Urteil des VG Köln vom 18.12.2006

VG Köln: lwg, betreiber, abgabefreiheit, kanalisation, zustand, gewässer, regen, veranlagung, abgabebefreiung, ausführung

Verwaltungsgericht Köln, 14 K 5713/04
Datum:
18.12.2006
Gericht:
Verwaltungsgericht Köln
Spruchkörper:
14. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
14 K 5713/04
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens, mit Ausnahme der
außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.
T a t b e s t a n d
1
Die Klägerin betreibt auf ihrem Betriebsgelände Anlagen zur Herstellung u.a. von
Additiven für Mineralölprodukte. Sie leitet von insgesamt ca. 17 ha befestigten Flächen
ihres Betriebsgeländes sowie des Betriebsgeländes der Beigeladenen und der Fa. B.
verschmutztes Niederschlagswasser über eine nicht-öffentliche Kanalisation mit
Abwasserbehandlungsanlage in den Rhein ein (Auslass E1).
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Mit Schreiben vom 4. Februar 2002 beantragte die Klägerin bei dem Beklagten für diese
Einleitung die Befreiung von der Abwasserabgabepflicht für das Veranlagungsjahr 2001
gemäß § 73 Abs. 2 LWG NRW.
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Daraufhin setzte der Beklagte gegenüber der Klägerin im Hinblick auf die zuvor
dargestellte Einleitung mit Bescheid vom 28. Januar 2003 für das Veranlagungsjahr
2001 eine Abwasserabgabe i.H.v. 10.951,74 EUR fest. Dabei wurden 306
Schadeinheiten (= 18 Schadeinheiten x 17 ha) und ein Abgabesatz von 35,79 EUR (=
70,00 DM) pro Schadeinheit zugrunde gelegt. Zur Begründung heißt es in dem
Bescheid: „Das Kanalisationsnetz entspricht nicht den a.a.R.d.T. nach § 18 b Abs. 1
WHG und § 57 Abs. 1 LWG. Die Anforderungen der „Verordnung zur
Selbstüberwachung von Kanalisationsnetzen und Einleitungen von Abwasser aus
Kanalisationen im Mischsystem und Trennsystem (Selbstüberwachungsverordnung
Kanal - SüwV Kan.)" des MURL vom 06.01.1995 werden nicht erfüllt."
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Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin mit Schreiben vom 25. Februar 2003
Widerspruch ein. Zur Begründung trug sie im Wesentlichen vor, dass die
Befreiungsvoraussetzungen gemäß § 73 Abs. 2 LWG NRW, insbesondere die
Anforderungen der SüwV Kan erfüllt seien - und zwar unabhängig von der noch nicht
verbindlich geklärten Frage, ob das Kanalnetz in Bezug auf eine Anwendung der SüwV
Kan isoliert oder gemeinsam mit dem der Beigeladenen betrachtet werden müsse.
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Mit Stellungnahme vom 21. Juni 2004 teilte das StUA Köln dem Beklagten mit, dass mit
Stand von Oktober 2001 54% der Kanäle und Schächte des klägerischen Kanalnetzes
gemäß SüwV Kan erstbefahren worden seien. Über das Kanalnetz der Beigeladenen
und der Fa. B. , die auch in das klägerische Kanalnetz einleiteten, lägen keine
Erkenntnisse vor. Die Vorgaben der SüwV Kan seien damit für das Veranlagungsjahr
2001 nicht erfüllt, da hierzu am 30. Juni 2001 60 % des Kanalnetzes untersucht worden
sein müssten. Im Übrigen seien die Kanalstrecken der Beigeladenen und der Fa. B.
noch zum klägerischen Kanalsystem hinzuzuzählen, weil das gesamte Kanalnetz aus
allen verbundenen Kanälen oberhalb einer Einleitungsstelle in ein Gewässer gebildet
werde. Damit sei der Umsetzungsgrad der SüwV Kan im Veranlagungsjahr 2001 aber
noch geringer.
