Urteil des VG Köln vom 04.05.2006

VG Köln: erlass, aufschiebende wirkung, zugang, post, unternehmen, kommission, amtsblatt, analyse, telekommunikation, wettbewerber

Verwaltungsgericht Köln, 1 K 9190/04
Datum:
04.05.2006
Gericht:
Verwaltungsgericht Köln
Spruchkörper:
1. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
1 K 9190/04
Tenor:
Soweit die Klägerin die Klage zurückgenommen hat, wird das Verfahren
eingestellt.
Der Bescheid der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und
Post vom 30.11.2004 (BK 2b 04/027) wird insoweit aufgehoben, als der
Klägerin auferlegt worden ist, anderen Unternehmen bis zum Erlass
einer auf Grund eines Marktdefinitions- und Marktanalyseverfahrens
erfolgten Regulierungsverfügung für die Märkte 13 und 14 der
Marktempfehlung der EU-Kommission vom 11.02.2003 (Amtsblatt der
Europäischen Union L 114, vom 08.05.2003) Zugang zu anderen
Übertragungswegen als den CFV 64 kbit/s, 2 Mbit/s, 34, 155 und 622
Mbit/s zu gewähren, deren Entgelte und entgeltrelevante Bestandteile
der Allgemeinen Geschäftsbedingungen gemäß § 25 TKG (1996) der
Geneh- migungspflicht unterlegen haben.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin zu 2/3, die Beklagte zu 1/3.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
1
Die Klägerin ist Eigentümerin der Telekommunikationsnetze der Deutschen Bundespost
bzw. der Deutschen Bundespost Telekom und der hierzu gehörenden technischen
Einrichtungen. Mit Bescheid vom 22.04.2003 (BK 2b 03/004) genehmigte die
Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post (heute: Bundesnetzagentur für
Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahnen) - Regulierungsbehörde -
die Entgelte der Klägerin für digitale Standardfestverbindungen (SFV) und
Carrierfestverbindungen (CFV), den Comfort-Service (dSFV) und die Expressentstörung
(CFV) in im Einzelnen bezeichneter Höhe befristet bis zum 30.11.2004. Am 21.09.2004
beantragte die Klägerin bei der Regulierungsbehörde
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1. festzustellen, dass eine Genehmigungspflicht für die Entgelte für SFV und CFV sowie
Comfort-Service und Expressentstörung zumindest bis zum Erlass einer
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Regulierungsverfügung nicht bestehe,
2. hilfsweise zu 1. eine Verlängerung der derzeit genehmigten Entgelte für SFV und
CFV sowie Comfort-Service und Expressentstörung über den 30.11.2004 hinaus bis
zum 31.03.2005 zu genehmigen.
4
3.
5
Zur Begründung des Antrages machte die Klägerin im Wesentlichen geltend, seit
Inkrafttreten des neuen TKG bestehe für die Entgelte für SFV und CFV keine ex- ante-
Genehmigungspflicht mehr. Die Entgelte unterlägen vielmehr der ex-post- Regulierung
nach §§ 39 Abs. 3 S. 1, 38 Abs. 1 S. 1 TKG, solange nicht die ex-ante-
Genehmigungspflicht von der Regulierungsbehörde in einer Regulierungsverfügung
nach § 13 TKG angeordnet worden sei. Im Hinblick auf den Hilfsantrag machte die
Klägerin geltend, es solle für SFV und CFV zum 31.03.2005 ein neues Preissystem
eingeführt werden. Aus diesem Grunde sei zumindest eine Verlängerung der
Entgeltgenehmigung bis zu diesem Zeitpunkt erforderlich.
