Urteil des VG Köln vom 19.11.2002

VG Köln: gefahr, untreue, komplexität des sachverhaltes, vernehmung von zeugen, hotel, zeugnisverweigerungsrecht, strafrechtliche verfolgung, restriktive auslegung, ermittlungsverfahren, firma

Verwaltungsgericht Köln, 7 K 2676/98
Datum:
19.11.2002
Gericht:
Verwaltungsgericht Köln
Spruchkörper:
7. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
7 K 2676/98
Tenor:
Soweit die Klägerin die Klage zurückgenommen hat, wird das Verfahren
eingestellt.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf
die Voll- streckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des
Vollstreckungsbetrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der
Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
1
Die Klägerin war von Dezember 1989 bis Dezember 1991 Mitglied des Parteivor-
standes der Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS). Außerdem war sie Mit-
glied des aus der Mitte des Vorstands im Dezember 1989 gebildeten Parteipräsidi- ums.
In der Zeit von Juni 1990 bis Dezember 1991 war sie stellvertretende Parteivor-
sitzende. Am 21.12.1989 fasste der Parteivorstand der seinerzeit als solche bezeich-
neten SED (Sozialistische Einheitspartei Deutschlands)/PDS einen Beschluss zur
Bestätigung des von ihrem außerordentlichen Parteitag am 17.12.1989 gefassten
Beschlusses zur Sicherung des Parteivermögens. In diesem setzte sich die SED/PDS
das Ziel, das vorhandene Parteivermögen zu erhalten und wirksam gegen "Angriffe auf
das Eigentum" der Partei zu sichern, damit die Parteiarbeit in finanzieller Hinsicht für die
Zukunft gesichert sei.
2
Im Jahre 1995 setzte der Deutsche Bundestag den 2. Untersuchungsausschuss der 13.
Wahlperiode - "DDR-Vermögen" - ein (im Folgenden: 2. Untersuchungsaus- schuss).
Dieser sollte sich gemäß seines Untersuchungsauftrags (siehe dazu Bun- destags-
Drucksache 13/2483) unter anderem mit den unter I.6 bis I.10 aufgeführten Fragen
befassen:
3
"I.6 Inwieweit haben Unternehmen des Bereichs Kommerzielle Koordinie- rung - über
die Feststellungen der Berichte der Unabhängigen Kommission zur Überprüfung des
Vermögens der Parteien und Massenorganisationen der DDR (UKPV) hinaus - bei der
Veruntreuung von Vermögenswerten die Ver- bindung zu Unternehmen und Personen
von kommunistischen Parteien, die mit der SED/PDS wirtschaftlich zusammengewirkt
haben, genutzt?
4
I.7 Inwieweit wurden Mitglieder der PDS oder dieser Partei nahestehende Personen -
über die Feststellung der Berichte der UKPV hinaus - vor dem 3. Oktober 1990 von der
SED/PDS durch Vermögensverschiebungen finanziell unterstützt, um sich wirtschaftlich
betätigen zu können?
5
I.8 Welche Vermögensverschiebungen und Manipulationen von Bilanzen der
Unternehmen der DDR sind durch das Zusammenwirken "alter Seilschaf- ten" und
westlicher Geschäftspartner erfolgt, und wer hat davon profitiert?
6
I.9 Welche Maßnahmen haben Bundesregierung, Treuhandanstalt und andere
staatliche Stellen des Bundes zur Wiederbeschaffung veruntreuter Vermögenswerte
ergriffen?
7
I.10 Haben Kreditinstitute innerhalb und außerhalb der DDR bei Vermö-
gensveruntreuungen von Unternehmen und Personen der DDR eine Rolle ge- spielt
und wenn ja, welche?"
8
Unter dem 10.09.1996 beantragten die Mitglieder der CDU/CSU- und der FDP- Fraktion
im 2. Untersuchungsausschuss, dass durch die Vernehmung der Klägerin als Zeugin
zum Untersuchungsauftrag des 2. Untersuchungsausschusses Beweis erhoben werden
solle. Dies wurde damit begründet, dass die Klägerin als Mitglied des Präsidiums des
Parteivorstandes der SED/PDS in die Überlegungen und Aktivi- täten zur Sicherung des
Vermögens dieser Partei eingebunden gewesen sei. Eine dieser Aktivitäten sei der so
genannte "Putnik-Deal" gewesen. Bei diesem hatten un- ter anderem für die
Parteifinanzen und das Finanzwesen der PDS Verantwortliche im Jahre 1990 den
Versuch unternommen, Vermögen der SED/PDS über die Beglei- chung fingierter
Forderungen eines sowjetrussisch-venezolanischen Unternehmens namens "Putnik"
ins Ausland zu verbringen. Die Vernehmung der Klägerin sollte "ü- ber den Umfang und
die Art und Weise der vor dem 03.10.1990 durch die SED/PDS erfolgten
Vermögensverschiebungen Aufschluss geben (I.7 und I.10 des Untersu-
chungsauftrages)". Am 26.09.1996 beschloss der 2. Untersuchungsausschuss, die
Klägerin als Zeugin zu vernehmen. Die Klägerin sollte als ehemaliges Mitglied des
Präsidiums des Parteivorstandes der SED/PDS zu den Themenkomplexen I.7 und I.10
des Untersuchungsauftrags befragt werden.