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Daraufhin wies der Beklagte den Widerspruch der Klägerin mit Bescheid vom 7. Juli
2004 als unbegründet zurück. Zur Begründung verwies der Beklagte zunächst auf die
Stellungnahme des StUA Köln vom 21. Juni 2004. Ergänzend wurde ausgeführt, dass
bei der Ermittlung der Gesamtlänge des klägerischen Kanalisationsnetzes i.S.d. Nr. 1
der Anlage zur SüwV Kan Druckrohrleitungen nicht zu berücksichtigen seien, da diese
als Sonderbauwerke anderen Regelungen unterlägen. Daher reduziere sich zwar die
Länge des zu untersuchenden klägerischen Kanalisationsnetzes auf 20,3 km. Hiervon
seien laut einem Vermerk des StUA Köln vom 25. Oktober 2001 bis zum 23. Oktober
2001 aber nur etwa 9,5 km erstbefahren worden, was einer Untersuchungsquote von
lediglich 46,8 % entspreche. Damit werde jedoch der zum Stichtag 30. Juni 2001 gemäß
§ 2 Abs. 1 SüwV Kan i.V.m. Nr. 1 der dazugehörigen Anlage geforderte
Untersuchungszustand des klägerischen Kanalnetzes von 50 % nicht erreicht. Gehe
man davon aus, dass seitens der ebenfalls über die Einleitungsstelle E1 einleitenden
Beigeladenen und Fa. B. keine Untersuchungen an deren Kanalnetzen vorgenommen
worden seien, stehe fest, dass die von § 2 Abs. 1 SüwV Kan i.V.m. Nr. 1 der
dazugehörigen Anlage geforderte Untersuchung von jährlich 10 % des gesamten
Kanalisationsnetzes des Einleiters seit dem 1. Januar 1996 auf keinen Fall erreicht
werde.
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Am 5. August 2004 hat die Klägerin die vorliegende Klage erhoben.
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Zur Begründung der Klage trägt sie in Ergänzung ihres bisherigen Vorbringens im
Wesentlichen vor, aufgrund späterer Befahrungen habe sich herausgestellt, dass ihr
Kanalnetz unter Abzug des Druckrohrleitungssystems nur 16,8 km umfasse, wovon bis
Ende 2000 8,8 km gemäß SüwV Kan untersucht worden seien, was einer Quote von
etwa 52,3% entspreche. Die ursprünglich angegebene Kanallänge habe auf einer
bestmöglichen Schätzung der Klägerin beruht. Außerdem sei aufgrund der
katastermäßigen Erfassung der klägerischen Grundstücksfläche im Jahr 2002 die
maßgebliche befestigte Fläche nur mit insgesamt ca. 14 ha anzugeben. Die Flächen
und Kanalstrecken der benachbarten Gesellschaften seien nicht zu berücksichtigen. Sie
- die Klägerin - könne nicht dadurch schlechter gestellt werden, dass sie berechtigt sei,
die an der Grundstücksgrenze von den - selbst abwasserbeseitigungspflichtigen -
Nachbarfirmen übernommenen Abwässer über ihr ordnungsgemäß untersuchtes
Kanalnetz fortzuleiten. Sie trage dafür Sorge, dass sie an der Grundstücksgrenze nur für
die Fortleitung zugelassenes Abwasser übernehme. Für den Zustand auf den
Nachbargrundstücken könne sie jedoch nicht zur Verantwortung gezogen werden. Dies
zeige zum einen bereits der Begriff „Selbstüberwachung", zum anderen verdeutliche
dies auch § 2 Abs. 1 SüwV Kan, der die Überwachungspflichten nur an den „Betreiber"
des Kanalisationsnetzes richte. Das Kanalisationsnetz eines Betreibers ende daher vor
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Übergabe des Abwassers an einen anderen Abwasserbeseitigungspflichtigen, wie es
sich nunmehr ausdrücklich aus Ziff. 1.2 des ministeriellen Runderlasses über die
Anforderungen an die Niederschlagsentwässerung im Trennverfahren vom 26. Mai
2004 ergebe. Auch § 59a Abs. 1 LWG NRW n.F. stelle nunmehr ausdrücklich klar, dass
im Fall der indirekten Einleitung von Abwasser in private Kanalisationsnetze zwischen
dem Verantwortungsbereich des Direkteinleiters und des Nutzungsberechtigten des
angeschlossenen Grundstücks zu trennen sei. Ferner betrieben die Klägerin und die
Beigeladene keine öffentliche Niederschlagsentwässerung i.S.d. von dem Beklagten
zitierten ministeriellen Runderlasse. Schließlich beruhe die SüwV Kan nicht auf § 18 b
Abs. 1 WHG und § 57 Abs. 1 LWG NRW, welche in § 73 Abs. 2 LWG NRW allein zitiert
seien.