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Mit Bescheid vom 30.11.2004 gab die Regulierungsbehörde der Klägerin auf, anderen
Unternehmen bis zum Erlass einer auf Grund eines Marktdefinitions- und
Marktanalyseverfahrens erfolgten Regulierungsverfügung für die Märkte 13 und 14 der
Marktempfehlung der EU-Kommission vom 11.02.2003 (Amtsblatt der Europäischen
Union L 114, vom 08.05.2003) Zugang zu denjenigen Übertragungswegen zu
gewähren, deren Entgelte und entgeltrelevante Bestandteile der Allgemeinen
Geschäftsbedingungen gemäß § 25 TKG (1996) der Genehmigungspflicht unterlegen
haben. Die Entgelte für die o.g. Übertragungswege unterlägen daher auch weiterhin der
Genehmigungspflicht (Ziffer 1). Darüber hinaus verlängerte die Regulierungsbehörde
die mit Bescheid vom 22.04.2003 genehmigten Entgelte für digitale SFV/ CFV, für den
Comfort-Service und die Express-Entstörung befristet bis zum 31.03.2005 (Ziffer 2). Zur
Begründung führte die Regulierungsbehörde im Wesentlichen aus: Die Auferlegung
einer Zugangsverpflichtung für Mietleitungen finde ihre Rechtsgrundlage in §§ 12 Abs. 2
Nr. 4, 21 Abs. 1, 150 Abs. 1 TKG. Es lägen außergewöhnliche Umstände vor, die die
getroffene Maßnahme ohne Durchführung eines Konsolidierungs- und
Konsultationsverfahrens geboten erscheinen ließen, um den Wettbewerb und
Nutzerinteressen zu schützen. Da die Genehmigungspflicht der Entgelte für
Übertragungswege nach § 25 Abs. 1 TKG a.F. nach der Rechtsprechung des VG Köln
nicht fortgelte, sei es sachlich gerechtfertigt, der Klägerin insoweit eine
Zugangsverpflichtung nach § 21 TKG aufzuerlegen, um auch nach neuem Recht eine
ex-ante-Genehmigungspflicht der Entgelte für Mietleitungen zu begründen. Die Klägerin
sei wegen der im Bescheid vom 22.04.2003 getroffenen, über § 150 TKG fortgeltenden
Feststellungen zur Marktbeherrschung für das Angebot von Übertragungswegen als
Anbieter mit beträchtlicher Marktmacht anzusehen. Die Auferlegung der
Zugangsverpflichtung bereits vor Erlass einer Regulierungsverfügung sei erforderlich,
weil die Überlassung von Mietleitungen eine Vorleistung für den Netzauf- und -ausbau
von Wettbewerbern der Klägerin sei. Die Zugangsverpflichtung diene daher der
Sicherung des Wettbewerbs. Der Klägerin entstünden durch die Zugangsverpflichtung
keine unzumutbaren Nachteile, da sie auch bislang in der Lage gewesen sei,
ausreichende Mietleitungskapazitäten zur Verfügung zu stellen. Eine Beeinträchtigung
gewerblicher Schutzrechte oder von Rechten an geistigem Eigentum sei nicht
ersichtlich. Die Nachteile für die Wettbewerber im Falle des Unterbleibens der
Maßnahme wögen deshalb schwerer als die der Klägerin durch die Auferlegung der
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Zugangsverpflichtung entstehenden Nachteile. Auf den Hilfsantrag der Klägerin sei die
bis zum 30.11.2004 befristete Entgeltgenehmigung gemäß §§ 30 Abs. 1, 31 Abs. 1 TKG
um vier Monate verlängert worden, da sich die zugrunde liegende Sachlage nicht
wesentlich verändert habe.
Am 29.12.2004 hat die Klägerin gegen die Regelung in Ziffer 1 des Bescheides die
vorliegende Klage erhoben. Mit Beschluss vom 02.02.2005 hat die Kammer auf Antrag
der Klägerin im Verfahren 1 L 3522/04 die aufschiebende Wirkung der Klage
angeordnet.
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Die Klägerin trägt vor:
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Die Auferlegung einer Zugangsverpflichtung für SFV und CFV sei rechtswidrig. § 12
Abs. 2 Nr. 4 TKG gestatte lediglich, bei Vorliegen der hierin näher genannten
Voraussetzungen von der vorherigen Durchführung des Konsultations- und
Konsolidierungsverfahrens abzusehen. Eine Befugnis zum Erlass vorläufiger
Maßnahmen vor Abschluss des Marktdefinitions- und Marktanalyseverfahrens nach §§
10,11 TKG sei damit nicht begründet.
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Im Übrigen hätten auch keine außergewöhnlichen Umstände vorgelegen, die die
Auferlegung einer Zugangsverpflichtung dringend hätten geboten erscheinen lassen.
