Urteil des VG Köln vom 31.01.2007

VG Köln: arzneimittel, dosierung, kommission, beitrag, auflage, bestandteil, rheumatismus, hauptsache, fluor, kopfschmerzen

Verwaltungsgericht Köln, 24 K 4284/04
Datum:
31.01.2007
Gericht:
Verwaltungsgericht Köln
Spruchkörper:
24. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
24 K 4284/04
Tenor:
Soweit die Beteiligten das Verfahren übereinstimmend in der
Hauptsache für erledigt erklärt haben, wird es eingestellt.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Klägerin trägt 13/14 und die Beklagte 1/14 der Kosten des
Verfahrens.
T a t b e s t a n d
1
Die Klägerin zeigte am 30. Juni 1978 gemäß Art. 3 § 7 Abs. 2 Satz 1 des Gesetzes zur
Neuordnung des Arzneimittelrechts (AMNG) das im Verkehr befindliche
Fertigarzneimittel "C. " beim Bundesgesundheitsamt (BGA) in der Darreichungsform
"Tropfen" an. Die wirksamen Bestandteile des Präparats wurden dabei - bezogen auf
100 ml - wie folgt angegeben:
2
"Agnus castus ?-D1 10 ml
3
Cimicifuga ? 10 ml
4
Crabro vespa D4 10 ml
5
Hamamelis D3 10 ml
6
Hydrastin. hydrochl. D2 10 ml
7
Lilium tigr. D2 10 ml
8
Ol. Anisi D2 10 ml
9
Platinum D8 10 ml
10
Viburnum op. D2 10 ml
11
Zincum valerianic. D3 10 ml"
12
Zu den Anwendungsgebieten führte die Klägerin aus:
13
"Klimakterium mit Depressionen.
14
Metrorrhagien, Dysmenorrhoe.
15
Fluor albus.
16
Myomblutungen.
17
Senkungbeschwerden, Uterusprolaps.
18
Arthrosen und Rheumatismus auf klimakterischer Grundlage.
19
Hypophysenunterfunktionen."
20
In dem am 30. April 1990 eingegangenen sog. Kurzantrag blieben die Angaben zu den
wirksamen Bestandteilen im Wesentlichen unverändert. Zu den Anwendungsgebieten
heißt es:
21
"...Klimakterium mit Depressionen. Störungen der Regelblutung infolge
Gelbkörperinsuffizienz, Hypophysenunterfunktion. Metrorrhagien, Dysmenorrhoe,
prämenstruelles Syndrom (vor der Regelblutung einsetzende seelische Depressionen,
migräneartige Kopfschmerzen, Spannungsgefühl in den Brüsten), zu häufig oder zu
selten auftretende Regelblutungen mit und ohne Schmerzen, zu starke Regelblutungen.
Adjuvans bei Senkungsbeschwerden, Myomblutungen, Arthrosen und Rheumatismus
auf klimakterischer Grundlage, Uterusprolaps. Fluor albus."
22
Dem entsprachen die Angaben in dem am 11. November 1993 eingegangenen sog.
Langantrag. In diesem verwies die Klägerin auf verschiedene
Aufbereitungsmonographien. Der Wortlaut der Anwendungsgebiete entspreche mit
Ausnahme des Bestandteils "Anisi aetherleum" dem der Monographien.
23
Einen Antrag der Klägerin, die Stoffkombination in die Liste der Stoffe und
Stoffkombinationen nach § 109a Abs. 3 AMG (sog. Traditionsliste) mit dem
Anwendungsgebiet "Als mild wirkendes Arzneimittel bei klimakterischen Beschwerden
mit depressiven Verstimmungszuständen und Menstruationsstörungen" aufzunehmen,
lehnte die Beklagte unter dem 7. März 1995 ab. Sie verwies auf die Apothekenpflicht
und bestehende Risiken. Außerdem sei die Kombination hinsichtlich der Bestandteile
Zincum isovalerianicum, Hydrastinum hydrochloricum und Anisi aeteroleum nicht
plausibel.
