Urteil des VG Köln vom 05.09.2007

VG Köln: stadt, vergnügungssteuer, befreiung, gerät, wörtliche auslegung, satzung, apparat, fraktion, unternehmen, ermessen

Verwaltungsgericht Köln, 23 K 1984/06
Datum:
05.09.2007
Gericht:
Verwaltungsgericht Köln
Spruchkörper:
23. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
23 K 1984/06
Tenor:
Die Vergnügungssteuerbescheide des Beklagten vom 13. Januar 1999
und vom 30. Dezember 1999 und dessen Widerspruchs-bescheid vom
15. März 2006 werden aufgehoben, soweit darin eine
Vergnügungssteuer für Apparate mit Gewinnmöglichkeit in Spielhallen
von mehr als 270,00 DM je Gerät und angefange- nen Kalendermonat
festgesetzt worden ist. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe des
beizutreiben- den Betrages vorläufig vollstreckbar. Die Berufung wird
zugelassen.
T a t b e s t a n d
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Die Klägerin wendet sich gegen die Heranziehung zur Vergnügungssteuer für die Jahre
1999 und 2000. Sie betreibt im Stadtgebiet von Köln mehrere Spielhallen, in denen sie
unter anderem Apparate mit Gewinnmöglichkeit aufstellt. Gemäß § 1 Abs. 1 der
Vergnügungssteuersatzung der Stadt Köln vom 22. Juni 1988 betrug der Steu- ersatz für
derartige Apparate bis zum 31. Dezember 1998 270,00 DM je Apparat und
angefangenen Kalendermonat. Am 17. Dezember 1998 beschloss der Rat der Stadt
Köln eine Änderung der Vergnügungssteuersatzung zum 1. Januar 1999 und erhöhte ab
diesem Zeitpunkt u.a. den Steuersatz für Apparate mit Gewinnmöglichkeit in Spielhallen
auf 480,00 DM je Apparat und angefangenen Kalendermonat.
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Mit Vergnügungssteuerbescheid vom 13. Januar 1999 setzte der Beklagte gegen die
Klägerin gestützt auf die geänderte Vergnügungssteuersatzung der Stadt Köln vom 22.
Dezember 1998 für das Jahr 1999 eine Vergnügungssteuer in Höhe von insge- samt
195.840,00 DM fest. Dieser Betrag setzt sich zusammen aus einem Betrag von
172.800,00 DM für die Aufstellung von 30 Apparaten mit Gewinnmöglichkeit in Spielhal-
len für 12 Monate und von 23.040,00 DM für die Aufstellung von 16 Unterhaltungsgerä-
ten in Spielhallen für 12 Monate. Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin am 21. Ja-
nuar 1999 Widerspruch insoweit, als eine Vergnügungssteuer für Geldspielgeräte in
Spielhallen von mehr als 270,00 DM und für Unterhaltungsgeräte in Spielhallen von
mehr als 60,00 DM pro Gerät und Monat festgesetzt worden war. Der Beklagte stellte die
Ent- scheidung über den Widerspruch im Einverständnis mit der Klägerin bis zum
Abschluss verschiedener verwaltungsgerichtlicher Verfahren zurück.
3
Durch Vergnügungssteuerbescheid vom 30. Dezember 1999 setzte der Beklagte gegen
die Klägerin für das Jahr 2000 eine Vergnügungssteuer in Höhe von insge- samt
195.840,00 DM fest. Dieser Betrag setzte sich zusammen aus einem Betrag von
172.800,00 DM für die Aufstellung von 30 Apparaten mit Gewinnmöglichkeit in
Spielhallen für 12 Monate und 23.040,00 DM für die Aufstellung von 16 Unterhal-
tungsgeräten in Spielhallen. Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin am 25. Ja- nuar
2000 Widerspruch insoweit, als eine Vergnügungssteuer für Geldspielgeräte in
Spielhallen von mehr als 270,00 DM und für Unterhaltungsgeräte in Spielhallen von
mehr als 60,00 DM pro Gerät und Monat festgesetzt worden war. Der Beklagte stellte die
Entscheidung über diesen Widerspruch im Einverständnis mit der Kläge- rin ebenfalls
zurück.