Dass die Wettbewerber auf die Mietleitungen der Klägerin angewiesen seien, mache
die Begründung der Zugangsverpflichtung keineswegs dringend bzw. eilbedürftig.
Hiervon hätte nur dann ausgegangen werden können, wenn zu befürchten gewesen sei,
dass die Klägerin in naher Zukunft ihren Wettbewerbern keine SFV oder CFV mehr zur
Verfügung stelle. Dies sei indes nicht der Fall. Auch die Befürchtung, dass die Klägerin
im Falle einer ex-post-Regulierung die Preise für SFV und CFV erhöhen könnte,
begründeten keine Dringlichkeit der Zugangsverpflichtung, da angesichts der von der
Klägerin hilfsweise beantragten Verlängerung der bisher genehmigten Entgelte keine
Anhaltspunkte für einen Versuch der Klägerin gesprochen hätten, kurzfristig höhere
Preise durchzusetzen. Im Übrigen sei der Erhöhungsspielraum der Klägerin auch im
Falle der ex-post-Regulierung nicht unbegrenzt.
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Ferner habe die Regulierungsbehörde das Übermaßverbot verletzt, indem sie eine
Zugangsverpflichtung mit dem alleinigen Ziel begründet habe, eine
Genehmigungspflicht der Entgelte für Leistungen zu begründen, deren Erbringung nie in
Zweifel gestanden habe. Zur Erreichung des Regulierungszieles hätte sich die
Regulierungsbehörde auf die Anordnung der Genehmigungspflicht beschränken
können. Zudem habe die Regulierungsbehörde SFV in ihre Maßnahme einbezogen,
obwohl diese Endkundenprodukte der Klägerin seien. Einer Zugangsverpflichtung nach
§ 21 TKG dürften jedoch nur Vorleistungsprodukte unterworfen werden. Schließlich
habe die Kammer in ihrem Beschluss vom 02.02.2005 im Verfahren 1 L 3522/04
zutreffend ausgeführt, dass die Regulierungsbehörde ihr Ermessen fehlerhaft ausgeübt
habe, weil sie die in § 21 TKG geregelten Entscheidungsvoraussetzungen nicht
beachtet habe.
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Die Klägerin hat zunächst beantragt,
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den Bescheid der Regulierungsbehörde vom 30.11.2004 (BK 2b 04/027) insoweit
aufzuheben, als der Klägerin auferlegt worden ist, anderen Unternehmen bis zum Erlass
einer auf Grund eines Marktdefinitions- und Marktanalyseverfahrens erfolgten
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Regulierungsverfügung für die Märkte 13 und 14 der Marktempfehlung der EU-
Kommission vom 11.02.2003 (Amtsblatt der Europäischen Union L 114, vom
08.05.2003) Zugang zu denjenigen Übertragungswegen zu gewähren, deren Entgelte
und entgeltrelevante Bestandteile der Allgemeinen Geschäftsbedingungen gemäß § 25
TKG (1996) der Genehmigungspflicht unterlegen haben.
Mit Schriftsatz vom 17.05.2005 hat die Klägerin die Klage insoweit zurückgenommen,
als ihr durch die getroffene Regelung eine Zugangsverpflichtung für CFV von 64 kbit/s, 2
Mbit/s, 34, 155 und 622 Mbit/s auferlegt worden ist.
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Sie beantragt nunmehr,
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den Bescheid der Regulierungsbehörde vom 30.11.2004 (BK 2b 04/027) insoweit
aufzuheben, als der Klägerin auferlegt worden ist, anderen Unternehmen bis zum Erlass
einer auf Grund eines Marktdefinitions- und Marktanalyseverfahrens erfolgten
Regulierungsverfügung für die Märkte 13 und 14 der Marktempfehlung der EU-
Kommission vom 11.02.2003 (Amtsblatt der Europäischen Union L 114, vom
08.05.2003) Zugang zu anderen Übertragungswegen als den CFV 64 kbit/s, 2 Mbit/s,
34, 155 und 622 Mbit/s zu gewähren, deren Entgelte und entgeltrelevante Bestandteile
der Allgemeinen Geschäftsbedingungen gemäß § 25 TKG (1996) der
Genehmigungspflicht unterlegen haben.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie verweist auf ihr Vorbringen im Eilverfahren.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen
auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge.