9
Die Vernehmung der Klägerin fand in der 81. Sitzung des 2. Untersuchungsaus-
schusses am 09.10.1997 statt. Vor Beginn ihrer Vernehmung zur Sache erklärte die
Klägerin, dass sie von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht gemäß § 55 Strafprozess-
ordnung (StPO) Gebrauch mache. Dazu verlas sie eine von ihr bereits am 23.05.1995
vor dem Landgericht Berlin in der Putnik-Strafsache wegen Untreue bzw. Beihilfe zur
Untreue zum Nachteil der PDS abgegebene Erklärung, mit der sie von ihrem
Auskunftsverweigerungsrecht gemäß § 55 StPO Gebrauch gemacht und in der sie die
Auskunftsverweigerung begründet hatte, sowie die dazu ergangene Entschei- dung des
Gerichts. Die Erklärung hatte unter anderem den folgenden Wortlaut:
10
"Den Angeklagten wird förmlich vorgeworfen, der PDS Geld entzogen zu haben, was
als Untreue strafbar ist. Der eigentliche Vorwurf aber lautet, ver- sucht zu haben, das
Geld für die PDS zu retten, was ich politisch und mora- lisch kritisieren kann, was aber
nicht strafbar wäre... Trotz dieser Bedenken habe ich bei der ersten Verhandlung vor
dem Landgericht Berlin ausgesagt. Damals war ich davon überzeugt, dazu verpflichtet
zu sein. Inzwischen hat sich jedoch die Ermittlungs- und Anklagetätigkeit der
Staatsanwaltschaft ver- ändert, und außerdem liegt das Urteil des Bundesgerichtshofs in
dieser Sache vor. Bedenklich stimmt mich das Urteil des Bundesgerichtshofs in dieser
Sa- che. Aus ihm habe ich zwei für mich als damaligem Leitungsmitglied der PDS
gewichtige Umstände entnommen. Zum einen konstruiert der Bundesgerichts- hof aus
den Beschlüssen des außerordentlichen Parteitags der SED im De- zember 1989 eine
verbindliche Pflicht auch für mich, nicht nur mich solcher Handlungen, wie sie den
Angeklagten vorgeworfen werden, zu enthalten, sondern alles zu tun, um solche zu
verhindern. Ich kann deshalb nicht aus- schließen, dass ich durch wahrheitsgemäße
Aussagen ein Unterlassen ein- räumen müsste, das zu strafrechtlichen Ermittlungen
führen könnte. Zum an- deren will der Bundesgerichtshof aufgeklärt wissen, ob sich die
Situation der PDS vom Dezember 1989 bis zum Geldtransfer durch die Angeklagten im
Herbst 1990 möglicherweise so verändert hatte, dass ihnen der Transfer zu- mindest
subjektiv nicht mehr als Untreue vorgeworfen werden kann. Sicherlich hatte sich die
Stimmung in der PDS tatsächlich geändert, da die politischen und juristischen Angriffe
auf die PDS zugenommen hatten. Mit welcher wahr- heitsgemäßen Aussage müsste ich
deshalb einräumen, zu dieser veränderten Stimmung beigetragen zu haben, diese
zumindest geduldet oder nicht konse- quent genug unterbunden zu haben, und könnte
ich mich dadurch nicht wie- derum selbst bezichtigen, zumindest in der Form des
Unterlassung? Ich kann nicht ausschließen, dass Äußerungen von mir im Jahre 1990
von den Ange- klagten als Animierung zu entsprechendem Denken bzw. Handeln
verstanden bzw. missverstanden werden konnten. Unabhängig davon, dass ich in den
Geldtransfer der 107 Millionen DM nicht einbezogen war, muss ich aus den genannten
Gründen befürchten, mich der Gefahr eines Ermittlungsverfahrens auszusetzen, wenn
ich hier aussage. Deshalb verweigere ich gemäß § 55 StPO jegliche Aussage."
11
Das Landgericht Berlin hatte daraufhin von einer weiteren Befragung der Klägerin
abgesehen. Zur Begründung hatte es ausgeführt, auch das Ermittlungsverfahren 22 Js
330/90 der Staatsanwaltschaft II bei dem Landgericht Berlin (das so genannte
"Belvedere-Verfahren") richte sich wegen des Vorwurfs der Untreue zum Nachteil der
Belvedere Hotel GmbH im Zusammenhang mit der Sicherung des Vermögens der PDS
gegen "Verantwortliche der PDS" und "unbekannte Verantwortliche der PDS". Aufgrund
ihrer Stellung als Mitglied des Vorstandes und des Präsidiums der PDS seit Dezember
1989 und insbesondere als stellvertretende Parteivorsitzende der PDS von Juni 1990
bis Dezember 1991, also auch im Anklagezeitraum, sei die Klägerin zu dem Kreis der
Verantwortlichen der PDS zu zählen. Angaben zur Behandlung des Parteivermögens
der PDS in dem vorliegenden Verfahren könnten daher zu ihrer namentlichen
Einbeziehung in das Belvedere-Verfahren führen. Auch wenn die Klägerin angebe,
aufgrund der Aufgabentrennung innerhalb des Präsidiums in den Geldtransfer von 107
Millionen DM nicht einbezogen gewesen zu sein, so schließe diese Aufgabentrennung
eine allgemeine Absprache oder Mitwisserschaft innerhalb des Präsidiums über die
Sicherung des Parteivermögens nicht aus. Die Aussage der Klägerin lasse sich nicht in
einen das Belvedere-Verfahren betreffenden und einen das Putnik-Verfahren
betreffenden Teil aufspalten. Es gehe in beiden Fällen um die Sicherung des
Parteivermögens der PDS im Jahre 1990.
12
Die Angeklagten im Putnik-Verfahren wurden durch Urteil des Landgerichts Berlin vom
20.06.1995 freigesprochen. Das Urteil wurde rechtskräftig.