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Nach Abschluss der verwaltungsgerichtlichen Klageverfahren wies der Beklagte die
Widersprüche der Klägerin durch Widerspruchsbescheid vom 15. März 2006 als
unbegründet zurück. Zur Begründung führte er aus, das OVG NRW habe mit Be-
schluss vom 23. Januar 2006 (14 A 3009/01) einen Antrag auf Zulassung der Beru- fung
gegen einen in einer vergleichbaren Sache ergangenes Urteil des Verwaltungs-
gerichts Arnsberg abgelehnt und zur Begründung darauf abgestellt habe, dass die auf
der Grundlage des Kommunalisierungsmodellgesetzes vorgenommenen Steuer-
festsetzungen verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden seien.
5
Die Klägerin hat am 13. April 2006 Klage erhoben.
6
Zur Begründung macht sie im Wesentlichen geltend, die der Steuerfestsetzung
zugrunde liegende Vergnügungssteuersatzung der Stadt Köln sei unwirksam. Die
pauschale Erhebung einer Vergnügungssteuer pro Geldspielgerät und Monat sei,
soweit es in Spielhallen aufgestellte Apparate betreffe, nach den Entscheidungen des
Bundesverwaltungsgerichts vom 13. April 2005 rechtswidrig. Der Beklagte sei nicht
gesetzlich verpflichtet gewesen, die Vergnügungssteuer in pauschaler Form zu
erheben. § 2 Abs. 1 Nr. 7 des Kommunalisierungsmodellgesetzes NRW habe eine
umfassende Freistellung von den maßgeblichen Vorschriften des damaligen
Vergnügungssteuer- gesetzes NRW enthalten, so dass es in der alleinigen Kompetenz
der Stadt Köln ge- legen habe, den Steuergegenstand, die Form der Besteuerung, den
Steuermaßstab und die Steuerhöhe festzulegen. Die weitere Verwendung des
pauschalen Stück- zahlmaßstabes sei insoweit unhaltbar. Es könne keinen Unterschied
machen, ob dieser Maßstab in einer kommunalen Satzung oder in einem Landesgesetz
Anwen- dung finde. Die Vorgaben des Bundesverwaltungsgerichts in seinen
Entscheidungen vom 13. April 2005 zur zulässigen Schwankungsbreite der
Einspielergebnisse von Geldspielgeräten hätten vielmehr in beiden Fällen Geltung. Der
im Widerspruchsbe- scheid angeführte Beschluss des OVG NRW vom 23. Januar 2006
präjudiziere die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits in keiner Weise.
7
Die Klägerin beantragt,
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die Vergnügungssteuerbescheide des Beklagten vom 13. Januar 1999 und vom 30.
Dezember 1999 sowie dessen Widerspruchsbescheid vom 15. März 2006 aufzuheben,
soweit darin eine Vergnügungssteuer für Apparate mit Gewinnmöglichkeit in Spielhallen
von mehr als 270,00 DM je Gerät und angefangenen Kalendermonat festgesetzt worden
ist.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Er macht geltend, das Bundesverwaltungsgericht habe in seinen Entscheidungen vom
13. April 2005 ausdrücklich festgestellt, es müssten konkrete Anhaltspunkte an die
Gemeinden herangetragen werden, dass im Hinblick auf stark schwankende
Einspielergebnisse einzelner Automatenaufsteller Zweifel daran bestehen, ob der
Stückzahlmaßstab im Gemeindegebiet aufrecht erhalten werden könne. An ihn seien
bislang keinerlei Anhaltspunkte herangetragen worden, dass die Einspielergebnisse der
in Köln betriebenen Gewinnspielgeräte in den Jahren 1999 und 2000 außerhalb der
vom Bundesverwaltungsgericht noch für zulässig erachteten Schwankungsbreite liegen
würden. Auch die Klägerin selbst habe dazu nichts vorgetragen. Die Klägerin übersehe
weiterhin, dass das erst zum 31. Dezember 2002 außer Kraft getretene
Vergnügungssteuergesetz NRW den Stückzahlmaßstab zwingend vorgeschrieben habe
und den Gemeinden lediglich die Möglichkeit eröffnet habe, die Steuersätze in einem
bestimmten Rahmen durch Satzung eigenständig festzulegen. Nichts anderes habe
gegolten, soweit bestimmten Gemeinden - darunter auch dem Beklagten - im Rahmen
des Kommunalisierungsmodellgesetzes die Möglichkeit eingeräumt worden sei, von
den gesetzlich festgelegten Höchstsätzen abzuweichen. Eine Befreiung dergestalt, dass
auch ein anderer steuerlicher Erhebungsmaßstab hätte festgelegt werden können, sei
nicht erfolgt. Im Übrigen habe das Verwaltungsgericht Köln in seinem Urteil vom 06.
