Urteil des VG Köln vom 21.08.2001

VG Köln: sri lanka, zucht, genehmigung, peregrinus, verordnung, bundesamt, cites, behörde, dubai, projekt

Verwaltungsgericht Köln, 14 K 1258/99
Datum:
21.08.2001
Gericht:
Verwaltungsgericht Köln
Spruchkörper:
14. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
14 K 1258/99
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen. Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.
T a t b e s t a n d
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Die Parteien streiten um die Erteilung der Genehmigung für die Einfuhr eines
Wanderfalken (falco peregrinus) in die Bundesrepublik.
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Der Kläger ist Forst-Diplom-Ingenieur. Er besitzt bereits zwei Wanderfalkenpaa- re. Im
Jahre 1995 wurde ihm die Genehmigung für die Einfuhr eines weiblichen Wanderfalken
der Unterart "peregrinator" aus Pakistan nach Deutschland erteilt. Die Genehmigung
enthielt den Hinweis, der Wanderfalke dürfe nur zu Zuchtzwecken - im Rahmen des
Europäischen Erhaltungszuchtprogramms (EEP) - verwendet werden. Der Einführer des
Tieres habe ab dem Jahr 1997 alle zwei Jahre dem Bundesamt für Naturschutz -
Bundesamt - einen Bericht über das Zuchtprogramm zuzusenden. Des weiteren besitzt
der Kläger einen männlichen Wanderfalken, welcher aus einer Zucht stammt, deren
Zuchtstock ursprünglich durch aus China stammende Wanderfalken der Unterart
"peregrinator" gebildet wurde, die jedoch im Laufe der Zeit durch Wan- derfalken der
Unterart "brookei" ergänzt wurde. Das zweite Wanderfalkenpaar des Klägers gehört der
Unterart "peregrinus" an.
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Unter dem 29.4.1998 beantragte der Kläger die Erteilung einer Genehmigung für die
Einfuhr zweier weiterer weiblicher Wanderfalken der Unterart "peregrinator". In dem
durch den Kläger ausgefüllten Formblatt wurden sowohl als Ausfuhrland, als auch als
Ursprungsland die Vereinigten Arabischen Emirate - VAE - benannt. Der Zweck der
Einfuhr wurde mit dem CITES-Code B (Zucht in Gefangenschaft oder künstliche
Vermehrung), die Herkunft der Tiere mit dem CITES-Code I deklariert (einbehaltene
oder beschlagnahmte Exemplare). Zur weiteren Begründung seines Antrages führte der
Kläger aus, die beiden Falken seien durch das Dubai Falcon Hospital als behördliche
Institution aus tierschutzrechtlichen Gründen beschlagnahmt worden. Ihr Überleben in
der freien Natur erscheine zweifelhaft. Das Dubai Falcon Hospital stelle ihm die beiden
Falken leihweise zur Verfügung, sofern sie ausschließ- lich für die Zucht eingesetzt
würden. Dem Antrag legte der Kläger einen Bescheid des Landratsamtes Q. vom
29.8.1994 bei, in welchem ihm die Haltung von insgesamt 20 Wanderfalken genehmigt
worden war. Die Begründung dieses Be- scheides enthält u.a. den Hinweis, der Kläger
sei dem Landratsamt bereits über ei- nen längeren Zeitraum als zuverlässiger und
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sachkundiger Greifvogelhalter bekannt. Des weiteren legte der Kläger seinem Antrag
mehrere Schreiben in- und ausländi- scher Wissenschaftler bei, in welchen die
wissenschaftlichen Vorzüge einer Beo- bachtung in Gefangenschaft gehaltener Vögel
sowie zum Teil auch des durch den Kläger geplanten Projekts bestätigt wurden.
