Urteil des VG Köln vom 11.10.2002

VG Köln: bvo, beihilfe, arzneimittel, besoldung, nahrung, verordnung, versorgung, vollstreckung, gesundheit, einzelrichter

Verwaltungsgericht Köln, 19 K 3330/99
Datum:
11.10.2002
Gericht:
Verwaltungsgericht Köln
Spruchkörper:
19. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
19 K 3330/99
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die
Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des
beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der
Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
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Der Kläger war Oberstudienrat im Dienste des Beklagten und kann Beihilfe in Höhe von
70 vom Hundert seiner beihilfefähigen Aufwendungen beanspruchen.
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Unter dem 07. Januar 1999 beantragte der Kläger, ihm Beihilfe zu gewähren, unter
anderem zur Beschaffung des Mittels "Xenical", für das er ausweislich der beigefügten
Rechnungen vom 04. September 1998, vom 15. Oktober 1998 und vom 02. Dezember
1998 insgesamt 606,00 DM (198,00 DM + 210,00 DM + 198,00 DM) aufgewendet hatte.
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Der Beklagte setzte die dem Kläger zu gewährende Beihilfe mit Bescheid vom 13.
Januar 1999 fest. Die Aufwendungen für das Mittel "Xenical" wurden als nicht
beihilfefähig bewertet. Der Beklagte führte dazu unter Bezugnahme auf § 4 Nr. 7a der
Beihilfenverordnung (BVO) aus, das Mittel sei wissenschaftlich nicht anerkannt.
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Der Kläger legte gegen diese Entscheidung fristgerecht Widerspruch ein und nahm auf
zwei beigefügte ärztliche Atteste Bezug. Herr Prof. Q. aus Köln führte in einem der
Atteste aus, der Kläger leide unter anderem unter Adipositas und Hypertonie. Nachdem
diätische Versuche gescheitert seien, sei der Versuch einer medikamentösen
Gewichtsreduktion indiziert. Frau Dr. U. -E. beschrieb den von dem Kläger erreichten so
genannten Bodymass-Index und attestierte, dass die Einnahme von "Xenical" zur
Gewichtsreduktion indiziert sei.
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Den so begründeten Widerspruch wies der Beklagte mit Bescheid vom 31. März 1999
als unbegründet zurück. Zur Begründung hieß es, "Xenical" sei ein Arzneimittel, so dass
sich die Beihilfefähigkeit nach § 4 Abs. 1 Nr. 7 BVO und den dazu erlassenen
Verwaltungsvorschriften richte. Nach Ziffer 10.6 dieser Vorschriften sei "Xenical" von der
Beihilfefähigkeit ausgenommen. Das Mittel helfe bei Problemen, die dem Bereich der
privaten Lebensgestaltung angehörten. In diesem Zusammenhang entstandene
Aufwendungen seien nicht notwendig im Sinne des Beihilfenrechts.
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Der Amtsarzt des Erftkreises führte unter dem 02. September 1999 in einem Gutachten
aus, nach den von dem Kläger gemachten Angaben und den vorliegenden Attesten
seien keine Gründe erkennbar, warum "Xenical" dringlich einzusetzen sei.
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Bereits am 27. April 1999 hat der Kläger Klage erhoben, mit der er sein Begehren
umfassend weiterverfolgt. Zur Begründung macht er geltend, ihm sei nach einer
Tumorerkrankung Ende 1997 die linke Niere entfernt worden. Seitdem leide er unter
Stoffwechselstörungen und Bluthochdruck und habe stark zugenommen. Es drohe
zudem ein Ausfall der rechten Niere, so dass insgesamt die medizinische Notwendigkeit
bestanden habe, das Mittel einzunehmen. Die von dem Beklagten zitierte Verordnung
des Finanzministeriums sei nicht anzuwenden. Sie datiere vom 30. Oktober 1998, so
dass das Medikament zumindest bis dahin zu erstatten sei. Die Einschränkung des § 3
Abs. 1 BVO durch diesen Erlass sei zudem rechtswidrig.
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Der Kläger beantragt,
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den Beklagten unter teilweiser Aufhebung des Bescheides des Landesamtes für
Besoldung und Versorgung vom 13. Januar 1999 in der Fassung des
Widerspruchsbescheides vom 31. März 1999 zu verpflichten, ihm - dem Kläger - zu
seinen Aufwendungen für die Beschaffung des Mittels "Xenical" gemäß den
Rechnungen vom 04. September 1998, 15. Oktober 1998 und 02. Dezember 1998 eine
weitere Beihilfe in Höhe von 216,89 EUR (= 424,20 DM) zu gewähren.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Zur Begründung bezieht er sich auf das Gutachten des Amtsarztes vom 02. September
1999 und führt weiter aus, das streitige Mittel diene der Bewältigung eines Problems aus
dem Bereich der privaten Lebensgestaltung.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge ergänzend Bezug
genommen. Entscheidungsgründe Die Klage, über die der Berichterstatter als
Einzelrichter (§ 6 Abs. 1 VwGO) entschei- den kann, ist unbegründet.
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Der Bescheid des Landesamtes für Besoldung und Versorgung vom 13. Januar 1999 in
der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 31. März 1999 ist auch in dem
angefochtenen Umfang rechtmäßig. Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, dass ihm
zu seinen Aufwendungen für die Beschaffung des Mittels "Xenical" eine Beihilfe
gewährt wird, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO.