21
Entscheidungsgründe
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Soweit die Klägerin die Klage zurückgenommen hat, ist das Verfahren gemäß § 92 Abs.
3 VwGO einzustellen.
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Im Übrigen ist die Klage zulässig und begründet.
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Ziffer 1 des Bescheides der Regulierungsbehörde vom 30.11.2004 ist im noch
angefochtenen Umfang rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, § 113
Abs. 1 VwGO.
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Die Regulierungsbehörde hat die Klägerin auf der Grundlage der §§ 12 Abs. 2 Nr. 4 und
21 TKG zu Unrecht verpflichtet, anderen Unternehmen Zugang zu anderen
Übertragungswegen als den CFV 64 kbit/s, 2 Mbit/s, 34, 155 und 622 Mbit/s zu
gewähren, deren Entgelte und entgeltrelevante Bestandteile der Allgemeinen
Geschäftsbedingungen gemäß § 25 TKG (1996) der Genehmigungspflicht unterlegen
haben.
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Es liegen bereits die Voraussetzungen des § 12 Abs. 2 Nr. 4 TKG nicht vor, weil nicht
ersichtlich ist, dass die hier allein noch umstrittene Verpflichtung der Klägerin, anderen
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Unternehmen Zugang zu digitalen SFV und zu CFV über 622 Mbit/s zu gewähren,
dringend erforderlich war, um den Wettbewerb zu gewährleisten und die
Nutzerinteressen zu schützen. Für den Netzauf- und -ausbau sowie die
Aufrechterhaltung ihres Netzbetriebes werden von den Wettbewerbern der Klägerin im
Wesentlichen CFV in den Varianten 64 kBit/s, 2 Mbit/s, 34, 155 und 622 Mbit/s benötigt,
zu deren Bereitstellung sich die Klägerin im Übrigen zwischenzeitlich auch bereiterklärt
hat. Es ist von der Beklagten weder im angefochtenen Bescheid noch in der mündlichen
Verhandlung dargelegt worden und auch sonst nicht erkennbar, dass darüber hinaus
gerade auch SFV mit technisch identischen bzw. vergleichbaren Leistungsmerkmalen
und höherbitratige CFV (2,5 Gbit/s und mehr) dringend bereitgestellt werden mussten,
um eine Aufrechterhaltung des Wettbewerbs sicherzustellen oder Nutzerinteressen zu
schützen.
Darüber hinaus ist die angefochtene Entscheidung auch wegen eines
Ermessensfehlers rechtswidrig. Die Kammer hat hierzu in ihrem Beschluss vom
02.02.2005 im Verfahren 1 L 3522/04 das Folgende ausgeführt:
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"Es ist mit hoher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass die von der RegTP auf
der Grundlage der §§ 12 Abs. 2 Nr.4 und 21 TKG ausgesprochene Verpflichtung der
Antragstellerin, bis zum Erlass einer Regulierungsverfügung Zugang zu
Übertragungswegen zu gewähren, deren Entgelte nach § 25 TKG (1996)
genehmigungspflichtig waren, ermessensfehlerhaft ist. Nach § 12 Abs. 2 Nr. 4 TKG
kann die Regulierungsbehörde, wenn sie bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände
der Ansicht ist, dass dringend - ohne das Verfahren nach Absatz 1 und den Nummern 1
bis 3 einzuhalten - gehandelt werden muss, um den Wettbewerb zu gewährleisten und
die Nutzerinteressen zu schützen, umgehend angemessene vorläufige Maßnahmen
erlassen. Die Vorschrift ermächtigt zum Erlass vorläufiger Maßnahmen, ohne das
Verfahren nach § 12 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 bis 3 TKG durchzuführen. Sie dispensiert
nach Auffassung der Kammer allerdings nicht von anderen gesetzlichen Vorgaben. Dies
ergibt sich zunächst aus Wortlaut und Gesetzessystematik.