In der Folgezeit kam es zwischen den Parteien zu einem Schriftwechsel, in welchem
das Bundesamt der Beklagten verschiedene Angaben und Unterlagen zur Ergänzung
des gestellten Antrages anforderte. Unter anderem wurde der Kläger durch das
Bundesamt darauf hingewiesen, dass die nach der Genehmigung aus dem Jahre 1995
regelmäßig vorzulegenden Zuchtberichte bislang ausgeblieben seien. Der Kläger legte
daraufhin unter dem 4.6.1998 einen "ersten Zuchtbericht" über das von ihm verfolgte
Zuchtprojekt vor. Des weiteren legte der Kläger die Kopie eines Schreibens des Dubai
Falcon Hospital vom 8.6.1998 vor. In diesem Schreiben bestätigt der Direktor der
Einrichtung, dass diese Eigentümerin der beiden Falken sei. Die Tiere könnten wegen
einer chronischen Lungenschädigung nicht ausgewildert werden; im Übrigen seien sie
jedoch in gutem Gesundheitszustand und könnten einen exzellenten Beitrag zum
Zuchtprojekt des Klägers leisten. Des weiteren legte der Kläger eine Liste von Personen
und Einrichtungen vor, die ihn bei seinem Zuchtprojekt unterstützen würden.
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Schließlich legte der Kläger die Kopie einer CITES-Ausfuhrgenehmigung der VAE vom
23.6.1998 vor. Die durch das Landwirtschafts- und Fischereiministerium der VAE
ausgestellte Genehmigung bezieht sich auf zwei weibliche Falken der Art Falco
Peregrinus Peregrinator "Shaheen". Zur Angabe der Herkunft enthält die Genehmigung
den CITES-Code W (der freien Wildbahn entnommene Exemplare). Das Ursprungsland
wird als "unbekannt" bezeichnet. Die Genehmigung enthält den Hinweis, beide Vögel
seien Eigentum des Dubai Falcon Hospital und würden zu Zuchtzwecken, nicht für den
Handel ausgeführt.
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Mit Bescheid vom 21.8.1998 lehnte die Beklagte den Antrag ab. Zur Begründung gab
sie an, die Art falco peregrinus sei in Anhang I des Washingtoner
Artenschutzübereinkommens und Anhang A der EG-Verordnung Nr. 338/97 aufgeführt
und daher streng geschützt. Die wissenschaftliche Behörde habe sich nicht davon
überzeugen können, dass der Erhaltungsstatus der Art durch die Einfuhr nicht
beeinträchtigt werde. Es sei nicht bekannt, wo die Vögel der Natur entnommen worden
seien und ob es sich um naturverträgliche Entnahmen handele. Im Übrigen sei nicht
substantiiert dargelegt worden, dass mit der Einfuhr ein Zweck verbunden sei, welcher
der Erhaltung der Art diene. Ein konkretes, Erfolg versprechendes Zuchtvorhaben sei
durch den Kläger nicht dargelegt worden. Es handele sich nicht um Tiere, die in den
VAE vorkämen; eine rechtmäßige Einfuhr in die VAE könne jedoch nicht festgestellt
werden.
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Mit Schreiben vom 27.8.1998 legte der Kläger Widerspruch gegen den
Ablehnungsbescheid ein und führte zur Begründung aus: Er habe die für die
Einfuhrgenehmigung erforderlichen Dokumente vorgelegt. Die Einfuhr der Falken in die
VAE sei bereits vor längerer Zeit erfolgt; eine Ablehnung der Einfuhr in die
Bundesrepublik könne diesen Tatbestand nicht rückgängig machen. Die Einfuhr für
Zuchtzwecke und Forschung könne sich auch nicht mehr abträglich auf die Population
der betreffenden Art im Vertreibungsgebiet auswirken, sondern im Gegenteil durch das
Zuchtprogramm langfristig der Arterhaltung dienen. Es sei immer vorzuziehen, wenn
bereits in Menschenhand befindliche Exemplare für Zuchtprojekte verwendet würden;
dadurch würden keine Naturentnahmen notwendig. Er könne nicht nachvollziehen,
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warum ihm im Jahre 1995 die Einfuhrgenehmigung für den der freien Wildbahn
entnommenen Falken erteilt worden sei, nun aber eine Einfuhrgenehmigung nicht
möglich sein solle. Dass sein bisheriges Zuchtprojekt bislang nicht zu einem Erfolg
geführt habe, habe nichts mit der Einführung der in Rede stehenden Falken zu tun. Im
Übrigen könne nach zwei Jahren noch keine Aussage über den Erfolg eines
Zuchtprojektes getroffen werden. Mit Schreiben vom 18.12.1998 teilte der Kläger mit,
dass einer der beiden Vögel, für die die Einfuhrgenehmigung beantragt worden sei,
verendet sei.