Die Klägerin beantragt,
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den Festsetzungsbescheid des Beklagten vom 28. Januar 2003 in der Fassung des
Widerspruchsbescheides vom 7. Juli 2004 aufzuheben.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Er trägt ergänzend zu den Gründen der angefochtenen Bescheide im Wesentlichen vor,
er halte die im Widerspruchsbescheid gemachte Aussage - die Abgabebefreiung
scheitere auch daran, dass die Untersuchungsquote in dem von der Klägerin
betriebenen Kanalnetz nur 46,8 % betrage - nicht mehr aufrecht. Dies ändere jedoch am
Gesamtergebnis - Versagung der Abgabebefreiung - nichts, weil bei der Prüfung der
Anforderungen der SüwV Kan das gesamte Kanalnetz zu betrachten sei, welches
gemäß Ziff. 2 Abs. 1 Satz 3 des ministeriellen Runderlasses über die Anforderungen an
die öffentliche Niederschlagsentwässerung im Trennverfahren vom 4. Januar 1988 alle
miteinander verbundenen Kanäle oberhalb einer Einleitungsstelle bildeten, wobei
gemäß Ziff. 1 Abs. 3 Satz 2 die nachstehenden Anforderungen grundsätzlich auch auf
die private Niederschlagsent- wässerung von gewerblichen Flächen im Trennsystem
anzuwenden seien. Zudem werde in Ziff. 1.3 des ministeriellen Runderlasses über die
Anforderungen an die öffentliche Niederschlagsentwässerung im Mischverfahren vom 3.
Januar 1995 defi- niert, dass das Kanalisationsnetz von der Gesamtheit der Kanäle und
den mit diesen in funktionellem Zusammenhang stehenden Sonderbauwerken (wie z.B.
Pumpwerken, Regenrückhaltebecken, Regenüberlaufbecken) gebildet werde und bei
der letzten Regenentlastung vor Übergabe des Abwassers an die zentrale
Abwasserbehandlung ende. Dagegen stammten der von der Klägerin zitierte
ministerielle Runderlass sowie § 59 a Abs. 1 LWG NRW n.F. aus dem Jahr 2004 bzw.
2005 und seien daher auf das hier streitige Veranlagungsjahr 2001 nicht anwendbar.
Damit gehörten vorliegend zum gesamten Kanalnetz aber auch sämtliche
Kanalstrecken der Beigeladenen und der Fa. B. , die bisher jedoch nicht i.S.d. SüwV
Kan untersucht worden seien, so dass sich ein Untersuchungsumfang von 43,9 %
ergebe, der weit unter dem erforderlichen Untersuchungsumfang von 50 % liege.
Schließlich knüpfe die Abwasserabgabenpflicht allein an den Ein- leitungstatbestand
an, den die Klägerin unzweifelhaft erfülle, so dass sich auch die Prüfung der
Befreiungsvoraussetzungen auf das gesamte hinter der Einleitungsstelle befindliche
Kanalisationssystem beziehen müsse.
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Die Beigeladene stellt keinen Antrag.
