Urteil des VG Köln vom 15.12.2004

VG Köln: arzneimittel, dosierung, bestandteil, vorbeugung, anteil, droge, erfahrung, ausnahme, anhörung, kommission

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Verwaltungsgericht Köln, 24 K 8167/01
15.12.2004
Verwaltungsgericht Köln
24. Kammer
Urteil
24 K 8167/01
Die Beklagte wird verpflichtet, über den Antrag der Klägerin, die in dem
Arzneimittel in der Gestalt der Änderungsanzeige vom 23. Januar 2001
enthaltene Stoffkombination in der Darreichungsform Sirup mit der
Indikation ​Traditionell angewendet: Zur Vorbeugung gegen Infektionen
der oberen Luftwege. Zur Vorbeugung gegen Erkältungskrankheiten wie
Husten, Schnupfen, Halsentzündungen und grippalen Infekten. Zur
Anregung der Schleimabsonderung. (Diese Angabe beruht
ausschließlich auf Überlieferung und langjähriger Erfahrung.)" in die
Aufstellung der Anwendungsgebiete für Stoffe und Soffkombinationen
gemäß § 109 a Abs. 3 Satz 1 AMG aufzunehmen, unter Beachtung der
Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.
Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes für
Arzneimittel und Medizinprodukte vom 3. Oktober 2001 verpflichtet,
sodann über den Antrag auf Verlängerung der Zulassung für das
Arzneimittel ​X. ​ unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts
erneut zu entscheiden.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte.
Tatbestand Die Firma T. zeigte am 20. Juni 1978 gemäß Art. 3 § 7 Abs. 2 Satz 1 des
Gesetzes zur Neuordnung des Arzneimittelrechts (AMNG) beim Bundesgesundheitsamt
das im Verkehr befindliche Fertigarzneimittel ​E. ​ in der Darreichungsform ​Sirup zum
Einnehmen" an. Die wirksamen Bestandteile des Präparats wurden - be- zogen auf 100 g -
wie folgt angegeben:
Dekokt ( 1 g Drogenmischung auf 19 g Aqua dest.) (aus: siehe Anlage 2) - dort insges. 13
pflanzliche Ausgangsstoffe - 18,30 g Destillat (1 g Drogenmischung auf 15,87 g Aqua dest.)
(aus: siehe Anlage 2) - dort insges. 11 pflanzliche Ausgangsstoffe - 15,10 g Extr. Cynosbati
aquos sicc. (Vit. C-Gehalt 17 g/1 kg)(2,5 g Droge= 1g Extr.) 1,20 g Succ. Liquiritae dep.
DAP 6 Gereinigter Süßholzsaft 0,20 g Extr. Pini Pumilionis aquos spiss. (4 g Turpini Pumil.
= 1 g Extrakt) 0,40 g 01. Pini Pumilionis Erg. Bd. 6 = Latschenkieferöl 0,056 g 01. Foeniculi
= Fenchelöl 0.012 g 01. Anisi = Anisöl 0,012 g 01. Eucalypti = Eucalyptusöl 0,007 g
Camphora = Campher 0,006 g Extractum Malti = Malzextrakt spiss. 3,10 g Mel DAB 6 =
Honig 29,10 g Saccharum = Saccharose 31,35 g."
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Die Anwendungsgebiete wurden mit
Wirkt desinfizierend auf die Schleimhäute der oberen Luftwege. Vorbeugend gegen
Erkältungskrankheiten wie Husten, Schnupfen, Halsentzündun- gen, Bonchitis und
grippale Infektionen. Anregung der Schleimabsonderung. Vorbeugend gegen
Raucherhusten."
beschrieben.
Am 22. Dezember 1989 beantragte die Klägerin die Verlängerung der Zulassung des
Arzneimittels, nunmehr unter der Bezeichnung ​X. Brust-Husten-Sirup N". Die wirksamen
Bestandteile wurden bei gleich bleibender Bezugsgröße entspre- chend einer zuvor
eingegangenen Änderungsanzeige mit
Latschenkieferndickextrakt, wäßrig 0,400 g Latschenkiefernöl (= Kiefernnadelöl) 0,056 g
Fenchelöl 0,012 g Anisöl 0,012 g Eucalyptusöl 0,007 g Destillat wäßrig und Dekokt, wäßrig
aus: 15,100 g 18,300 g Anis 0,095 g Kümmel 0,095 g Fenchel 0,095 g Wacholderbeeren
0,047 g Thymian 0,600 g Kamillenblüten 0,131 g Schafgarbenkraut 0,131 g Lindenblüten
0,131 g Hopfenzapfen 0,069 g Schlüssenblumenblüten 0,116 g Sonnentaukraut 0,085 g
Vogelknöterichkraut 0,042 g."
angegeben.
