Urteil des VG Köln vom 02.05.2002

VG Köln: genehmigung, agb, anfechtungsklage, bestandteil, unterliegen, beschränkung, verwaltungsakt, markt, erlass, tarif

Verwaltungsgericht Köln, 1 K 8007/98
Datum:
02.05.2002
Gericht:
Verwaltungsgericht Köln
Spruchkörper:
1. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
1 K 8007/98
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin
wird nachgelassen, die Vollstreckung durch die Beklagte durch
Sicherheitsleistung in Hö- he des jeweils beizutreibenden Betrages
abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit
in gleicher Höhe leistet.
Die Berufung wird zugelassen.
Die Revision unter Übergehung der Berufungsinstanz wird zugelassen.
T a t b e s t a n d :
1
Die Klägerin ist Rechtsnachfolgerin der E. und Ei- gentümerin der von diesen
Unternehmen aufgebauten und betriebenen Telekommu- nikationsnetze. Sie bietet
unter anderem Sprachtelefondienstleistungen an. Dieses Angebot umfasst auch den
Aufbau und das Halten von Verbindungen vom Anschluss des Kunden der Klägerin zu
Zielrufnummern, die sich im Netz der Klägerin, in ande- ren Festnetzen oder in
Mobilfunknetzen befinden.
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Die Entgelte für das Angebot von Sprachtelefondienst unterliegen in Bezug auf
marktbeherrschende Unternehmen der Genehmigungspflicht. Für die Entgelte für den
Sprachtelefondienst hat das damalige Bundesministerium für Post und Tele-
kommunikation mit Bescheid vom 9. Dezember 1997 sogenannte Price-Cap-
Regelungen festgelegt. Diese Festlegungen im Bescheid vom 9. Dezember 1997 gelten
als Vorgaben fort. Mit Schreiben vom 16. Juni 1998 stellte die Klägerin einen Antrag auf
Genehmigung für die in der Preisliste Select5 aufgeführte optionale Preismaßnahme im
Rahmen der Price-Cap-Regulierung für im Privatkunden- und
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Geschäftskundenwarenkorb enthaltene Telefonverbindungen. Die Preismaßnahme
bezieht sich konkret auf die City-, Regio 50-, Region 200- und Fernverbindungen sowie
auf Verbindungen in das Ausland. In dem als Anlage 1 dem Genehmigungsantrag
beigefügten Entwurf der Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu Select5 wurden auch
Verbindungen zu Ziel- rufnummern in den Mobilfunknetzen D 1 und C in das
Optionsangebot einbezogen (Ziffer 2.2). Nach dieser Preismaßnahme werden
denjenigen Kunden, die das Opti- onsangebot Select5 gegen Zahlung eines
monatlichen Bereitstellungsentgelts in Hö- he von 5,00 DM (incl. 16 % Umsatzsteuer) in
Anspruch nehmen, bei Berechnung der Verbindungspreise für selbst gewählte
abgehende Verbindungen zu fünf vereinbar- ten Zielrufnummern Preisvergünstigungen
gewährt. Diese Preise für Verbindungen zu den vereinbarten Zielrufnummern liegen um
bis zu 0,012 DM je Einheit unter dem gültigen Standardpreis. Kunden, die sich für das
Optionsangebot entscheiden, kön- nen eine Preissenkung von bis zu 10 % bei den
Verbindungspreisen erreichen.
Mit Bescheid vom 26. August 1998 genehmigte die Beklagte die beantragten Entgelte
der Höhe nach, allerdings mit den - auf der Stellungnahme des Bundeskartellamtes im
Verwaltungsverfahren beruhenden - "Maßgaben", dass die vertragliche Mindestlaufzeit
einen Zeitraum von drei Monaten nicht überschreiten dürfe (lit. a)) sowie die in Ziffer 2.2
der Allgemeinen Geschäftsbedingungen Select5 enthaltene Beschränkung des
Optionsangebots auf Verbindungen zu Zielrufnummern bestimmter Mobilfunkanbieter
(Mobilfunknetze D1 und C der Klägerin) nicht zulässig sei (lit. b)). Die Genehmigung
wurde bis zum 30. Juni 1999 befristet. In der Begründung führte die Beklagte aus, die
Abweichung vom Einzelentgeltgenehmigungsverfahren sei im Interesse der Kunden
gerechtfertigt. Die modifizierenden Maßgaben seien notwendig gewesen, um die
Genehmi- gungsfähigkeit des Entgelts herzustellen. Als entgeltrelevanter Bestandteil
der allgemeinen Geschäftsbedingungen unterliege auch Ziffer 2.2 der vorgelegten AGB
der Genehmigungspflicht. Zwar handele es sich bei Verbindungen vom Festnetz in
Mobilfunknetze nicht um Leistungen im Rahmen des Sprachtelefondienstes der
Lizenzklasse 4; sie unterlägen damit grundsätzlich nicht der Genehmigungspflicht.