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Sie nimmt im Wesentlichen auf das Vorbringen der Klägerin Bezug. Im Übrigen sei nach
§ 73 Abs. 2 LWG NRW nur auf die Misch- und Niederschlagswasser-, nicht aber auch
auf die Schmutzwasserkanäle abzustellen. Ihr eigenes Misch- und Nieder-
schlagswasserkanalnetz habe am 31. Dezember 2000 insgesamt 2,591 km betragen
und sei bislang nicht mittels Kanalfernsehuntersuchung oder Begehung erstmals erfasst
worden i.S.d. Nr.1 der Anlage zu § 2 Abs. 1 SüwV Kan.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakte und der vom Beklagten vorgelegten Verwaltungsvorgänge Bezug
genommen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
18
Die zulässige Anfechtungsklage ist nicht begründet.
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Die Festsetzung der Abwasserabgabe durch den Beklagten gegenüber der Klägerin für
das Einleiten von verschmutztem Niederschlagswasser aus dem Auslass E1 in den
Rhein im Veranlagungsjahr 2001 in dem Bescheid vom 28. Januar 2003 in der Gestalt
des Widerspruchsbescheides vom 7. Juli 2004 in Höhe von 10.951,74 EUR ist
rechtmäßig (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
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Rechtsgrundlage für diese Veranlagung sind §§ 1, 2 Abs. 1 Satz 1 u. Abs. 2, 7 Abs. 1
Satz 2, 9 Abs. 1 u. Abs. 4 Satz 2, 11 Abs. 1 des Gesetzes über Abgaben für das
Einleiten von Abwasser in Gewässer vom 13. September 1976 in der hier maßgeblichen
Fassung von Art. 3 des Gesetzes zur Ausführung des Protokolls vom 7. November 1996
zum Übereinkommen über die Verhütung der Meeresverschmutzung durch das
Einbringen von Abfällen und anderen Stoffen von 1972 vom 25. August 1998
(Abwasserabgabengesetz - AbwAG). Nach diesen Vorschriften ist hier die Abgabe in
dem zuvor genannten Umfang zutreffend festgesetzt worden. Insbesondere ist die
Veranlagung von insgesamt 17 ha befestigten gewerblichen Flächen der Klägerin, der
Beigeladenen und der Fa. B. nicht zu beanstanden, weil nach §§ 7 Abs. 1 Satz 2, 9 Abs.
1 AbwAG alle befestigten gewerblichen Flächen heranzuziehen sind, von denen
Niederschlagswasser über eine nichtöffentliche Kanalisation eingeleitet wird.
Vorliegend leitete die Klägerin aber auch das auf den befestigten gewerblichen Flächen
der Beigeladenen und der Fa. B. anfallende Niederschlagswasser zunächst über deren
und dann ihre eigene nichtöffentliche Kanalisation gemäß § 2 Abs. 2 1. Hs. AbwAG ein,
da sie dieses Niederschlagswasser über ihre Abwasserbehandlungsanlage unmittelbar
in den Rhein verbrachte. Eine Beschränkung der Abgabepflicht auf von eigenen
befestigten gewerblichen Flächen gesammeltes und eingeleitetes Niederschlagswasser
lässt sich §§ 7 Abs. 1 Satz 2, 9 Abs. 1 AbwAG nicht entnehmen.
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So bereits: OVG NRW, Urteil vom 27.5.2003 - 9 A 3415/99 -, NWVBl. 2004, S. 56 f..
22
Vielmehr normiert § 64 Abs. 2 des Wassergesetzes für das Land Nordrhein- Westfalen
in der Fassung der Bekanntmachung vom 25. Juni 1995, zuletzt geändert durch Art. 4
des Gesetzes zur Ausführung und Ergänzung des Bundes- Bodenschutzgesetzes in
Nordrhein-Westfalen vom 9. Mai 2000 (Landeswassergesetz - LWG) sogar ausdrücklich,
dass der Einleiter von Abwasser aus einer Abwasserbehandlungsanlage außer für
seine Einleitung auch an Stelle Dritter für die Einleitungen von Niederschlagswasser
aus einer Kanalisation abgabepflichtig ist, sofern aus ihr Niederschlagswasser ganz
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oder teilweise seiner Abwasserbehandlungsanlage zugeführt wird.
