Urteil des VG Köln vom 17.06.2008

VG Köln: grundstück, verfügung, abfallentsorgung, erfüllung, anschluss, abholung, verwertung, entstehung, unterliegen, gerichtsakte

Verwaltungsgericht Köln, 14 K 3945/06
Datum:
17.06.2008
Gericht:
Verwaltungsgericht Köln
Spruchkörper:
14. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
14 K 3945/06
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens tragen die Kläger als Gesamtschuldner.
T a t b e s t a n d Die Kläger sind Eigentümer des Hausgrundstücks X. Straße 00 in
51702 Bergneustadt. Der Beklagte betreibt seit dem 01.01.1997 u.a. für die Kommune
Bergneustadt die Abfallentsorgung als öffentliche Einrichtung. In einer formularmäßig an
den Beklagten gerichteten Erklärung über die Verwertung und Beseitigung von Abfällen
gab der Kläger zu 1) an, dass die Kläger auf ihrem Grundstück ein Gewerbe zum
Vertrieb von Stromspargeräten betrieben und dass ihr Grundstück neben dieser
gewerblichen Nutzung von zwei Personen zu Wohnzwecken genutzt werde. Daraufhin
ließ der Beklagte durch das von ihm beauftragte Entsorgungsunternehmen am
16.06.2006 für das klägerische Grundstück ein 60-l-Restabfallgefäß und ein 240- l-
Altpapiergefäß bereit stellen. Mit Bescheid vom 14.07.2006 zog der Beklagte die Kläger
für die Zeit von Juli bis Dezember 2006 zur Zahlung von Abfallgebühren für den bereit
gestellten 60-l- Restmüllbehälter in Höhe von 68,30 EUR heran.
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Mit ihrem hiergegen gerichteten Widerspruch vom 19.07.2006 machten die Kläger
geltend, dass in ihrem Falle der Gebührentatbestand nicht erfüllt sei. Sie benutzten den
bereit gestellten Abfallbehälter nicht und würden ihn nicht zur Entleerung an die Straße
stellen.
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Mit dem am gleichen Tage mittels Einwurfeinschreiben zur Post gegebenen
Widerspruchsbescheid vom 28.07.2006 wies der Beklagte den Widerspruch der Kläger
zurück. Zur Begründung führte er aus, dass es zur Erfüllung des Gebührentatbestandes
nach § 1 Abs. 1 Satz 2 der Abfallgebührensatzung 2006 (AbfGS) ausreiche, dass den
Klägern ein Abfallgefäß zur Verfügung gestellt worden sei und ihr Grundstück
regelmäßig zur Abfallentsorgung angefahren werde.
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Die Kläger haben am 01.09.2006 Klage erhoben. Zur Begründung tragen sie vor, dass
sie sich jahrelang darum bemüht hätten, dass kein oder nur in geringem Umfang
überlassungspflichtiger Abfall auf ihrem Grundstück produziert werde. Dennoch
anfallenden überlassungspflichtigen Abfall - höchstens eine Einkaufstüte innerhalb von
2 bis 3 Monaten - hätten sie bis zum 01.06.2006 mittels eines auf dem Grundstück P.---
straße 00 vorhandenen Restmüllgefäßes entsorgt. Auf dem Grundstück P.---straße 00
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hätten sie bis zum 01.06.2006 ein Nachtlokal ohne Personal betrieben. Zukünftig
würden sie den in einem Umfang einer Einkaufstüte anfallenden Restmüll maximal alle
drei Monate bei einem Freund entsorgen, der ein großes Restabfallgefäß besitze. Sie
hätten sich nunmehr entschlossen, ab sofort alles, wie z.B. Scheibenwischer und
Brillengläser an „seinem Ursprung" zu entsorgen. Brillengläser würden beim Optiker
zurückgegeben. Essensreste bekomme der Hund. Papierreste würden im Ofen
verbrannt. Soweit der Beklagte behaupte, dass er ihr Grundstück regelmäßig zur
Entsorgung anfahren lasse, sei dies eine Schutzbehauptung. Richtig sei, dass das
Entsorgungsfahrzeug regelmäßig an ihrem Grundstück entlangfahre, um die
Abfallbehälter ihrer Nachbarn zu entleeren.
Die Kläger beantragen sinngemäß,
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den Gebührenbescheid des Beklagten vom 14.07.2006 in der Fassung des
Widerspruchsbescheides vom 28.07.2006 aufzuheben.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Seiner Auffassung nach ist der Gebührentatbestand gem. § 1 Abs. 1 Satz 2 AbfGS
erfüllt. Hiernach sei eine Inanspruchnahme der öffentlichen Abfallentsorgung gegeben,
wenn auf dem Grundstück des Gebührenpflichtigen ein Abfallgefäß zur Verfügung
gestellt worden sei und das Grundstück regelmäßig zur Abfallentsorgung angefahren
werde. Die Kläger behaupteten selbst, dass das Entsorgungsfahrzeug regelmäßig an
ihrem Grundstück vorbeifahre. Damit sei ein „Anfahren" im Sinne der AbfGS gegeben.
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten verwiesen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
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Das Gericht konnte trotz Nichterscheinens der Kläger in der mündlichen Verhandlung
entscheiden, weil die Kläger ordnungsgemäß mit dem Hinweis gem. § 102 Abs. 2
VwGO geladen wurden, dass bei Ihrem Ausbleiben auch ohne Sie verhandelt und
entschieden werden kann.