Die Bezeichnung der Anwendungsgebiete blieb unverändert.
In dem am 10. November 1993 eingegangenen sog. Langantrag wurden diese Angaben
wiederholt.
Mit Schreiben vom 28. Oktober 1994 teilte die Klägerin der Beklagten mit, dass für das
Arzneimittel die Regelung für traditionelle Arzneimittel nach § 109 a Abs. 3 AMG
beansprucht werden solle und schlug vor, die Anwendungsgebiete mit
Traditionell angewendet: Zur Vorbeugung gegen Infektionen der oberen Luftwe- ge. Zur
Vorbeugung gegen Erkältungskrankheiten wie Husten, Schnupfen, Halsent- zündungen
und grippale Infekte. Zur Anregung der Schleimabsonderung."
zu bezeichnen.
In einem internen Vermerk vom 15. Dezember 1994 lehnte die Beklagte die Auf- nahme
des Arzneimittels in die Liste der Stoffe und Stoffkombinationen (sog. Traditi- onsliste) ab.
Zur Begründung verwies sie darauf, dass die traditionelle Anwendung der Kombination
nicht belegt worden und in Bezug auf die Indikationen nicht plausi- bel sei. Zudem könne
eine Aufnahme aufgrund der carcinogenen Wirkung des Kom- binationspartners Fenchel
nicht befürwortet werden.
Mit am 31. Januar 2001 eingegangener Änderungsanzeige vom 23. Januar 2001
eliminierte die Klägerin den arzneilich wirksamen Bestandteil Latschenkiefern-Extrakt und
einzelne der im Destillat/Dekokt enthaltene Bestandteile. Sie gab die arzneilich wirksamen
Bestandteile nunmehr wie folgt an:
Latschenkiefernöl (=Kiefernnadelöl) 0,056 g Fenchelöl 0,012 g Anisöl 0,012 g Eucalyptusöl
0,007 g
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Destillat, wässrig und 15,100 g Dekokt, wässrig aus: 18,300 g Anis 0,095 g Fenchel 0,095
g Thymian 0,600 g Lindenblüten 0,131 g Schlüsselblumenblüten 0,116 g Sonnentaukraut
0,085 g Vogelknöterichkraut 0,042 g."
Gleichzeitig änderte sie die Dosierung von ​mehrmals täglich einen Teelöffel ... 4 Teelöffel =
20 ml = 1 BE" in ​3-5 mal täglich einen Esslöffel ... 1. Esslöffel = 15 ml = 0,75 BE".
Außerdem änderte die Klägerin die Bezeichnung des Arzneimittels am 23. Februar 2001 in
X. Brust-Husten-Sirup Neu".
Mit Schreiben an die Klägerin vom 9. August 2001 kündigte die Beklagte die Versagung
der Nachzulassung an. Die Kombination der arzneilich wirksamen Bestandteile sei
unterdosiert. Gemäß der 21. Bekanntmachung vom 6. Mai 1993 solle die Dosierung
traditioneller Arzneimittel mindestens 10 % der Angaben in der Monographie nach § 25
Abs. 7 AMG erreichen. Dies sei bei dem vorliegenden Arzneimittel nicht der Fall. Hierauf
erwiderte die Klägerin mit Schreiben vom 17. August 2001 und verwies u.a. auf eine zuvor
übersandte Stellungnahme, wonach die Forderung nach einer 10 %igen-
Monographiedosierung nicht für jeden Bestandteil des Arzneimittels gesondert, sondern
nur für die Summe der arzneilich wirksamen Bestandteile gelten könne. Dem war eine
Dosisberechnung beigefügt, wonach sich bei der Addition der Bestandteile und einer
Dosierung von 3-5 Esslöffel täglich Werte zwischen 19,5 % und 32,5 % der
Monographiedosierung ergaben.