Darüber hinaus kam eine Abgabefreiheit gemäß § 7 Abs. 2 AbwAG nicht in Betracht.
Nach dieser Regelung können die Länder bestimmen, unter welchen Voraussetzungen
die Einleitung von Niederschlagswasser ganz oder zum Teil abgabefrei bleibt. Gemäß §
73 Abs. 2 Satz 1 LWG bleibt die Einleitung von Niederschlagswasser (§ 7 des
Abwasserabgabengesetzes) auf Antrag abgabefrei, wenn neben weiteren - kumulativ zu
erfüllenden - Voraussetzungen die Anlagen zur Beseitigung des Niederschlagswassers
und deren Betrieb den dafür in Betracht kommenden Regeln der Technik nach § 18b
Abs. 1 des Wasserhaushaltsgesetzes (WHG) und § 57 Abs. 1 LWG entsprechen. Bei
der Festsetzung der Abwasserab- gabe nach § 73 Abs. 2 LWG ist gemäß § 73 Abs. 4
LWG von den Verhältnissen am 30. Juni des Kalenderjahres auszugehen.
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Vorliegend entsprach das gesamte Niederschlagswasserkanalisationsnetz der Klägerin,
der Beigeladenen und der Fa. B. am 30. Juni 2001 nicht den durch den Runderlass des
Ministeriums für Umwelt, Raumordnung und Landwirtschaft (MURL) NRW vom 3.
Januar 1995 - IV B 6 - 031 002 0201 (RdErl. „Betrieb") nach § 57 Abs. 1 LWG als
allgemein anerkannte Regeln der Abwassertechnik eingeführten und bekannt
gemachten Anforderungen an den Betrieb und die Unterhaltung für die in § 58 Abs. 1
LWG angeführten Kanalisationsnetze. Gemäß Ziff. 2 Satz 1 RdErl. „Betrieb" sind
nämlich die Bauwerke eines Kanalisationsnetzes, zu denen gemäß Ziff. 1 1.
Spiegelstrich RdErl. „Betrieb" insbesondere Kanäle und Schächte gehören, regelmäßig
oder nach Bedarf entsprechend den Ergebnissen der nach § 2 der - am 1. Januar 1996
in Kraft getretenen - Verordnung zur Selbstüberwachung von Kanalisationen im
Mischsystem und im Trennsystem vom 16. Januar 1995 (Selbst-
überwachungsverordnung Kanal - SüwV Kan) durchzuführenden Untersuchungen zu
betreiben und zu unterhalten. Damit ist aber § 2 SüwV Kan - mittelbar - über Ziff. 2 Satz
1 RdErl. „Betrieb" ebenfalls als allgemein anerkannte Regel der Abwasser- technik
i.S.d. § 57 Abs. 1 LWG eingeführt worden. Dies rechtfertigt sich auch daraus, dass die
nach der Anlage zu Ziff. 2 Satz 2 RdErl. „Betrieb" vom Betreiber eines
Kanalisationsnetzes an den einzelnen Bauwerken durchzuführenden Betriebs- und
Unterhaltungsmaßnahmen auf den Ergebnissen der gemäß § 2 SüwV Kan
durchzuführenden Untersuchungen aufbauen und an diese inhaltlich anknüpfen.
25
So bereits die erkennende Kammer im rechtskräftigen Urteil vom 12.08.2003 - 14 K
273/01 -; ebenso VG Minden, Urteil vom 25.02.2004 - 11 K 5118/03 -, bestätigt durch
das OVG NRW mit Beschluss vom 31.01.2006 - 9 A 1841/04 -.
