Urteil des VG Köln vom 08.12.2004

VG Köln: aufschiebende wirkung, vorläufiger rechtsschutz, erlass, anfechtungsklage, zusammenschaltung, vollziehung, begriff, unverzüglich, gewalt, feststellungsklage

Datum:
Gericht:
Spruchkörper:
Entscheidungsart:
Tenor:
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Aktenzeichen:
Verwaltungsgericht Köln, 1 L 2921/04
08.12.2004
Verwaltungsgericht Köln
1. Kammer
Beschluss
1 L 2921/04
Im Wege der einstweiligen Anordnung wird festgestellt, dass der Be-
scheid der Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post vom
20.09.2004 ohne eine zweite Teilentscheidung hinsichtlich der Entgelte
nach § 25 Abs. 6 Satz 1 TKG nicht vollziehbar ist. Die Kosten des
Verfahrens trägt die Antragsgegnerin, mit Ausnahme der
außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.
Der Streitwert wird auf 50.000,- Euro festgesetzt.
G r ü n d e
Der Antrag,
1. im Wege der einstweiligen Anordnung festzustellen, dass der Bescheid der
Antragsgegnerin vom 20.09.2004 ohne eine zweite Teilentscheidung nach § 25 Abs. 6
TKG nicht vollziehbar ist,
2. hilfsweise zu 1.: die Vollziehung des Bescheides der Antragsgegnerin vom 20.09.2004
im Wege der einstweiligen Anordnung bis zum Erlass einer zweiten Teilentscheidung nach
§ 25 Abs. 6 TKG auszusetzen,
3.
3. höchst hilfsweise zu 2.: den Bescheid der Antragsgegnerin vom 20.09.2004 im Wege der
einstweiligen Anordnung wie folgt zu ändern:
a) Unter vorläufiger Aufhebung der Ziffer 2 lit. c) dd) 1. Satz wird die Zusammenschaltung
an 11 Orten der Zusammenschaltung vorläufig angeordnet,
b) die Übergabe von Verkehr mit internationalem Ursprung hat an dem OdZ Frankfurt FT1M
(internationale MSC) und somit an einem separaten Bündel zu erfolgen,
hat mit dem Hauptbegehren Erfolg.
1. Der auf eine vorläufige gerichtliche Feststellung im Wege einstweiliger Anordnung
gerichtete Antrag ist zulässig. Keine Bedenken bestehen zunächst hinsichtlich seiner
Statthaftigkeit. Dass im Verfahren nach § 123 VwGO grundsätzlich eine vorläufige
Feststellung durch das Gericht getroffen werden kann, ist allgemein anerkannt.
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Vgl. Redeker/v. Oertzen, VwGO, § 123 Rdn.13a; Kopp/Schenke, VwGO, § 123 Rdn. 9.
Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin und der Beigeladenen ist der Erlass einer
einstweiligen Anordnung vorliegend auch nicht gemäß § 123 Abs. 5 VwGO
ausgeschlossen. Ein Fall des § 80 Abs. 5 VwGO liegt hier nämlich nicht vor. Die
Antragstellerin hat keine Möglichkeit, eine Anfechtungsklage gegen die im Bescheid vom
20.09.2004 enthaltene Teilentscheidung zu erheben. Nach § 25 Abs. 6 Satz 3 TKG kann im
Falle zweier nach Abs. 6 Satz 1 der Vorschrift zu treffender Teilentscheidungen der RegTP
über die Bedingungen und die Entgelte einer Zusammenschaltung die Anordnung nämlich
nur insgesamt angegriffen werden. Hieraus folgt im Gegenschluss (wovon im Übrigen auch
sämtliche Beteiligte ausgehen), dass eine isolierte Anfechtung der von der RegTP
getroffenen Teilentscheidungen nicht zulässig ist.
Vgl. auch die Begründung zu § 23 des Gesetzentwurfs, Bundestagsdrucksache 755/03, S.
91.
Aus der genannten Regelung ergibt sich zugleich, dass eine Teilentscheidung auch nicht
Gegenstand eines Antrages nach § 80 Abs. 5 VwGO sein kann. Dies gilt bereits deshalb,
weil es - in Ermangelung einer Anfechtungsklage - an einem Rechtsbehelf fehlt, dessen
aufschiebende Wirkung angeordnet werden könnte bzw. der den wiederherzustellenden
bzw. anzuordnenden Suspensiveffekt auslösen könnte.
Vgl. hierzu OVG NRW, Beschluss vom 05.05.1995 - 10 B 894/95 -, DVBl. 1996, 115; OVG
Koblenz, Beschluss vom 08.11.1994 - 7 B 12827/94 -, NJW 1995, S. 1043.