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Die Vorschrift ist Teil des in Abschnitt 1, Teil 2 TKG geregelten Verfahrens der
Marktregulierung, welches zunächst eine Marktdefinition und -analyse der
Regulierungsbehörde nach §§ 10 und 11 TKG vorsieht und gegebenenfalls mit einer
sog. Regulierungsverfügung endet, deren Inhalt Entscheidungen nach den §§ 18, 19,
20, 21, 30, 39, 40 oder 41 Abs. 1 TKG sein können (§ 13 Abs. 1 und 3 TKG). Dabei hat
die Regulierungsbehörde den interessierten Parteien nach § 12 Abs. 1 TKG
grundsätzlich Gelegenheit zu geben, zu dem Entwurf der Ergebnisse der Marktdefinition
und -analyse nach §§ 10 und 11 TKG Stellung zu nehmen. Darüber hinaus ist unter den
in §§ 10 Abs. 3 und 11 Abs. 3 TKG genannten Voraussetzungen das in § 12 Abs. 2 Nr. 1
bis 3 TKG vorgesehene Konsultations- und Konsolidierungsverfahren mit der EU-
Kommission und den anderen nationalen Regulierungsbehörden durchzuführen.
Schließlich ist das Verfahren nach § 12 Abs. 1, 2 Nr. 1, 2 und 4 TKG nach § 13 Abs. 1 S.
1 TKG entsprechend anwendbar, wenn die Regulierungsbehörde aufgrund einer
Marktanalyse nach § 11 TKG eine Regulierungsverfügung (nach §§ 19, 20, 21 etc. TKG)
erlässt, sofern die Maßnahme Auswirkungen auf den Handel zwischen den
Mitgliedstaaten hat. Aus diesen Regelungen ergibt sich, dass das Konsultations- und
Konsolidierungsverfahren nach § 12 TKG stets an eine vorausgegangene
Marktdefinition und -analyse anknüpft. Wenn § 12 Abs. 2 Nr. 4 TKG gleichwohl nur von
der Durchführung des Konsultations- und Konsolidierungsverfahrens befreit, kann dies
allein dahingehend interpretiert werden, dass die Vorschrift nur von diesem Verfahren
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und nicht auch von sonstigen gesetzlichen Voraussetzungen dispensiert. Dass diese
aufgrund des Wortlauts und der Gesetzessystematik gewonnene Auslegung der
Vorschrift auch mit der Gesetzesbegründung und Art. 7 Abs. 6 der Rahmenrichtlinie in
Einklang steht und Sinn und Zweck der dortigen Regelung entspricht, ist in der
Antragsbegründung der Antragstellerin bereits zutreffend ausgeführt worden. Auf die
entsprechenden Ausführungen kann daher zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug
genommen werden.
Soweit hieraus folgt, dass § 12 Abs. 2 Nr. 4 TKG das Vorliegen eines Entwurfs der
Ergebnisse einer Marktdefinition bzw. Marktanalyse voraussetzt, spricht allerdings
vieles dafür, dass dieser - vorliegend fehlende - Entwurf durch die inzidente Feststellung
einer marktbeherrschenden Stellung der Antragstellerin auf dem hier in Rede stehenden
Mietleitungsmarkt im Bescheid der RegTP vom 22.04.2003 (BK 2b-03/004) substituiert
wird, da diese gemäß § 150 Abs. 1 S. 2 i.V.m. S. 1 TKG bis zu einer neuen
Entscheidung nach Teil 2 des TKG wirksam bleibt, die vorliegend ersichtlich noch nicht
ergangen ist. Soweit die Kammer in ihrem Beschluss vom 06.09.2004 im Verfahren 1 L
1832/04 das Wirksambleiben einer Entscheidung der RegTP gemäß § 150 Abs. 1 TKG
verneint hat, betraf dies den Sonderfall einer deklaratorisch ergangenen Feststellung
einer Genehmigungspflicht von Endnutzerentgelten nach § 25 Abs. 1 TKG (1996),
welche nach neuem Recht nicht hätte "ersetzt" werden können. Damit ist der
vorliegende Fall nicht vergleichbar.
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Dies alles bedarf jedoch keiner weiteren Vertiefung, da die in Rede stehende
Entscheidung jedenfalls an einem Ermessensfehler leidet. Wie bereits ausgeführt,
befreit § 12 Abs. 2 Nr. 4 TKG lediglich von der Durchführung des Konsultations- und
Konsolidierungsverfahrens, nicht dagegen von sonstigen gesetzlichen Vorgaben.