Mit Bescheid vom 3. Oktober 2001 - der Klägerin zugestellt am 8. Oktober 2001 - lehnte die
Beklagte den Antrag auf Verlängerung der Zulassung (Nachzulassung) des Arzneimittels
ab. Zur Begründung verwies sie auf die fehlende Listenposition und die im Schreiben vom
9. August 2001 mitgeteilten Gründe.
Die Klägerin hat am 8. November 2001 Klage erhoben. Sie trägt vor:
Die Voraussetzungen der Aufnahme in die sog. Traditionsliste seien erfüllt. Auf die
bemängelte Unterdosierung habe sie - die Klägerin - mit der Änderung der Dosiervorgaben
reagiert. Der Bestandteil Thymian liege mit einem Anteil von 27-45 % der
Monographiedosierung vor und erreiche allein die geforderte Mindestdosierung. Bei einem
Kombinationspräparat mit gleich gerichtet wirkenden arzneilich wirksamen Bestandteilen
sei es nicht gerechtfertigt zu fordern, dass jeder einzelne Bestanteil 10 % der
Mindestdosierung erreiche.
Die Klägerin beantragt,
1. die Beklagte zu verpflichten, über ihren Antrag, die in dem Arzneimittel in der Gestalt der
Änderungsanzeige vom 23 Januar 2001 enthaltene Stoffkombination in der
Darreichungsform Sirup mit der Indikation ​Traditionell angewendet: Zur Vorbeugung gegen
Infektionen der oberen Luftwege. Zur Vorbeugung gegen Erkältungskrankheiten wie
Husten, Schnupfen, Halsentzündungen und grippalen Infekten. Zur Anregung der
Schleimabsonderung. (Diese Angabe beruht ausschließlich auf Überlieferung und
langjähriger Erfahrung.)" in die Aufstellung der Anwendungsgebiete für Stoffe und
Stoffkombinationen gemäß § 109 a Abs. 3 Satz 1 AMG aufzunehmen, unter Beachtung der
Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden,
2.
2. die Beklagte sodann unter Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes für Arzneimittel
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und Medizinprodukte vom 3. Oktober 2001 zu verpflichten, über den Antrag auf
Verlängerung der Zulassung für das Arzneimittel ​X. Brust-Husten-Sirup Neu" unter
Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Für die fragliche Stoffkombination bestehe keine Wirksamkeitsplausibilität, weil fast alle
Bestandteile - mit Ausnahme von Latschenkiefer und Thymian - unterdosiert, d.h. mit weit
weniger als 10 % der Monographiedosierung in dem Arzneimittel enthalten seien. Eine
Addition der einzelnen Bestandteile sei nicht zulässig, da die Kombinationspartner nicht
vergleichbar seien. Die entsprechende Berechnung der Klägerin sei nicht nachvollziehbar.
Arzneimittelwirkungen seien im Fall von Kombinationspräparaten am besten durch Dosis-
Wirkungs.Kurven zu beschreiben. Diese und die ihnen zugrunde liegenden
Rechenmodelle zeigten jedoch, dass der prozentuale Anteil eines zusätzlichen Wirkstoffs
am Gesamteffekt nicht linear, sondern exponentiell zur Dosierung abnehme. Bei einer
Dosierung des Wirkstoffs B von 5 % und des Wirkstoffs A von 95 % der
Monographiedosierung betrage der prozentuale Anteil des Wirkstoffs B am Gesamteffekt
nur noch 0,26 %. Hieran werde deutlich, dass der Anteil eines Wirkstoffs bei einer
Dosierung < 10 % der jeweiligen Monographiedosierung in einem Arzneimittel höchstens 1
% der Gesamtwirkung ausmache. Die Beklagte verweist insoweit auf die Ausführungen von
Pöch, Grundlagen der Pharmakokinetik und Pharmakodynamik von Arzneimittel-
Kombinationen in: Keummerle, Klinische Pharmakologie, 4. Auflage, II-2.11. Vor diesem
Hintergrund könne für den arzneilich wirksamen Bestandteil Latschenkiefernöl unter
Heranziehung der Aufbereitungsmonographe ​Kie- fernnadelöl" (BAnz. Nr. 154 vom 21.