Bündelnde Regelungen, die die vertragliche Verknüpfung von genehmigungspflichtigen
mit nicht genehmigungspflichtigen Leistungen beträfen, seien jedoch entgeltrelevanter
Bestandteil des Optionsangebots Select5 und damit gleichfalls genehmigungspflichtig.
Insofern sei die Genehmigung nur unter der in lit. b) getroffenen Maßgabe zu erteilen
gewesen, weil die vorgesehene Regelung ei- ne Beschränkung des Wettbewerbs auf
Drittmärkten bedeutet hätte. Andernfalls wä- re die Genehmigung zu versagen gewesen.
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Am 28. September 1998, einem Montag, hat die Klägerin Klage erhoben.
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Sie hält die Klage für zulässig: Die konkludente Feststellung, dass auch die Ziffer 2.2
der AGB als entgeltrelevanter Bestandteil anzusehen und wegen der Bündelung
genehmigungspflichtig sei, sei rechtswidrig und könne isoliert angefochten werden.
Zulässig sei insoweit ein kombinierter Feststellungs- und Anfechtungsantrag. Auch nach
Ablauf der Geltungsdauer der erteilten Entgeltgenehmigung bestehe die belastende
Wirkung der Feststellung fort, zumal die Beklagte in anderen
Entgeltgenehmigungsverfahren gleichfalls wegen der Bündelung zur Bejahung einer
Genehmigungspflicht komme.
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Die Klage sei auch begründet: Die Bündelung von genehmigungspflichtigen und nicht
genehmigungspflichtigen Leistungen führe nicht zur Genehmigungspflicht auch für die
nicht der Genehmigung unterliegenden Leistungen. Beide Leistungen seien hinsichtlich
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der Genehmigungspflicht isoliert zu betrachten und könnten isoliert an- geboten werden.
Die Kombination zweier Optionsangebote könne nicht zur Geneh- migungspflicht
insgesamt führen. Es handele sich auch nicht um einen entgeltrele- vanten Bestandteil
eines genehmigungspflichtigen Entgelts, da es bereits an der grundsätzlichen
Genehmigungspflicht fehle. Schon mangels Genehmigungspflicht hätte die
angefochtene Maßgabe in lit. b des Bescheides nicht ergehen dürfen. Auch inhaltlich
sei die Anordnung nicht gerechtfer- tigt, weil eine Behinderung von Wettbewerbern auf
Drittmärkten nicht gegeben sei. Die Regelung bewirke keinen Anreiz für
Mobilfunkkunden, zum Mobilfunknetz D 1 oder C der Klägerin zu wechseln, weil diese
davon keinen Vorteil hätten; ein Vorteil bestehe nur für den anrufenden Kunden der
Klägerin, der sich für das Optionsange- bot Select5 entschieden habe. Nichts anderes
gelte für Geschäftskunden, bei denen zwar die Möglichkeit bestehe, dass sie
gleichzeitig Festnetz- und Mobilfunknutzer seien. Jedoch stehe es jedem anderen
Mobilfunknetzbetreiber frei, sich - nach Sen- kung der Abrechnungssätze gegenüber der
Klägerin - an dem Angebot Select5 zu beteiligen.
