Urteil des VG Köln vom 12.11.2002

VG Köln: aufschiebende wirkung, zugang, wettbewerber, betreiber, schnittstelle, rechtswidrigkeit, verwaltungsverfahren, rechtsgrundlage, form, firma

Verwaltungsgericht Köln, 1 L 1805/02
Datum:
12.11.2002
Gericht:
Verwaltungsgericht Köln
Spruchkörper:
1. Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
1 L 1805/02
Tenor:
1. Die Verfahren 1 L 1805/02 und 1 L 2419/02 werden zur gemeinsamen
Entscheidung miteinander verbunden und unter dem Aktenzeichen 1 L
1805/02 fortgeführt.
2. Die aufschiebende Wirkung der Klage 1 K 6414/02 gegen die
Bescheide der Antragsgegnerin vom 1. Juli 2002 und vom 19. Juli 2002
wird hinsichtlich Ziff. 1. b), 1. c.), 1. i) sowie Ziff. 2 des Tenors der
angegriffenen Bescheide insgesamt und hinsichtlich Ziff. 1. m), aa) und
dd) und 2. teilweise angeordnet, soweit die Regelungen die
Bereitstellung der Teilnehmeranschlussleitung in Glasfaserausführung
betreffen.
Im übrigen wird der Antrag abgelehnt.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Antragsgegnerin.
3. Der Streitwert wird auf 500.000,00 EUR festgesetzt.
4. Der Beschluss soll den Beteiligten vorab per Telefax übermittelt
werden.
Gründe: Der gemäß § 80 Abs. 5 und Abs. 2 S. 1 Nr. 3 der Verwaltungsgerichtsordnung
(VwGO), § 80 Abs. 2 des Telekommunikationsgesetzes (TKG) zulässige Antrag,
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die aufschiebende Wirkung der Klage 1 K 6414/02 gegen die Bescheide der
Antragsgegnerin vom 1. Juli 2002 und vom 19. Juli 2002 anzuordnen, soweit sich diese
gegen die Regelungen in Ziff. 1. b), 1. c.), 1. i), 1. m), aa) und dd) sowie in Ziff. 2 des
Tenors der angegriffenen Bescheide richtet,
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hat überwiegend Erfolg.
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Die im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmende Abwägung zwischen dem
öffentlichen Interesse an der Aufrechterhaltung der gesetzlich angeordneten sofortigen
Vollziehbarkeit der im Streit befindlichen Maßnahmen (§ 80 Abs. 2 TKG) und dem
Interesse der Antragstellerin an der Aussetzung der Vollziehung fällt weitgehend zu
Gunsten der Antragstellerin aus, weil die Bescheide der Antragsgegnerin vom 1. Juli
2002 und vom 19. Juli 2002 - soweit im vorliegenden Verfahren angefochten - mit
überwiegender Wahrscheinlichkeit im Hauptsacheverfahren keinen Bestand haben
werden.
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1. Die Regelungen betreffend die Bereitstellung der Teilnehmeranschlussleitungen in
Kupferdoppeladerausführung finden bei der im Rahmen der im vorliegenden Verfahren
des vorläufigen Rechtsschutzes allein möglichen summarischen Prüfung - bis auf Ziff. 1.
m) - keine ausreichende Fundierung in den angefochtenen Bescheiden.
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Ermächtigungsgrundlage für die Aufforderung zur Anpassung des Standardangebots in
Ziff. 1 b), c) der angefochtenen Verfügungen ist Art. 4 Abs. 3, Abs. 2 lit. a) der
Verordnung (EG) Nr. 2887/2000 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18.
Dezember 2000 über den entbündelten Zugang zum Teilnehmeranschluss, ABl. 2000, L
336/4 ff., (TAL-VO). Nach Art. 4 Abs. 3 TAL-VO kann die Regulierungsbehörde in
gerechtfertigten Fällen von sich aus tätig werden, um unter anderem fairen Wettbewerb -
für den entbündelten Zugang zum Teilnehmeranschluss - sicherzustellen. Nach Abs. 2
lit. a) TAL-VO ist sie insbesondere befugt, Änderungen des Standardangebots für den
entbündelten Zugang zum Teilnehmeranschluss und zu zugehörigen Einrichtungen,
einschließlich der Preise, zu verlangen, wenn diese Änderungen gerechtfertigt sind.