Juni 2002 (20 K 5168/99) die Rechtmäßigkeit der Vergnügungssteuersatzung der Stadt
Köln vom 22. Juni 1988 in der Fassung der Änderungssatzung vom 22. Dezember 1998
bestätigt.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten sowie auf die
im Verfahren 23 K 1930/06 übersandten Satzungsunterlagen Bezug ge- nommen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
14
Die zulässige Anfechtungsklage ist begründet. Die Vergnügungssteuerbescheide des
Beklagten vom 13. Januar 1999 und vom 30. Dezember 1999 sowie dessen
Widerspruchsbescheid vom 15. März 2006 sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin
in ihren Rechten, soweit darin eine Vergnügungssteuer für Apparate mit
Gewinnmöglichkeit in Spielhallen von mehr als 270,00 DM je Gerät und angefangenen
Kalendermonat festgesetzt worden ist (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die angefochtenen
Bescheide finden ihre Rechtsgrundlage nicht in der Vergnügungssteuersatzung der
Stadt Köln vom 22. Juni 1988 in der Gestalt der Satzung zur Änderung dieser
Vergnügungssteuersatzung vom 22. Dezember 1998.
15
Durch Artikel 1 dieser Änderungssatzung hat der Satzungsgeber u.a. den Steuersatz
des § 19 Abs. 2 des Vergnügungssteuergesetzes NRW für Apparate mit
Gewinnmöglichkeit auf 480,00 DM und für sonstige Apparate auf 120,00 DM je Apparat
und angefangenen Kalendermonat erhöht. Die Satzung ist nach Artikel 2 der
Änderungssatzung am 1. Januar 1999 in Kraft getreten. Zu dieser Erhöhung des
Steuersatzes war der Rat der Stadt Köln nicht befugt, weil die Stadt Köln nicht wirksam
von den damals geltenden gesetzlichen Vorgaben des Vergnügungssteuergesetzes
NRW vom 14. Dezember 1965 (GV. NRW. S. 361, zuletzt geändert durch Gesetz vom
14. Juni 1988, GV. NRW. S. 216) befreit worden ist. Die Dispensierung der Stadt Köln
unter anderem von den Vorgaben des § 19 Abs. 2 Vergnügungssteuergesetz NRW ist
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durch § 5 Abs. 1 der Ersten Verordnung zur Durchführung des Gesetzes für ein
Kommunalisierungsmodellgesetz (1. DVOKommG NRW) vom 25. Juni 1998 (GV.
NRW., S. 451) erfolgt. Die Vorschrift ist nach § 8 dieser Verordnung am 1. Januar 1999
in Kraft getreten. Diese Befreiung ist allerdings nicht rechtmäßig erfolgt. § 5 Abs. 1 der
Ersten Verordnung zur Durchführung des Gesetzes für ein
Kommunalisierungsmodellgesetz ist nämlich, soweit es die Stadt Köln betrifft, nichtig.