Mit Bescheid vom 20.1.1999 stellte die Beklagte das Widerspruchsverfahren hinsichtlich
des verendeten Falken ein. Im Übrigen wies sie den Widerspruch zurück. Zur
Begründung wiederholte sie ihr bisheriges Vorbringen und führte ergänzend aus: Auch
die Entnahme eines einzelnen Exemplars könne erheblichen Schaden im
Verbreitungsgebiet verursachen; der Umstand, dass die Entnahme bereits längere Zeit
zurückliege, sei insoweit nicht entscheidend. Etwas Anderes könne nur dann gelten,
wenn mit der Einfuhr ein Zweck verfolgt werde, der einen Art erhaltenden Bei- trag für
die betreffende Population leiste und so den Schaden, der durch die Naturentnahme
entstanden sei, ausgleiche. Dazu komme grundsätzlich nur ein wissenschaftlich
begleitetes Zuchtprojekt in Betracht, das auf eine planvolle und langfristig angelegte
Vermehrung ausgerichtet sei. Die wissenschaftliche Behörde habe sich nicht davon
überzeugen können, dass es sich bei dem Projekt des Klägers um ein Erfolg
versprechendes Zuchtprojekt handele. Forschungsarbeit, Zuchtbemühungen und die
aktuelle Haltung von Wanderfalken ließen sich nicht widerspruchsfrei zusammenfügen.
Bisher halte der Kläger ein Paar Wanderfalken der Unterart peregrinator sowie ein Paar
der Unterart peregrinus. Zusammen mit einem weiteren Exemplar stünden zu wenig
Exemplare zur Verfügung, um der genetischen Verarmung oder Inzuchteffekten
entgegenzuwirken. Die vorgelegten Referenzen seien zu allgemein gehalten, um
konkrete Aussagen über die wissenschaftliche Arbeitsweise des Klägers und die
Erfolgsaussichten seines Zucht- projekts zu ermöglichen.
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Am 19.2.1999 hat der Kläger die vorliegende Klage erhoben.
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In Vertiefung seines bisherigen Vortrages führt er zur Begründung aus: Die Gültigkeit
des einschlägigen Artenschutzrechts sei verfassungsrechtlich höchst zweifelhaft, da die
anzuwendenden Rechtsvorschriften weitgehend unverständlich seien und die
supranationale Rechtssetzung an einem Demokratiedefizit leide. Im Übrigen lägen die
Voraussetzungen der EG-Verordnung 338/97 vor. Die Ansicht, die Entnahme eines
einzigen, vor langer Zeit entnommenen Exemplars könne einen erheblichen Schaden
hervorrufen, sei maßlos übertrieben. Im Übrigen handele es sich bei der durch den
Kläger beabsichtigten Zucht um einen Art erhaltenden Beitrag. Der Kläger sei Forst-
Dipl.-Ing. und habe ein zweijähriges Studium an der Universität Canterbury mit
Abschluss eines Universitäts-Diploms in Greifvogel-Biologie absolviert. Er habe damit
bewiesen, dass er in der Lage sei, wissenschaftlich zu ar- beiten. Das Zuchtprojekt sei
Bestandteil der durch den Kläger an dieser Universität begonnenen Dissertation. Für die
wissenschaftliche Tätigkeit sei ein Gefangenschafts-Zuchtprogramm hilfreich, um die
aus Freiland-Untersuchungen gewonnenen Erkenntnisse zu unterstützen. Dass der
Kläger eine Zucht mit nicht reinrassigen Tieren plane, sei rechtlich vertretbar, da das
Artenschutzrecht nur Arten, nicht aber Unterarten schütze. Im übrigen sei die
Auswilderung auch nicht reinrassiger Tiere ein anerkanntes Instrument des
Artenschutzes. Dem Kläger könne auch nicht entgegengehalten werden, dass sein
Zuchtstock zu klein sei, da die Beklagte dessen Vergrößerung gerade verhindere. Dass
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die VAE eine Ausfuhrbescheinigung, nicht aber eine Wiederausfuhr-Bescheinigung
erteilt hätten, sei korrekt, da der Vogel niemals eingeführt worden sei. Auch aus
Gründen der Gleichbehandlung müsse dem Kläger die beantragte Genehmigung erteilt
werden. Im Übrigen verstoße die Ablehnung der Einfuhrgenehmigung gegen Art. 5 Abs.
