Urteil des VG Köln vom 07.05.2010

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Verwaltungsgericht Köln, 27 K 1049/09
Datum:
07.05.2010
Gericht:
Verwaltungsgericht Köln
Spruchkörper:
27. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
27 K 1049/09
Tenor:
Der Zweitwohnungssteuerbescheid vom 22. Januar 2009 wird
aufgehoben.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der
Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von
110 % des beizutreibenden Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger
zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Berufung wird zugelassen.
T a t b e s t a n d :
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Der seit 1991 verheiratete und nicht dauernd getrennt lebende Kläger wendet sich
gegen die Heranziehung zur Zweitwohnungssteuer in der Stadt Köln. Er ist seit Februar
2005 als Geschäftsführer einer Bank in Köln Vollzeit (5-Tage-Woche) beschäftigt.
Seitdem hat er hier eine 60 m² große Wohnung mit einer Kaltmiete von 620,00 EUR
monatlich angemietet und ist hierfür mit Nebenwohnung gemeldet. Mit Hauptwohnsitz ist
er in Wiesbaden gemeldet, wo seine Ehefrau und sein Kind leben. Mit ihnen verbringt er
regelmäßig die Wochenenden, Feiertage und seinen Urlaub, während er sich unter der
Woche in der Regel in Köln oder auf z.T. mehrtägigen Dienstreisen im In- und Ausland
aufhält.
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Im Zusammenhang mit der vom Beklagten angekündigten Veranlagung zur
Zweitwohnungssteuer gab er auf einem Fragebogen zum Familienstand und der
beruflichen Tätigkeit u.a. an, in Köln Vollzeit beschäftigt zu sein und die Kölner
Wohnung an zwei bis drei Tagen pro Woche zu nutzen.
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Mit Bescheid vom 22. Januar 2009 zog der Beklagte den Kläger für die Kölner Wohnung
zur Zahlung von Zweitwohnungssteuer für März bis Dezember 2005 in Höhe von 620,00
EUR und für die Folgejahre ab 2006 in Höhe von 744,00 EUR jährlich heran. Zur
Begründung für die Heranziehung des Klägers führte er unter anderem aus, dass die
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Zweitwohnungssteuer nicht nach § 2 Abs. 6 der Zweitwohnungssteuersatzung (ZwStS)
entfiele, da der Kläger die Nebenwohnung in Köln nach seinen Angaben nur 2 bis 3
Tage und damit nicht überwiegend nutze.
Mit Schreiben vom 29. Januar 2009 teilte der Arbeitgeber des Klägers dem Beklagten
mit, dass der Kläger aufgrund des Umfangs seiner Tätigkeit als Geschäftsführer, der
Entfernung und aus Sicherheitsgründen nicht täglich zum Familienwohnsitz in
Wiesbaden pendeln könne und deshalb eine Zweitwohnung angemietet habe, die er
von Montag bis Freitag nutze. Die Wochenenden verbringe er in Wiesbaden.
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Der Kläger hat gegen den ihm am 25. Februar 2009 zugegangenen Bescheid am 25.
Februar 2009 Klage erhoben und macht geltend, nach dem "Ehegattenprivileg" in § 2
Abs. 6 ZwStS nicht steuerpflichtig zu sein. Bei einer quantitativen Betrachtung nutze er
die Nebenwohnung in Köln überwiegend im Sinne der Steuersatzung. Zwar verbringe
er manchmal im Anschluss an einen geschäftlichen Termin in Frankfurt die Nacht bei
seiner Familie in Wiesbaden und fahre erst am nächsten Morgen nach Köln. Außerdem
bringe seine Tätigkeit als Geschäftsführer häufig Dienstreisen in das In- und Ausland mit
sich, während derer er ebenfalls nicht in Köln übernachte. Rechne man diese Zeiten ab,
ergebe sich ein Durchschnittswert von etwa drei Übernachtungen in der Woche in Köln.