Abgesehen vom Erfordernis eines Entwurfs der Ergebnisse einer Marktdefinition und -
analyse ergeben sich weitere Entscheidungsvoraussetzungen aus den Vorschriften
über die jeweilige Maßnahme, deren vorläufige Installierung die Regulierungsbehörde
über § 12 Abs. 2 Nr. 4 TKG beabsichtigt. Da die RegTP vorliegend eine vorläufige
Zugangsverpflichtung ausgesprochen hat, waren die in § 21 TKG geregelten
Entscheidungsvoraussetzungen zu beachten. Hierzu gehört nach Abs. 1 der Vorschrift
abgesehen vom Erfordernis einer beträchtlichen Marktmacht des Zugangsverpflichteten
- die vorliegend durch die nach § 150 Abs. 1 S. 2 und S. 1 TKG wirksam gebliebene
Feststellung einer marktbeherrschenden Stellung der Antragstellerin im Bescheid der
RegTP vom 22.04.2003 ersetzt werden könnte - insbesondere eine
Abwägungsentscheidung, ob die Zugangsverpflichtung gerechtfertigt ist und in einem
angemessenen Verhältnis zu den Regulierungszielen nach § 2 Abs. 2 TKG steht, wobei
insbesondere weitere in § 21 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 bis 7 TKG aufgeführte Gesichtspunkte
zwingend zu berücksichtigen sind.
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Der angegriffene Bescheid enthält keine vollständige Prüfung der letztgenannten
Gesichtspunkte. Zwar hat die RegTP im angefochtenen Bescheid zutreffend die
Vorschrift des § 21 TKG herangezogen und auch Ausführungen zur sachlichen
Rechtfertigung bzw. Angemessenheit der Auferlegung der Zugangsverpflichtung
gemacht. Diese verhalten sich jedoch nur zu einem Teil der durch § 21 Abs. 1 S. 2 Nr. 1
bis 7 TKG vorgegebenen Prüfungspunkte, nämlich zur Notwendigkeit der langfristigen
Sicherung des Wettbewerbs, zur verfügbaren Mietleitungskapazität der Antragstellerin,
zu fehlenden Investitionsrisiken sowie fehlender Beeinträchtigung gewerblicher
Schutzrechte und Rechte an geistigem Eigentum (also zu den in Ziffer 2, 3, 4 und 5
aufgeführten Gesichtspunkten oder Teilen derselben). Ausführungen zu weiteren
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zwingend bei der Entscheidung zu berücksichtigenden Anforderungen, insbesondere zu
der in Nr. 7 geforderten Prüfung, ob bereits freiwillige Angebote am Markt, die von einem
großen Teil des Marktes angenommen werden, zur Sicherstellung der in § 2 Abs. 2 TKG
genannten Regulierungsziele ausreichen oder zu der in Ziffer 3 vorgesehenen Prüfung
der Anfangsinvestitionen der Antragstellerin sind im Bescheid nicht enthalten.
Die geforderte vollständige Prüfung der Voraussetzungen des § 21 Abs. 1 S. 2 TKG war
auch nicht entbehrlich, weil es sich vorliegend um eine vorläufige Maßnahme nach § 12
Abs. 2 Nr. 4 TKG handelt, da diese Vorschrift - wie ausgeführt - lediglich vom
Konsultations- und Konsolidierungsverfahren befreit und nicht von der Einhaltung der
sonstigen gesetzlichen Vorgaben dispensiert.
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Hat die RegTP in der angefochtenen Entscheidung mithin nicht alle im Rahmen der
Abwägungsentscheidung nach § 21 Abs. 1 S. 2 TKG zu berücksichtigenden
Gesichtspunkte geprüft, ist die Entscheidung als ermessensfehlerhaft anzusehen."
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An dieser Auffassung hält die Kammer weiter fest. Nach allem war der Klage - soweit sie
von der Klägerin aufrechterhalten worden ist - stattzugeben.
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Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 2 VwGO.
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Die Revision war nicht zuzulassen, da die Rechtssache keine grundsätzliche
Bedeutung hat und das Urteil nicht von einer Entscheidung des
Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des
Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht , §§ 135 S. 2 iVm 132 Abs. 2 Nr.
1 und 2 VwGO.
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