13
Der Vorsitzende des Vorstandes und des Präsidiums der PDS im Jahre 1990, H. ,
wurde am 30.08.1996 durch die Staatsanwaltschaft II bei dem Landgericht Ber- lin in
dem Belvedere-Ermittlungsverfahren als Zeuge vernommen. Die Staatsan- waltschaft
hatte ihm zuvor unter dem 20.06.1996 betreffend das "Ermittlungsverfahren gegen H1 u.
a. wegen Untreue zum Nachteil der Belvedere Hotel GmbH" mitgeteilt, dass das
Verfahren weiterhin gegen unbekannte Verantwortliche der PDS und darüber hinaus
noch gegen 14 weitere, namentlich benannte Beschuldigte geführt werde. Nach dem
bisherigen Ergebnis der Ermittlungen lägen keinerlei Anhaltspunkte dafür vor, dass H.
im Zusammenhang mit den verfahrensgegenständlichen Vorwürfen der Gefahr
unterliege, wegen einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit verfolgt zu werden.
Während seiner staatsanwaltschaftlichen Vernehmung bekundete H. unter anderem,
dass es mit Sicherheit keine Weisungen des Präsidiums oder des Vorstan- des der PDS
gegeben habe, Geld auf Konten ausländischer Firmen oder Einrich- tungen zu
überweisen.
14
Die Klägerin schloss ihre Erklärung vor dem 2. Untersuchungsausschuss mit dem
Hinweis, dass das Strafverfahren gegen unbekannte Verantwortliche der PDS im
Belvedere-Verfahren bei der Staatsanwaltschaft II bei dem Landgericht Berlin nach wie
vor laufe. Insofern habe sich an der Sach- und Rechtslage im Vergleich zum Mai 1995
nichts geändert.
15
Daraufhin führte der Vorsitzende des 2. Untersuchungsausschusses gegenüber der
Klägerin aus, dass ihr möglicherweise ein Aussageverweigerungsrecht zu dem
Belvedere-Verfahren zustehe. Ein Aussageverweigerungsrecht im Hinblick auf den
Putnik-Deal bezogene Fragen könne hingegen nicht bestehen, da das diesbezügliche
Strafverfahren mit einem Freispruch für die Angeklagten geendet sei. Er stellte der
Klägerin, die erklärte, gleichwohl bei ihrer Aussageverweigerung zum Fall Putnik zu
bleiben, mehrere Fragen und fragte sie jeweils, ob sie von ihrem
Aussageverweigerungsrecht gemäß § 55 StPO Gebrauch mache. Die Fragen lau- teten:
16
"Wann haben Sie zum ersten Mal gehört, dass an die Firma Putnik Gelder von der PDS
gezahlt worden sind?".
17
"Haben Sie an einer Sitzung teilgenommen, in der es um dieses Problem der
Weitergabe von Geldern an die Firma Putnik ging?"
18
"Ist Ihnen bekannt, dass die PDS bzw. SED/PDS Gelder ausgereicht hat an Personen,
die damit Gesellschaften gegründet haben und die Gesellschaftsanteile anschließend
treuhänderisch für die PDS gehalten haben?"
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Die Klägerin verweigerte jeweils gemäß § 55 StPO die Aussage.
20
Der 2. Untersuchungsausschuss beschloss sodann, der Klägerin die durch die
Verweigerung des Zeugnisses entstandenen Kosten aufzuerlegen. Außerdem setzte er
gegen sie gemäß § 70 StPO ein Ordnungsgeld in Höhe von 500,- DM fest. In den
schriftlichen Beschlussgründen heißt es, dass der Ausschuss der Klägerin ein
Auskunftsverweigerungsrecht gemäß § 55 StPO im Hinblick auf das Belvedere-
21
Ermittlungsverfahren zugebilligt habe. Insoweit könne nicht ausgeschlossen werden,
dass sie sich durch Beantwortung von Fragen zu Aktivitäten des PDS- Parteivorstandes
zur Sicherung des Vermögens der PDS/SED der Gefahr der Strafverfolgung aussetzen
könne. Eine solche Gefahr habe der Ausschuss dagegen bezüglich des Putnik-
Verfahrens nicht feststellen können. Die Klägerin habe nicht dargelegt, inwieweit sie
sich mangels Vorliegens einer rechtswidrigen Tat durch Beantwortung von Fragen zum
Putnik-Verfahren der Gefahr der Strafverfolgung aussetzen würde, zumal das
Landgericht Berlin rechtskräftig festgestellt habe, dass die dem Putnik-Verfahren
zugrunde liegenden Handlungen keine rechtswidrigen Taten darstellten.
Am 16.10.1997 erhob die Klägerin gegen den Kostenauferlegungs- und
Ordnungsgeldbeschluss beim Landgericht Bonn Beschwerde. Zur Begründung trug sie
vor, einem Untersuchungsausschuss ständen die Befugnisse des § 70 StPO nicht zu.
Außerdem habe sie zu Recht von ihrem umfassenden Zeugnisverweigerungsrecht
gemäß § 55 StPO Gebrauch gemacht. Diesbezüglich verweist sie zunächst auf ihre
Erklärung vom 09.10.1997 sowie auf den Inhalt der Akten des 2.
Untersuchungsausschusses. Darüber hinaus habe sich der 2. Untersuchungsausschuss
gemäß seines Untersuchungsauftrags die Aufgabe auferlegt, sich ein umfassendes Bild
über die Verschiebung und Veruntreuung von Vermögenswerten und andere
vermögensrelevante Manipulationen im Zusammenhang mit Aktivitäten der SED/PDS,
insbesondere auch zur Sicherung von Vermögenswerten dieser Partei, zu verschaffen.