Die Klägerin beantragt,
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1. den Bescheid der Beklagten vom 26. August 1998 insoweit aufzuheben, als darin die
Feststellung der Genehmigungspflicht der Entgelte für Verbindungen vom Festnetz ins
Mobilfunknetz für den Fall der "Bündelung" enthalten ist, und festzustellen, dass
insoweit keine Genehmigungspflicht besteht;
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2. festzustellen, dass die in Buchstabe b) des Bescheides vom 26. August 1998
enthaltene Maßgabe rechtswidrig gewesen ist.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie hält die Klage für unzulässig, jedenfalls aber unbegründet. Die befristet erteilte
Genehmigung habe sich durch Zeitablauf erledigt. Auch sei keine Feststellung der
Genehmigungspflicht getroffen worden. Als entgeltpflichtiger Bestandteil der AGB
unterliege Ziffer 2.2 des Angebots Select5, in dem genehmigungspflichtige Leistungen
mit genehmigungsfreien Leistungen verknüpft werden, der Genehmigungspflicht. Die
Geschäftsbedingung bestimme den Leistungsumfang mit und habe maßgeblichen
Einfluss auf die preisbildenden Eigenschaften des Angebots. Sie erhöhe auch die
Anziehungskraft des Angebots, weil bei Telefonaten in Mobilfunknetze ein höherer
Rabatt gewährt werde. Zwar führe die Verknüpfung nicht zur Genehmigungspflicht des
gesamten Optionstarifs, aber die Verknüpfung sei bei der Genehmigungsfähigkeit des
genehmigungspflichtigen Teils zu berücksichtigen. Die Beschränkung des
Optionsangebots auf Verbindungen in die Mobilfunknetze D1 und C der Klägerin sei
sachlich nicht gerechtfertigt und verstoße gegen das Wettbewerbsrecht.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakte und den beigezogenen Verwaltungsvorgang der Beklagten Bezug
genommen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:
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Die Klage hat insgesamt keinen Erfolg. Hinsichtlich des Antrages zu 1. ist sie zwar
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zulässig, aber unbegründet (1.), hinsichtlich des Antrages zu 2. ist sie unzulässig (2.).
1. Hinsichtlich des Antrags zu 1. ist die Klage als kombinierte Anfechtungs- und
Feststellungsklage zulässig.
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Bei dem Bescheid vom 26. August 1998 handelt es sich zunächst auch um einen mit der
Anfechtungsklage angreifbaren Verwaltungsakt. Zwar enthält dieser keine
ausdrückliche tenorierte Feststellungsregelung. Seine schriftlichen Ausführungen
enthalten aber in Abschnitt II. 6. b) die Feststellung, dass "Regelungen, die die
vertragliche Verknüpfung von genehmigungspflichtigen mit nicht
genehmigungspflichtigen Leistungen (Bündelung) betreffen" der Genehmigung
unterliegen. Vor dem Hintergrund, dass der Bescheid vom 26. August 1998 zudem mit
einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen ist, ist diese Feststellung auch als verbindliche
Regelung anzusehen. Die Anfechtung ist als isolierte Anfechtungsklage
ausnahmsweise zulässig, weil der Bescheid vom 26. August 1998 mit seiner inzident
erfolgten Feststellung, dass die genannten Entgelte der Ex-ante-Regulierung nach dem
TKG unterliegen, angesichts des gegenteiligen Rechtsstandpunktes der Klägerin eine
eigenständige Beschwer enthält.
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Die neben dem Anfechtungsantrag erhobene Feststellungsklage ist gleichfalls zulässig.
Sie ist gegenüber der isolierten Anfechtung des feststellenden Bescheides vom 26.
August 1998 nicht subsidiär (vgl. § 43 Abs. 2 VwGO), weil die Klägerin ihr mit dem
Feststellungsantrag verfolgtes Ziel nicht ebenso mit der isolierten Anfechtungsklage
erreichen kann. Dies folgt aus der nur beschränkten Reichweite der materiellen
Rechtskraft eines auf eine Anfechtungsklage hin ergehenden Urteils,
19
vgl. BVerwG, BVerwGE 39, 247; Clausing, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner,
VwGO, Stand Januar 2001, § 121 Rdnr. 50, 59 ff.,
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die lediglich die Rechtsbehauptung der Klägerin umfasst, durch die angefochtene
Genehmigung in ihren Rechten verletzt zu sein. Die strittige Frage, ob das Entgelt
insgesamt der Vorabgenehmigung unterliegt, wäre dagegen nach der Rechtsprechung
des Bundesverwaltungsgerichts nicht Gegenstand der materiellen Rechtskraft eines nur
auf eine Anfechtungsklage hin ergehenden Urteils.