24
Unter dem 2. August 2002 übersandte die Beklagte der Klägerin eine formale
pharmazeutische Stellungnahme, eine Stellungnahme zur Qualität und eine weitere
Stellungnahme zur Toxikologie/Klinik und Pharmakologie. Sie gab der Klägerin
Gelegenheit, den daraus ersichtlichen Mängeln binnen 12 Monaten abzuhelfen. In der
Stellungnahme zur Klinik ist u.a. ausgeführt:
25
"Für Vitex agnus-castus, Vespa crabro, Hamamelis virginiana, Anisi aetheroleum,
26
Zincum valerianicum und Hydrastinum hydrochloricum können nach dem vorliegenden
derzeitigen wissenschaftlichen Kenntnisstand Wirksamkeit und Unbedenklichkeit für
das Anwendungsgebiet "Klimakterium mit Depressionen. Hypophysenunterfunktion, die
sich z.B. in Störungen der Regelblutungen infolge Gelbkörperinsuffizienz,
prämentruellem Syndrom (vor der Regelblutung einsetzende seelische Depressionen,
migräneartige Kopfschmerzen, Spannungsgefühl in den Brüsten), zu häufig oder zu
selten auftretenden Regelblutungen mit und ohne Schmerzen und zu starken
Regelblutungen äußert. Methorrhagien, Dysmenorrhoe. Adjuvans bei
Senkungsbeschwerden, Myomblutungen, Arthrosen und Rheumatismus auf
klimakterischer Grundlage, Uterusprolaps. Fluor albus." nicht aus Monographien der
Kommission D abgeleitet werden.
Die Begründung gemäß § 22 Abs. 3a AMG, dass jeder arzneilich wirksame Bestandteil
einen Beitrag zur positiven Beurteilung des Arzneimittels leistet, ist unzureichend. Auf
der Basis der Monographien der Kommission D und der vorgelegten Begründung nach
§ 22 Abs. 3a AMG kann für oben genannte wirksame Bestandteile ein Beitrag zur
positiven Beurteilung des Arzneimittels für die beantragten Indikationen nicht abgeleitet
werden.
27
Nach der von der Kommission D erarbeiteten "Richtlinie zur Bewertung fixer
Kombinationen homöopathischer Einzelmittel" müssen Kombinationen so
zusammengesetzt sein, dass sich die Arzneimittelbilder der Einzelbestandteile
hinsichtlich des Indikationsanspruches ergänzen. Hierbei muss der
Indikationsanspruch, der nicht mit der Summe der Indikationsansprüche der Einzelmittel
identisch ist, ein Krankheitszustand, eine Funktionsstörung, ein Syndrom oder eine
pathologische Einheit bekannter Art sein.
28
Die Beurteilung der fixen Kombination erfolgt unter Verwendung der Monographien der
Einzelstoffe. Sofern Wirksamkeit und Unbedenklichkeit der fixen Kombination aufgrund
der Monographien der Einzelstoffe nicht bestimmbar sind, ist präparatespezifisches
Erkenntnismaterial zum Beleg der Wirksamkeit und Unbedenklichkeit des Arzneimittel
in der beantragten Zusammensetzung und Dosierung erforderlich. Der Präambel zu den
Aufbereitungsergebnissen der Kommission D ist dabei zu entnehmen, dass die
Angaben in den Arzneimittellehren zu den Arzneimittelbildern der Einzelmittel bereits
bei der Erstellung der Monographien berücksichtigt wurden. Soweit aufgrund der
vorliegenden therapeutischen Erfahrungen eine Formulierung von charakteristischen
Anwendungsgebieten möglich ist, sind die Ergebnisse in den Monographien der
Kommission D enthalten. Darüber hinausgehende Indikationsangaben sind nach dem
Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis ausreichend zu begründen. Herangezogene
homöopathische Literatur ist im Wortlaut zu zitieren und beizulegen."
