Urteil des VG Köln vom 26.02.1999

VG Köln (juristische person, stadt, leistung, vergleichbare leistung, natürliche person, person, 1995, markt, kläger, höhe)

Verwaltungsgericht Köln, 14 K 6972/96
Datum:
26.02.1999
Gericht:
Verwaltungsgericht Köln
Spruchkörper:
14. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
14 K 6972/96
Tenor:
Der Bescheid der Beklagten vom 22. Januar 1996 in der Fassung des
Widerspruchsbescheides vom 26. Juni 1996 wird aufgehoben, soweit
darin Abfallentsorgungsgebühren für das Kalenderjahr 1996 festgesetzt
sind.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Beklagte.
T a t b e s t a n d
1
Die Kläger sind Eigentümer der jeweils mit Wohngebäuden bebauten Grundstücke N. -
Q. -Str. 0-00, B. -N1. -Str. 00-00, E. . 00 und T. 00 in Bonn. Alle Grundstücke sind an die
von der Beklagten durchgeführte städtische Abfallentsorgung angeschlossen.
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Der im Stadtgebiet der Beklagten eingesammelte Haus- und Sperrmüll wurde und wird
in der Müllverwertungsanlage Bonn (MVA Bonn) entsorgt. Betreiber der MVA Bonn ist
die MVA Bonn GmbH, ein im alleinigen Eigentum der Stadt Bonn stehendes
Unternehmen. Die MVA Bonn GmbH übernimmt die von der Beklagten eingesammelten
Abfälle aufgrund eines zwischen ihr und der Beklagten abgeschlossenen
Entsorgungsvertrags vom 01.07.1996, durch die die bis dahin mündlich bzw. in anderem
Zusammenhang zwischen den Parteien hierüber getroffenen Vereinbarungen schriftlich
fixiert wurden. Nach den Bestimmungen dieses Vertrags ist die MVA Bonn GmbH zur
Festsetzung des Verbrennungspreises gegenüber der Stadt Bonn jeweils zum 31.10.
eines Jahres für das folgende Jahr berechtigt. Für ihre Preisfestsetzung sind nach dem
Vertrag die Regelungen über die Preise bei öffentlichen Aufträgen, insbesondere die
Verordnung PR 30/53 über die Preise bei öffentlichen Aufträgen in der jeweils gültigen
Fassung maßgebend. Für 1996 hatte die MVA Bonn GmbH aufgrund einer von ihr
vorgenommenen Kostenkalkulation den von der Beklagten auch ihrer
Gebührenbedarfsberechnung zugrundegelegten Verbrennungspreis einschl.
Umsatzsteuer auf 408,25 DM/t festgelegt.
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Mit Abgabenbescheiden vom 22.01.1996 setzte die Beklagte gegen die Kläger für ihre
bereits oben bezeichneten Grundstücke Abfallentsorgungsgebühren für das Jahr 1996
in Höhe von insgesamt 40.499,84 DM fest.
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Gegen diesen Bescheid legten die Kläger am 31.01.1996 Widerspruch ein. Zur
Begründung führten sie im wesentlichen aus, die durch die Verbrennung von Abfällen
aus dem Stadtgebiet Bonn in der MVA Bonn entstehenden Kosten seien nicht in vollem
Umfange bei der Gebührenbedarfsberechnung ansetzbar, weil die Anlage über
erhebliche Überkapazitäten verfüge. Die hierdurch entstehenden sog. "Leerkosten"
seien nach den gem. § 6 Abs. 2 Satz 1 KAG maßgeblichen "betriebswirtschaftlichen
Grundsätzen" keine auf die Gebührenzahler umzulegenden Kosten.
5
Mit Widerspruchsbescheid vom 26.06.1996 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.