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In der Sache hat die Anfechtungsklage jedoch keinen Erfolg, weil das Angebot Select5
in der von der Klägerin geplanten Form der Ex-ante-Genehmigungspflicht nach § 25
Abs. 1 TKG unterliegt.
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Nach § 25 Abs. 1 TKG unterliegen Entgelte und entgeltrelevante Bestandteile der
Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) für das Angebot von Übertragungswegen
und Sprachtelefondienst im Rahmen der Lizenzklassen 3 und 4 nach § 6 nach
Maßgabe der §§ 24 und 27 bis 31 der Genehmigung durch die Regulierungsbehörde,
sofern der Lizenznehmer auf dem jeweiligen Markt über eine marktbeherrschende
Stellung nach § 19 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) verfügt.
Die Klägerin verfügt auf dem Markt für das Angebot von Sprachtelefondienst im Rahmen
der Lizenzklasse 4 über eine marktbeherrschende Stellung.
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Durch die von der Klägerin gewählte Form der Einbeziehung auch der Verbindungen
vom Festnetz in das Mobilfunknetz im Tarif Select5 unterliegen diese gleichfalls der
Genehmigungspflicht. Es besteht - wovon auch die Beteiligten übereinstimmend
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ausgehen - für Verbindungen in Mobilfunknetze grundsätzlich keine Ex-ante-
Genehmigungspflicht: Zwar dürfte es sich um Sprachtelefonie im Sinne des § 3 Nr. 15
TKG handeln. Jedoch hat der Gesetzgeber die Genehmigungspflicht in § 25 Abs. 1 TKG
nur für das Angebot von Übertragungswegen und Sprachtelefondienst im Sinne der
Lizenzklassen 3 und 4 festgeschrieben. Mobilfunkdienstleistungen unterfallen als das
Betreiben eines Übertragungsweges jedoch gemäß § 6 Abs. 2 Nr. 1 lit. a) TKG der
Lizenzklasse 1 und nicht der Lizenzklasse 4 gemäß § 6 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 TKG
(Sprachtelefondienst auf der Grundlage selbst betriebener Telekommunikationsnetze).
Die deutliche Trennung der Lizenzklassen wird betont durch § 6 Abs. 2 Nr. 2 Satz 2
TKG, wonach die Lizenzklasse 4 gerade nicht das Recht zum Betreiben von
Übertragungswegen umfasst.
Die Genehmigungspflicht - und damit gegebenenfalls die Befugnis der Beklagten zum
Erlass von "Maßgaben" - ergibt sich hier daraus, dass es sich bei der Alternative in Ziffer
2.2 der AGB, auch eine Zielrufnummer in von der Klägerin betriebenen Mobilfunknetzen
zu wählen, um einen wesentlichen entgeltrelevanten Bestandteil des Festnetz-
Optionsangebots Select5 handelt. Entgeltrelevante Bestandteile der AGB sind solche
Klauseln, die entweder die Modalitäten der Entgeltberechnung oder der
Entgeltbezahlung betreffen (wie Fälligkeiten und Abrechnungszeiträume oder Tarife
oder Taktzeiten) oder die nach der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns bei der
Ermittlung und Festlegung des Entgeltes für eine Leistung vernünftigerweise zu
berücksichtigen sind bzw. anders gewendet solche Bestimmungen, die sich nach
allgemeinen Bewertungsmaßstäben bei der Entgeltbildung auswirken.
25
Vgl. Schuster/Stürmer, in Beck'scher TKG-Kommentar, 2. Aufl. 2000, § 25 Rdnr. 8 f.
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Dabei sind als entgeltrelevant oder preisbildend allerdings nur solche Regelungen
anzusehen, die wesentlich oder unmittelbar auf die Kalkulation des Entgelts oder
Preises Einfluss haben; eher den Charakter von Neben- oder Zusatzleistungen
tragende Faktoren - wie z. B. die von der Klägerin angeführte Super-Expressentstörung -
fallen nicht darunter.