August 1985), die allerdings für die innere Anwendung keine Dosisempfehlungen enthalte,
anhand von Literaturangaben eine gewisse Wirksamkeitsvermutung bei traditioneller
Anwendung abgeleitet werden. Dies gelte auch für den Bestandteil Thymian. Fenchelöl,
Anisöl und Eukalyptusöl lägen dagegen nur in Konzentrationen vor, die eine
Wirksamkeitsvermutung nicht zuließen (1-3 % der monographierten Dosen). Für die in den
Zubereitungen enthaltenen ätherischen Öle ergebe sich - mit Ausnahme des Thymian - nur
eine äußerst geringe Dosierung, die eine Wirksamkeitsvermutung ebenfalls nicht zulasse.
Ihre Auffassung zum Erfordernis einer Mindestdosierung bei traditionellen Arzneimitteln
werde durch verschiedene Negativ-Monographien gestützt, welche die Anwendung der
monographierten Stoffe nicht befürworteten, es sei denn als Schmuckdroge in Mengen von
1 % bis < 5 % der Monographiedosierung. In der Hager-Monographie ​Cinnamomi cortex
(Zimtrinde)" werde der Einsatz in Teemischungen mit 10 % Droge als wirksamer
Bestandteil, bis zu 5 % Droge hingegen als Geschmackskorrigens angegeben.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Bundesinstituts für
Arzneimittel und Medizinprodukte Bezug genommen.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
Die Klage hat insgesamt Erfolg
1. Soweit sie sich auf die Neubescheidung des Antrages auf Aufnahme der
Stoffkombination des Arzneimittels in der Gestalt der Änderungsanzeige vom 23 Januar
2001 in die Aufstellung der Stoffe und Stoffkombinationen nach § 109a Abs. 3 Satz 1 AMG
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richtet, ist sie als Verpflichtungsklage gemäß § 42 Abs. 1, 2. Variante VwGO in Verbindung
mit § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO zulässig.
Zur Rechtsnatur der Aufnahme in die Traditionsliste als Verwaltungsakt vgl. BVerwG, Urteil
vom 20. November 2003 - 3 C 29.02 -, NVwZ 2004, 359-360.
Die Klage ist auch begründet.
Die Klägerin hat einen Anspruch auf eine erneute Entscheidung der Beklagten über ihren
Antrag auf Aufnahme der Stoffkombination in die sog. Traditionsliste unter Beachtung der
Rechtsauffassung des Gerichts. Die Beklagte war nicht befugt, den Antrag der Klägerin mit
der Begründung zu versagen, die in dem Referenzarneimittel enthaltenen arzneilich
wirksamen Bestandteile erreichten zu ihrem überwiegenden Teil nicht eine Dosierung von
mindestens 10 % der Vorgaben der jeweiligen Aufbereitungsmonographien.
Eine solche Beschränkung der Wirkannahme ist den gesetzlichen Bestimmungen über die
Nachzulassung traditioneller Arzneimittel nicht zu entnehmen:
Nach den Regelungen des § 109 a Abs. 3 Sätze 1 - 3 AMG sind die Anforderungen an die
Wirksamkeit traditioneller Arzneimittel erfüllt, wenn diese Anwendungsgebiete
beanspruchen, die in einer von der zuständigen Bundesoberbehörde nach Anhörung einer
vom Bundesministerium berufenen Kommission erstellten Aufstellung der
Anwendungsgebiete für Stoffe und Stoffkombinationen anerkannt sind. Diese
Anwendungsgebiete werden unter Berücksichtigung der Besonderheiten der Arzneimittel
und der tradierten und dokumentierten Erfahrung festgelegt und erhalten den Zusatz:
Traditionell ange- wendet". Als Anwendungsgebiete nennt das Gesetz ​Zur Stärkung oder
Kräftigung des ...", ​Zur Besserung des Befindens...", ​Zur Unterstützung der Organfunktion
des ...", ​Zur Vorbeugung gegen ..." und ​Als mild wirkendes Arzneimittel bei ...". Als Maß-
stab für die Entscheidung über die Eintragung eines Stoffes oder einer Stoffkombination
nennt das Gesetz mithin nur die ​Besonderheiten der Arzneimittel" und die ​tradierten und
dokumentierten Erfahrungen". Dem Wortlaut der Norm ist damit eine allgemeine Forderung,
jeder arzneilich wirksame Bestandteil müsse mindestens 10 % der Dosierungsvorgabe der
einschlägigen Aufbereitungsmonographie erreichen, nicht zu entnehmen.