29
Mit Anschreiben vom 25. Juli 2003 übersandte die Klägerin eine Antwort auf das
Mängelschreiben. Die arzneilich wirksamen Bestandteile des nunmehr als "C. D. "
bezeichneten Arzneimittels wurden jetzt mit
30
"10 ml enthalten:
31
Arzneilich wirksame Bestandteile:
32
Agnus castus Urtinktur 3,0 ml
33
Cimicifuga Urtinktur 2,0 ml
34
Lilium tigrinum D2 3,0 ml
35
Platinum metallicum D8 2,0 ml"
36
angegeben. Zu den Anwendungsgebieten hieß es:
37
"Die Anwendungsgebiete leiten sich aus den homöopathischen Arzneimittelbildern ab.
Dazu gehören: Beschwerden in den Wechseljahren mit Verstimmungszuständen."
38
Zur Dosierung gab die Klägerin an:
39
"Soweit nicht anders verordnet, 3mal täglich 35 Tropfen nach dem Essen in etwas
Flüssigkeit einnehmen. Im akuten Stadium stündlich, höchstens 12mal täglich, je 20
Tropfen einnehmen."
40
Außerdem legte die Klägerin ein Gutachten zur Begründung der therapeutischen
Wirksamkeit und Sinnhaftigkeit der Kombination von Frau Dr. Mukerjee-Guzik vom 5.
Februar 2003 vor.
41
Mit Bescheid vom 14. Mai 2004 erteilte die Beklagte die Verlängerung der Zulassung
nach § 105 AMG (Nachzulassung) für das streitbefangene Arzneimittel in der
Darreichungsform "Mischung" und den von der Klägerin unter dem 25. Juli 2003
angegebenen arzneilich wirksamen Bestandteilen. Das Anwendungsgebiet wurde wie
folgt formuliert:
42
"Die Anwendungsgebiete leiten sich von den homöopathischen Arzneimittelbildern ab.
Dazu gehören: Verstimmungszustände in den Wechseljahren."
43
Dem Bescheid waren "Auflagen gemäß § 28 Abs. 2 AMG" (A.1 bis A.4) und "Auflagen
zur pharmazeutischen Qualität gemäß § 105 Abs. 5a AMG" (A.5 und A.6) beigefügt, die
u.a. wie folgt lauten:
44
"A.1 Anwendungsgebiete Die Anwendungsgebiete sind wie folgt zu formulieren:
45
"Die Anwendungsgebiete leiten sich von den homöopathischen Arzneimittelbildern ab.
Dazu gehören: Verstimmungszustände in den Wechseljahren."
46
Begründung: Der positive Beitrag des Bestandteiles Vitex agnus-castus für das
beantragte Anwendungsgebiet "Beschwerden in den Wechseljahren mit
Verstimmungszuständen" ist nicht ausreichend belegt. Die vorgelegte Literatur kann das
Anwendungsgebiet "Beschwerden in den Wechseljahren" nicht belegen. Lediglich das
oben formulierte Anwendungsgebiet ist aufgrund der Monographien der Kommission D
und der vorgelegten Literatur zu den Einzelbestandteilen akzeptabel..
47
A.2 Dosierungsanleitung Die Dosierung ist wie folgt anzupassen:
48
"Soweit nicht anders verordnet: Bei akuten Zuständen alle halbe bis ganze Stunde,
höchstens 6mal täglich, je 5 Tropfen einnehmen. Eine über 1 Woche hinausgehende
Anwendung sollte nur nach Rücksprache mit einem homöopathisch erfahrenen Arzt
49
oder Heilpraktiker erfolgen. Bei chronischen Verlaufsformen 1-3 x täglich 5 Tropfen
einnehmen. Bei Besserung der Beschwerden ist die Häufigkeit der Anwendung zu
reduzieren."