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Gemessen an diesem Maßstab ist auch der umstrittene Teil der Ziffer 2.2. der AGB nach
allgemeinen Bewertungsmaßstäben unmittelbar entgeltrelevant: Die Höhe des Entgelts,
das die Klägerin vom Endkunden verlangt, richtet sich bei lebensnaher
Betrachtungsweise auch danach, was der Kunde zu zahlen bereit ist, um eine
bestimmte Gegenleistung zu erhalten. Je höher bei Tarifoptionen die Möglichkeit der
Ersparnis für den Kunden ist, je eher er also das gezahlte Entgelt wieder "einspielt",
desto eher wird er sich für den angebotenen Tarif entscheiden. Da die Telefonate vom
Festnetz in das Mobilfunknetz deutlich teurer sind, besteht im Rahmen der von der
Klägerin gewählten Tarifoption ein höheres Einsparpotential, womit auch nach
allgemeinen Bewertungsmaßstäben die Klägerin für die Leistung ein höheres Entgelt
verlangen kann, als in dem Fall, dass der Kunde nur für Verbindungen ins Festnetz in
den Genuss der Rabattierung gelangt. Die Einbindung der Verbindungen in
Mobilfunknetze ist daher ebenso ein unmittelbar oder wesentlich das Entgelt prägender
Bestandteil wie die Möglichkeit in Ziffer 2.2 der AGB, eine Auslandsverbindung
einzubeziehen; gäbe es diese Möglichkeit nicht, wäre das Entgelt von 5,00 DM bei
Zugrundelegung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns niedriger ausgefallen. Die
Bedeutung dieser Teilregelung der Tarifoption Select5 zeigt sich auch darin, dass nach
den Angaben der Klägerin in der mündlichen Verhandlung der von der Beklagten
genehmigte optionale Tarif Select5 ohne die Beschränkung auf die Mobilfunknetze der
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Klägerin tatsächlich nicht den Kunden angeboten worden ist, weil er sich wegen der
hohen Abrechnungssätze der anderen Mobilfunknetzbetreiber gegenüber der Klägerin
nicht "gerechnet" hätte.
Unterliegt die Tarifoption Select5 damit der Ex-ante-Genehmigungspflicht nach § 25
Abs. 1 TKG, kann auch die von der Klägerin begehrte anderslautende negative
Feststellung nicht ergehen.
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2. Die Klage ist mit ihrem 2. Antrag unzulässig, weil der Klägerin das erforderliche
Fortsetzungsfeststellungsinteresse fehlt.
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Der ursprünglich zutreffend als Anfechtungsantrag formulierte Klageantrag
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vgl. BVerwG, NVwZ 2001, 429; NVwZ-RR 1996, 20; BVerwGE 81, 185 (186) zur
Anfechtung belastender Nebenbestimmungen eines Verwaltungsakts im Wege der
Anfechtungsklage,
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ist wirksam in einen Fortsetzungsfeststellungsantrag umgeändert worden. Denn die der
Klägerin auferlegte Beschränkung in Buchstabe b) ist mit Ablauf der
Entgeltgenehmigung am 30. Juni 1999 weggefallen und hat sich damit erledigt.
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Der Klägerin fehlt jedoch das für die Zulässigkeit einer Fortsetzungsfeststellungsklage
erforderliche Fortsetzungsfeststellungsinteresse. Ein solches kann sich hier zunächst
nur aus dem Gesichtspunkt der Wiederholung bzw. Wiederholungsgefahr eines
gleichen Verwaltungsaktes ergeben.
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BVerwG, NJW 1980, 2426; BVerwG, NVwZ 1990, 360 f. und NVwZ 1994, 282 f.; Martin
Redeker, in: Redeker/von Oert- zen/Redeker, VwGO. 13. Aufl. 2000, § 113 Rdnr. 33.
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An die Wiederholungsgefahr sind jedoch hohe Anforderungen zu stellen: Ein solches
Interesse setzt das Bestehen einer hinreichenden Gefahr voraus, dass unter im
wesentlichen, zumindest in den Grundzügen unveränderten tatsächlichen und
rechtlichen Umständen ein gleichartiger Verwaltungsakt ergehen wird.
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BVerwG, NVwZ 1990, 360; BVerwG, NVwZ 2000, 574.