Sofern teilweise - auch unter Hinweis auf § 80 Abs. 5 S.2 VwGO - vertreten wird, dass ein
Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO in zulässiger Weise bereits vor Erhebung der
Anfechtungsklage gestellt werden kann,
vgl. u.a. Kopp/Schenke, VwGO § 80 Rdn. 139 m.w.N.,
vermag sich das Gericht dem jedenfalls für den vorliegenden Fall nicht anzuschließen.
Zum einen käme ein vorläufiger Rechtsschutz - worauf die Antragstellerin zu Recht
hingewiesen hat - zu spät, da im Tenor einer derartigen Entscheidung nach § 80 Abs. 5
VwGO nur die Anordnung der aufschiebenden Wirkung einer noch einzulegenden
Anfechtungsklage ausgesprochen werden könnte, die jedoch nach den obigen
Ausführungen erst nach Ergehen der zweiten Teilentscheidung erhoben werden könnte, so
dass eine Vollziehung der ersten Teilentscheidung gerade nicht verhindert werden könnte.
Zum anderen spricht alles dafür, dass durch § 25 Abs. 6 Satz 3 TKG nicht nur
Anfechtungsklagen, sondern auch Anträge nach § 80 Abs. 5 VwGO gegen eine
Teilentscheidung ausgeschlossen sein sollen. In diese Richtung weist zunächst der
Wortlaut der Vorschrift, der im Gegensatz zur Begründung des Gesetzentwurfs,
vgl. Bundestagsdrucksache 755, a.a.O.,
gerade nicht den Begriff "anfechten", sondern den weiterreichenden Begriff "angreifen"
verwendet. Im Übrigen sprechen auch Sinn und Zweck der Regelung gegen die Zulassung
eines Verfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO gegen eine Teilentscheidung der RegTP, da ihr
die erkennbare gesetzgeberische Vorstellung zugrunde liegt, dass erst die - beide
Teilentscheidungen enthaltende - "Anordnung" einer gerichtlichen Überprüfung zugänglich
sein soll.
Vor diesem Hintergrund ist entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin auch kein Raum
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für einen auf sachliche Überprüfung einer Teilentscheidung gerichteten Antrag nach § 123
Abs. 1 VwGO.
Für den nach allem statthaften Antrag besteht auch ein Feststellungsinteresse, da die
Antragsgegnerin von der Vollziehbarkeit des Bescheides der RegTP vom 20.09.2004
ausgeht und bereits Vollstreckungsmaßnahmen angekündigt hat.
2. Der Antrag ist auch begründet.
a) Die Antragstellerin hat den nach § 123 Abs. 1 VwGO erforderlichen Anordungsanspruch
glaubhaft gemacht. Die Teilentscheidung im Bescheid der RegTP vom 20.09.2004 ist vor
Erlass der zweiten Teilentscheidung nicht vollziehbar. Zwar werden Verwaltungsakte nach
§ 43 VwVfG mit ihrer Bekanntgabe wirksam; sie sind deshalb grundsätzlich zu befolgen
und auch vollziehbar, soweit Rechtsbehelfen keine aufschiebende Wirkung zukommt.
Vgl. Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, § 43 Rdn 162.
Jedoch kann die Vollziehbarkeit eines Verwaltungsakts abweichend dahingehend geregelt
werden, dass sie vom Erlass eines weiteren Verwaltungsakts abhängig ist.
Vgl. Stelkens/Bonk/Sachs, a.a.O., Rdn. 163.
Eine derartige Regelung ist den §§ 25 Abs. 6 und Abs. 8 Satz 1 TKG - jedenfalls bei
verfassungskonformer Auslegung - zu entnehmen. Nach § 25 Abs. 6 Satz 1 TKG soll die
RegTP, wenn sowohl die Bedingungen einer Zugangsvereinbarung als auch die zu
entrichtenden Entgelte für die nachgefragten Leistungen streitig sind, hinsichtlich der
Bedingungen und der Entgelte jeweils Teilentscheidungen treffen. Nach § 25 Abs. 6 Satz 3
TKG kann die Anordnung der RegTP nur insgesamt angegriffen werden. Der Gesetzgeber
differenziert also im gleichen Absatz zwischen "Teilentscheidungen" einerseits und der
"Anordnung", die beide Teilentscheidungen beinhaltet, andererseits. Wenn er in § 25 Abs.