Dass die Antragstellerin als "gemeldeter Betreiber" im Sinne von Art. 2 lit. a) TAL-VO
gemäß Art. 3 Abs. 1 TAL-VO verpflichtet ist, ein Standardangebot zu veröffentlichen und
somit auch Adressatin einer entsprechenden Anordnung sein kann, unterliegt keinen
Bedenken. Ebenso war die Antragsgegnerin berechtigt, diese Verpflichtung im Wege
der besonderen Missbrauchsaufsicht nach § 33 Abs. 2 TKG durchzusetzen, denn das
Missbrauchsverfahren nach § 33 Abs. 2 TKG ist ein nach Art. 4 Abs. 5 TAL-VO zur
Anwendung kommendes Streitbeilegungsverfahren.
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Vgl. die Beschlüsse des Gerichts vom 21. Juni 2001 - 1 L 1050/01 - und 1 L 1013/01 -,
insoweit bestätigt durch Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen
(OVG NRW) Beschluss vom 23. August 2001 - 13 B 865/01 -, Multimedia und Recht
(MMR) 2001, 772 (773) - Line- Sharing.
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Wann ein gerechtfertigter Fall vorliegt, in dem zur Sicherstellung des fairen Wettbewerbs
Maßnahmen erforderlich sind (Art. 4 Abs. 3 TAL-VO), bzw. welcher Maßstab an die
Prüfung anzulegen ist, ob die verfügten Änderungen des Standardangebots
gerechtfertigt (Art. 4 Abs. 2 lit. a) TAL-VO) sind, regelt die TAL-VO nicht ausdrücklich.
Ebenso wenig definiert sie den Zielbegriff der wettbewerblichen Fairness (vgl. auch Art.
3 Abs. 2 Satz 1 und Art. 4 Abs. 1 TAL-VO). Allerdings ergibt sich aus dem
Erwägungsgrund (10) der TAL-VO, dass die Regulierungsermächtigung dazu dienen
soll, das Ungleichgewicht zwischen den Verhandlungspositionen des
zugangsberechtigten neuen Marktteilnehmers und der des gemeldeten Betreibers
auszugleichen. Daraus lässt sich ableiten, dass im Rahmen der
Regulierungsentscheidung die gegenläufigen Interessen trotz der unterschiedlichen
Marktmacht gleich gewichtet werden sollen und dass sie im Rahmen eines
Abwägungsprozesses in einen angemessenen Ausgleich zu bringen sind. Wie das
Gericht zur vergleichbaren Situation bei der Festlegung von Mo- dalitäten einer
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Zusammenschaltungsanordnung entschieden hat,
VG Köln, Beschlüsse vom 24. Januar 2002 - 1 L 2574/01 -, Juris, und vom 13. Februar
2002 - 1 L 2712/01 -,
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spricht vieles dafür, dass die getroffene Abwägungsentscheidung nur einer
eingeschränkten gerichtlichen Überprüfung zugänglich ist und nur dann als rechtswidrig
beanstandet werden kann, wenn der zugrunde liegende Sachverhalt unzutreffend oder
unvollständig ermittelt worden ist, nicht alle maßgeblichen Gesichtspunkte in die
Abwägung eingestellt wurden oder das Abwägungsergebnis schlechthin unvertretbar
ist. Für diese Einschränkung der gerichtlichen Überprüfung spricht ferner, dass der
Normgeber die nationalen Regulierungsbehörden zur Sicherstellung fairen
Wettbewerbs und zur raschen Streitbeilegung (Art. 4 Abs. 5 TAL-VO) ermächtigt, ohne
ihnen ein präzises normatives Entscheidungsprogramm an die Hand zu geben.
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Zu vergleichbaren Konstellationen s. Bundesverfassungsgericht, Beschluss der 1.
Kammer des 2. Senats vom 29. Mai 2002 - 2 BvR 723/99 -, Deutsches Verwaltungsblatt
(DVBl.) 2002, 1203 (1204); Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 17. April
2002 - 9 CN 1.01 -, DVBl. 2002, 1409 (1410).
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Vor diesem Hintergrund bestehen gegen die angefochtenen Regelungen in den
Bescheiden teilweise erhebliche Bedenken.
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a) Dies gilt zunächst für die Regelungen in Ziff. 1 b) der angefochtenen Bescheide.