1. Die Erste Verordnung zur Durchführung des Gesetzes für ein
Kommunalisierungsmodell vom 25. Juni 1998 beruht auf § 3 Abs. 1 KommG NRW in
seiner damals geltenden Fassung (GV. NRW. 1997, S. 430). Nach § 3 Abs. 1 KommG
NRW bestimmt das Innenministerium durch Rechtsverordnung, für welche Kreise,
Städte und Gemeinden eine Befreiung nach § 2 ausgesprochen wird. In der
Rechtsverordnung sind die einzelnen Vorschriften des § 2, von der die Befreiung erfolgt,
zu bezeichnen. Die Rechtsverordnung bedarf der Zustimmung des für kommunale
Angelegenheiten zuständigen Ausschusses des Landtags. Nach § 3 Abs. 2 KommG
NRW richtet sich die Auswahlentscheidung nach der aufgrund der Beschreibung im
Antrag zu erwartenden Übertragbarkeit der durch das Experiment gewonnenen
Erfahrungen auf die übrigen Gebietskörperschaften des Landes. Die
Auswahlentscheidung soll nach einem bestimmten in § 3 Abs. 2 Satz 2 KommG NRW
definierten Schlüssel getroffen werden. Zugleich soll die Zahl der Einwohner derjenigen
Kreise, Städte und Gemeinden, die einen Modellversuch im gleichen Aufgabenbereich
durchführen, nicht mehr als ein Viertel der Einwohner des Landes Nordrhein-Westfalen
betragen (§ 3 Abs. 2 Satz 3 KommG NRW). Nähere Be- stimmungen zur Ausgestaltung
des Antrags auf Befreiung enthält die sogenannte Kommunalisierungsklausel des § 1
KommG NRW. Dieser bestimmt in § 1 Satz 1, dass Kreise, Städte und Gemeinden zur
Erprobung neuer Modelle der Aufgabenerledigung auf Antrag von gesetzlichen
Vorschriften nach Maßgabe dieses Gesetzes befreit werden können. Der Antrag ist nach
§ 1 Satz 2 KommG NRW an das Innenministerium zu richten. In dem Antrag sind die
angestrebten Ziele und vorgesehenen Verfahrensweisen für den Modellversuch
darzustellen. Außerdem ist anzugeben, wie die übertragenen Aufgaben effizient, ohne
Qualitätsabstriche und kostengünstiger erfüllt werden können (§ 1 Satz 3 KommG
NRW). Das Kommunalisierungsmodellgesetz NRW ist nach seinem § 5 zum 31.
Dezember 2002 außer Kraft getreten.
17
2. Diese gesetzlichen Vorgaben hat das Innenministerium NRW bei seiner
Entscheidung über den Befreiungsantrag der Stadt Köln nicht ausreichend beachtet.
Der erfolgte Ausspruch der Befreiung der Stadt Köln durch § 5 Abs. 1 der Ersten
Verordnung zur Durchführung des Gesetzes für ein Kommunalisierungsmodell vom 25.
Juni 1998 unter anderem von der Bestimmung des § 19 Abs. 2
Vergnügungssteuergesetz NRW ist damit rechtlich nicht wirksam. Rechtsverordnungen,
die den durch den parlamentarischen Gesetzgeber gesetzten Ermächtigungsrahmen
nicht einhalten, sind nichtig,
18
allg. Meinung, vgl. nur Bundesverfassungsgericht, Urteil vom 6. Juli 1999 -2 BvF 3/90-,
BVerfGE 101, 1, 37 ff.; Brenner in v. Mangoldt/Klein, Das Bon- ner Grundgesetz, 4.
Auflage, Art. 80 Rz. 72; Jarass/Pieroth, Grundgesetz, 8. Auflage, Art. 80 Rz. 20; Schmidt-
Bleibtreu/Klein, Kommentar zum Grundgesetz, 9. Auflage, Art. 80 Rz. 119 jeweils m.w.N.
19
Aus den oben genannten Normen des Kommunalisierungsmodellgesetzes folgt, dass
die Entscheidung des Innenministeriums des Landes Nordrhein-Westfalen über den
Befreiungsantrag einer Kommune keine gebundene ist, vielmehr in dessen Ermessen
20
steht. Dieses Ermessen kann das Ministerium nur sachgerecht ausüben, wenn es den
Antrag der Kommune konkret in den Blick nimmt und diesen insbesondere darauf
überprüft, ob der Antrag mit den Vorgaben des § 1 KommG NRW in Einklang steht, weil
nur dann eine gemessen an § 3 Abs. 2 Satz 1 KommG NRW verlässliche prognostische
Auswahlentscheidung getroffen werden kann. Dies folgt nicht nur aus dem eindeutigen
Wortlaut des § 3 Abs. 2 Satz 1 KommG NRW, sondern ergibt sich auch aus dessen Sinn
und Zweck, wie er in der gesetzlichen Begründung (Landtags-Drucksache 12/2340) klar
zum Ausdruck kommt. Dort heißt es auf Blatt 7 in der Begründung zu § 3 unter anderem:
„Die Auswahlentscheidung selbst steht im Ermessen des Innenministeriums, das in
seinem Entscheidungsprozess die normierten Vorgaben beachten muss. Die
Entscheidung muss sich von dem Ziel leiten lassen, in den jeweiligen
Aufgabenbereichen solche Modellversuche zuzulassen, an deren Ende
allgemeingültige, für den Gesetzgeber verwertbare Aussagen über effiziente und
kostengünstige alternative Formen der Aufgabenerledigung stehen."