Zur Begründung führte sie aus: Die Kapazität der MVA sei nach der im Jahre 1982
prognostizierten voraussichtlichen Abfallmengenentwicklung bemessen worden. Die
Plausibilität dieser Kapazitätsplanung sei durch das Oberverwaltungsgericht für das
Land Nordrhein-Westfalen im Rahmen des durchgeführten Planfeststellungsverfahren
bestätigt worden. Die inzwischen eingetretene Abfallmengenreduzierung durch die
Einführung des Dualen Systems und die seit kurzem durchgeführte getrennte
Sammlung und Verwertung von Bio- Abfall sei nicht voraussehbar gewesen.
Ungeachtet dessen sei aber auch für 1996 von einer Auslastung der Anlage zu 92 %
auszugehen, so daß von einer Überkapazität keine Rede sein könne. Die zur
Verbrennung städtischen Abfalls nicht benötigte Kapazität werde 1996 aus einem
Lieferkontingent des Kreises Euskirchen durch die Rhein-Sieg-
Abfallwirtschaftsgesellschaft (RSAG) mit 30.000 Tonnen ausgelastet.
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Am 25.07.1996 haben die Kläger Klage erhoben. Zur Begründung haben sie auf ihren
Vortrag im Widerspruchsverfahren und den Vortrag des Klägers in dem Verfahren 14 K
7217/96 Bezug genommen.
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Die Kläger beantragten,
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die Bescheide der Beklagten vom 22. Januar 1996 in der Fassung des
Widerspruchsbescheides vom 26. Juni 1996 aufzuheben, soweit darin die
Abfallentsorgungsgebühren für das Kalenderjahr 1996 festgesetzt sind.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie bezieht sich auf ihre Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Verfahrensakte, der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten, des
Nachtragswirtschaftsplans 1995, des Wirtschaftsplans für 1996 sowie der
Geschäftsberichte 1995 der MVA Bonn GmbH Bonn für 1995 und 1996 Bezug
genommen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
14
Die Klage ist zulässig und begründet. Die Gebührenbescheide der Beklagten vom
22.01.1996 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 26.06.1996 sind
rechtswidrig und verletzen die Kläger in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO),
soweit sie hiermit zur Zahlung von Abfallgebühren für das Jahr 1996 in Höhe von
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insgesamt 40,499,84 DM herangezogen werden.
Die festgesetzten Abfallentsorgungsgebühren beruhen nicht auf einer rechtsgültigen
Satzung. § 33 der Abfallentsorgungssatzung der Stadt Bonn vom 2.09.1987 in der
Fassung der 6. Änderungssatzung vom 22.12.1995 i. V. m. §§ 1, 2, 3, Abs. 1 der
Gebührenordnung über die Abfallentsorgung vom 2.09.1987 in der Fassung der 13.
Änderungssatzung vom 22.12.1995 und der zugehörige Gebührentarif entsprechen
nicht den in §§ 2 Abs. 1, 6 Abs. 1 Satz 3 KAG NW aufgestellten gesetzlichen
Anforderungen. Der Ermittlung des Gebührensatzes liegt eine fehlerhafte
Gebührenbedarfsberechnung zugrunde, die sich auch im Ergebnis nicht als zutreffend
erweist. Der veranschlagte Gebührenbedarf von 73.795.900,00 DM übersteigt die
Kosten der Einrichtung um mehr als 3 %.
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Soweit die Beklagte in ihrer Gebührenbedarfsberechnung Fremdkosten der MVA Bonn
GmbH in Höhe von 408,25 DM/t in der Müllverbrennungsanlage Bonn entsorgten
Abfalls berücksichtigt hat, leidet diese an einem rechtlich erheblichen Fehler, der nicht
durch eine Gegenrechnung mit bisher nicht angesetzten Kostenpositionen ausgeräumt
werden kann.