Sie ergibt sich auch nicht aus Sinn und Zielsetzung des Verfahrens nach § 109 a Abs. 3
AMG: Das mit dem 5. Gesetz zur Änderung des Arzneimittelgesetzes vom 9. August 1994
(BGBl. I S. 2071) eingeführte Traditionsverfahren bezweckt eine Beschleunigung des
Nachzulassungsverfahrens. Im Hinblick auf die Wirksamkeit wurde eine ​rasterförmige"
Prüfung anhand einer von der zuständigen Bundesoberbehörde nach Anhörung einer
sachverständigen Kommission erstellten Traditionsliste eingeführt, die eine Bewertung
nach einzelfallunabhängigen Maßstäben erlaubt. Die Anforderungen an die Wirksamkeit
eines Arzneimittels sind danach bereits dann erfüllt, wenn es Anwendungsgebiete
beansprucht, die der Listenposition entsprechen.
Vgl. Ausschussbericht zum 5. AMGÄndG vom 9 August 1994 (BGBl. I S. 2071), abgedruckt
bei Kloesel/Cyran, AMG, § 109a; ferner: Urteile der Kammer vom 13. November 2001 - 24
K 7591/01 -, vom 25. August 2004 - 24 K 9487/01 - und vom 13. Oktober 2004 - 24 K
8814/01 -.
Die Neuregelung zielte dabei auf die bereits durch Art. 2 Nr. 3 des 4. Gesetzes zur
Änderung des Arzneimittelgesetzes vom 11. Juli 1990 (BGBl. I S. 717) erstmalig
angesprochene Gruppe traditioneller Arzneimittel, für die mit Blick auf die eingeführten
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Verschärfungen des Nachzulassungsverfahrens, namentlich im Hinblick auf die
Wirksamkeitsbegründung, ein Auffangbecken geschaffen werden sollte, das den
Besonderheiten dieser Präparate Rechnung trug.
Vgl. Sander a.a.O., § 109a AMG Erl. 1.
Zu dieser Gruppe traditioneller Arzneimittel zählen typischerweise gerade diejeni- gen
Präparate, deren Wirksamkeit nicht mit einer Monographieaussage oder anderweitiges
Erkenntnismaterial belegt werden konnte. Die insoweit eingeschränkte Wirkannahme wird
durch die Beschreibung der Anwendungsgebiete als traditionell und ihre inhaltliche
Beschränkung auf unterstützende bzw. mild wirkende Indikationen verdeutlicht.
Bei der Entscheidung über die Aufnahme in die Traditionsliste befindet die Behörde
(ausschließlich) über die Zuordnung von Stoffen bzw. Stoffkombinationen zu bestimmten
Anwendungsgebieten. Sie legt fest, welche Stoffe bzw. Stoffkombinationen zu welchen
Anwendungsgebieten ​passen", also als therapeutisch wirksam angesehen werden können.
Hierbei ist die Aufnahme nicht präparate-, sondern stoffbezogen. Sie gilt daher nicht wie die
Wirksamkeitsprüfung im herkömmlichen Nachzulassungsverfahren für ein einziges
Arzneimittel, sondern kann von allen pharmazeutischen Unternehmern in Anspruch
genommen werden, deren Arzneimittel einer Listenposition entsprechen. Auf diese Weise
können mehrfache Prüfungen des selben Sachverhalts vermieden und der mit der
Gesetzesänderung ebenfalls verfolgte Beschleunigungseffekt erreicht werden.
Vgl. BVerwG, Urteil vom 20. November 2003 - 3 C 29.02 -
Die Eintragung in die Traditionsliste dient damit dem Zweck, die traditionell be- legte
Wirksamkeit eines bestimmten Stoffes oder einer bestimmten Stoffkombination für ein
ebenso bestimmtes Anwendungsgebiet festzulegen. Als Kriterien für eine solche
Festlegung dienen die Besonderheiten der betreffenden Arzneimittel und die tradierten und
dokumentierten Erfahrungen. Dem entspricht es, dass die bestehenden Eintragungen in die
Traditionsliste keine Dosiervorgaben enthalten und damit die mit der Eintragung
verbundene verfahrensrechtliche Vereinfachung,
vgl. hierzu BVerwG a.a.O.,
nicht von der Dosierung eines bestimmten Arzneimittels oder der mengenmäßigen
Zusammensetzung seiner Bestandteile abhängig gemacht wird.