Man müsse diese Zeiten jedoch der Nutzung der Kölner Wohnung zurechnen, da sie
beruflich veranlasst seien. Die Voraussetzung, dass eine nicht steuerpflichtige
Erwerbszweitwohnung nur dann vorliege, wenn sich der berufstätige Ehegatte dort
überwiegend aufhalte, könne im Übrigen auch erst ab 2009 gelten, weil der Wortlaut des
§ 2 Abs. 6 ZwStS erst zum 31. März 2009 entsprechend geändert und diese
Voraussetzung in die Regelung eingefügt worden sei. Auf die davor liegenden
Besteuerungszeiträume sei sie wegen des steuerlichen Rückwirkungsverbots als
Ausfluss aus dem Rechtsstaatsprinzip nicht anwendbar.
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Der Kläger beantragt,
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den Zweitwohnungssteuerbescheid vom 22. Januar 2009 aufzuheben.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Er trägt vor, der Kläger könne sich nicht auf das "Ehegattenprivileg" in § 2 Abs. 6 ZwStS
berufen, weil er die Wohnung nach seiner eigenen Erklärung auf dem Fragebogen zur
Zweitwohnungssteuer nur an "zwei bis drei Tagen" nutze. Unter diesen Umständen
könne er die Wohnung in Köln aber auch als Lediger nach den melderechtlichen
Bestimmungen nicht als Hauptwohnung, sondern nur als Nebenwohnung anmelden.
Insoweit liege also kein Unterschied zwischen Verheirateten und Ledigen und kein Fall
vor, für den nach den Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts eine Ausnahme
von der Steuerpflicht zu machen sei, um eine Diskriminierung von Verheirateten zu
vermeiden.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der
Gerichtsakte und des beigezogenen Verwaltungsvorgangs des Beklagten ergänzend
Bezug genommen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
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Die zulässige Klage ist begründet.
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Der Zweitwohnungssteuerbescheid des Beklagten vom 22. Januar 2009 ist rechtswidrig
und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 der
Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO -).
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Rechtsgrundlage für die Erhebung der Zweitwohnungssteuer ist die Satzung über die
Erhebung der Zweitwohnungssteuer in der Stadt Köln vom 17. Dezember 2004
(Zweitwohnungssteuersatzung - ZwStS) in Verbindung mit § 3 Abs. 1 Satz 1, § 2 Abs. 1
Satz 1 Kommunalabgabengesetz für das Land Nordrhein-Westfalen - KAG NRW -.
Danach erhebt die Stadt Köln die Zweitwohnungssteuer für das Innehaben einer
Zweitwohnung im Stadtgebiet (§ 1 ZwStS). Zweitwohnung ist gemäß § 2 Abs. 1
Buchstabe a ZwStS jede Wohnung, die dem Eigentümer oder Hauptmieter als
Nebenwohnung im Sinne des Meldegesetzes für das Land Nordrhein- Westfalen (MG
NRW) dient. Eine Wohnung dient nach § 2 Abs. 4 Satz 1 ZwStS als Nebenwohnung,
wenn sie von einer dort mit Nebenwohnung gemeldeten Person bewohnt bzw. "inne
gehalten" wird.
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Diese Voraussetzungen waren unstreitig im streitigen Heranziehungszeitraum ab März
2005 beim Kläger erfüllt. Er hatte die Wohnung in Köln gemietet, bewohnte sie und war
dort mit Nebenwohnung gemeldet. Daneben bewohnte er mit seiner Familie die
Wohnung in Wiesbaden und war dort mit Hauptwohnung gemeldet.
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Die danach grundsätzlich gegebene Steuerpflicht des Klägers entfällt allerdings nach §
2 Abs. 6 ZwStS. Nach dieser Bestimmung in der bei Erlass des Steuerbescheids im
Januar 2009 geltenden Fassung der 2. Änderungssatzung vom 19. Dezember 2008
besteht keine Steuerpflicht für aus beruflichen Gründen gehaltene Wohnungen eines
nicht dauernd getrennt lebenden Verheirateten bzw. Lebenspartners i.S.d. § 1 Abs. 1
Satz 1 Lebenspartnerschaftsgesetzes, dessen eheliche bzw. lebenspartnerschaftliche
Wohnung sich in einer anderen Gemeinde befindet, soweit sich dieser überwiegend im
Stadtgebiet aufhält und die eheliche bzw. lebenspartnerschaftliche Wohnung die
Hauptwohnung ist (privilegierte Erwerbszweitwohnung, sog. "Ehegattenprivileg").
