Urteil des VG Köln vom 25.11.2009

VG Köln (antrag, anordnung, erlass, hauptsache, behörde, verwaltungsgericht, rechtsverhältnis, antragsteller, auflage, zulassung)

Verwaltungsgericht Köln, 6 Nc 353/09
Datum:
25.11.2009
Gericht:
Verwaltungsgericht Köln
Spruchkörper:
6. Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
6 Nc 353/09
Tenor:
Der Antrag wird abgelehnt. Die Antragstellerin trägt die Kosten des
Verfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 5.000,00 Euro festgesetzt.
Gründe
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1. Der sinngemäße Antrag der Antragstellerin,
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den Antragsgegner im Wege einstweiliger Anordnung zu verpflichten, sie nach den
Rechtsverhältnissen des WS 2009/2010 vorläufig zum Studium im Studiengang
Psychologie im ersten Fachsemester außerhalb der festgesetzten Kapazität zuzulassen,
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hat keinen Erfolg.
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Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann das Gericht zur Regelung eines vorläufigen
Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis eine einstweilige Anordnung
erlassen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern
oder wenn diese Regelung aus anderen Gründen nötig erscheint. Der Erlass einer
einstweiligen Anordnung setzt voraus, dass der Antragsteller sowohl einen
Anordnungsgrund als auch einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht hat (§ 123
Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO). Ist der Antrag - wie vorliegend - auf die
Vorwegnahme der Hauptsache gerichtet, so sind an die Glaubhaftmachung von
Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch erhöhte Anforderungen zu stellen. Der
Erlass einer einstweiligen Anordnung kommt dann nur in Betracht, wenn ein Obsiegen
des Antragstellers in der Hauptsache bei summarischer Prüfung mit hoher
Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist und ihm ohne den Erlass einer einstweiligen
Anordnung schwere und unzumutbare Nachteile entstünden, die auch bei einem
späteren Erfolg in der Hauptsache nicht mehr beseitigt werden könnten.
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Gemessen an diesen Anforderungen kommt der Erlass einer einstweiligen Anordnung
vorliegend nicht in Betracht. Der Antrag ist bereits unzulässig, da die Antragstellerin vor
der Einreichung ihres Antrages bei Gericht am 17.9.2009 keinen Antrag auf Zulassung
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außerhalb der festgesetzten Kapazität beim Antragsgegner gestellt hatte. Beim
Antragsgegner ist der entsprechende Antrag ausweislich seiner unbestrittenen Angaben
vielmehr erst am 18.9.2009 eingegangen.
Die beantragte Regelungsanordnung setzt voraus, dass zwischen dem Antragsteller
und der Behörde, gegen die sie gerichtet werden soll, ein "streitiges Rechtsverhältnis"
besteht (§ 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO). Von einem streitigen Rechtsverhältnis kann
indessen erst gesprochen werden, wenn aus dem Antrag an die Behörde und seiner -
ausdrücklichen oder stillschweigenden - Ablehnung vor Beginn des gerichtlichen
Streitverfahrens eine bestimmte Rechtsbeziehung entstanden ist, um deren Bestand
und Inhalt zwischen Antragsteller und Antragsgegner gestritten wird.
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Vgl. VGH Mannheim, Beschluss vom 9.7.1990 - NC 9 S 58/90 -, NVwZ-RR 1990, 566;
Finkelnburg/Jank, 3. Auflage, Rn. 964 f.; Schoch, in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner,
VwGO, § 123, Rn. 102, 106, 121.
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Der Antrag an die Behörde kann daher weder im Laufe des gerichtlichen Verfahrens
nachgeholt noch durch den bei Gericht eingereichten Antrag auf Erlass einer
einstweiligen Anordnung ersetzt werden.
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Vgl. Finkelnburg/Jank, 3. Auflage, Rn. 965; Beschlüsse der Kammer vom 9.1.2006 - 6
Nc 178/05 - und vom 13.6.2007 - 6 Nc 55/07 -.
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An diesem Antragserfordernis ist gerade auch für das vorliegend in Rede stehende
Hochschulzulassungsverfahren außerhalb der festgesetzten Kapazität ohne Rücksicht
auf den Grad seiner Erfolgsaussicht festzuhalten, da nur dadurch sichergestellt werden
kann, dass die Hochschule rechtzeitig Gelegenheit erhält, die Möglichkeit des
Vorhandenseins von Reststudienplätzen überhaupt zu prüfen und hierzu Stellung zu
nehmen.
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Vgl. VGH Mannheim, Beschluss vom 9.7.1990 - NC 9 S 58/90 -, NVwZ-RR 1990, 566;
Beschluss der Kammer vom 13.5.2002 - 6 Nc 4/02 -.
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Fehlt es - wie hier - an einer vorherigen Antragstellung bei der Behörde, ist der Antrag
auf Erlass einer Regelungsanordnung daher unstatthaft; zumindest jedoch fehlt ihm das
erforderliche Rechtsschutzbedürfnis.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
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2. Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf §§ 53 Abs. 3 Nr. 1, 52 Abs. 2 GKG. Sie
entspricht der geänderten Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts für das Land
Nordrhein-Westfalen (Beschluss vom 2.3.2009 - 13 C 278/08 -, juris). Zwar hält die
Kammer die Gründe, die in Rechtsprechung und Literatur für die Festsetzung eines
niedrigeren Streitwertes angeführt werden, weiterhin für bedenkenswert. Namentlich die
Besonderheiten des Kapazitätsrechts, die es den Studienbewerbern gebieten, Anträge
nach § 123 Abs. 1 VwGO sowie ggfs. Klagen mit dem letztlich einheitlichen Ziel der
Erlangung eines Studienplatzes gegen eine Vielzahl von Universitäten zu richten (vgl.
Sächsisches OVG, Beschluss vom 13.7.2005 - 2 E 86/05.NC -, juris), sowie der
Umstand, dass die mit einem Antrag auf vorläufige Zulassung zum Studium verbundene
Vorwegnahme der Hauptsache lediglich eine vorläufige und keine endgültige ist, da sie
unter dem Vorbehalt der Entscheidung in der Hauptsache steht (vgl. zu diesem
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Unterschied etwa BVerfG, Beschluss vom 31.3.2003 - 2 BvR 1779/02 -, NVwZ 2003, S.
1112), können es angemessen erscheinen lassen, von einer Anhebung des in
Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes in der Regel auf die Hälfte reduzierten
Streitwertes auf den vollen Streitwert des Hauptsacheverfahrens abzusehen. Aus
Gründen der Rechtseinheitlichkeit und Rechtssicherheit schließt sich die Kammer
jedoch der geänderten Rechtsprechung des OVG NRW an.
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