwarten.
101
Aber auch in den beiden verbleibenden Änderungsverfahren, die unmittelbar und
vorrangig die Änderung des Absatzfondsgesetzes betrafen, unterblieb diese
Überprüfung. Dies erscheint für das im Jahre 1993 abgeschlossene
102
Gesetzesänderungsverfahren unter dem hier maßgeblichen Blickwinkel der
Verhältnisse im Jahre 2002 als unschädlich, weil der Gesetzgeber zu diesem Zeitpunkt
noch annehmen durfte, dass sich im Verhältnis zu der verfassungsrechtlichen Sachlage,
wie sie vom Bundesverfassungsgericht nicht einmal drei Jahre zuvor bewertet worden
war, zu diesem Zeitpunkt noch nichts Wesentliches verändert habe. Anders verhält es
sich jedoch für den Zeitraum vom Erlass der Werbeleitlinien am 12. September 2001 bis
zum hier für die Veranlagung der Klägerinnen maßgeblichen Ende des Jahres 2002.
Hier hatten sich die vorstehend beschriebenen Veränderungen für die europarechtlich
zulässige Form der staatlichen Förderung des Absatzes der eigenen nationalen Land-
und Ernährungswirtschaft vollzogen und damit den verfassungsrechtlichen
Überprüfungsbedarf für den Gesetzgeber ausgelöst.
Dem ist der Gesetzgeber dann jedoch weder im Rahmen der Behandlung des in diesem
Zeitraum eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des
Absatzfondsgesetzes,
103
vgl. GesE der Fraktionen SPD und Bündnis 90/Die Grünen vom 19. März 2002, BTDrs.
14/8585,
104
der schließlich zu dem - mit Ausnahme seiner Art. 1 Nr.1 und Nr.2 - am 1. Januar 2003
in Kraft getretenen Gesetz zur Änderung des Absatzfondsgesetzes vom 8. August 2002
führte (BGBl. I S. 3114), noch in sonstiger Weise gerecht geworden.
105
Gegenstand der genannten Gesetzesänderung, die nach dem Zeitpunkt ihres
Inkrafttretens zudem die vorliegend streitigen Abgabenbescheide nicht mehr erfasste,
war allein die Einbeziehung von Belangen des Verbraucher-, Tier- und Umweltschutzes
in die Absatzförderung durch den Absatzfonds, die daran anknüpfende Veränderung der
Zusammensetzung des Verwaltungsrats sowie die Umstellung der in § 10 AFoG bisher
noch in DM angegeben Fondsbeiträge in Euro. Eine Auseinandersetzung mit den
zwischenzeitlich auf europäischer Ebene eingetretenen Veränderungen für die
Zulässigkeit staatlicher Absatzförderung, insbesondere unter Berücksichtigung der von
der Kommission erlassenen Werbeleitlinien, fand in den Gesetzeserörterungen
ausweislich der verfügbaren Gesetzesmaterialien nicht statt. Allein der Hinweis auf den
Fortbestand von staatlich unterstützten Absatzförderungseinrichtungen in anderen
Mitgliedsstaaten reichte insofern für eine verfassungsrechtlich ordnungsgemäße
Prüfung der Notwendigkeit gerade des Finanzierungsmittels Sonderabgabe nicht aus,
denn für diese gelten die mit den Werbeleitlinien verbundenen Einschränkungen in
gleicher Weise wie auch für Deutschland. Möglichen Verstößen anderer
Mitgliedsstaaten hiergegen hätte daher nicht durch deren Nachahmung zugunsten der
nationalen Agrarwirtschaft, sondern ggfs. durch konsequente Geltendmachung
entsprechender Beschwerden bei den zuständigen europäischen Stellen begegnet
werden müssen. Anhaltspunkte für eine den verfassungsrechtlichen Anforderungen
genügende Prüfung des Gesetzesgebers außerhalb des genannten
Gesetzesgebungsverfahrens konnten weder die Beklagte noch der Beigeladene
nennen; hierfür ist auch sonst nichts ersichtlich.
106
Die Vorlagefrage ist auch nicht bereits durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts
vom 31. Mai 1990, a.a.O., im Sinne einer Verfassungsmäßigkeit der zur Prüfung
gestellten Vorschriften beantwortet, da sich - wie vorstehend im einzelnen dargelegt - für
die Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit maßgebliche Verhältnisse seitdem in
wesentlicher Hinsicht verändert haben.
107
Dieser Beschluss ist unanfechtbar.
108