Danach müssen die Wettbewerber der Antragstellerin ihre Bestellungen für die
Schaltung der Teilnehmeranschlussleitungen mit einem Vorlauf von einem Monat an die
Klägerin richten. Des Weiteren sollen die von den Wettbewerbern angegebenen
Bestellmengen innerhalb einer Toleranzgrenze von plus/minus 20 % verbindlich sein,
d.h. eine Unter- bzw. Überschreitung der in der Planungsangabe angegebenen
Bestellmenge von bis zu 20 % berührt die Verbindlichkeit der Bereitstellungsfrist nicht
und hat auch sonst keine nachteiligen Folgen für den Wettbewerber. Außerdem wurde
eine "Bagatellgrenze" von 100 angeordnet, d.h. Abweichungen zwischen der
Planungsangabe und der tatsächlichen Bestellung sollen unbeachtlich sein, wenn die
geplante Nachfrage nach Teilnehmeranschlussleitungen und die tatsächliche
Bestellmenge pro ASM (Auftragsmanagement) und Monat die Zahl von 100 jeweils nicht
überschreiten. Eine Verpflichtung zur gleichmäßigen zeitlichen Verteilung der
Bestellungen (Gleichverteilungsklausel) darf die Antragstellerin nicht vorsehen.
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Diese Regelungen dürfen allerdings nicht isoliert gesehen werden, sondern nur im
Zusammenhang mit der für die Bereitstellung der Teilnehmeranschlussleitung aufgrund
des derzeit geltenden Standardangebots maßgeblichen und auch künftig vorgesehenen
Frist von sieben Werktagen, die ab der endgültigen Bestellung der Schaltung der
Teilnehmeranschlussleitung zu laufen beginnt. Die Anordnung einer Bearbeitungsfrist
gehört zu den Punkten, die nach Art. 3 Abs. 1 Satz 1 TAL-VO in Verbindung mit deren
Anhang im Standardangebot mindestens enthalten sein müssen. Denn zu den nach Art.
3 Abs. 1 TAL-VO aufzunehmenden "Lieferbedingungen" gehört nach dem Anhang zur
TAL-VO ("Mindestbestandteile des von gemeldeten Betreibern zu veröffentlichenden
Standardangebots für den entbündelten Zugang zum Teilnehmeranschluss"), Abschnitt
D. Ziff. 1. auch die Bearbeitungsfrist für Anträge auf Bereitstellung von Diensten und
Einrichtungen. Dies berechtigt die Antragsgegnerin zu die Bearbeitungsfrist näher
ausgestaltenden Regelungen, soweit diese nicht ohnehin von den "üblichen
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Vertragsbedingungen" in Ziff. 2 Anhang zur TAL-VO, Abschnitt D erfasst sind.
Insoweit lässt sich jedoch nicht feststellen, ob die Regulierungsbehörde zu Recht die
Voraussetzungen für ein Tätigwerden bejaht hat bzw. ob die gewählten Rechtsfolgen
sich im Rahmen der TAL-VO halten. Die TAL-VO dient der Beseitigung eines unfairen
Verhaltens des gemeldeten Betreibers. Sie ermächtigt deshalb lediglich dazu, den
gemeldeten Betreiber zu einer Änderung des Standardangebots aufzufordern, das den
Wettbewerbern den Zugang zu Leistungen des gemeldeten Betreiber zu den
Bedingungen ermöglicht, die dieser sich - tatsächlich - selbst einräumt. Sie verleiht der
Regulierungsbehörde hingegen nicht die Befugnis, Wettbewerbern den Zugang zu einer
Leistung zu Bedingungen zu verschaffen, die der gemeldete Betreiber - und sei es
aufgrund von behebbaren Ineffizienzen in der Organisation seines Betriebs - sich intern
tatsächlich nicht einräumt. Dies ergibt sich aus Art. 3 Abs. 2 Satz 4 TAL-VO. Danach
müssen gemeldete Betreiber wie die Antragstellerin ihren Wettbewerbern von ihnen
genutzte gleichwertige Einrichtungen "nur zu denselben Bedingungen und innerhalb
desselben Zeitrahmens" zur Verfügung stellen. Zu den "Einrichtungen" gehört auch der
Zugang zur Teilnehmeranschlussleitung, wie sich unter anderem aus der Regelung des
Art. 1 Abs. 4 in der der TAL-VO vorausgehenden, dort in der Begründungserwägung
(13) genannten Empfehlung der Kommission vom 25. Mai 2000 (2000/417/EG)
betreffend den entbündelten Zugang zum Teilnehmeranschluss (ABl. L 156/44) ergibt.