Hiermit ist die generelle Forderung einer prozentualen Mindestdosierung nicht zu
vereinbaren. Sie wirft auch die Frage nach einer tauglichen Bezugsgröße auf. Nach der
Einstellung der Erstellung von Aufbereitungsmonographien alten Rechts unterliegen die
bestehenden Monographien zunehmend der Überalterung. So könnenen einzelne
Monographien nach neueren wissenschaftlichen Erkenntnissen zum Nachweis der
Wirksamkeit nicht mehr anerkannt werden, was den Gesetzgeber zu der Einfügung des §
109 a Abs. 4a AMG durch das 12. Gesetz zur Änderung des Arzneimittelrechts vom 30. Juli
2004 (BGBl. I S. 2031) bewogen hat, der es in diesen Fällen auch für
monographiekonforme Präparate gestattet, auf das Traditionsver- fahren auszuweichen.
Vgl. hierzu: Urteil der Kammer vom 13. Oktober 2004 - 24 K 8814/01 -.
Auch enthalten die Aufbereitungsmonographien zum Teil keine Dosiervorgaben oder es
liegt für einen arzneilich wirksamen Bestandteil gar keine Monographie vor. So sah sich die
Beklagte vorliegend veranlasst, zur Dosisberechnung des arzneilich wirksamen
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Bestandteils ​Latschenkiefernöl" auf die Monographie ​Kiefernnadelöl" zurückzugreifen, die -
wie die Beklagte selbst einräumt - keine Dosisempfehlungen für die innere Anwendung
ausspricht. Die auf dieser Basis durchgeführte Berechnung aufgrund anderweitigen
Erkenntnismaterials nähert sich dann aber den Anforderungen an den Wirksamkeitsbeleg
im Verfahren nach § 105 AMG an. Derartige Verfahrenserschwerungen sollten durch das
Zulassungsverfahren für traditionelle Arzneimittel gerade vermieden werden.
Ebenso wenig ist eine starre Dosisgrenze mit dem Hinweis auf Monographien zu
begründen, die den Einsatz bestimmter arzneilich wirksamer Stoffe innerhalb prozen- tualer
Grenzen nur als Schmuckdroge oder Geschmackskorrigenz zulassen. Hierbei handelt es
sich um erkennbar auf bestimmte Stoffe zugeschnittene Festlegungen, die eine
verallgemeinernde Aussage, ein Stoff oder eine Stoffkombination könne nur dann als
traditionell wirksam anerkannt werden, wenn dieser bzw. jeder Einzelbestandteil
mindestens 10 % der Monographiedosierung erreiche, nicht zulassen. Eine Entscheidung
über die Aufnahme eines bestimmten arzneilich wirksamen Bestandteils oder einer
Kombination bestimmter arzneilich wirksamer Bestandteile in die Traditionsliste ist
vielmehr unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Arzneimittels und der tradierten
und dokumentierten Erfahrungen zu treffen. Dies schließt den generellen Rückgriff auf
theoretische wissenschaftliche Rechenmodelle aus, wie sie die Beklagte darlegt.
Vor diesem Hintergrund bedarf es keiner Klärung der Frage, ob die Mindestdosierung
vorliegend durch eine Addition arzneilich wirksamer Bestandteile oder durch einen von
mehreren arzneilich wirksamen Bestandteilen erreicht werden kann.
Es ist daher an der Beklagten, über den Antrag der Klägerin auf Aufnahme der
streitgegenständlichen Stoffkombination in die Traditionsliste erneut zu entscheiden.
2. Die Klage ist auch insoweit begründet, als sie sich gegen die Versagung der Nachzu-
lassung für das Arzneimittel ​X. Brust-Husten-Sirup Neu" richtet.
Die Klägerin hat einen Anspruch auf Neubescheidung ihres Nachzulassungsantrages. Der
Bescheid des Bundesamtes für Arzneimittel und Medizinprodukte vom 3. Oktober 2001 ist
rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 VwGO), weil die
Beklagte aus den dargelegten Gründen die Einrichtung einer Listenposition nach § 109a
Abs. 3 AMG für die Stoffkombination des Arzneimittels zu Unrecht abgelehnt und damit
ebenso zu Unrecht die Nachzulassung gemäß §§ 105 Abs. 4f; 25 Abs. 2 AMG versagt hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Berufung gemäß §§ 124a, 124 Abs. 2 Nr. 3
oder 4 VwGO liegen nicht vor.