Begründung:
50
Die Kommission D hat auf ihrer 18. Sitzung am 12.06.2002 die bestehenden
Dosierungsrichtlinien BAnz. Nr. 177 vom 21.9.1993 neu beraten, auf der 20. Sitzung am
25.6.03 überarbeitet und ergänzte Dosierungsrichtlinien für Verdünnungsgrade bis
D23/C11 verabschiedet. Die Dosierung ist an die neue Dosierungsvorgabe der
Kommission D anzupassen. Abweichende Dosierungen sind wie bisher mit
ausreichendem präparatespezifischem Erkenntnismaterial zu belegen. Das vorgelegte
Erkenntnismaterial (Fragebogenaktion aus Juli 2003) ist nicht geeignet, die
Überlegenheit der höheren Dosierung zu belegen. Von 61 Therapeuten wenden nur 40
(nicht 51, wie unter Ergebnisse aufgeführt) Therapeuten das Arzneimittel entsprechend
der Dosierungsempfehlung an. Von den übrigen Therapeuten wenden 19 bei der
chronischen Dosierung und teilweise auch bei der akuten Dosierung das Arzneimittel in
einer niedrigeren Dosierung an. Da diese Therapeuten auch mit einer geringeren
Dosierung gute Erfolge haben und die Untersuchung auch nicht geeignet ist, die
Überlegenheit der höheren Dosierung zu belegen wegen fehlenden Vergleichsgruppen,
ist das Erkenntnismaterial nicht ausreichend, um eine abweichende Dosierung zu
belegen. Wenn im Einzelfall eine höhere Dosierung indiziert ist, steht es dem
behandelnden Arzt frei anders zu dosieren. Dazu ist der Halbsatz "Soweit nicht anders
verordnet: ..." aufgenommen.
51
...
52
A.5
53
Es ist zu belegen, wie sichergestellt ist, dass das pflanzliche Ausgangsmaterial den
Forderungen der Ph.Eur. an Pestizidrückstände für jede Charge entspricht. Da eine
Prüfung jeweils an der Urtinktur durchgeführt wird, sind die Grenzwerte unter
Berücksichtigung des jeweiligen Herstellungsverfahrens der Urtinktur entsprechend
begründet festzulegen. Für jeweils 2 Chargen sind Untersuchungsergebnisse
vorzulegen.
54
Begründung:
55
Pflanzliches Ausgangsmaterial für homöopathische Arzneimittel muss entsprechend der
Monographie "Pflanzliche Drogen für homöopathische Zubereitungen" der Ph.Eur. den
Anforderungen der Prüfung "Pestizid-Rückstände" (2.8.13) der Ph.Eur.entsprechen.
56
Die in der Ph.Eur. 2.8.13 tabellarisch erfassten Grenzwerte für das Ausgangsmaterial,
müssen bei Prüfungen an der Urtinktur, entsprechend, unter Berücksichtigung des
jeweiligen Herstellungsverfahrens der Urtinktur, festgelegt werden.
57
Mit den bisher vorgelegten Unterlagen ist nicht sichergestellt, dass die genannten
Forderungen eingehalten werde.
58
A.6
59
Es sind die im Dezember 2002 begonnenen Haltbarkeitsuntersuchungen fortzuführen
und Ergebnisse für alle haltbarkeitsrelevanten Parameter des Arzneimittels für die
gesamte beanspruchte Haltbarkeitsdauer von einem Jahr vorzulegen. Die
Lagerungsbedingungen (Temperatur, rel. Feuchte) und die vorgegebenen
Prüfungsintervalle sind entsprechend der "Note for Guidance on Stability Testing:
Stability Testing of Existing Active Substances an Related Finished Products"
(CPMP/QWP/122/02) exakt anzugeben.
60
Begründung:
61
Die beanspruchte Dauer der Haltbarkeit ist gemäß den Festlegungen der "Note for
Guidance on Stability Testing: Stability Testing of Existing Active Substances and
Related Finished Products" (CPMP/QWP/122/02) für das Arzneimittel in der aktuellen
Zusammensetzung zu belegen. In diesem Zusammenhang ist die Veröffentlichung
"Stabilitätsprüfung bei nach homöopathischen Verfahrenstechniken hergestellten
Arzneimitteln" auf der Homepage des BfArM (http://www.bfarm.de) zu beachten."