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Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Gebührenbescheid des Beklagten vom
14.07.2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 28.07.2006 ist
rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
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Grundlage für die Heranziehung der Kläger zu den Abfallgebühren für den 60-l-
Restmüllbehälter ist § 1 Abs. 1, 3 i.V.m. § 3 Abs. 1 lit. a) AbfGS 2006. Danach erhebt der
Beklagte von den Eigentümern angeschlossener Grundstücke für die Inanspruchnahme
der öffentlichen Abfallentsorgungsanlage Abfallentsorgungsgebühren nach dem KAG,
die für ein 60-l-Restmüllgefäß jährlich 136,60 EUR und für den hier streitigen Zeitraum
vom 01.07.-31.12.2006 damit 68,30 EUR betragen. Eine Inanspruchnahme der
Abfallentsorgungsanlage liegt nach § 1 Abs. 1 Satz 2 AbfGS vor, wenn auf dem
Grundstück ein Abfallgefäß zur Verfügung gestellt wurde und das Grundstück
regelmäßig zur Abfallentsorgung angefahren wird.
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Die Kläger erfüllen die satzungsmäßig festgelegten Voraussetzungen für die
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Heranziehung zu den streitigen Gebühren. Ihnen wurde vom Beklagten im Juni 2006 ein
60-l-Restmüllgefäß zur Verfügung gestellt. Ihr Grundstück wird vom Beklagten
regelmäßig zur Entsorgung angefahren. Dass die Kläger die ihnen zur Verfügung
gestellte Restmülltonne ihren Angaben zur Folge nicht nutzen und nicht befüllt zur
Abholung bereit stellen, ist nach dem Wortlaut des § 1 Abs. 1 Satz 2 AbfGS 2006 für die
Erfüllung des Gebührentatbestandes unerheblich. Die Bestimmung des § 1 Abs. 1 Satz
2 AbfGS 2006 verlangt lediglich, dass das Grundstück mit dem Ziel der Entsorgung vom
Beklagten angefahren wird. Eine tatsächliche Leerung bereit gestellter Müllgefäße setzt
der Gebührentatbestand des § 1 Abs. 1 Satz 2 AbfGS 2006 ausdrücklich nicht voraus.
Der Gebührentatbestand des § 1 Abs. 1 Satz 2 AbfGS 2006 ist mit höherrangigem
Recht, namentlich mit dem in § 4 Abs. 2 KAG NRW festgelegten Gebührenbegriff
vereinbar. Das Gericht hält an seiner bisher vertretenen Auffassung, dass die o.g.
satzungsrechtliche Bestimmung des Gebührentatbestandes einschränkend
dahingehend auszulegen ist, dass eine gebührenpflichtige Anfahrt des Grundstücks erst
gegeben ist, wenn die auf dem Grundstück zur Verfügung gestellten Gefäße entleert und
tatsächlich zur Entsorgung abgefahren werden,
in diesem Sinne Urteil des erkennenden Gerichts vom 25.08.2005 - 14 K 6457/03 -,
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nicht mehr fest. Die Inanspruchnahme von Teilleistungen der Abfallentsorgung - wie die
Entgegennahme von Abfallbehältern und das Anfahren des Grundstücks durch das
Entsorgungsfahrzeug - ist zur Erfüllung einer einheitlichen Leistungsgebühr jedenfalls
dann ausreichend, wenn der Gebührenpflichtige hinsichtlich der ihm zur Verfügung
gestellten Abfallbehälter - wie hier - dem ortsrechtlich angeordneten Anschluss- und
Benutzungszwang unterliegt. In diesem Fall darf der gebührenrechtliche Satzungsgeber
davon ausgehen, dass der anschlusspflichtige Grundstückseigentümer die ihm zur
Verfügung gestellten Abfallbehälter entsprechend der ihm obliegenden
Benutzungspflicht auch nutzt und damit mit der tatsächlichen Leerung des
Abfallbehälters weitere Teilleistungen der öffentlichen Abfallentsorgung in Anspruch
nimmt,
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vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 05.10.2000 - 9 B 1214/00 - und vom 15.11.2007 - 9 A
281/05 -.
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Dass der Gebührentatbestand des § 1 Abs. 1 Satz 2 AbfGS 2006 die Erhebung einer
vollen Leistungsgebühr für die Inanspruchnahme lediglich von Teilleistungen
ermöglicht, ist mit dem Äquivalenzprinzip vereinbar. Nach neuerer Rechtsprechung des
Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG),
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Urteil vom 01.12.2005 - 10 C 4/04 -, NVwZ 2006, 589,
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setzt die Entstehung einer Gebührenpflicht nicht zwingend voraus, dass der
Gebührenschuldner aus der öffentlichen Leistung tatsächlich einen als proportional
einzustufenden Nutzen zieht. Als individualisierender Zurechnungsgrund reicht etwa die
Veranlassung der öffentlichen Leistung aus. Eine derartige Veranlassung ist im Falle
der öffentlichen Abfallentsorgung anzunehmen, wenn ein anschlussverpflichteter
Grundstückseigentümer ein ihm zur Verfügung gestelltes Abfallgefäß unter Verstoß
gegen die satzungsrechtliche Behälterbenutzungspflicht nicht nutzt. Eine derartige
Veranlassung ist hier gegeben. Die Kläger unterliegen hinsichtlich der ihnen zur
Verfügung gestellten 60-l-Restmülltonne dem in § 6 der Abfallentsorgungssatzung des
Beklagten geregelten Anschluss- und Benutzungszwang. Zur Begründung nimmt das
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Gericht Bezug auf die Gründe des den Beteiligten bekannten Urteils vom heutigen Tage
im Verfahren 14 K 3949/06, deren Richtigkeit durch das Vorbringen der Kläger im
vorliegenden Verfahren nicht in Frage gestellt wird.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 159 Satz 2 VwGO.
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