21
Zur grundlegenden Zielvorgabe des Kommunalisierungsmodellgesetzes in dessen § 1
führt die gesetzliche Begründung auf Blatt 2 unter anderem aus:
22
„Die Zielformulierung „Erprobung neuer Modelle der Aufgabenerledigung" verdeutlicht,
dass das Gesetz zum einen die Stärkung der kommunalen Selbstverantwortung
bezweckt. Zum anderen soll den an Modellversuchen beteiligten Kommunen die
Möglichkeit eröffnet werden, den örtlichen Gegebenheiten angemessene Formen der
Aufgabenerfüllung zu entwickeln und zu erproben. Die Auswahlentscheidung hat sich
deshalb insbesondere auch daran zu orientieren, welche Zielsetzungen und
Vorstellungen die antragstellenden Gebietskörperschaften zur Aufgabenwahrnehmung
für den Modellversuch entwickelt haben."
23
Diesen rechtlichen Anforderungen wird die Auswahlentscheidung des
Innenministeriums im vorliegenden Fall nicht gerecht. Dies folgt nach Ansicht der
erkennenden Kammer daraus, dass der Befreiungsantrag der Stadt Köln nicht den
Anforderungen von § 1 KommG NRW entsprochen hat und damit keine ausreichende
Grundlage gegeben war, aufgrund derer das Innenministerium eine prognostische
Auswahlentscheidung nach § 3 Abs. 2 Satz 1 KommG NRW treffen konnte.
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Der der Ersten Verordnung zur Durchführung des Gesetzes für ein
Kommunalisierungsmodell vom 25. Juni 1998 zugrunde liegende Befreiungsantrag der
Stadt Köln datiert nach den der Kammer im Verfahren 23 K 1930/06 vorgelegten
Satzungsunterlagen vom 17. März 1998. Darin heißt es:
25
„Hiermit wird beantragt, die Stadt Köln von der in § 2 Abs. 1 Ziffer 7 KommG NRW
genannten Vorschrift des § 19 Abs. 2 und 3 des Gesetzes über die Vergnügungssteuer
zu befreien. Die Befreiung soll bis zum 31.12.2002 wirksam sein.
26
Zur Begründung wird auf die Ausführungen in der als Anlage beigefügten
Beschlussvorlage für die Sitzung des Rates der Stadt Köln am 10.03.1998 verwiesen.
Der Rat hat in seiner obigen Sitzung dem Beschlussvorschlag zugestimmt. Der
entsprechende Auszug aus dem Beschlussbuch des Rates der Stadt Köln ist beigefügt."
27
Die in Bezug genommene Beschlussvorlage für die Ratssitzung am 10. März 1998 führt
aus:
28
„ 2. Antragsinhalt Es ist die Befreiung von der in § 2 Abs. 1 Ziffer 7 genannten Vorschrift
des § 19 Abs. 2 und 3 VergnStG zu beantragen. Ziel ist, per Satzung die Steuersätze für
das Halten von Automaten in Spielhallen und ähnlichen Unternehmen auf 600,00 DM
bzw. 200,00 DM und für das Halten von Automaten in Gaststätten usw. um ein Drittel ab
dem jeweils zweiten aufgestellten Gerät zu erhöhen. Dadurch ergeben sich die
folgenden monatlichen Steuersätze je Gerät: In Spielhallen und ähnlichen Unternehmen
für Apparate mit Gewinnmöglichkeit 600,00 DM ...
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3. Begründung Die letzte Erhöhung der Vergnügungssteuer erfolgte vor nahezu 10
Jahren zum 01.07.1988. Die beabsichtigte Erhöhung führt weder zu einer rechtlich
bedenklichen noch zu einer unzumutbaren Belastung der Automatenaufsteller.