3 Grundgesetz. Wenn sich die Möglichkeit zur Erteilung einer Genehmigung nach der
EG-Verordnung 338/97 nicht ergebe, müsse eine Befreiung nach §§ 20 g Abs. 5 und 6.,
31 Bundesnaturschutzgesetz erwogen werden.
Der Kläger beantragt,
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die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 21.8.1998 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 20.1.1999 zu verpflichten, dem Kläger die beantragte
Einfuhrgenehmigung für einen Wanderfalken zu erteilen und diese dem Kläger nach
Vorlage der Ausfuhrgenehmigung aus- zuhändigen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie beruft sich auf ihren Vortrag im Verwaltungsverfahren und führt ergänzend aus:
Maßgeblich sei, dass weder die Herkunft noch der Entnahmezeitpunkt des
Wanderfalken festgestellt worden sei. Beides seien notwendige Fakten für eine Prüfung
der Voraussetzungen des Art. 4 Abs. 1 lit. a der EG-Verordnung 338/97, insbesondere
für die Frage, ob die konkrete Population beeinträchtigt werde. Sie habe nicht die
wissenschaftliche Qualifikation des Klägers im Allgemeinen anzweifeln wollen. Ihre
Kritik habe sich vielmehr auf das konkrete Zucht- und Forschungsvorha- ben bezogen.
Zentraler Kritikpunkt sei dabei, dass nicht reinrassige Tiere zur Zucht verwendet
würden. Diese seien jedoch weder für taxonomische oder verhaltensbiologische
Studien noch für Wiederansiedlungsprogramme geeignet. Daneben sei die nicht
ausreichende Größe des Zuchtstockes problematisch, da Inzesterscheinungen
wahrscheinlich seien.
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Wegen der übrigen Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
beigezogenen Verwaltungsvorgänge sowie der Gerichtsakte ergänzend Bezug
genommen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
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Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
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Der Ablehnungsbescheid des Bundesamtes vom 21.8.1998 ist rechtmäßig; der Kläger
hat keinen Anspruch auf Erteilung der beantragten Einfuhrgenehmigung.
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Rechtsgrundlage für die Erteilung einer Einfuhrgenehmigung ist Art. 4 der Verordnung
(EG) Nr. 338/97 des Rates vom 9. Dezember 1996 über den Schutz von Exemplaren
wildlebender Tier- und Pflanzenarten durch Überwachung des Handels (Abl. EG 1997
Nr. L 61) - EG-ArtenschutzVO -. Durch diese Verordnung werden die Vorgaben des
Washingtoner Artenschutzabkommens (CITES) verbindlich für das Gebiet der
Europäischen Gemeinschaft umgesetzt. Die Einwände des Klägers gegen die Gültigkeit
der in Rede stehenden Rechtsvorschriften unter den Aspekten der Rechtsstaatlichkeit
und des Demokratieprinzips brauchen nicht näher erörtert zu wer- den, da eine
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Ungültigkeit der Normen dem Kläger nicht zu der beantragten Einfuhrgenehmigung
verhelfen würde. Im übrigen sind die Bedenken des Klägers sehr allgemein gehalten
und beziehen sich nicht konkret auf die EG-ArtenschutzVO, durch deren Inkrafttreten der
Komplex der Einfuhrgenehmigung deutlich an Über- sichtlichkeit gewonnen hat.
Der Anwendungsbereich der EG-ArtenschutzVO ist vorliegend auch gegeben. Weder
der Begriff des "Handels", noch derjenige der "Einfuhr" sind auf die Beförderung von
Tieren und Pflanzen zu kommerziellen Zwecken beschränkt. Dies geht für den Begriff
des Handels schon aus der weit gefassten Legaldefinition des Art. 2 lit. u) EG-
ArtenschutzVO hervor. Für den Begriff der Einfuhr ergibt es sich jedenfalls aus der
Tatsache, dass Art. 4 EG-ArtenschutzVO ausdrücklich auch die Erteilung von
Einfuhrgenehmigungen für nicht kommerzielle Zwecke, etwa solche der Forschung,
regelt.
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Vorliegend bestimmen sich die Voraussetzungen für die Erteilung einer
Einfuhrgenehmigung nach Absatz 1 des Art. 4 EG-ArtenschutzVO, da es sich bei der Art
"falco peregrinus" um eine in Anhang A der Verordnung genannte, also streng
geschützte Art handelt. Die Voraussetzungen des Art. 4 Abs. 1 EG-ArtenschutzVO
liegen indes nicht vor.