Dazu habe auch die Vernehmung von Zeugen dienen sollen. Jede Frage der Mitglieder
des Untersu- chungsausschusses und jede Antwort darauf hätten also den Sinn eines
Bausteines zur Erstellung eines Gesamtbildes, dies auch hinsichtlich eventueller
Strafbarkeiten von Personen. Dabei sei aber dem Zeugen nicht sofort die Bedeutung der
Frage und deren intendierter Gesamtzusammenhang erkennbar, ebensowenig dann die
Bedeu- tung und der Zusammenhang der einzelnen Antwort. Gerade angesichts der
Punkte I.6 bis I.10 des Untersuchungsauftrags könne sich dem
Untersuchungsausschuss - und damit auch den Ermittlungsbehörden - die Möglichkeit
eröffnen, bei Auskunftsverweigerung eines Zeugen nach § 55 StPO hinsichtlich nur
einzelner Fragen aufgrund der bisherigen von ihm gegebenen Antworten auf eine
eventuelle Strafbarkeit zu schließen und ein Ermittlungsverfahren gegen den Zeugen
einzuleiten. Der 2. Untersuchungsausschuss habe die von ihm geladenen Zeugen
lediglich über den gesamten Untersuchungsauftrag, nicht jedoch über das konkrete
Beweisthema informiert. Den Zeugen seien die bisherigen Ermittlungen des 2.
Untersuchungsausschusses nicht bekannt, damit ebensowenig die zum 2. Un-
tersuchungsausschuss gehörenden Vorgänge, zu denen der 2. Untersuchungsaus-
schuss weiterhin ermittele und die auch für eine eventuelle Strafverfolgung der Klägerin
relevant sein könnten. Der Freispruch der Angeklagten in dem Putnik- Verfahren
hindere eine strafrechtliche Verfolgung anderer Personen wegen einer eigenständigen
Strafbarkeit keineswegs. Diese Möglichkeit ergebe sich eindeutig aus dem Abschnitt III.
der Urteilsbegründung des Landgerichts Berlin, das auf die Zusammenhänge zwischen
dem Putnik-Deal und dem Belvedere-Verfahren verweise. Die Sache "Belvedere-Hotel-
GmbH" sei auch nur einer der Vorgänge, der inzwischen zu dem Untersuchungsauftrag
des 2. Untersuchungsausschusses gehöre. Weitere, ähnliche Vorgänge würden
ebenfalls von dem 2. Untersuchungsausschuss verfolgt, seien der Klägerin aber konkret
unbekannt.
22
Der Vorsitzende des 2. Untersuchungsausschusses rügte für den Deutschen Bundestag
gegenüber dem Landgericht Bonn die Zulässigkeit des Rechtsweges, da seiner
Auffassung nach für das Begehren der Klägerin der Verwaltungsrechtsweg eröffnet sei.
23
Mit Beschluss vom 15.12.1997 stellte das Landgericht Bonn fest, dass der Rechtsweg
zu den ordentlichen Gerichten gegeben sei. Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten
hob das Oberlandesgericht Köln mit Beschluss vom 25.02.1998 den Beschluss des
Landgerichts Bonn vom 15.12.1997 auf und verwies den Rechtsstreit an das
Verwaltungsgericht Köln.
Die Akten des an das Verwaltungsgericht Köln verwiesenen Rechtsstreits sind am
02.04.1998 bei diesem eingegangen.
24
Die Klägerin verweist dort zur Begründung ihrer Klage zunächst auf ihre aktive Rolle im
Parteivorstand der PDS zur Wendezeit. Sie habe zu einem von vornherein
verantwortlichen Personenkreis gehört, auf den die Fragen des Vorsitzenden des 2.
Untersuchungsausschusses nach eigenem Bekunden abgezielt hätten. Aus dem
Untersuchungsauftrag und der Auffassung der Mehrheit der Mitglieder des 2.
Untersuchungsausschusses gehe hervor, dass es dem 2. Untersuchungsausschuss um
eine umfassende Aufklärung auch strafrechtlich relevanter Verhaltensweisen beteiligter
Personen und ihrer Institutionen, zum Beispiel Parteien, gegangen sei. Dabei seien
keine konkreten Beweisthemen formuliert worden, sondern lediglich der umfassende,
sehr weit und allgemein gehaltene Untersuchungsauftrag. Dieser stelle sich den
Zeugen so dar, dass ein - auch - strafrechtlich relevantes Beziehungsgeflecht zwischen
den beteiligten Parteien, Institutionen und Personen aufgehellt und durchschaubarer
gemacht werden solle, und zwar durchaus in dem Sinne, das Geschehen einer
strafrechtlichen Klärung zuzuführen und die hauptverantwortlichen Personen
strafrechtlich zu belangen. Dabei sei auch das Urteil des Bundesgerichtshofes in der
Putnik-Strafsache von Bedeutung, wonach selbst Stimmungsveränderungen bzw. die
Verantwortung für solche Stimmungs- veränderungen strafrechtlich bedeutsam seien.
Es sei unwahrscheinlich, dass der 2. Untersuchungsausschuss, der das gesamte
Beziehungsgeflecht seines Untersu- chungsauftrages ermitteln solle, derartige
Veränderungen außer Acht lassen wolle.
25
Da aufgrund der Weite des Untersuchungsauftrages keinem der Zeugen klar geworden
sei, mit welchen Fragen er zu rechnen habe, habe sich für die Klägerin die ganz
konkrete Möglichkeit ergeben, dass jede Frage einen Teil eines gesamten
Beziehungsgeflechtes aufklären solle und deshalb nur ein Mosaiksteinchen in einem
Gesamtbild darstelle. Es habe sich nirgendwo ein Hinweis darauf ergeben, dass
bestimmte Komplexe eines Gesamtzusammenhanges getrennt werden sollten. Der
Untersuchungsausschuss - so seine Darstellung - habe mit allen verfügbaren
rechtlichen Mitteln ein Gesamtbild erstellen und dabei durchaus auch strafrechtlich
relevante Geschehnisse und Taten aufdecken sollen. Gerade für diese Situation habe
das Landgericht Berlin für verschiedene Zeugen eine solche Gefahr strafrechtlicher
Ermittlungen gegen sie gesehen, dass es ihnen ein umfassendes
Zeugnisverweigerungsrecht nach § 55 StPO zubilligte, und zwar bereits vor jeder
konkreten Frage.