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Unstreitig zwischen den Beteiligten ist, dass der Kläger die Voraussetzungen des
Ehegattenprivilegs insoweit erfüllt, als er die Wohnung in Köln aus beruflichen Gründen
hält, er verheiratet und nicht dauernd getrennt lebend ist, seine eheliche Wohnung sich
in einer anderen Gemeinde als Köln, nämlich Wiesbaden befindet und er an diesem
Familienwohnsitz mit Hauptwohnung gemeldet ist. Allein streitig ist, ob er sich im Sinn
des § 2 Abs. 6 ZwStS "überwiegend im Stadtgebiet aufhält". Dies ist nach Ansicht der
Kam-mer zu bejahen. Der Umstand, dass der Kläger im Rahmen seiner beruflichen
Tätigkeit häufige, größtenteils mehrtägige Dienstreisen unternehmen muss und sich
deshalb häufig nicht in Köln aufhält, ist nämlich in diesem Zusammenhang
unbeachtlich.
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Dies ergibt sich nach Ansicht der Kammer aus dem Sinn und Zweck und der
Entstehungsgeschichte der Regelung; weder der Wortlaut noch der Zusammenhang, in
dem die Regelung in der Satzung steht, stehen einem solchen Verständnis entgegen.
Der Satzungsgeber hat den Ausnahmetatbestand in § 2 Abs. 6 ZwStS erstmals mit der
1. Änderungsatzung vom 16. Dezember 2005 rückwirkend zum 1. Januar 2005 in die
Satzung eingefügt. Er reagierte damit erkennbar auf das Urteil des
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Bundesverfassungsgerichts vom 11. Oktober 2005 (1 BvR 1232/00 und 1 BvR 2627/03,
BVerfGE 114, 316ff.), in dem eine kommunale Zweitwohnungssteuersatzung wegen
eines Verstoßes gegen Art. 6 GG insoweit für nichtig erklärt worden war, als auch nicht
dauernd getrennt lebende Verheiratete mit einem erwerbsbedingt begründeten weiteren
Haushalt ausnahmslos der Zweitwohnungssteuerpflicht unterworfen wurden. Da sie
sich in der von ihnen aus beruflichen Gründen gehaltenen Wohnung nach § 12 Abs. 2
Satz 2 Melderechtsrahmengesetz (und den entsprechenden inhaltsgleichen
landesrechtlichen Bestimmungen, u.a. § 16 Abs. 2 Satz 2 MG NRW), wonach bei
Eheleuten grundsätzlich der Familienwohnsitz als Hauptwohnung zu melden ist, nur mit
Nebenwohnung melden können, sind sie selbst dann zweitwohnungssteuerpflichtig,
wenn die Erwerbszweitwohnung nicht ihre Nebenwohnung, sondern ihre
Hauptwohnung ist. Demgegenüber können (und müssen) Ledige in dieser Situation die
Erwerbszweitwohnung entsprechend der vorwiegenden Nutzung als Hauptwohnung
anmelden und so die Besteuerung vermeiden. Eine Diskriminierung im Verhältnis zu
Ledigen und ein Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot des Art. 6 Abs. 1 GG liegt
jedoch nur dann vor, wenn die Erwerbszweitwohnung bei ausschließlicher Betrachtung
der steuerpflichtigen Person nach den tatsächlichen Nutzungsverhältnissen die
Hauptwohnung, d.h. die vorwiegend benutzte Wohnung des Steuerpflichtigen ist. Wird
die Wohnung am Beschäftigungsort nicht vorwiegend genutzt, weil der Steuerpflichtige
z.B. nur teilzeitbeschäftigt ist, oder benutzen beide Eheleute sowohl die Wohnung am
Beschäftigungsort als auch die weitere Wohnung außerhalb gemeinsam, besteht
hinsichtlich der melderechtlichen Situation kein Unterschied zwischen Verheirateten
oder Ledigen; die Wohnung am Beschäftigungsort stellt melderechtlich in jedem Fall die
Nebenwohnung dar, an die die Zweitwohnungssteuerpflicht anknüpft. Vgl. zur fehlenden
Diskriminierung in solchen Fällen BFH, Beschluss vom 19. August 2009 - II B 38/09 -,
juris Rz. 9.