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Schon die Voraussetzung des Art. 4 Abs. 1 lit. a) i) EG-ArtenschutzVO liegt wohl nicht
vor. Danach muss die wissenschaftliche Behörde die Auffassung vertreten, dass die
Einfuhr in die Gemeinschaft den Erhaltungsstatus der Art oder das Verbreitungsgebiet
der Population der betreffenden Art nicht beeinträchtigt. Dabei kann es keine Rolle
spielen, dass der Eingriff vorliegend bereits längere Zeit zurück liegt und nicht mehr
rückgängig gemacht werden kann. Folgte man einer solchen Argumentation, so könnte
man etwa der Einfuhr eines toten Tieres niemals entgegen halten, dass seine Entnahme
aus der Population diese beeinträchtigt hat. Bei der Beurteilung der Frage, ob die
Entnahme den Erhaltungsstatus oder das Verbreitungsgebiet beeinträchtigt, ist daher
auf den "fiktiven Entnahmezeitpunkt" abzustellen,
24
so Gassner/Bendomir-Kahlo/Schmidt-Ränsch, BNatSchG, § 21 Rn. 14;
Kolodziejcok/Recken, Naturschutz, Landschaftspflege, Ziff. 6809, Rn. 12.
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Ob die Entnahme des in Rede stehenden Vogels den Erhaltungsstatus der Art oder das
Verbreitungsgebiet beeinträchtigt hat, kann indes nicht festgestellt werden, da weder der
Entnahmezeitpunkt, noch das genaue Entnahmegebiet bekannt ist. Art. 4 Abs. 1 lit. a) i)
EG-ArtenschutzVO stellt ausdrücklich auf das Verbreitungsgebiet der Population ab.
Population ist gemäß Art. 2 lit. l) EG-ArtenschutzVO eine biologisch oder geographisch
abgegrenzte Zahl von Individuen. Welcher konkreten Population der Vogel entstammt,
kann vorliegend nicht festgestellt werden. Zudem hat der Kläger selbst vorgetragen, es
existierten derzeit keine gesicherten Bestandsanalysen des "falco peregrinus
peregrinator" (Schreiben vom 27.7.1998). Kann indes nicht positiv festgestellt werden,
dass die Entnahme des Exemplars den Erhaltungsstatus oder das Verbreitungsgebiet
nicht beeinträchtigt, so kann die Einfuhrgenehmigung nicht erteilt werden, da Art. 4 EG-
ArtenschutzVO die positive Feststellung voraussetzt, dass eine Beeinträchtigung nicht
vorliegt. Auch der Charakter der Vorschrift als einer Ausnahme von dem ansonsten
strikten Verbot des Handels mit streng geschützten Tieren gebietet eine solche
restriktive Aus- legung,
26
vgl. zu einem ähnlichen Fall auch VG Frankfurt/Main, Urt. v. 15.12.1988 - I/2 E 2803/84-,
27
NuR 1989, 270, 272.
Allerdings ist die Beklagte der Auffassung, über eine Beeinträchtigung durch die
Entnahme könne man unter Umständen hinwegkommen, wenn die Einfuhr der Art einen
entsprechend hohen Nutzen bringe, die Beeinträchtigung also ausgeglichen werde. Ob
diese Interpretation zutrifft, kann dahin stehen. Vorliegend kann die
Einfuhrgenehmigung nämlich schon deshalb nicht erteilt werden, weil die Vor-
aussetzung des Art. 4 Abs. 1 lit. a) ii) EG-ArtenschutzVO nicht vorliegt.
28
Nach Art. 4 Abs. 1 lit. a) ii) EG-ArtenschutzVO muss die wissenschaftliche Behörde die
Überzeugung vertreten, dass die Einfuhr zu einem der in Art. 8 Absatz 3 Buchstaben e),
f) und g) genannten Zwecke oder zu sonstigen Zwecken, die dem Überleben der
betreffenden Art nicht abträglich sind, erfolgt. Vorliegend kommen insoweit die
Einfuhrzwecke des Art. 8 Abs. 3 lit. f) - Zucht- und Fortpflanzungszwecke - und g) -
Forschungs- und Bildungszwecke - in Betracht. Zwar wird man dem Einführenden
Spielraum hinsichtlich seiner Forschungsziele und -methoden einräumen müssen; die
Prüfung seines Projektes darf mit anderen Worten nicht zur wissenschaftlichen
Bevormundung führen. Für beide Einfuhrzwecke gilt aber, dass es sich um ein
wissenschaftlich qualifiziertes Projekt mit realistischen Erfolgsaussichten handeln muss;
entscheidend ist insoweit die Darlegung des Projektes im Einzelfall,
29
vgl. auch VG Frankfurt/Main, Urt. v. 5.3.1992 - I/2 E 2031/91 -, NuR 1992, 392 f.;
Gassner/Bendomir-Kahlo/Schmidt-Ränsch, BNatSchG, § 21 Rn. 29;
Kolodziejcok/Recken, Naturschutz, Landschaftspflege, Ziff. 6811, Rn. 12 - jeweils zur
Vorgängerverordnung.