62
Die Klägerin hat am 10. Juni 2004 Klage erhoben, mit der sie sich gegen die zitierten
Auflagen einschließlich der zu ihrer Erfüllung gesetzten Fristen und die Verpflichtung
gewandt hat, die Erfüllung der Auflagen zur pharmazeutischen Qualität durch Vorlage
des Gutachtens eines Gegensachverständigen zu belegen.
63
Hinsichtlich der Auflage A.2 hat die Kammer das Verfahren mit Beschluss vom 31.
Januar 2007 getrennt. Es wird mit dem Aktenzeichen 24 K 528/07 fortgeführt.
64
Hinsichtlich der Auflagen A.5 und A.6 haben die Beteiligten das Verfahren
übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt.
65
Die Klägerin verfolgt das Verfahren weiter, soweit es die Versagung des
Anwendungsgebietes "Beschwerden in den Wechseljahren mit
Verstimmungszuständen" betrifft. Sie trägt vor: Der positive Beitrag des Wirkstoffs "Vitex
agnus-castus" sei in dem nunmehr vorgelegten Gutachten Mukerjee-Guzik vom 5.
Oktober 2004 beschrieben. Hiernach seien die Mehrzahl der Symptome, die im
Klimakterium aufträten und Beschwerden verursachten, im Arzneimittelbild von Agnus
castus beschrieben und durch mehrere Autoren belegt. Die Indikation könne nicht auf
"Verstimmungszustände in den Wechseljahren" beschränkt werden. Entgegen der
Auffassung der Beklagten sei ein positiver Beitrag des Wirkstoffs zu dem
Anwendungsgebiet "Beschwerden in den Wechseljahren mit Verstimmungszuständen"
auch nach den Bewertungskriterien der Kommission D gegeben. Hiernach sei nicht
erforderlich, dass ein positiver Beitrag eines jeden Bestandteils zu der Indikation
"Wechseljahrsbeschwerden" belegt werden müsse. In einem vergleichbaren Fall habe
die Beklagte die Indikation "Wechseljahrsbeschwerden" für ein Agnus castus-haltiges
Kombinationsarzneimittel durchaus akzeptiert (Agnus castus comp. Hevert, Zul. Nr.
6886104.00.00). In einem Mängelschreiben bezüglich dieses Arzneimittels habe die
Beklagte auch ausdrücklich mitgeteilt, dass u.a. für den Bestandteil Agnus castus das
Anwendungsgebiet "Beschwerden ... in den Wechseljahren" als belegt angesehen
werde. Zudem reiche es nach den Bewertungskriterien der Kommission D nach § 25
Abs. 6 und 7 AMG für fixe Kombinationen homöopathischer Einzelmittel
(Bekanntmachung über die Zulassung von Arzneimitteln und die Verlängerung von
Zulassungen nach § 105 AMG vom 24. April 1997) aus , dass sich die Arzneimittelbilder
der Einzelbestandteile hinsichtlich des Indikationsanspruches ergänzten. Nicht
66
erforderlich sei, dass für jeden Bestandteil die Indikation "Wechseljahrsbeschwerden"
belegt sein müsse. Das Arzneimittelbild von Agnus castus decke sich mit den sog.
genitalen Symptomen des Klimakteriums. Zwar sei in der homöopathischen Literatur
angesprochen, dass der Stoff eine stärkere Wirkung bei Männern zeige. Es sei jedoch
anzumerken, dass in den letzten Jahren ein Klimakterium auch bei Männern
nachgewiesen worden sei.
Die Klägerin beantragt,
67
die Beklagte unter teilweiser Aufhebung des Bescheides des Bundesinstituts für
Arzneimittel und Medizinprodukte vom 14. Mai 2004 und der Auflage A.1 zu verpflichten,
über ihren Antrag auf Verlängerung der Zulassung für das Fertigarzneimittel "C. D. "
insoweit neu zu entscheiden, als er das Anwendungsgebiet "Beschwerden in den
Wechseljahren mit Verstimmungszuständen" betrifft.