Vor diesem Hintergrund hat der Satzungsgeber das "Ehegattenprivileg" in § 2 Abs. 6
ZwStS, das ursprünglich vom Wortlaut her zu weit gefasst war, mit der 2.
Änderungssatzung im Dezember 2008 auf die Fälle beschränken wollen, in denen die
Erwerbszweitwohnung des Steuerpflichtigen ohne die melderechtlichen Vorgaben für
Verheiratete als Hauptwohnung hätte angemeldet werden können, faktisch also dessen
Hauptwohnung ist. Mit der Formulierung, dass die Erwerbszweitwohnung nur privilegiert
ist, wenn sich der Steuerpflichtige "überwiegend im Stadtgebiet aufhält", greift er die
Rechtsprechung zum Hauptwohnungsbegriff des Melderechts auf. Nach § 12 Abs. 2
Satz 1 MRRG bzw. § 16 Abs. 2 Satz 1 MG NRW ist von mehreren Wohnungen diejenige
die Hauptwohnung, die der Einwohner gegenüber anderen, weiteren Wohnungen
vorwiegend benutzt. Die vorwiegende Benutzung ist rein zeitlich nach den auf die
jeweiligen Wohnungen entfallenden Nutzungszeiten zu bestimmen. Dabei ist nicht auf
den Aufenthalt in der Wohnung selbst, sondern auf den Aufenthalt an dem Ort
abzustellen, in dem sich die Wohnung befindet.
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So BVerwG, Urteil vom 15. Oktober 1991 - 1 C 24/90 -, NJW 1992, 1121, 1122; Urteil
vom 20. März 2002 - 6 C 12/01 -, juris Rz. 21.
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Ob sich der Betroffene überwiegend im Stadtgebiet aufhält und die
Erwerbszweitwohnung vorwiegend benutzt wird, ist aus melderechtlicher Sicht im
Vorhinein, also prognostisch zu entscheiden. Diese Prognose ist auf alle Tatsachen zu
stützen, aus denen sich mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ergibt, dass in Zukunft
eine bestimmte Wohnung vorwiegend benutzt werden wird.
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OVG Münster, Urteil vom 4. Juli 1986 - 15 A 1274/85 -, NVwZ 1987,1005 1007; VGH
Mannheim, Urteil vom 24. März 1987 - 1 S 134/86 -, NVwZ 1987,1007, 1009.
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Es ist daher auf die typischerweise wiederkehrenden Verhältnisse abzustellen. Eine
nachträgliche Berechnung der tatsächlichen Aufenthaltszeiten ist wegen des Prognose-
charakters unbeachtlich.
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VGH Mannheim, a.a.O.
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Nichts anderes kann für die Entscheidung hinsichtlich der Zweitwohnungssteuerpflicht
gelten, da die Steuer gemäß § 7 ZwStS mit Beginn des Kalenderjahres entsteht und die
Steuerpflicht im Übrigen an das Melderecht anknüpft.
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Vor diesem Hintergrund kann die Entscheidung, ob sich der Steuerpflichtige
überwiegend im Stadtgebiet aufhält, nicht nach den im Nachhinein feststellbaren
konkret hier verbrachten Tagen getroffen werden, sondern muss an typisierende
prognostisch zu ermittelnde Umstände anknüpfen. Im Fall von abhängig Beschäftigten
bietet sich dazu die im Arbeits- oder Beschäftigungsvertrag festgelegte Arbeitszeit an.
Nach ihr lässt sich typisierend und prognostisch hinreichend sicher ermitteln, an wieviel
Tagen sich der Steuerpflichtige am Beschäftigungsort und damit im Stadtgebiet von
Köln aufhalten wird. Nur bei einer solchen Betrachtung kann - wie es die Steuersatzung
vorsieht - über die Heranziehung zur Zweitwohnungsteuer zu Beginn des Steuerjahres
entschieden werden. Dies ist nicht der Fall, wenn zusätzlich bei der vergleichenden
Betrachtung einzubeziehen wäre, wie häufig sich der Einwohner dienstlich bedingt (z.B.