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Zwar gehören zu den in eine Gebührenkalkulation nach § 6 Abs. 1 Satz 3, Abs. 2 Satz 1
KAG einstellbaren Kosten auch „Entgelte für in Anspruch genommene
Fremdleistungen" (vgl. § 6 Abs. 2 Satz 2 KAG). Fremdleistungen sind hierbei
Leistungen, die eine dritte Person - sei es eine natürliche Person oder
Personenmehrheit oder eine juristische Person - für die entsorgungspflichtige
Körperschaft als eigentlichen Aufgabenträger der Abfallentsorgung erbringt. Dritte
Person i.d.S. kann auch eine juristische Person des Privatrechts sein (z.B. GmbH), an
der eine Gemeinde mit Mehrheit beteiligt ist. Dies gilt unabhängig davon, ob die
Mehrheitsbeteiligung 51 % oder 99 % beträgt. Entscheidend ist, daß eine von der
kommunalen Körperschaft jedenfalls rechtlich getrennte juristische Person gehandelt
hat.
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Vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein- Westfalen (OVG NW), Beschl. vom
19.03.1998 - 9 B 144/98 -, Urteile vom 1.07.1997 - 0 A 3556/96 -, StuG 1997, 356, und
vom 30.09.1996 - 9 A 4047/93 sowie Teilurteile vom 15.12.1994 - 9 A 2251/93 -, DVBl.
1995, 1147.
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Der Entsorgungsträger darf jedoch nicht jeden von dem Fremdleister (hier: der MVA
Bonn GmbH) geforderten Preis unbesehen in seine Kostenkalkulation einstellen; er hat
vielmehr zu prüfen, ob der geforderte Preis aufgrund der vertraglichen Vereinbarungen
gerechtfertigt ist. Es muß sich insbesondere um betriebsnotwendige Kosten handeln,
deren Bemessung nicht dem Äquivalenzprinzip widerspricht.
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Vgl. OVG NW, a.a.O.
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Das von der MVA Bonn GmbH für die Entsorgung städtischer Abfälle festgesetzte
Verbrennungsentgelt für 1996 von 408,25 DM/t durfte die Beklagte nach diesen
Grundsätzen nicht ohne jeden Abstrich in ihre Gebührenbedarfsberechnung
übernehmen, weil es den zwischen ihr und der MVA Bonn GmbH bestehenden
vertraglichen Abmachungen widersprach.
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Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 des zwischen der Stadt Bonn und der MVA Bonn GmbH
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abgeschlossenen Entsorgungsvertrags vom 01.07.1996, durch den das bis dahin im
wesentlichen formlos aufgrund des Gesellschaftsvertrags und mündlicher
Vereinbarungen durchgeführte Vertragsverhältnis zwischen den Parteien schriftlich
fixiert wurde (vgl. § 1 Abs. 1 Entsorgungsvertrag), war die Stadt verpflichtet, der MVA
Bonn GmbH für jede Abfallieferung ein Benutzungsentgelt in Höhe des von der MVA
Bonn GmbH festgelegten jeweils gültigen Verbrennungspreises zzgl. der gesetzlichen
Mehrwertsteuer zu zahlen. Den Verbrennungspreis für das Folgejahr sollte die MVA
GmbH der Stadt jeweils zum 31.10. eines Jahres mitteilen. Grundlage für die
Preisbildung durch die MVA Bonn GmbH sollten die jeweils geltenden Regelungen
über die Preise bei öffentlichen Aufträgen - insbesondere die nach wie vor gültige
Verordnung PR Nr. 30/53 über die Preise bei öffentlichen Aufträgen, zuletzt geändert am
13.06.1989 - sein.
Der durch die MVA Bonn GmbH für das Jahr 1996 festgesetzte Verbrennungspreis
entspricht nicht den vertraglichen Vereinbarungen, weil er allein auf einer
kalkulatorischen (Selbstkosten-) Grundlage ermittelt wurde. Dies war unzulässig, denn
bei der Verbrennung von Abfällen in einer Müllverwertungsanlage handelte es sich im
Jahre 1996 um eine marktgängige Leistung i. S. v. § 4 Abs. 1 VO Pr Nr. 30/53, für die die
im Verkehr üblichen preisrechtlich zulässigen Preise nicht überschritten werden durften.
Das war hier jedoch der Fall.