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Ein solcher Maßstab entspricht nicht nur dem offensichtlichen Willen des
Verordnungsgebers, der die Prüfung einer "wissenschaftlichen Behörde" überantwortet
hat, sondern er ist auch sinnvoll, um Manipulationen zu vermeiden und sicher zu stellen,
dass nur solche Zwecke die Einfuhr erlauben, die eine Ausnahme von dem strengen
Verbot des Handels mit geschützten Tieren rechtfertigen. Ein diesen hohen
Anforderungen gerecht werdendes Projekt kann der Kläger nach Auffassung der
Kammer zu dem für die Entscheidung über die Verpflichtungsklage maßgeblichen
heutigen Zeitpunkt nicht vorweisen.
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Ein Zucht- und Fortpflanzungsprojekt, das zur Erhaltung der betreffenden Art beiträgt
(Art. 8 Abs. 3 lit. f) EG-ArtenschutzVO), steht derzeit wohl nicht im Raum. Der Kläger hat
selbst vorgetragen, dass der falco peregrinus peregrinator so stark in seinem
Verbreitungsgebiet heimisch ist, dass eine Vergrößerung der Population momentan
weder notwendig, noch möglich erscheint. Ist somit eine Wiederauswilderung der der
geplanten Zucht entstammenden Exemplare vorläufig nicht beabsichtigt, so braucht auf
die Bedenken des Bundesamtes gegen die Auswilderung nicht rassereiner oder nicht
gebietstypischer Exemplare nicht näher eingegangen zu werden.
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Der Kläger möchte allerdings ein Gefangenschaftszuchtprogramm in seine
Forschungstätigkeit über den falco peregrinus peregrinator einbinden. Ungeachtet der
Frage, ob dieses Projekt allein unter Art. 8 Abs. 3 lit. g) fällt oder auch unter lit. f) der
Vorschrift, muss das Forschungsprojekt indes den oben genannten An- forderungen
genügen. Dies ist letztlich nicht der Fall, obwohl die Kammer an den Motiven und dem
wissenschaftlichen Interesse des Klägers keinen Zweifel hat. Problematisch ist bereits,
dass der Kläger ein detailliertes Forschungskonzept derzeit gar nicht vorweisen kann.
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Ursprünglich hatte das Gefangenschaftszuchtprogramm Teil der Dissertation des
Klägers an der Universität Canterbury werden sollen. Davon hat der Kläger inzwischen -
wohl aufgrund der langen Verfahrensdauer - Abstand genommen. Die nunmehr
vorliegende Endfassung der Dissertation verzichtet auf ein entsprechendes
Zuchtprogramm. Der Kläger hat jedoch in der mündlichen Verhandlung erklärt, er wolle
das Zuchtprogramm nunmehr als separates, ergänzendes Forschungsprojekt
durchführen. Ein konkretes Forschungskonzept scheint er derzeit aber nicht zu haben.
Das im Rahmen der Dissertation entwickelte Konzept kann insoweit nicht ohne weiteres
ausreichen. Dort steht nämlich der falco peregrinus peregrinator unter besonderer
Berücksichtigung der Population auf Sri Lanka im Mittelpunkt. Für dieses
Forschungsprojekt ist eine Zucht mit den bislang beim Kläger vorhandenen sowie dem
streitgegenständlichen Falken untauglich, da keiner der drei Vögel aus Sri Lanka
stammt. Zwar hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung erklärt, seine Forschung
auf das gesamte Verbreitungsgebiet der Unterart peregrinator erweitern zu wollen.