8 Satz 1 TKG sodann regelt, dass die betroffenen Betreiber eine "Anordnung" unverzüglich
zu befolgen haben (sofern nicht die RegTP in der Anordnung eine Umsetzungsfrist
bestimmt hat), legt dies entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin den Schluss nahe,
dass nach der Vorstellung des Gesetzgebers nur die - beide Teilentscheidungen
enthaltende - Anordnung, nicht dagegen bereits eine Teilentscheidung zu befolgen, d.h.
vollziehbar sein soll. Jedenfalls sind keine einleuchtenden Gründe erkennbar, warum in §
25 Abs. 8 TKG die in Abs. 6 vorgenommene Differenzierung wieder rückgängig gemacht
bzw. durchbrochen werden sollte. Soweit die Antragsgegnerin auf die Vollziehbarkeit von
Teilverwaltungsakten im Immissions- und Umweltschutzrecht hingewiesen hat, gibt dies für
den vorliegenden Fall nichts her, da derartige Teilgenehmigungen - worauf die
Antragstellerin zu Recht hingewiesen hat - regelmäßig anfechtbar sind, was bei der
vorliegenden Teilentscheidung nach § 25 Abs. 6 TKG gerade nicht der Fall ist.
Die Annahme einer fehlenden Vollziehbarkeit von Teilentscheidungen bei der Auslegung
des § 25 Abs. 6 TKG ist zudem aus verfassungsrechtlichen Gründen - nämlich im Hinblick
auf Art. 19 Abs. 4 GG - geboten. Art. 19 Abs. 4 GG gewährt nach ständiger Rechtsprechung
des Bundesverfassungsgerichts ein Recht auf effektiven und lückenlosen Rechtsschutz
gegen rechtswidrige Eingriffe der öffentlichen Gewalt.
Vgl. BverfG, Beschluss vom 19.06.1973 - BvL 39/69 und 14/72 -, BverfGE 35, 263 (274);
Urteil vom 15.12.1983 - 1 BvR 209, 269,362,420, 440, 484/83 - BverfGE 65, 1 (70).
Dies bedeutet vorliegend, dass die Antragstellerin die Vollziehung einer Teilentscheidung
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nicht - und sei es nur für einen Zeitraum von wenigen Wochen - hinnehmen und sich auf
eine nachträgliche gerichtliche Kontrolle nach Erlass der zweiten Teilentscheidung
verweisen lassen muss. Bei Annahme der Vollziehbarkeit der ersten Teilentscheidung
würde die Antragstellerin jedoch zeitweise rechtsschutzlos gestellt, da die Einlegung von
Rechtsbehelfen auch des vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Teilentscheidung nach
den obigen Ausführungen gerade unzulässig ist.
Soweit die Antragsgegnerin moniert, dass dieses Auslegungsergebnis mit der erkennbaren
Intention des Gesetzgebers, Zugangsansprüche möglichst rasch durchzusetzen,
unvereinbar sei, ist dieses Ergebnis aus den aufgezeigten verfassungsrechtlichen Gründen
hinzunehmen. Im Übrigen führt die bei Annahme einer Vollziehbarkeit von
Teilentscheidungen auch nach Auffassung der Antragsgegnerin und der Beigeladenen aus
verfassungsrechtlichen Gründen notwendige Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes
wegen der für die Dauer dieses Verfahrens bestehenden "Stillhalteverpflichtung" der
Antragsgegnerin ebenfalls zu einer Verzögerung der Umsetzung der Teilentscheidung, die
sich auch bei zügiger gerichtlicher Entscheidung (bei negativer Entscheidung) zeitlich nicht
wesentlich von der Verzögerung unterscheidet, die aufgrund der fehlenden Vollziehbarkeit
bis zur zweiten Teilentscheidung entsteht. Die von der Antragsgegnerin und der
Beigeladenen favorisierte Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen die erste
Teilentscheidung würde im Übrigen wegen des nach der zweiten Teilentscheidung
eröffneten vollen Rechtsschutzes regelmäßig zu einer doppelten Befassung des Gerichts
mit der Zusammenschaltungs- bzw. Zugangsanordnung führen, was der Intention der
Neuregelung sicherlich zuwiderliefe.
b) Die Antragstellerin hat auch den erforderlichen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht.
Dieser ergibt sich bereits daraus, dass die Antragsgegnerin von der Vollziehbarkeit der
Teilentscheidung ausgeht und mit der Einleitung von Vollstreckungsmaßnahmen gedroht
hat.
c) Soweit der Antrag der Antragstellerin auf eine Vorwegnahme der Hauptsache abzielt -
auch mit einer vorbeugenden Feststellungsklage könnte die Antragstellerin nicht mehr
erreichen als mit der vorliegenden einstweiligen Anordnung - , ist diese vorliegend
ausnahmsweise gemäß Art. 19 Abs. 4 GG zulässig, da eine Entscheidung im
Hauptsacheverfahren keinesfalls vor der in Kürze zu erwartenden zweiten
Teilentscheidung der RegTP ergehen könnte und die Antragstellerin daher nicht auf das
Hauptsacheverfahren verwiesen werden kann.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3, 154 Abs. 3 VwGO.
Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 52 Abs. 1 GKG n.F..
Dieser Beschluss ist gemäß § 137 Abs. 3 Satz 1 TKG unanfechtbar.