37
"Gleichartigkeit" einer Verwaltungsentscheidung kann grundsätzlich auch dann
angenommen werden, wenn sich die tatsächlichen und rechtlichen Interessen seit dem
Erlass der erledigten Verwaltungsentscheidung nicht geändert haben und diese
Verhältnisse auch noch im Zeitpunkt der zukünftig zu erwartenden
Verwaltungsentscheidung vorliegen werden oder wenn auch trotz veränderter
Verhältnisse eine auf gleichartigen Erwägungen beruhende Entscheidung der Behörde
zu erwarten ist, weil sie eine entsprechende Absicht gegenüber dem Betroffenen zu
erkennen gegeben hat.
38
BVerwG, DVBl. 1994, 168 = NVwZ 1994, 282 (283).
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Diese Voraussetzungen einer spezifischen Gleichartigkeit sind nicht erfüllt. Wie
gerichtsbekannt ist und auch von den Beteiligten nicht in Frage gestellt wird, hat sich
insbesondere der Mobilfunkmarkt in den Jahren seit 1998/99 derart stark verändert, dass
an das Vorliegen der Voraussetzungen des § 19 Abs. 4 Nr. 1 GWB - Benachteiligungen
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von Wettbewerbern auf Drittmärkten -, auf die sich die Beklagte bzw. das
Bundeskartellamt in allerdings eher kursorischer Weise gestützt haben, heute ganz
andere Anforderungen zu stellen sind als zum maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt,
dem Erlass des Bescheides. Auch hat die Beklagte in der mündlichen Verhandlung
nicht erkennen lassen, dass eine gleichartige Entscheidung in absehbarer Zeit anstehe
oder zu erwarten sei. Schließlich haben sich die tatsächlichen Verhältnisse auch
insoweit - entscheidend - geändert, als die Klägerin mit den arrivierten
Mobilfunknetzbetreibern nunmehr andere Abrechnungssätze vereinbart hat und diese
Mobilfunknetzbetreiber nach eigenen Angaben in vergleichbare Tarifoptionen
einbezieht. Zwar sind zwischenzeitlich auch neue Anbieter von Mobilfunkleistungen im
Markt, aber auch die Klägerin konnte in der mündlichen Verhandlung nicht darlegen,
inwieweit die Möglichkeit einer vergleich- baren Situation entstehen könnte.
Ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse ergibt sich auch nicht unter dem Gesichtspunkt
der typischerweise kurzfristigen Erledigung. Danach soll ein
Fortsetzungsfeststellungsinteresse im Hinblick auf den Grundsatz des effektiven
Rechtsschutzes des Art. 19 Abs. 4 GG zu bejahen sein, wenn der angefochtene
Verwaltungsakt sich typischerweise kurzfristig erledigt und es deshalb ohne die
Zulassung einer Fortsetzungsfeststellungsklage nie zu einer Hauptsachenentscheidung
hinsichtlich der Rechtmäßigkeit einer solchen Maßnahme kommen würde.
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Vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 12. Aufl. 2000, § 113 Rdnr. 145.
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Jedoch setzt die Anerkennung eines Fortsetzungsfeststellungsinteresse unter diesem
Gesichtspunkt - ungeachtet der Möglichkeit der Klägerin, vorläufigen Rechtsschutz
gemäß § 80 Abs. 5 VwGO in Anspruch zu nehmen - nach Auffassung des Gerichts
voraus, dass der erledigte Verwaltungsakt einen schwerwiegenden Grundrechtseingriff
darstellen könnte,
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vgl. OVG NRW, DVBl. 1999, 1227 (1228); a. A. Kopp/Schenke, a.a.O., was hier
betreffend die Klägerin schon wegen der unter Einschränkungsvorbehalt stehenden
unternehmerischen Freiheit und der letztlich betroffenen bloßen Erwerbschancen nicht
der Fall ist.
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Zum eingeschränkten Grundrechtsschutz der Klägerin und den dafür maßgeblichen
Erwägungen vgl. BVerwG, NVwZ 2001, 1399 (1406 ff.).
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Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO, § 708 Nr.
11, § 711 der Zivilprozessordnung.
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Die Zulassung der Berufung beruht auf § 124a Abs. 1 Satz 1 i. V. m. § 124 Abs. 2 Nr. 3
VwGO, die der Sprungrevision auf § 134 i. V. m. § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.
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