Insoweit hat er jedoch nur eine Absichtsbekundung, nicht aber ein detailliertes
Forschungskonzept vorweisen können. Letzteres ist aber zwingende Voraussetzung
des Art. 4 Abs. 1 lit. a) ii) EG- ArtenschutzVO, weil ohne ein solches Konzept eine
Prüfung nicht möglich ist.
Hinzu kommt, dass einige Einwände des Bundesamtes gegen das For- schungsprojekt
des Klägers von diesem letztlich nicht entkräftet werden konnten. Dies gilt zunächst für
den äußerst begrenzten Zuchtstock. Der Kläger würde bei Erteilung der begehrten
Einfuhrgenehmigung über drei Wanderfalken der Unterart peregrinator verfügen. Eine
Zucht, die auf lediglich drei Tieren aufbaut, muss jedoch innerhalb kurzer Zeit mit
Problemen rechnen, die sich aufgrund genetischer Verarmung und Inzuchteffekten
einstellen. Gerade bei einem Forschungsprojekt, das die morphologischen,
taxonomischen und genetischen Eigenheiten einer Unterart zum Gegenstand hat, ist
dies ein gravierender Einwand. Denn mit dem Auftreten oder auch nur der Möglichkeit
der genannten Probleme stellt sich die Frage, ob die der Zucht entstammenden
Exemplare für die natürlichen Populationen der (Unter-)Art repräsentativ sind. Wie er
den genannten Problemen begegnen will, hat der Kläger letztlich nicht erklären können.
Weitere Wanderfalken der Unterart peregrinator, die in Gefangenschaft sind und für eine
Zucht im Wege des Austausches oder der Kooperation zur Verfügung stünden, sind
nach Angaben des Klägers nicht vorhanden. Die Entnahme weiterer Vögel aus der
freien Wildbahn wird dem Kläger derzeit durch die Behörden der Ausfuhrstaaten nicht
gestattet. Ob seine Verhandlungen insoweit zu einem Erfolg führen werden, kann nicht
beurteilt werden.
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Unter dem Aspekt der wissenschaftlichen Plausibilität des Projektes ist zudem
problematisch, dass der einzige Terzel des Klägers kein reinrassiger peregrinator ist.
Zwar hat der Kläger erklärt, eine Durchmischung der Rassen komme auch in der Natur
vor. Nimmt man jedoch seine Erklärung zum Ausgangspunkt, über die Eigenheiten der
Unterart peregrinator forschen zu wollen, so muss die fehlende Reinrassigkeit des
Terzels problematisch erscheinen. Der Einwand des Bundesamtes, die
morphologischen, taxonomischen und genetischen Eigenheiten einer Unterart könnten
nur erforscht werden, wenn man sich auf reinrassige Exemplare eben dieser Unterart
beschränke, leuchtet ohne weiteres ein. Soweit der Kläger vorträgt, er könne den Terzel
durch Rückzüchtung zu einem rassereinen Tier machen, ist festzustellen, dass es auch
insoweit an einem konkreten, prüffähigen Konzept fehlt.
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Soweit der Kläger vorträgt, die Einfuhrgenehmigung müsse ihm erteilt werden, weil das
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Bundesamt in mehreren vergleichbaren Fällen eine Einfuhrgenehmigung erteilt habe, ist
dem nicht zu folgen. Dem Bundesamt steht bei der Entscheidung über einen
Einfuhrantrag nach Art. 4 Abs. 1 EG-ArtenschutzVO kein Ermessen zu; eine
Selbstbindung kann daher nicht entstehen,
vgl. OVG NW, Beschl. v. 3.2.1998 - 7 A 1967/97 -, NuR 1998, 556 f.
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Liegen die Voraussetzungen des Art. 4 EG-ArtenschutzVO nicht vor, dann darf das
Bundesamt die Genehmigung nicht erteilen, selbst wenn es in einem vergleichbaren
Fall - zu Unrecht - anders entschieden hat.
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Eine Befreiung nach § 31 Bundesnaturschutzgesetz - wie von dem Kläger angeregt -
kommt vorliegend von vornherein nicht in Betracht, da von unmittelbar geltenden
europarechtlichen Vorschriften nicht nach dem nationalen Recht Dispens erteilt werden
kann.
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Angesichts der vorstehenden Ausführungen erübrigen sich Ausführungen zum zweiten
Teils des Klageantrags (Aushändigung der Einfuhrgenehmigung).
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
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