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Für die Klägerin habe als wesentliche Verantwortliche der PDS für bestimmte
Beschlüsse und deren Umsetzung in der PDS eine Situation bestanden, dass sie von
einer grundsätzlichen Verdächtigung ihrer Person für strafbare Handlungen habe
ausgehen müssen. Habe sie des Weiteren davon ausgehen müssen, dass der 2.
Untersuchungsausschuss auch die Aufgabe gehabt habe, ein Gesamtbild der
strafrechtlich relevanten Geschehnisse zu erstellen und bei der Untersuchung jede
einzelne Frage nur ein Mosaiksteinchen in einem Gesamtbild darstellen solle, so habe
27
sie sich von vornherein in der problematischen Situation befunden, sich auf eine
Untersuchung ihres möglicherweise strafbaren Verhaltens einstellen zu müssen, ohne
dies jedoch angesichts des ganz allgemein gehaltenen Untersuchungsauftrages
ausreichend erkennen zu können. Weil sie die Aktenlage, die weiteren Untersuchungen
und die entsprechenden Verdächtigungen auch gegen ihre Person gar nicht gekannt
habe, sei es ihr kaum möglich gewesen, genau den Zeitpunkt zu bestimmen, an dem sie
weitere Fragen hätte ablehnen sollen.
Das strafrechtlich relevante Verhalten von verantwortlichen Personen habe sich vor dem
Hintergrund des umfassenden Untersuchungsauftrages keineswegs auf die beiden
Fälle des Putnik-Deals und des Belvedere-Verfahrens beschränkt, sondern auf
mögliches strafbares Verhalten im Hinblick auf Vermögensverschiebungen überhaupt.
Insofern habe die Klägerin nicht bloß als Zeugin vor dem 2. Untersuchungsausschuss
gestanden, sondern als grundsätzlich verantwortliche Person für
Vermögensverschiebungen. Dabei sei es völlig irrelevant, in welchem Umfang
Personen bereits bestraft worden seien. Unterstelle man die Möglichkeit, dass
Untersuchungsausschüsse auch aus politischen Gründen immer mehr dazu neigten,
Zeugen in die Ecke zu drängen, um sie schließlich strafrechtlich verfolgen zu lassen,
ergebe sich daraus das berechtigte Misstrauen, auch der Klägerin als Zeugin,
gegenüber der Meinung des 2. Untersuchungsausschusses, es könne kein strafrechtlich
relevantes Verhalten der Klägerin mehr vorliegen.
28
Schließlich sei nicht ersichtlich, dass sich Ermittlungsrichtung und -gegenstand im
Belvedere-Verfahren selbst so geändert hätten, dass die Klägerin anders als noch 1995
keine Strafverfolgung mehr zu befürchten gehabt habe. Eine Gefahr der Strafverfolgung
sei ferner selbst dann nicht ausgeräumt, wenn die Ermittlungen sich zum Zeitpunkt der
Vernehmung der Klägerin vor dem 2. Untersuchungsausschuss nur noch gegen
Verantwortliche der Belvedere Hotel GmbH gerichtet hätten. Eine Gewissheit, dass die
Ermittlungen nicht wieder in die alte Richtung gehen würden, habe es nicht gegeben.
Jedenfalls habe die Klägerin keine Kenntnis von einer Konkretisierung der
Ermittlungstätigkeit gehabt. Sie habe im Zeitpunkt ihrer Vernehmung keinerlei
Anhaltspunkte dafür gehabt, dass das Verfahren nicht mehr gegen Verantwortliche und
unbekannte Verantwortliche der PDS geführt werde. Insbesondere sei sie vom 2.
Untersuchungsausschuss nicht auf diesen Umstand hingewiesen worden. Das sei
insofern von Bedeutung, als Maßnahmen nach § 70 StPO nur ergriffen werden dürften,
wenn der Verstoß gegen die Zeugenpflicht schuldhaft erfolge.
29
In der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin den mit Schriftsatz vom 21.02.2002
gestellten Antrag festzustellen, dass ihr gegenüber dem 2. Untersuchungsausschuss
des 13. Deutschen Bundestages ein Zeugnisverweigerungsrecht zustand,
zurückgenommen.
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Die Klägerin beantragt,
31
den Beschluss des 2. Untersuchungsausschusses des 13. Deutschen Bundestages in
seiner Sitzung vom 09. Oktober 1997 aufzuheben.
32
Die Beklagte beantragt,
33
die Klage abzuweisen.
34
Sie trägt vor, die am 02.04.1998 beim Verwaltungsgericht Köln eingegangene Klage sei
unzulässig. Die Frist des § 74 Abs. 1 Satz 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) sei
versäumt worden. § 17 b Abs. 1 Satz 2 Gerichtsverfassungsgsestz (GVG) finde keine
Anwendung, da die Klägerin schuldhaft das sachlich unzuständige Landgericht Bonn
angerufen habe.