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In seinem Beschluss vom 22.03.1994 hat das Bundesverwaltungsgericht selbst eine
innerhalb eines Jahres auf das 3,75fache erhöhte monatliche Steuer von 600,00 DM
noch als „herkömmliche örtliche Steuer" i.S.v. Art. 105 Abs. 2 a GG angesehen.
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Die Anhebung der Vergnügungssteuer für in Spielhallen und ähnlichen Unternehmen
aufgestellten Geräte ist aus ordnungs-, jugend- und sozialpolitischer Sicht
wünschenswert, um das Aufstellen von Automaten in Spielhallen weiter
einzuschränken. Diese stellen ein Gefährdungspotential dar, dessen Eindämmung auch
mit steuerlichen Mitteln realisiert werden sollte.
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Die Erhöhung der Steuer für Automaten in Gaststätten fällt geringer aus. Damit wird dem
Tatbestand Rechnung getragen, dass die Gaststätten durch die Einnahmen aus den
Automaten einen wesentlichen Teil ihrer Fixkosten wie Miete usw. bestreiten.
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In vergleichbaren Großstädten liegen die Steuersätze zur Zeit durchweg höher als in
Köln. So beträgt in Hamburg die Steuer für das Halten von Apparaten mit
Gewinnmöglichkeit in Spielhallen 600,00 DM gegenüber bisher 270,00 DM in Köln.
Stuttgart erhebt für Unterhaltungsgeräte in Spielhallen 240,00 DM (Köln 60,00 DM).
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Die beabsichtigte Erhöhung für Geräte in Spielhallen entspricht der in Hamburg
erhobenen Steuer für die entsprechenden Automaten. Durch die moderate Erhöhung
der Sätze für Gaststätten usw. liegt Köln hier weiterhin im unteren Bereich
vergleichbarer Großstädte." Unter Ziffer 4. sind abschließend die im Fall der
Antragsgenehmigung zu erwartenden Mehreinnahmen der Stadt Köln aufgeführt.
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Der Antrag vom 17. März 1998 stellt damit in seiner Begründung in erster Linie auf
fiskalische Erwägungen der Stadt Köln und ferner auf die Lenkungswirkung einer
Erhöhung der Steuersätze ab. Hingegen fehlen im Sinne von § 1 Sätze 1 und 3 KommG
NRW jegliche Ausführungen dazu, inwieweit neue Modelle der Aufgabenerledigung
erprobt werden sollen und wie die übertragenen Befugnisse nach dem
Vergnügungssteuergesetz effizient, ohne Qualitätsabstriche und kostengünstiger erfüllt
werden können. Entsprechende Zielsetzungen und Vorstellungen hat die
antragstellende Stadt Köln offensichtlich zur Wahrnehmung ihrer Befugnisse nach dem
Vergnügungssteuergesetz NRW für den Modellversuch nicht entwickelt, jedenfalls in
ihrem Antrag nicht näher beschrieben.
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Auf diese Darstellung im Antrag durfte hier auch nicht verzichtet werden. Die
gesetzgeberischen Vorgaben für die Antragstellung gelten auch für den Fall eines
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begehrten Dispenses einer Kommune von den in § 2 Abs. 1 Nr. 7 KommG NRW
aufgeführten Normen des Vergnügungssteuergesetzes NRW. Dies folgt schon aus dem
eindeutigen Wortlaut des Kommunalisierungsmodellgesetzes, der insoweit nichts für
eine Ausnahme erkennen lässt. Bestätigt wird diese wörtliche Auslegung durch die
gesetzliche Entstehungsgeschichte. § 2 Abs. 1 Nr. 7 KommG NRW war im
Gesetzentwurf der Fraktion der SPD und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom
1. September 1997 (Landtags-Drucksache 12/2340) noch nicht enthalten. Die
Bestimmung ist erst aufgrund eines Änderungsantrags der Fraktion der SPD und der
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 11. November 1997 (Vorlage an den Landtag
12/1684) in das Gesetzgebungsverfahren einbezogen worden. Mit Hilfe dieses
Änderungsantrages sollte nach dessen Begründung geklärt werden, ob die Hebesätze