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Nach § 88 Satz 2 des Landesbeamtengesetzes für das Land Nordrhein- Westfalen -
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LBG -, § 3 Abs. 1 Ziffer 1 der Beihilfenverordnung - BVO - vom 27. März 1975 (GV NRW
S. 332) in der hier anzuwendenden Fassung vom 25. Juni 1997 (GV NRW S. 197) bzw.
vom 03. September 1998 (GV NRW S. 197) sind die notwendigen Kosten in
angemessenem Umfang beihilfefähig, soweit sie u. a. der Wiedererlangung der
Gesundheit oder der Besserung und Linderung von Leiden dienen. Nach § 4 Satz 1 Nr.
7 Satz 1 BVO 1997 bzw. § 4 Abs. 1 Nr. 7 Satz 1 BVO 1998 gehören zu den
beihilfefähigen Aufwendungen die Kosten für die aufgrund einer ärztlichen Verordnung
beschafften Arzneimittel. Das Mittel "Xenical" ist nicht bereits deshalb von der
Beihilfefähigkeit ausgenommen, weil dieses in dem Runderlass des Finanzministeriums
vom 30. Oktober 1998 - MinBl. NRW S. 1272 - unter Ziffer 4 bestimmt wird. Der
Runderlass wurde nämlich im Ministerialblatt für das Land Nordrhein-Westfalen erst am
03. Dezember 1998 veröffentlicht, so dass die hier einschlägige Ziffer 10.6 der
Verordnung zur Ausführung der Beihilfenverordnung zum maßgebenden Zeitpunkt noch
nicht galt. Dieser Zeitpunkt ist der jeweilige Tag des Erwerbs des fraglichen Mittels (§ 3
Abs. 5 Satz 2 BVO), so dass auf die am 04. September 1998, 15. Oktober 1998 und 02.
Dezember 1998 bestehende Rechtslage abzustellen ist. Die Beihilfefähigkeit wird
jedoch durch § 4 Satz 1 Nr. 7 Satz 3 b) BVO 1997 bzw. § 4 Abs. 1 Nr. 7 Satz 1 BVO
1998 mit der Wirkung beschränkt, dass keine Beihilfe zu gewähren ist. "Xenical" ist ein
Mittel, das geeignet ist, Güter des täglichen Bedarfs zu ersetzen. Durch diese Regelung
wird nicht entscheidend in Frage gestellt, ob es sich bei dem Mittel um ein Arzneimittel
handelt, dass von dem Arzt etwa auch zu Recht oder zu Unrecht verschrieben worden
ist. Diese Kriterien sind ohnehin bereits Voraussetzungen dafür, dass derartige Mittel
bzw. die für ihre Anschaffung aufgewandten Aufwendungen beihilfefähig sind. Mittel
sind geeignet, Güter des täglichen Bedarfs zu ersetzen, wenn sich ihre objektive
Eignung zu diesem Zwecke feststellen lässt. Unerheblich ist, ob sie im konkreten Fall
mit therapeutischer Wirkung eingesetzt werden und/oder, ob in ihnen Arzneibestandteile
enthalten sind. Durch diese Regelung werden in - zulässiger - typisierender Weise
Aufwendungen in Krankheitsfällen von den Kosten der allgemeinen Lebenshaltung
abgegrenzt, die aus der Besoldung bzw. aus den Versorgungsbezügen zu bestreiten
sind. Beispielhaft zu nennen sind etwa Diabetiker-Nahrungsmittel, ballaststoffreiche
Kost, Appetitzügler, glutenfreie oder allergenfreie Nahrung, Prothesenhaftmittel,
Reinigungs- und Desinfektionsmittel, Nahrungsmittelergänzungsstoffe und
Enzympräparate (vgl. Mohr/Sabolewski, Beihilfenrecht Band 1, Loseblattkommentar
Stand 04.2002, B I § 4 Anm. 7 (S. B 78/4a) mit weiteren Beispielen aus der
Rechtsprechung und Nachweisen). Unbeschadet der ausdrücklichen Erwähnung in
Ziffer 10.6 der aus den oben genannten Gründen hier nicht anzuwendenden
Verwaltungsvorschriften ge- hören Diätkost und Mittel zur Gewichtsreduktion zu den
Gütern des täglichen Bedarfs. "Xenical" ist zwar keine Diätkost, führt aber dazu, dass
die aufgenommene Nahrung nicht vollständig verwertet wird, indem es unter anderem
die Aufnahme der in der Nahrung enthaltenen Fette verhindert. Diese werden vielmehr
unverdaut ausgeschieden, so dass bereits eine Vergleichbarkeit mit den nach § 4 Satz 1
Nr. 7 Satz 3 d) BVO 1997 bzw. § 4 Abs. 1 Nr. 7 Satz 3 d) BVO 1997 ausgeschlossenen
Abführmitteln besteht (vgl. dazu auch: Beschluss des Bay. VGH vom 25. Oktober 2000 -
3 ZB 00.1385 -, DÖD 2001, 94). Es kommt demnach nicht darauf an, ob etwa die bei
dem Kläger angestrebte Senkung des Blutdrucks und der Cholesterinwerte mit Hilfe des
Mittels "Xenical" erreicht oder gefördert werden kann. Denn "Xenical" ist in erster Linie
ein hochwirksames Mittel zur Gewichtsreduktion, die nach den vorgelegten ärztlichen
Attesten auch bei der Behandlung des Klägers im Mittelpunkt stand.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
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Die Vollstreckbarkeitsentscheidung beruht auf § 167 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VwGO i.V.m.
den §§ 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung.
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