Zwar betrifft die Regelung des Art. 3 Abs. 2 Satz 4 TAL-VO das Einzelzugangsbegehren
eines Wettbewerbers. Für ein Standardangebot und damit die Regelung des Zugangs
gegebenenfalls aller Wettbewerber kann aber nichts anderes gelten als für die
Eingrenzung des Zugangs im Einzelfall.
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Unter welchen Bedingungen die Antragstellerin ihren eigenen Endkunden die hier von
den Wettbewerbern nachgefragte Leistung bereitstellt, hat die Regulierungsbehörde
jedoch nicht ermittelt, obwohl sich im Verwaltungsverfahren genügend Hinweise darauf
ergeben, dass die angefochtenen Forderungen über die von der Antragstellerin selbst
gehandhabten Bedingungen hinausgehen: So soll nach den Angaben der
Antragstellerin bereits keine vergleichbare Bereitstellungsfrist existieren, vielmehr wird
die Bereitstellungsfrist aufgrund der aktuellen Bestellsituation individuell vereinbart;
diese kann zwischen wenigen Tagen und mehreren Wochen liegen (Schriftsätze der
Antragstellerin vom 26. April 2002, Bl. 2012 des Verwaltungsvorgangs (VV), und vom 8.
Mai 2002, Bl. 2193 VV). Auch die Kapazitäten der Antragstellerin seien begrenzt; die
Kundenbestellungen würden der Reihe nach abgearbeitet und es würden Prioritäten
gesetzt (Schriftsatz der Antragstellerin vom 8. Mai 2002, Bl. 2195 VV). Engpässe und
damit zögerliche Bereitstellung würden von der Antragstellerin gleichmäßig auf sich und
die Wettbewerber verteilt (Schriftsatz vom 22. Februar 2002, Bl. 646 VV). Vor diesem
Hintergrund bestand Anlass zu Ermittlungen (vgl. dazu: § 76 TKG), was gleichwertige
Bedingungen sind, unter denen die Antragstellerin ihren Wettbewerbern Zugang zur
Teilnehmeranschlussleitung zu gewähren verpflichtet ist. Derartige Ermittlungen haben
jedenfalls in den angefochtenen Bescheiden keinen Niederschlag gefunden.
Keinesfalls geht es an, wie dies seitens der Wettbewerber im Verwaltungsverfahren
gefordert wurde, der Antragstellerin die Darlegungslast dafür aufzubürden, dass sie sich
die fraglichen Leistungen zu den gleichen "schlechten" Bedingungen zur Verfügung
stellt. Insofern dürften für die TAL-VO keine anderen Grundsätze hinsichtlich der
Darlegungslast gelten wie für den Missbrauchstatbestand des § 33 TKG, bei dem der
Missbrauch der Marktmacht von der Regulierungsbehörde darzulegen ist und erst auf
ausreichender Tatsachenbasis eine Vermutung entstehen kann, wie dies deutlich in §
33 Abs. 2 Satz 2 TKG zum Ausdruck kommt.
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b) Die Vertragsstrafenregelung dürfte zwar grundsätzlich in der TAL-VO eine
ausreichende Rechtsgrundlage finden (vgl. Anhang zur TAL-VO - Mindestbestandteil
des Standardangebots - Abschnitt D Nr. 2 - Lieferbedingungen - "übliche
Vertragsbedingungen, einschließlich etwaiger Entschädigung bei Nichteinhaltung von
Bearbeitungsfristen" sowie Erwägungsgrund (10) Satz 3 TAL-VO). Sie steht aber -
soweit die Teilnehmeranschlussleitung betroffen ist - mit der Nichteinhaltung der
Bereitstellungsfrist, deren Lauf von der Wirksamkeit von Ziff. 1 b) abhängt, in so engem
Zusammenhang, dass sie deren rechtliches Schicksal teilt.