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Die Stadt Bonn und die MVA Bonn GmbH hatten mit der Bestimmung in § 4 Abs. 1 des
Entsorgungsvertrags ein unter bestimmten Voraussetzungen auszuübendes einseitiges
Leistungsbestimmungsrecht für die MVA Bonn GmbH im Sinne von § 315 Abs. 1 BGB
vereinbart. Statt nach Billigkeit sollte die Preisfestsetzung hier jedoch auf der Grundlage
der Regelungen über die Preise bei öffentlichen Aufträgen, konkret nach der damals
und auch heute noch gültigen Verordnung PR Nr. 30/53 erfolgen. Soweit die Beklagte
insofern behauptet, von Beginn an habe zwischen den Vertragsparteien Einigkeit
darüber bestanden, daß der alljährlich festzusetzende Verbrennungspreis stets nur auf
kalkulatorischer Grundlage ermittelt werden sollte, lassen sich hierfür weder dem
Entsorgungsvertrag vom 01.07.1996, der die bestehenden Vereinbarungen zwischen
den Vertragsparteien nach deren Willen abschließend schriftlich fixieren sollte, noch
sonstigen durch die Beklagte vorgelegten Unterlagen irgendwelche Anhaltspunkte
entnehmen. Auch der in der mündlichen Verhandlung erstmals vorgelegte
Besprechungsbericht vom 21.10.1991 über die bei der Preisfestsetzung zu beachtenden
Kalkulationsgrundlagen führt hier zu keiner anderen Beurteilung. Zum einen enthält er
hinsichtlich der Preiskalkulation durch die MVA Bonn GmbH nur vorbereitende und
erkennbar nicht abschließende Erwägungen. Insofern fehlt vor allem - im Gegensatz
zum Vertragstext vom 1.07.1996 - jeder Hinweis auf eine Berücksichtigung der für beide
Vertragsparteien verbindlichen gesetzlichen Bestimmungen über die Preise bei
öffentlichen Aufträgen. Zum anderen haben die dort erörterten Überlegungen aber auch
an keiner Stelle ihren Niederschlag in dem Vertragstext vom 1.07.1996 gefunden,
obwohl gemäß § 12 Abs. 2 des Entsorgungsvertrags Nebenabreden nur Gültigkeit
haben sollten, wenn sie schriftlich vereinbart wurden.
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Unabhängig davon hätte eine solche Vereinbarung aber auch gegen die zwingende
Vorschrift des § 5 Abs. 1 der VO PR 30/53 verstoßen. Danach ist nur ausnahmsweise
und unter engen Voraussetzungen die Vereinbarung von Selbstkostenpreisen erlaubt.
Da diese Voraussetzungen hier nicht erfüllt sind, wäre eine entsprechende
Vereinbarung hier gewesen.
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Vgl. Ebisch/Gottschalk, Preise und Preisprüfungen bei öff. Aufträgen, 3. Aufl. 1973, Anm.
1 zu § 4 VO PR 30/53.
27
Die auf der Grundlage von § 4 Abs. 1 des Entsorgungsvertrags durchzuführende
Preisbildung durch die MVA GmbH entspricht für das Jahr 1996 nicht den getroffenen
vertraglichen Vereinbarungen.
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Nach § 1 Abs. 1 der VO PR 30/53 ist für Leistungen auf Grund öffentlicher Aufträge
grundsätzlich Marktpreisen gegenüber Selbstkostenpreisen der Vorzug zu geben. Die
Vereinbarung von Selbstkostenpreisen ist gemäß § 5 Abs. 1 VO PR 30/53
ausnahmsweise dann zulässig, wenn entweder Preise nach den §§ 3 und 4 der VO
nicht festgestellt werden können (1.) oder aber eine Mangellage vorliegt oder der
Wettbewerb auf der Anbieterseite beschränkt ist und hierdurch die Preisbildung nach §
4 nur unerheblich beeinflußt wird (2.). Beide Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt.