Dienstreisen, Teilnahme an Fortbildungsmaßnahmen u.ä. ) außerhalb von Köln
aufhalten wird.
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Die Berücksichtigung solcher prognostisch nicht zuverlässig zu ermittelnder
Abwesenheitstage - wie hier infolge von Dienstreisen - ist auch mit dem Wesen der
Steuererhebung als Massengeschäft nicht zu vereinbaren. Sie muss, um praktikabel zu
sein, an einigermaßen stabile, zuverlässig vorherbestimmbare und leicht zu prüfende
Umstände anknüpfen. Diese Voraussetzungen werden erfüllt, wenn der Vergleich der
Aufenthaltszeiten zwischen mehreren Wohnorten für die Erwerbszweitwohnung an die
im Dienst- oder Arbeitsvertrag formulierten Pflichten zum Ort und zur Dauer der
Leistungserbringung durch den Beschäftigten anknüpft.
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Stellt man daher bei der Beurteilung der Frage, ob sich der Kläger überwiegend im
Stadtgebiet Kölns aufhält, auf die im Arbeits- bzw. Dienstvertrag formulierten Pflichten
ab, erfüllt er auch diese Voraussetzung für die Befreiung von der Steuerpflicht in § 2
Abs. 6 ZwStS. Er ist nach eigenen unwidersprochenen Angaben in Köln
vollzeitbeschäftigt, hält sich also typischerweise von Montag bis Freitag in Köln auf, um
seine arbeitsvertraglichen Pflichten zu erfüllen. Wenn er - wie er vorträgt und auch die
Kammer keinen Anlass hat, an diesen Angaben zu zweifeln - die Wochenenden und die
Urlaubszeit von 6 Wochen regelmäßig bei seiner Familie verbringt, wird er in der Regel
von 365 Tagen im Jahr an 104 Tagen, die auf Wochenenden fallen (52*2), ca. 10
Feiertagen, die auf Wochentage fallen (in NRW in 2008 7, in 2009 8) und 42
Urlaubstage (6 Wochen, also 6*7 Tage), insgesamt also 156 Tage mit seiner Familie in
Wiesbaden verbringen, während er sich an den restlichen 209 (Arbeits-)Tagen
typischerweise in Köln aufhalten wird.
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Hält sich der Kläger damit "überwiegend im Stadtgebiet" auf und erfüllt auch insoweit
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die Voraussetzungen für die Anwendung des "Ehegattenprivilegs" in § 2 Abs. 6 ZwStS,
kann dahingestellt bleiben, ob diese Voraussetzung auch vor der Änderung des
Wortlauts der Regelung galt. Den vom Wortlaut bis März 2009 weiter gefassten
Tatbestand im Wege der teleologischen Reduktion entsprechend auszulegen - wie es
der Beklagte in ständiger Verwaltungspraxis getan hat - erscheint bedenklich, da
Abgabentatbestände so bestimmt formuliert sein müssen, dass der Abgabenpflichtige
die von ihm zu erhebende Abgabe vorausberechnen kann und eine willkürliche
Handhabung durch die Behörden ausgeschlossen ist.
Ist der Kläger daher nicht steuerpflichtig, ist der Klage stattzugeben mit der Folge, dass
der Beklagte die Kosten des Verfahrens gemäß § 154 Abs. 1 VwGO zu tragen hat. Die
Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 708
Nr. 11, § 711 ZPO.
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Die Berufung wird zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO
vorliegen. In einer Vielzahl von bei Gericht anhängigen Verfahren stellt sich auch die
hier streitentscheidende Frage, wie mit einer beruflich bedingten Abwesenheit vom
Dienstort Köln im Hinblick auf das Erfordernis umzugehen ist, dass sich der
Steuerpflichtige überwiegend im Stadtgebiet aufhalten muss, um das
"Ehegattenprivileg" für sich beanspruchen zu können.
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