68
Die Beklagte beantragt,
69
die Klage abzuweisen.
70
Die Einschränkung des Anwendungsgebietes sei rechtmäßig, da die Klägerin den
positiven Beitrag des Wirkstoffs Agnus castus hinsichtlich Wechseljahrsbeschwerden
nicht belegt habe. Über die Monographien hinausgehende Indikation seien nur
vertretbar, wenn ausreichendes Erkenntnismaterial vorliege. Die Erwähnung einzelner
Symptome in einzelnen Arzneimittellehren sei hierfür nicht ausreichend. Die
Formulierung homöopathischer Indikationen könne nicht auf der Grundlage einzelner, in
einem Arzneimittelbild genannter Symptome erfolgen, sondern erfordere, dass die
charakteristischen und mit der beanspruchten Indikation verbundenen Beschwerden
durch gut bestätigte Charakteristika des jeweiligen Arzneimittels bestätigt seien. Dies
sei im Falle des Wirkstoffs Agnus castus in Bezug auf das beanspruchte
Anwendungsgebiet "Beschwerden in den Wechseljahren" nicht der Fall.
71
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des BfArM Bezug
genommen.
72
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
73
Soweit die Beteiligten das Verfahren übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt
erklärt haben, ist es in entsprechender Anwendung des § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO
einzustellen.
74
Im Übrigen ist die gegen die Teilversagung gerichtete Klage zwar zulässig, aber
unbegründet.
75
Die mit der Formulierung des Anwendungsgebietes und der Auflage A.1 im Bescheid
der Beklagten vom 14. Mai 2004 ausgesprochene Versagung der Indikation
"Beschwerden in den Wechseljahren" ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in
ihren Rechten. Diese hat keinen Anspruch auf eine Neubescheidung ihres
Nachzulassungsantrages (§ 113 Abs. 5 Sätze 1 und 2 VwGO).
76
Die Klägerin hat bezüglich des genannten Anwendungsgebietes eine den gesetzlichen
77
Anforderungen genügende Kombinationsbegründung hinsichtlich des arzneilich
wirksamen Bestandteils "Agnus castus Urtinktur" in Bezug auf die beanspruchte
Indikation nicht vorgelegt. Gemäß § 22 Abs. 3a AMG, der gemäß § 105 Abs. 4 Satz 2
AMG auch im Nachzulassungsverfahren Anwendung findet, ist, sofern das Arzneimittel
mehr als einen arzneilich wirksamen Bestandteil enthält, zu begründen, dass jeder
arzneilich wirksame Bestandteil einen Beitrag zur positiven Beurteilung des
Arzneimittels leistet.
Nach § 105 Abs. 4f Satz 1 in Verbindung mit § 25 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5a AMG darf die
Bundesoberbehörde bei einem Arzneimittel die Zulassung versagen, wenn eine
ausreichende Kombinationsbegründung fehlt. Das Erfordernis einer
Kombinationsbegründung nach § 22 Abs. 3a AMG sowie der durch das 4.
Änderungsgesetz zum AMG in das Gesetz eingefügte Zulassungsversagungsgrund des
§ 25 Abs.2 Satz 1 Nr. 5a AMG rechtfertigen sich aus dem Umstand, dass jeder in ein
Arzneimittel aufgenommene Wirkstoff tendenziell die Gefahr zusätzlicher unerwünschter
Wirkungen erhöht und zudem wegen bestimmter therapeutischer Grundsätze fachliche
Anforderungen an ein Kombinationsarzneimittel zu stellen sind, die mit den
Zulassungsversagungsgründen der Bedenklichkeit oder mangelnder Wirksamkeit
schwer erfassbar sind.
78
Vgl. Kloesel/Cyran, Arzneimittelrecht, § 22 AMG Anm. 56e, § 25 AMG Erl. 60c unter
Hinweis auf die amtliche Begründung des Gesetzes.