26
Gemäß § 2 Abs. 1 SüwV Kan hat jedoch der Betreiber eines Kanalisationsnetzes die
Kanalisationsnetze nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 SüwV Kan, zu denen auch die
Kanalisationsnetze für die private Abwasserbeseitigung von befestigten gewerblichen
Flächen, die größer als drei Hektar sind, gehören, auf Zustand und Funktionsfähigkeit
selbst zu überwachen, wobei sich die zu beobachtenden Einrichtungen, der
Prüfungsumfang und die Häufigkeit der Prüfung aus der Anlage ergeben. Nach Nr. 1 der
Anlage zu § 2 Abs. 1 SüwV Kan sind (ab Inkrafttreten der SüwV Kan) unter anderem zur
erstmaligen Erfassung des Zustandes der Kanäle (einschließlich der Einbindungen der
Anschlusskanäle) jährlich 10 % der Kanäle, d.h. das gesamte Kanalnetz innerhalb von
10 Jahren, mittels Kanalfernsehuntersuchung oder Begehung zu prüfen; dabei werden
Untersuchungen seit 1989 angerechnet.
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Diesen Anforderungen aus § 73 Abs. 2 Satz 1 LWG i.V.m. Ziff. 2 Satz 1 RdErl. „Betrieb"
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i.V.m. § 2 Abs. 1 SüwV Kan u. Nr. 1 der Anlage zur SüwV Kan genügte das gesamte
Niederschlagswasserkanalisationsnetz der Klägerin, der Beigeladenen und der Fa. B.
am 30. Juni 2001 nicht. Denn an diesem Stichtag war nach den zuvor zitierten
Vorschriften zu verlangen, dass vom 1. Januar 1989 bis zum 31. Dezember 2000 der
Zustand von 50 % des gesamten Niederschlagswasserkanalisationsnetzes der
Klägerin, der Beigeladenen und der Fa. B. mittels Kanalfernsehuntersuchung oder
Begehung erstmals erfasst wurde. Nach eigenen Angaben der Klägerin und der
Beigeladenen sind aber am 31. Dezember 2000 lediglich 47,94 % (= 8,24105 km) der
von ihnen und der Fa. B. zu diesem Zeitpunkt betriebenen Regen- und
Mischwasserkanäle mit einer Gesamtlänge von 17,191 km entsprechend § 2 Abs. 1
SüwV Kan u. Nr. 1 der Anlage zur SüwV Kan erstmalig untersucht worden.
Dabei sind im Rahmen dieser Betrachtung lediglich die Regen- und Mischwasser-, nicht
aber auch die Schmutzwasserkanäle in den Blick zu nehmen, weil dadurch, dass § 73
Abs. 2 Satz 1 LWG ausdrücklich auf die „Anlagen zur Beseitigung des
Niederschlagswassers und deren Betrieb" (Unterstreichung durch das Gericht) abstellt,
deutlich wird, dass allein die für Niederschlagswasserbehandlungsanlagen in Betracht
kommenden Regeln der Technik nach § 18b Abs. 1 WHG und § 57 Abs. 1 LWG
eingehalten werden müssen. So bereits: OVG NRW, Urteil vom 27.5.2003 - 9 A 3415/99
-, NWVBl. 2004, S. 56 f..
29
Zudem geht das Gericht mangels anderer Anhaltspunkte davon aus, dass nur durch die
am 31. Dezember 2000 betriebenen Regen- und Mischwasserkanäle der Klägerin, der
Beigeladenen und der Fa. B. Niederschlagswasser von deren befestigten gewerblichen
Flächen beseitigt wurde, die Schmutzwasserkanäle mithin nicht der
Niederschlagswasserbeseitigung dienten.
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Schließlich ist vorliegend auch das gesamte Niederschlagswasserkanalisations- netz
der Klägerin, der Beigeladenen und der Fa. B. zu betrachten. Denn § 7 Abs. 2 AbwAG
und § 73 Abs. 2 Satz 1 LWG knüpfen die Abgabefreiheit daran, dass die Anlagen zur
Beseitigung des eingeleiteten Niederschlagswassers und deren Betrieb den dafür in
Betracht kommenden Regeln der Technik nach § 18b Abs. 1 WHG und § 57 Abs. 1
LWG entsprechen. Zu diesen Anlagen gehören jedoch sämtliche Anlagen, die bis zur
Einleitung des - mit anderem Abwasser vermischten - Niederschlagswassers in ein
Gewässer zwischengeschaltet sind, also insbesondere das gesamte
Niederschlagswasserkanalisationsnetz vor der Einleitungsstelle.