35
Die Klage sei auch nicht begründet. Der Ordnungsgeld- und
Kostenauferlegungsbeschluss sei materiell rechtmäßig. Im
Untersuchungsausschussverfahren sei zunächst daran zu denken, eine
uneingeschränkte Auskunftspflicht des Zeugen anzunehmen. Diese sei im Sinne einer
"Beweisverbotslösung" durch ein entsprechendes Beweisverwertungsverbot im
Strafprozess zu flankieren. Dazu sei die Rechtsprechung des Bun-
desverfassungsgerichts zur Auskunftspflicht des Gemeinschuldners im
Konkursverfahren heranzuziehen. Da dieser einer der wichtigsten Informationsträger im
Konkursverfahren sei, auf dessen Auskünfte die Gläubiger und die Verfahrensorgane
zur ordnungsgemäßen Abwicklung des Konkurses angewiesen seien, sei er
uneingeschränkt auskunftspflichtig. Diesen Ansatz habe der Gesetzgeber nunmehr in §
97 Abs. 1 Insolvenzordnung (InsO) übernommen. Er sei durch den Bundesgerichtshof
ferner auf die eidesstattliche Versicherung im Vollstreckungsverfahren gemäß § 807
Zivilprozessordnung (ZPO) ausgedehnt worden. Diese Rechtsprechung könne auf das
parlamentarische Untersuchungsausschussverfahren übertragen werden.
36
Darüber hinaus habe die Klägerin sich nicht auf ein umfassendes
Zeugnisverweigerungsrecht gemäß § 55 StPO berufen können. Sie habe schon die
erste Frage des Vorsitzenden des 2. Untersuchungsausschusses beantworten können,
ohne sich der Gefahr einer Strafverfolgung auszusetzen. Dies ergebe sich bereits aus
der Erklärung der Klägerin selbst, in den Geldtransfer der 107 Millionen DM nicht
einbezogen gewesen zu sein. Außerdem wäre ein Vermögensschaden bereits
eingetreten gewesen, wenn die Klägerin hiervon Kenntnis erlangt habe. Sie habe sich
also nicht einmal wegen Strafvereitelung strafbar machen können. Im Übrigen sei der
Geldtransfer in Sachen Putnik-Deal ohnehin nicht strafbar gewesen. Der Beschluss des
Parteivorstandes der SED/PDS vom 21.12.1989 in Verbindung mit dem Beschluss des
außerordentlichen Parteitages vom 17.12.1989 habe den maßgeblichen Grund dafür
gebildet, dass sich Verantwortliche der PDS durch die Veranlassung einer Überweisung
von rund 107 Millionen DM auf das Konto der Firma Putnik nicht wegen Untreue zum
Nachteil der PDS strafbar gemacht hätten. Dies ergebe sich auch aus den
Ausführungen im Urteil des Landgerichts Berlin im Putnik-Verfahren vom 20.06.1995.
Zum Zeitpunkt der Vernehmung der Klägerin vor dem 2. Untersuchungsausschuss sei
deshalb eine Strafverfolgung in Sachen Putnik- Deal nicht mehr betrieben worden und
auch nicht zu befürchten gewesen, dass eine Beantwortung der Frage des Vorsitzenden
des 2. Untersuchungsausschusses zur Wiederaufnahme der Ermittlungen gegen
Verantwortliche der PDS, darunter die Klägerin, hätte führen können.
37
Es seien auch keinerlei objektive Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die
Beantwortung der in Rede stehenden Fragen über Zahlungen von Geldern der PDS an
die Firma Putnik zu einer Einbeziehung der Klägerin in das seinerzeit noch laufende
Verfahren in Sachen Belvedere Hotel GmbH hätten führen können, weil insoweit gar
kein sachlicher Zusammenhang bestehe. Die Hingabe des Darlehens in Höhe von 66
Millionen Mark an die Belvedere Hotel GmbH sei überdies von dem Beschluss des
außerordentlichen Parteitages der SED/PDS vom 17.12.1989 gedeckt gewesen. Eine
Strafbarkeit der Verantwortlichen der PDS wegen Untreue habe insoweit also schon aus
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tatsächlichen Gründen nicht in Betracht kommen können. Es sei nicht ersichtlich, wie
sich durch eine eventuelle Kenntnis der Klägerin über die Zahlung von Geldern an die
Firma Putnik eine strafrechtlich relevante Teilnahme an den einzelnen Tatkomplexen
des Belvedere-Verfahrens ergeben solle.
Aus denselben Gründen habe die Klägerin auch die zweite und dritte Frage des
Vorsitzenden des 2. Untersuchungsausschusses beantworten können, ohne sich der
Gefahr der Strafverfolgung auszusetzen.
39
Schließlich sei die Vernehmungssituation vor dem 2. Untersuchungsausschuss mit der
vor dem Landgericht Berlin im Jahre 1995 nicht vergleichbar. Die Situation und
Beurteilungsgrundlage habe sich seit 1995 grundlegend verändert. Da das Putnik-
Verfahren mit einem Freispruch der Angeklagten vom Vorwurf der Untreue beendet
worden sei, sei eine Strafverfolgung der Klägerin in diesem Zusammenhang zum
Zeitpunkt der Vernehmung nicht mehr zu erwarten gewesen. Im Hinblick auf das
Belvedere-Verfahren habe sich zum Zeitpunkt der Vernehmung vor dem 2.
Untersuchungsausschuss die Ermittlungsrichtung und auch der Ermittlungsgegenstand
soweit konkretisiert, dass nur noch finanzielle Transaktionen der Belvedere Hotel GmbH
Gegenstand der Untersuchungen gewesen seien, die sich auch deshalb nur noch
gegen Verantwortliche der Belvedere Hotel GmbH (und deren Geschäfts- bzw.
Verhandlungspartner) gerichtet hätten. Ein strafrechtlich relevanter Zusammenhang
zwischen diesen Tatkomplexen und den Themen der vom 2. Untersuchungsausschuss
gestellten Fragen sei allerdings nicht festzustellen.