79
Der Beitrag eines arzneilich wirksamen Bestandteils zur positiven Beurteilung des
Arzneimittels kann insbesondere darin bestehen, dass der arzneilich wirksame
Bestandteil zur Wirksamkeit des Präparates in der vorgegebenen Indikation beiträgt
oder unerwünschten Effekten entgegen wirkt, wobei dies nach einer in der
Kommentarliteratur vertretenen Auffassung nicht in jedem Fall voraussetzt, dass jeder
arzneilich wirksame Bestandteil für sich allein genommen hinsichtlich der in Anspruch
genommenen Indikation wirksam ist. Hiernach reicht es aus, wenn der Wirkungseintritt,
soweit therapeutisch erwünscht, früher erreicht, verstärkt, verlängert oder der erstrebte
Heilerfolg mit geringerer Menge der Wirksubstanz erreicht wird.
80
Vgl. BVerwG, Urteile vom 16. Oktober 2003 - 3 C 28.02 und 3 C 3.03 - sowie
Kloesel/Cyran, a.a.O., § 22 Erl. 56e.
81
In diesem Zusammenhang wird kein Nachweis verlangt, sondern lediglich eine
ausreichende Begründung. Diese ist dann nicht erbracht, wenn die vom Antragsteller
eingereichten Unterlagen nach dem jeweils gesicherten Stand der wissenschaftlichen
Erkenntnisse den geforderten Schluss nicht zulassen, wenn sie sachlich unvollständig
sind - etwa zu bestimmten Forschungsergebnissen oder klinischen Erprobungen keine
Stellung nehmen, die gegen die therapeutische Wirksamkeit sprechen - oder wenn sie
inhaltlich unrichtig sind.
82
Vgl. hierzu BVerwG a.a.O. und Urteile vom 14. Oktober 1993 - 3 C 21.91 und 3 C 46.91 -
, NJW 1994, 2433-2435 = Pharma Recht 1994, 77-83 sowie Urteile der Kammer vom 12.
Mai 2004 - 24 K 3465/00 - und - 24 K 5611/00 -.
83
Dabei sind hinsichtlich des positiven Beitrags eines Bestandteils keine geringeren
Anforderungen zu stellen als hinsichtlich der Wirksamkeit und Unbedenklichkeit des
Präparats. Sie gelten auch für Arzneimittel der homöopathischen Therapierichtung.
84
Vgl. BVerwG, Beschluss vom 8. Januar 2007 - 3 B 16.06 -; ferner: VG Köln, Urteil vom 4.
Juli 2006 - 7 K 5010/01 -.
85
Die Wirksamkeit des Bestandteils ergibt sich zunächst nicht aus der
Aufbereitungsmonographie "Vitex agnus-castus (Agnus castus)" der Kommission D
(Bekanntmachung über die Zulassung und Registrierung von Arzneimitteln
vom 19. September 1985, BAnZ Nr. 190a vom 10. Oktober 1985, Seite 55). Diese
formuliert die Anwendungsgebiete mit "Die Anwendungsgebiete entsprechen dem
homöopathischen Arzneimittelbild. Dazu gehören: Sexuelle Störungen bei Männern;
Störung des Milchflusses; nervöse Verstimmungszustände", was zwar möglicherweise
auf das zuerkannte Anwendungsgebiet "Verstimmungszustände in den Wechseljahren",
nicht aber auf die beanspruchte Indikation "Beschwerden in den Wechseljahren" deutet.
86
Auch das von der Klägerin vorgelegte Erkenntnismaterial erlaubt diesen Schluss nicht.
Das im Mangelbeseitigungsverfahren vorgelegte Gutachte Mukerjee-Guzik vom 5.