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Dies gilt im Rahmen der hier allein möglichen summarischen Prüfung auch für die
Vertragsstrafe, soweit die Kollokationsräume (Gewährung des räumlichen Zugangs
bzw. Angebotsfrist) betroffen sind. Ob eine die Vertragsstrafe auslösende
Fristüberschreitung vorliegt, bestimmt sich nach der Angemessenheit der
Fristbestimmung und damit letztlich wiederum nach den Bedingungen, die die
Antragstellerin konzernintern einhält. Dazu fehlen Ausführungen in den ange- fochtenen
Bescheiden.
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c) Gegen die Aufforderung in Ziff. 1) m) aa) und dd), bestimmte technische Informationen
zur Teilnehmeranschlussleitung bzw. Informationen über die Zuordnung von
Kundenadressen zu den jeweiligen Anschlussbereichen für die Wettbewerber in einer
elektronischen Form zugänglich zu machen, bestehen dagegen keine durchgreifenden
rechtlichen Bedenken. Die Regelungen finden ihre Rechtsgrundlage in Art. 3 Abs. 1
Satz 1 TAL-VO in Verbindung mit dem Anhang Abschnitt C. "Informationstechnische
Systeme". Dass die Voraussetzungen für eine solche Regelung gegeben sind, hat die
Regulierungsbehörde dargelegt; dies wird auch grundsätzlich von der Antragstellerin
nicht bezweifelt. Auch auf der Rechtsfolgenseite hat die Antragsgegnerin es der
Antragstellerin überlassen, in welcher Weise sie die gefragten Informationen über eine
Schnittstelle bereitstellt. Dies ist schon angesichts des eingeschränkten
Kontrollmaßstabs sowie des Umstands, dass die Antragstellerin im
Verwaltungsverfahren selbst mehrfach sich dazu bereit erklärt hatte, die gewünschten
Informationen zu übermitteln, nicht zu beanstanden. Dass aufgrund der Anordnung in
Ziff. 1. m) aa) zwingend Ge- schäftsgeheimnisse der Antragstellerin offenbart würden, ist
nach den ergänzenden Informationen in der Antragserwiderung (S. 33) nicht
anzunehmen, da der Beschal- tungsgrad eines Kabels keine Rückschlüsse auf
nachfragestarke oder nachfragearme Gebiete zulässt. Dass die Wettbewerber auf die
Information angewiesen sind, steht außer Frage. Nichts anderes gilt für Regelung in dd);
der Antragstellerin bleibt es unbenommen, durch die Gestaltung der
Abfragemöglichkeiten die - zudem nur befürchtete - Ausforschung von Kundendaten zu
verhindern. Allein die Modifikation der Informationsübermittlung - elektronisch statt
topographischer Karten - vermag eine Rechtswidrigkeit angesichts des
Entscheidungsspielraums der Regulierungsbehörde nicht zu begründen. Die Regelung
ist auch ohne die außer Vollzug gesetzten Teile des Bescheides grundsätzlich
existenzfähig und von der Regulierungsbehörde gewollt.
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d) Es spricht des Weiteren alles für die Rechtswidrigkeit der Umsetzungsfrist von einem
Monat in Ziff. 2. Soweit Ziff. 1. b) und c) betroffen sind, teilt die Umsetzungsfrist in Ziff. 2
der Verfügungen deren rechtliches Schicksal. Hinsichtlich der Umsetzung von Ziff. 1. m)
begegnet sie ebenfalls erheblich rechtlichen Bedenken. Maßgeblich für die Beurteilung
der Rechtmäßigkeit der Umsetzungsfrist ist der Zeitpunkt der letzten
Verwaltungsentscheidung,
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vgl. BVerwG, Urteil vom 26. April 2001 - 6 C 6.00 -, Entscheidungen des
Bundesverwaltungsgerichts 114, 160 (166 ff.).
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Zwar streiten die Beteiligten bereits seit mehr als zwei Jahren über die zeitlich
angemessene Bereitstellung der Teilnehmeranschlussleitung. Die relativ junge
Forderung, die Informationen in Ziff. 1. m) aa) und dd) der angefochtenen Verfügungen
in Form eines Datenbankzugriffs zur Verfügung zu stellen, erfordert eine
Programmierarbeit, die offenkundig jedenfalls in einer Frist von einem Monat nicht
geleistet werden kann. Ob dafür, wie in der von der Antragstellerin vorgelegten
gutachterlichen Stellungnahme ausgeführt, 45 Kalenderwochen erforderlich sind, kann
dahinstehen, da das Gericht nur die tatsächlich gesetzte Frist überprüft.