40
Der Umfang der Untersuchungsauftrages an den 2. Untersuchungsausschuss allein
biete keinen Anlass für eine besondere Handhabung des
Auskunftsverweigerungsrechts. Insoweit bestehe kein qualitativer Unterschied etwa zu
komplexen strafgerichtlichen Umfangverfahren. Auch in solchen Verfahren sei
Voraussetzung eines umfassenden Auskunftsverweigerungsrechts ein konkreter, durch
Tatsachen gestützter Zusammenhang zwischen Vernehmungsgegenstand und
(eventuell) belastender Beweislage. Wollte man Zeugen in parlamentarischen
Untersuchungsausschussverfahren gleichsam in generalisierender, pauschaler Sicht
ein umfassendes Auskunftsverweigerungsrecht einräumen, so wäre damit für Zeugen
ein Verfahrensstatus geschaffen, der weit über das hinaus gehe, was bisher unter dem
Stichwort "Betroffenenrechte" erörtert und zuerkannt worden sei.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streistandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakte und auf die von der Beklagten übersandten Akten des 2.
Untersuchungsausschusses in der 13. Wahlperiode (Ordner Nr. 446 - 453, Ordner "MAT
B 87" betreffend das Verfahren "Belvedere Hotel GmbH" der Staatsanwaltschaft II bei
dem Landgericht Berlin (22 Js 330/90), Ordner Nr. 230 - 257 betreffend das Verfahren
"Putnik-Deal"der Staatsanwaltschaft II bei dem Landgericht Berlin (22 Js 328/90)) Bezug
genommen.
42
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
43
Soweit die Klägerin die Klage zurückgenommen hat, ist das Verfahren entsprechend §
92 Abs. 3 Satz 1 VwGO einzustellen.
44
Im Übrigen ist die Klage zulässig, aber unbegründet.
45
Statthafte Klageart ist die Anfechtungsklage, da der Beschluss des 2.
Untersuchungsausschusses vom 09.10.1997 als Maßnahme des Zeugniszwangs einen
Verwaltungsakt im Sinne von § 35 Satz 1 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG)
darstellt.
46
Vgl. dazu Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen (OVG NRW), Urteil
vom 24.03.1998 - 5 A 216/95 - , S. 12 des amtlichen Umdrucks.
47
Die Klagefrist des § 74 Abs. 1 Satz 2 VwGO ist gewahrt worden. Danach muss die
Klage innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsaktes erhoben
werden, wenn ein Widerspruchsbescheid nach § 68 VwGO nicht erforderlich ist.
Vorliegend war ein Widerspruchsbescheid entsprechend § 68 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 VwGO
nicht erforderlich.
48
Vgl. Verwaltungsgericht Köln, Urteil vom 21.09.1994 - 23 K 8011/93 - , S. 9 f. des
amtlichen Umdrucks.
49
Die Einlegung der Beschwerde gegen den Beschluss des 2.
Untersuchungsausschusses vom 09.10.1997 beim Landgericht Bonn am 16.10.1997
erfolgte innerhalb der Monatsfrist des § 74 Abs. 1 Satz 2 VwGO. Obwohl das
Landgericht Bonn das sachlich unzuständige Gericht war, wurde durch die
Beschwerdeeinlegung die Klagefrist auch hinsichtlich des verwaltungsgerichtlichen
Verfahrens eingehalten. Gemäß § 17 b Abs. 1 Satz 2 GVG bleiben die Wirkungen der
Rechtshängigkeit bestehen, nachdem der Rechtsstreit an das zuständige Gericht des
zulässigen Rechtswegs verwiesen worden ist. Dies gilt auch dann, wenn die Klägerin
womöglich schuldhaft ein Gericht eines unzulässigen Rechtswegs angeru- fen hat.
50
Vgl. OVG Koblenz, Beschluss vom 11.05.1995 - 10 A 11400/95 - , NVwZ- RR 1996,
181; Kopp/Schenke, VwGO, 12. Auflage 2000, § 74 Rn. 8 und § 83 Rn. 20.
51
Überdies lässt sich von einer schuldhaften Anrufung eines unzuständigen Gerichts
durch die Klägerin nicht sprechen, weil das Landgericht Bonn den Rechtsweg zu den
ordentlichen Gerichten als gegeben ansah und die klägerische Auffassung insoweit von
einem Kollegialgericht geteilt wurde.
52
Die angefochtene Maßnahme hat sich nicht zwischenzeitlich erledigt, weil der 2.
Untersuchungsausschuss mit Ablauf der 13. Wahlperiode des Deutschen Bundestages
seine Arbeit beendet hat. Aus dem Grundsatz der Diskontinuität ergeben sich keine
Auswirkungen auf die Zulässigkeit der Klage. Die Verhängung des Ordnungsgeldes
sowie die Auferlegung der Sitzungskosten maßregeln im Vorfeld von
Beugemaßnahmen das Verhalten der Klägerin in der Ausschusssitzung vom
09.10.1997 und beschweren sie nach wie vor.
53
Vgl. OVG NRW, Urteil vom 24.03.1998 - 5 A 216/95 - , S. 12 des amtlichen Umdrucks;
OVG NRW, Urteil vom 24.03.1998 - 5 A 239/95 - , S. 10 des amtlichen Umdrucks.
54
Die Klage ist jedoch unbegründet.
55
Der Beschluss des 2. Untersuchungsausschusses vom 09.10.1997 ist rechtmäßig und
verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
56
Maßgebliche Sach- und Rechtslage für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des
Beschlusses vom 09.10.1997 ist die im Zeitpunkt seines Erlasses geltende. Das Gesetz
zur Regelung des Rechts der Untersuchungsausschüsse des Deutschen Bundestages
(Untersuchungsausschussgesetz - PUAG) vom 19.06.2001 (BGBl. I S. 1142) bleibt
daher außer Betracht.