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1. Bei der von der MVA Bonn GmbH vertraglich geschuldeten Abfallverbrennung
handelt es sich um eine marktgängige Leistung im Sinne von § 4 Abs. 1 VO PR 30/53.
Marktgängig ist u.a. jede Leistung, die auf einem allgemeinen Markt der marktmäßigen
Preisbildung zugänglich ist.
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Vgl. Ebisch/Gottschalk, a.a.O., Anm. 2 zu § 4 VO PR 30/53. Die Verbrennung von
Abfällen als - neben der Ablagerung auf einer Abfalldeponie - zulässige Form ihrer
(endgültigen) Beseitigung war jedenfalls im hier maßgeblichen Jahr 1996 eine von
unterschiedlichen in öffentlich-rechtlicher oder auch privatrechtlicher Weise
organisierten Betreibern in Konkurrenz zueinander angebotene Leistung, welche
sowohl durch entsorgungspflichtige Körperschaften ohne eigene anderweitige
Entsorgungskapazitäten als auch durch Private, die - etwa gemäß § 3 Abs. 3 AbfG in der
bis zum 30.09.1996 gültigen Fassung - selbst abfallentsorgungspflichtig waren,
nachgefragt wurde und daher einer marktmäßigen Preisbildung unterlag. Dies war auch
den vertragsschließenden Parteien bereits bei Vertragsschluß bekannt, wie sich aus
den §§ 2 Abs. 6, 4 Abs. 4 des Entsorgungsvertrags ergibt. Danach ist die MVA Bonn
GmbH berechtigt, im Rahmen der bestehenden Kapazitäten auch Abfälle Dritter zur
Verwertung anzunehmen und hierfür nach eigenem Ermessen die Preise festzusetzen.
Dementsprechend enthält der Wirtschaftsplan der MVA Bonn GmbH für 1996 auch den
Ansatz einer für dieses Jahr erwarteten Anlieferung von 5.000 t Abfall durch "Sonstige".
Im Zusammenhang hiermit wird jedoch ausdrücklich darauf verwiesen, daß
Verbrennungskapazitäten bei diesen Anlieferern nur zu im Vergleich zu dem vom der
Beklagten geforderten Verbrennungsentgelt erheblich niedrigeren "Marktpreisen"
abgesetzt werden könnten.
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Entgegen der Auffassung der Beklagten entfällt die Marktgängigkeit der von der MVA
Bonn GmbH angebotenen Leistung auch nicht deshalb, weil diese eigens zur
Herstellung der Entsorgungssicherheit in der Stadt Bonn gegründet und mit dem Betrieb
der MVA Bonn betraut worden ist. Diese Gesichtspunkte haben keinen Einfluß auf die
allein entscheidende und jedenfalls für 1996 zu bejahende Frage, ob es für die in
Auftrag gegebene Leistung einen durch Angebot und Nachfrage gekennzeichneten
Markt gibt, auf dem sich die Preisbildung durch einen funktionierenden Wettbewerb
unter den Anbietern vollziehen kann.
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2. Handelt es sich danach bei der Abfallverbrennung durch die MVA Bonn GmbH um
eine marktgängige Leistung, kommt die Vereinbarung bzw. hier Festsetzung von
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Selbstkostenpreisen gemäß § 5 Abs. 1 VO PR Nr. 30/53 nur in Betracht, wenn eine
Mangellage vorliegt oder der Wettbewerb auf der Anbieterseite beschränkt ist und
hierdurch die Preisbildung nach § 4 nur unerheblich beeinflußt wird. Beide
Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Der bereits oben zitierte Abschnitt aus dem
Wirtschaftsplan der MVA Bonn GmbH für 1996 zeigt vielmehr, daß am Markt nicht etwa
ein Mangel an Entsorgungskapazitäten mit einer entsprechend starken Stellung der
Anbieter, sondern vielmehr durch zurückgehende Abfallmengen ein Angebotsüberhang
bestand, der die am Markt zu erzielenden Entsorgungspreise offensichtlich weit unter
die Selbstkostenpreise der MVA Bonn GmbH drückte. Angesichts des danach
bestehenden Überangebots an Entsorgungskapazitäten, zu denen auch die 1996 noch
zulässige Deponierung nicht thermisch vorbehandelter Abfälle als zumindest
vergleichbare Leistung im Sinne von § 4 Abs. 2 VO PR Nr. 30/53 beitrug, konnte auch
von einem (auf Anbieterseite) beschränkten Wettbewerb, der die Durchsetzung von über
dem Selbstkostenpreis liegenden Marktpreisen ermöglichte und deshalb dem
öffentlichen Auftraggeber die Befugnis zur Vereinbarung von Selbstkostenpreisen
einräumte, keine Rede sein.