Februar 2003 zählt zwar zahlreiche in der homöopathischen Literatur genannte
Symptome auf, die mit dem Wirkstoff in Verbindung gebracht werden. Diese deuten
jedoch auf eine Vielzahl zumeist psychischer, teils aber auch physischer Beschwerden
mit sexuellem Bezug, ohne den Schluss auf die Indikation "Beschwerden in den
Wechseljahren" mit hinreichender Sicherheit zuzulassen. Die Beklagte hat
schriftsätzlich und in der mündlichen Verhandlung nachvollziehbar dargelegt, dass die
Formulierung einer homöopathischen Indikation nicht allein aufgrund einzelner im
Arzneimittelbild genannter Symptome erfolgen kann, da die Anwendung des
Arzneimittels in einer Mehrzahl der Fälle zu einem therapeutischen Erfolg führen soll.
Dies bedeutet, dass die in den homöopathischen Verzeichnissen (Repertorien)
genannten Symptome für eine Therapieentscheidung nicht lediglich dem jeweiligen
Wirkstoff zugeordnet werden müssen. Vielmehr ist es erforderlich, sie hinsichtlich ihrer
Validität nach bestimmten Kriterien zu gewichten. Hieraus leitet die Beklagte ebenso
nachvollziehbar die Forderung ab, dass aus dem Kreis der mit der beanspruchten
Indikation verbundenen Beschwerden nur diejenigen zur Grundlage einer
Indikationsformulierung dienen können, die durch "gut bestätigte Charakteristika" des
jeweiligen Arzneimittels repräsentiert sind. Dem ist die Klägerin nicht grundsätzlich
entgegen getreten.
87
Das vorgelegte Gutachten beschränkt sich auf die Aufzählung der gefundenen
Literaturzitate und ordnet bestimmte dort genannte Symptome dem Wirkstoff zu. Den
Schluss auf eine aufgrund einer wertenden Betrachtung entwickelte homöopathische
Indikationsformulierung lässt es nicht zu. Auch bezeichnet die Gutachterin in der
abschließenden Wertung ihres Gutachtens Agnus castus als ein Hauptmittel für die
sexuelle Neurasthenie beider Geschlechter. In Bezug auf das hier relevante
klimakterische Geschehen spricht sie lediglich Symptome, wie Kopfschmerzen und
Migräne, Herzklopfen, Hitzewallungen mit Schweißausbrüchen und Schlafstörungen an,
ohne dass erkennbar ein homöopathischer Indikationsanspruch abgeleitet wird.
88
Nicht anders verhält es sich mit dem weiteren, im gerichtlichen Verfahren vorgelegten
Gutachten Mukerjee-Guzik vom 5. Oktober 2004. Es bedarf keiner abschließenden
Entscheidung, ob dieses Gutachten entgegen der Präklusionsnorm des § 105 Abs. 5
Satz 3 AMG überhaupt verwertbar ist. Denn es geht in Methodik und inhaltlicher
Aussage nicht über das vorgenannte Gutachten hinaus. Es werden wiederum
89
Symptome genannt, die einem klimakterischen Erscheinungsbild zugeordnet werden
können, aber auch auf eine gänzlich andere Ursache deuten können, ohne dass ein
Heilerfolg gerade bei wechseljahrsbedingten Beschwerden nachvollziehbar dargelegt
wäre.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO. Hierbei
war zu berücksichtigen, dass die Klägerin hinsichtlich der Teilversagung d es
Anwendungsgebietes, auf die einschließlich der Auflage A.1 ein Streitwertanteil von
20.000,00 Euro entfällt, unterlegen ist und es hinsichtlich der Auflage A.6 der Billigkeit
entspricht, ihr die Kosten aufzuerlegen, da sie die angefochtene Auflage letztlich
anerkannt hat. Lediglich bezüglich der Auflage A.5 waren die Kosten zu teilen, weil die
Erledigung des Verfahrens insoweit auf einer Einigung der Beteiligten beruht, ohne
dass die Erfolgsaussichten der Klage abschließend bewertet werden könnten.
90
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Berufung nach §§ 124a, 124 Abs. 2 Nr. 3
oder Nr. 4 VwGO liegen nicht vor.
91