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2. Die Anordnungen unter Ziff. 1. b), 1. c.), 1. m), aa) und dd) sowie in Ziff. 2 des Tenors
der angegriffenen Bescheide vom 1. Juli bzw. 19. Juli 2002 sind aufgrund des Ergeb-
nisses der summarischen Prüfung insgesamt rechtswidrig, soweit sie sich auf die
Bereitstellung der Teilnehmeranschlussleitung in Glasfasertechnik beziehen.
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Diese Anordnungen lassen sich nicht auf die TAL-VO stützen. Teilnehmeranschluss im
Sinne der TAL-VO ist nach Art. 2 c) die physische Doppelader-Metallleitung, die den
Netzabschlusspunkt am Standort des Teilnehmers mit dem Hauptverteiler oder einer
entsprechenden Einrichtung des öffentlichen Telefonfestnetzes verbindet. Soweit die
Teilnehmeranschlussleitung in Glasfaser ausgeführt ist, ist nach dem eindeutigen
Wortlaut der TAL-VO (Erwägungsgründe (3)) und (5) und Art. 2 lit. c)) die Verordnung
nicht anwendbar. Eine entsprechende Anwendung aus den Erwägungen der
Regulierungsbehörde (S. 24 des angefochtenen Bescheides) scheidet wegen des
entgegenstehenden Wortlauts und vor allem mangels unbewusster Regelungslücke
aus. Denn der Verordnungsgeber hat die Differenzierungsnotwendigkeit zwischen
Glasfaser- und Kupfer- doppeladeranschlüssen gesehen und sich bewusst nur für eine
Regelung für die her- kömmliche Anschlusstechnik entschieden. Dies hat die
Regulierungsbehörde auch bislang so gesehen (vgl. etwa Bescheid vom 9. August
2001 (BK 3c-01/013).
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Als Ermächtigungsgrundlage kommt daher nur § 33 Abs. 1 Satz 1 TKG in Betracht, wie
dies die Antragsgegnerin auf S. 24 des angefochtenen Bescheides vom 1. Juli 2002
auch erkannt hat. Die Voraussetzungen des § 33 Abs. 1 Satz 1 TKG dürften zwar
vorliegen; die Antragstellerin ist auf dem hier in den Blick zu nehmenden Markt der
Teilnehmeranschlussleitungen marktbeherrschend. Dass es sich bei der
Zurverfügungstellung der Teilnehmeranschlussleitung um eine wesentliche Leistung
handelt, deren Bedingungen durch die angefochtenen Bescheide geregelt werden
sollen, ist ebenso offensichtlich.
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Jedoch leiden die Bescheide der Regulierungsbehörde insoweit ebenfalls an einem
Ermittlungsdefizit, das zur teilweisen Rechtswidrigkeit der Verfügungen führt. Ein
Einschreiten der Regulierungsbehörde nach § 33 Abs. 2 Satz 1 TKG ist nur dann
zulässig, wenn die Antragstellerin ihre Marktmacht missbräuchlich ausnutzt. Diese
Voraussetzungen sind im Bescheid nicht im einzelnen festgestellt worden. Dies gilt
auch dann, wenn man § 33 Abs. 2 Satz 3 TKG berücksichtigt, wonach ein Missbrauch
vermutet wird, wenn ein Anbieter sich selbst günstigere Bedingungen ermöglicht, als er
sie den Wettbewerbern einräumt. Eine Ermittlung und ein Ergebnis dazu, ob die
Antragstellerin sich konzernintern die Teilnehmeranschlussleitung bei
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Glasfaseranschlüssen schneller als den Wettbewerbern bzw. innerhalb der
Siebentagefrist zur Verfügung stellt, findet sich in den Verfügungen nicht. Offen bleiben
kann daher die Frage, ob § 33 Abs. 2 Satz 1 TKG auch zur Änderung des
Standardangebots insoweit ermächtigt, als nicht nur Verträge ganz oder teilweise für
unwirksam erklärt werden, sondern die Aufnahme bestimmter Regelungen aufgegeben
wird.