Vgl. hierzu Ebisch/Gottschalk, a.a.O., Anm. 5 zu § 5 VO PR 30/53.
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Nach alledem hätte die Beklagte den von der MVA Bonn GmbH festgesetzten
Verbrennungspreis für 1996 nicht ohne weiteres ungeprüft in ihre Gebührenkalkulation
übernehmen dürfen. Sie hätte vielmehr nur einen § 4 VO PR Nr. 30/53 entsprechenden
Verbrennungspreis zugrundelegen dürfen, was zu einem deutlich niedrigeren
Gebührenbedarf geführt hätte.
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Die Beklagte hat in ihrer Gebührenbedarfsberechnung 1996 für die Entsorgung von
Hausmüll und Sperrmüll aus ihrem Stadtgebiet ausgehend von einer erwarteten
Abfallmenge von 78.000 t und dem von der MVA GmbH Bonn festgesetzten
Verbrennungspreis von 408,25 DM/t einen Kostenansatz in Höhe von 31.843.500,-- DM
vorgenommen. Als am Markt zu erzielenden Verbrennungspreis legte die MVA Bonn
GmbH in ihrem Wirtschaftsplan 1996 dagegen nur 180,00 DM/t zzgl. 15 % MwSt.,
insgesamt also 207,00 DM zugrunde. Unter Berücksichtigung dieses Wertes wäre für
diese Kostenstelle nur ein um 15.697.500,-- DM niedrigerer Ansatz von 16.146.000,--
DM gerechtfertigt gewesen. Selbst wenn man jedoch insofern aufgrund des der Stadt
Bonn bei der Entsorgung ihrer Abfälle eingeräumten Vorrangs - über dessen
wirtschaftlichen Wert allerdings ebenso wie über sonstige besondere (markt-
)preisbildende Faktoren der angebotenen Leistung weder die Beklagte noch die MVA
Bonn GmbH substantiierte Angaben gemacht haben - entsprechend § 4 Abs. 4 VO PR
Nr. 30/53 als Ausgleich einen angemessenen Aufschlag auf diesen Marktpreis für
zulässig hält, wäre jedenfalls ein über 300,00 DM/t hinausgehender Verbrennungspreis
nach den bestehenden Marktverhältnissen nicht zu rechtfertigen. Selbst in diesem für
die Beklagte günstigsten Fall überstiege der gewählte Ansatz die dann
berücksichtigungsfähigen Kosten um 8.443.500,-- DM. Da die Beklagte keinerlei
Angaben zu eventuell bisher noch nicht berücksichtigten weiteren ansatzfähigen
Kostenpositionen gemacht hat und solche auch sonst nicht ersichtlich sind,
überschreiten die insgesamt von der Beklagten ihrer Kalkulation zugrundegelegten
Kosten von 73.795.900,-- DM die danach allenfalls ansatzfähigen Kosten in Höhe von
65.352.000,-- DM um mehr als 3% mit der Folge der Nichtigkeit des festgesetzten
Gebührensatzes.
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Vgl. zur Maßgeblichkeit der Grenze von 3 % für die Frage einer noch tolerablen
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Kostenüberschreitung bei der Festlegung des Gebührensatzes OVG NW, Urt. vom
30.09.1996 - 9 A 4047/93 -.
Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
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