31
Vgl. hierzu: OVG NRW, Beschluss vom 20.4.2004 - 9 A 3750/02 -, KStZ 2004, S. 152 f.;
Honert / Rüttgers / Sanden, Kommentar zum LWG, 4. Aufl. 1996, § 64 Rdnr. 4 a.E..
32
Diese „Gesamtbetrachtung" bei der Abgabefreiheit korrespondiert auch mit der zuvor
getroffenen Feststellung, dass bei der Abgabefestsetzung nach §§ 7 Abs. 1 Satz 2, 9
Abs. 1 AbwAG alle befestigten gewerblichen Flächen heranzuziehen sind, von denen
Niederschlagswasser über eine nichtöffentliche Kanalisation eingeleitet wird. Dagegen
ist nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut des § 7 Abs. 2 AbwAG und des § 73 Abs. 2
Satz 1 LWG nicht Voraussetzung für die Abgabefreiheit, dass der Einleiter die
Niederschlagswasserbeseitigungsanlagen selbst betreibt. Etwas anderes ergibt sich
auch weder aus den §§ 58 Abs. 1 Satz 1, 59a Abs. 1, 61 Abs. 1 Satz 1 LWG n.F. noch
aus der SüwV Kan noch aus dem RdErl. „Betrieb" sowie den weiteren von den
Beteiligten zitierten ministeriellen Runderlassen. Alle diese Vor- schriften enthalten
nämlich schon keine Bestimmung des Begriffs der „Anlagen zur Beseitigung des
33
Niederschlagswassers" in § 73 Abs. 2 Satz 1 LWG und gehören nicht dem
Abwasserabgabenrecht, sondern dem Wasserrecht an, welches dem Anlagenbetreiber
Ordnungspflichten auferlegt, während jedoch im Ab- wasserabgabenrecht - wie § 9 Abs.
1 AbwAG und § 64 Abs. 2 LWG zeigen - allein an die Einleiterstellung angeknüpft wird.
Darüber hinaus sind die SüwV Kan und die ministeriellen Runderlasse als
untergesetzliche Vorschriften an den Inhalt des ge- setzlichen Tatbestandes in § 73 Abs.
2 Satz 1 LWG gebunden.
Vgl. hierzu: OVG NRW, Beschluss vom 20.4.2004 - 9 A 3750/02 -, KStZ 2004, S. 152 f..
34
Im Übrigen folgt aus Ziff. 1 12. Spiegelstrich RdErl. „Betrieb" sowie § 4 Abs. 1 Satz 1 u.
Satz 2 12. Spiegelstrich SüwVKan, dass zu den Bauwerken eines Kanalnetzes
insbesondere Übergabepunkte zwischen verschiedenen Betreibern gehören und somit
ein Kanalnetz durchaus mehrere Betreiber haben kann. Der demnach bestehenden
Möglichkeit, dass dem Einleiter die Abgabefreiheit versagt wird, weil der -
personenverschiedene - Betreiber eines Teils des Kanalnetzes, aus welchem
Niederschlagswasser miteingeleitet wird, hinsichtlich dieses Teils die entsprechenden
Regeln der Technik nicht eingehalten hat, kann dadurch Rechnung getragen werden,
dass in der Miteinleitungsvereinbarung für einen solchen Fall die Übernahme der
Abwasserabgabe durch diesen Betreiber vorgesehen wird. Dies ist vorliegend in Nr. 4.
der „2. Nachtragsvereinbarung betr. Abwasserbeseitigung" zwischen der Klägerin und
der Beigeladenen von Mai 2006 auch geschehen.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 u. 3 VwGO. Der Beigeladenen konnten
keine Kosten auferlegt werden, da sie keinen Antrag gestellt hat.
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