3. Es spricht schließlich vieles auch für die Rechtswidrigkeit der Anordnung in Ziff. 1. i)
der angefochtenen Bescheide, wonach die Antragsteller entweder die V 93-
Schnittstelle offenlegen oder wahlweise durch eine V 5.2-Schnittstelle ersetzen soll.
Soweit die Regelung sich auf die Zurverfügungstellung der Teilnehmeranschlussleitung
in Glasfasertechnik bezieht, lässt sie sich auf die TAL- VO schon aus den vorstehend
dargelegten Gründen nicht stützen. Auch soweit es um die Bereitstellung der
Teilnehmeranschlussleitung in Gebieten mit hybrider
Glasfaser/Kupferdoppeladertechnik geht, spricht vieles für die Rechtswidrigkeit der
getroffenen Anordnung. Schon Erwägungsgrund (9) Satz 1 TAL-VO spricht gegen die
Möglichkeit der getroffenen Anordnung in der 1. Alternative. Danach kann ein
gemeldeter Betreiber nicht verpflichtet werden, bestimmte Zugangsarten bereitzustellen,
die sich seiner Verfügungsbefugnis entziehen, beispielsweise wenn die gesetzlichen
Rechte eines unabhängigen Dritten verletzt würden. Auch spricht alles dafür, dass der
Forderung die fehlende "technische Machbarkeit" im Sinne des Art. 3 Abs. 2 Satz 2
TAL-VO (in entsprechender Anwendung) auch nach der Definition der
Regulierungsbehörde entgegensteht. Grenze der Bereitstellungspflicht ist danach unter
anderem, wenn die Bereitstellung nur mit einem Aufwand durchzuführen ist, der in
keinem vernünftigen Verhältnis zum Zweck steht. Insoweit hat die Antragstellerin unter
Vorlage von Schreiben der Firma T. angegeben, dass es sich um eine veraltete
Schnittstelle aus dem Jahre 1993 handelt, deren genaue Spezifikationen auch bei der
Eigentümerin, der Firma T. , nicht mehr vorhanden sei und aufwendig
"nachprogrammiert" werden müsste. Inwieweit dies im einzelnen zutrifft und bzw.
inwieweit die nach den - Vermutungscharakter tragenden - Ausführungen der
Antragsgegnerin gegebenenfalls bei der Antragstellerin vorhande- nen Kenntnisse
ausreichen, um die - von den Wettbewerbern wohl mit gutem Grund nicht geforderte -
Offenlegung einer veralteten Schnittstellentechnik zu ermöglichen, ist eine Frage, die
den Rahmen dieses Eilverfahrens sprengen würde. Unabhängig davon und vor allem
für die zweite "wahlweise" zugelassene Alternative der Ersetzung der Schnittstelle gilt,
dass die Antragstellerin nur dazu verpflichtet ist, den Wettbewerbern den Zugang zu
ihrem Netz und auch zur Teilnehmeranschlussleitung im Ist-Zustand zu gewähren, eine
Änderung der Netzstruktur - physisch oder logisch - kann von ihr nicht verlangt werden.
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Vgl. BVerwG, Urteil vom 26. April 2001 - 6 C 6.00 -, BVerwGE 114, 160 (165); OVG
NRW, Beschluss vom 23. Februar 2000 - 13 B 1996/99 -, Neue Zeitschrift für
Verwaltungsrecht 2000, 706 (707); VG Köln, Beschluss vom 24. Oktober 2001 - 1 L
1681/01 -.
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Vor diesem Hintergrund bestehen auch erhebliche Zweifel daran, dass der
Antragstellerin der Vorwurf des Missbrauchs im Sinne des § 33 TKG gemacht werden
kann, wie dies in der Begründungsalternative der - darlegungspflichtigen -
Regulierungsbehörde zum Ausdruck kommt.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 und 3 VwGO. Dabei hat das
Gericht berücksichtigt, dass die Antragstellerin nur zu einem geringen Teil unterlegen ist
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.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 20 Abs. 3, § 13 Abs. 1 GKG, wobei das Gericht
entsprechend seiner bisherigen Rechtsprechung
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- vgl. unter anderem Urteil vom 13. Juni 2002 - 1 K 3225/01 -
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für jeden der beiden Bescheide 500.000,00 EUR in Ansatz gebracht und diesen Wert für
das Eilverfahren halbiert hat.
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