des Vergnügungssteuergesetzes vom Land vorgegeben werden müssen (Vorlage an
den Landtag 12/1684 Blatt 31). Der Änderungsantrag beinhaltete allerdings weder eine
Änderung der Kommunalisierungsklausel des § 1 noch der Auswahlregelung des § 3
des Gesetzentwurfs für ein Kommunalisie- rungsmodellgesetz (vgl. die Vorlage
12/1684). Dementsprechend ist das Kommunalisierungsmodellgesetz dann auch,
soweit es §§ 1 und 3 betrifft, vom Landtag NRW in seiner abschließenden Lesung
unverändert verabschiedet worden. Auch diese Entstehungsgeschichte der
gesetzlichen Vorschriften des Kommunalisierungsmodellgesetzes deutet nach
Auffassung der erkennenden Kammer mit hinreichender Klarheit darauf hin, dass die in
§ 1 KommG NRW normierten Vorgaben nach dem Willen des parlamentarischen
Gesetzgebers auch für die Stellung eines entsprechenden Antrags auf Befreiung nach §
2 Abs. 1 Nr. 7 KommG NRW gelten sollten und damit sowohl von der antragstellenden
Kommune als auch vom Innenministerium des Landes NRW bei seiner Entscheidung
über den Antrag auf der Grundlage von § 3 Abs. 2 KommG NRW strikt zu beachten wa-
ren.
Ohne die nach allem gebotene und hier fehlende spezifische Darstellung nach § 1
KommG NRW konnte das Innenministerium NRW über den Befreiungsantrag der Stadt
Köln vom 17. März 1998 nicht sachgerecht entscheiden. Denn es war aufgrund dieses
Antrags keine Zulassungsentscheidung möglich, an deren Ende allgemeingültige, für
den Gesetzgeber verwertbare Aussagen über effiziente und kostengünstige alternative
Formen der Aufgabenerledigung im Vergnügungssteuerwesen zu erwarten waren.
Dieser Mangel ist auch durch den Änderungsantrag der Stadt Köln vom 7. Oktober 1998
nicht geheilt worden. Auch in diesem Antrag fehlen jegliche Ausführungen dazu,
inwieweit neue Modelle der Aufgabenerledigung erprobt werden sollen und wie die
übertragenen Befugnisse nach dem Vergnügungssteuergesetz effizient, ohne
Qualitätsabstriche und kostengünstiger erfüllt werden können.
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Hat das Innenministerium NRW bei seiner Entscheidung über den Befreiungsantrag der
Stadt Köln aber den durch das Kommunalisierungsmodellgesetz gezogenen Rahmen
nicht beachtet, ist seine Auswahlentscheidung rechtswidrig. Damit ist § 5 Abs. 1 der
Ersten Verordnung zur Durchführung des Gesetzes für ein Kommunalisierungsmodell
vom 25. Juni 1998, soweit es die Stadt Köln betrifft, nichtig mit der Folge, dass dem Rat
der Stadt Köln die Befugnis fehlte, den Steuersatz des § 19 Abs. 2 des
Vergnügungssteuergesetzes NRW für Apparate mit Gewinnmöglichkeit über 270,00 DM
je Apparat und angefangenen Kalendermonat hinaus anzuheben.
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Die angefochtenen Bescheide sind nach allem ohne Rechtsgrundlage, soweit darin
gegen die Klägerin eine Vergnügungssteuer für Apparate mit Gewinnmöglichkeit in
Spielhallen von mehr als 270,00 DM je Gerät und angefangenen Kalendermonat
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festgesetzt worden ist. Sie verletzen die Klägerin insoweit in ihren Rechten und
unterliegen nach § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO der Aufhebung.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §
709 ZPO.
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Die Kammer hat die Berufung nach § 124 a Abs. 1 Satz 1 VwGO zugelassen, weil die
Sache grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO hat. Sie gibt
dem Oberverwaltungsgericht für das Land NRW Gelegenheit, über den Einzelfall hinaus
bedeutsame Fragen des Kommunalisierungsmodellgesetzes NRW zu klären. Dem steht
nicht entgegen, dass das Kommunalisierungsmodellgesetz außer Kraft getreten ist, weil
dessen Vorschriften noch in einer erheblichen Zahl offener Altfälle rechtliche Bedeutung
haben.
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