57
Ermächtigungsgrundlage für die Auferlegung der Kosten und die Verhängung des
Ordnungsgeldes ist nach dem Vorstehenden Art. 44 Abs. 2 Satz 1 Grundgesetz (GG) in
Verbindung mit § 70 Abs. 1 StPO. Gemäß Art. 44 Abs. 2 Satz 1 GG finden auf
Beweiserhebungen eines Untersuchungsausschusses die Vorschriften über den
Strafprozess sinngemäß Anwendung. Dazu zählt auch die Befugnis, Maßnahmen des
Zeugniszwanges nach § 70 Abs. 1 StPO zu ergreifen. Der Untersuchungsausschuss als
die die Ermittlungen führende Stelle ist in sinngemäßer Anwendung von § 70 Abs. 1, §
161 a Abs. 2 StPO selbst berechtigt, dem Zeugen, der das Zeugnis ohne gesetzlichen
Grund verweigert, die hierdurch verursachten Kosten aufzuerlegen und gegen ihn ein
Ordnungsgeld festzusetzen.
58
Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Beschluss vom 01.10.1987 - 2 BvR 1165/86 - ,
BVerfGE 76, 363, 385.
59
Der Beschluss vom 09.10.1997 ist formell und materiell rechtmäßig.
60
Die Voraussetzungen des Art. 44 Abs. 2 Satz 1 GG in Verbindung mit § 70 Abs. 1 StPO
für die Auferlegung von Kosten und die Verhängung eines Ordnungsgeldes liegen vor.
61
Nach § 70 Abs. 1 Satz 1 StPO werden einem Zeugen, der das Zeugnis ohne
gesetzlichen Grund verweigert, die durch die Weigerung entstandenen Kosten auferlegt.
Zugleich wird gegen ihn gemäß § 70 Abs. 1 Satz 2 StPO ein Ordnungsgeld und für den
Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, Ordnungshaft festgesetzt. Ein
Ordnungsgeld darf zudem gegen einen Zeugen nur verhängt werden, wenn er
schuldhaft gegen die Zeugenpflicht verstoßen hat.
62
BGH, Beschluss vom 13.10.1995 - StB 71/95 - , juris; BGH, Beschluss vom 28.12.1978 -
StB 235/78 - , BGHSt 28, 240, 259.
63
Der Klägerin stand für die Verweigerung des Zeugnisses in der 81. Sitzung des 2.
Untersuchungsausschusses am 09.10.1997 kein gesetzlicher Grund zur Seite. Sie war
nicht entsprechend § 55 Abs. 1 StPO zu einer umfassenden Aussageverweigerung
berechtigt.
64
§ 55 Abs. 1 StPO findet über die Verweisung des Art. 44 Abs. 2 Satz 1 GG auch in
Verfahren vor Parlamentarischen Untersuchungsausschüssen Anwendung.
65
BVerfG, Beschluss vom 01.10.1987 - 2 BvR 1165/86 - , BVerfGE 76, 363, 387.
66
Der Auffassung der Beklagten, in parlamentarischen
Untersuchungsausschussverfahren sei eine umfassende Auskunftspflicht des Zeugen,
flankiert durch ein entsprechendes Beweisverwertungsverbot in einem gegebenenfalls
nachfolgenden Strafprozess, zu statuieren, ist nicht beizupflichten. Sie findet im
anzuwendenden Recht keine tragfähige Stütze. Der uneingeschränkte Wortlaut der
Verweisungsnorm des Art. 44 Abs. 2 Satz 1 GG erstreckt sich nicht nur auf § 55 StPO,
67
sondern auch auf weitere befugnisbegrenzende Regelungen der Strafprozessordnung,
nämlich das Zeugnisverweigerungsrecht der Angehörigen (§ 52 StPO), der
Berufsgeheimnisträger und der Berufshelfer (§ 53, § 53 a StPO) sowie auf die
Bestimmung des § 68 a StPO über die Zulässigkeit bloßstellender Fra- gen.
Vgl. BVerfG, Beschluss vom 01.10.1987 - 2 BvR 1165/86 - , BVerfGE 76, 363, 387.
68
Der von Seiten der Beklagten vorgeschlagene Weg ließe sich methodisch allenfalls
entweder durch eine restriktive Interpretation - mittels einer teleologischen Reduktion -
der Worte "sinngemäße Anwendung" in Art. 44 Abs. 2 Satz 1 GG oder durch eine
analoge Anwendung des § 97 Abs. 1 InsO im Untersuchungsausschussverfahren
beschreiten.
69
Vgl. zur Statuierung einer Auskunftspflicht des Zeugen in parlamentarischen
Untersuchungsausschussverfahren aus rechtspolitischer Sicht Kölbel/Morlok, ZRP
2000, 217, insb. 219 ff.; Danckert, ZRP 2000, 476, insb. 478 f.
70
Beide Ansätze schlagen indes fehl. Eine teleologische Reduktion einer Norm kommt in
Betracht, wenn bei buchstabengetreuer Anwendung der Norm nach dem Textsinn ihr
Anwendungsbereich auch Lebenssachverhalte erfasst, die nach dem Normzweck nicht
erfasst werden sollen, was dazu führen kann, dass der vom Gesetz verfolgte
Normzweck in sein Gegenteil verkehrt wird. Die im Gesetz fehlende Einschränkung des
Anwendungsbereiches wird dann im Wege einer richterrechtlich vorgenommenen
teleologischen Reduktion erwirkt.
71
Rüthers, Rechtstheorie, 1999, Rn. 903.
72
Art. 44 Abs. 2 Satz 1 GG bietet für die Vornahme einer teleologischen Reduktion jedoch
keinen hinreichenden Anhalt. Sein Wortlaut reicht - jedenfalls was die Zeugenrechte der
§§ 52 ff. StPO anbelangt - nicht weiter als sein Sinn und Zweck. Das Wort "sinngemäß"
soll zum Ausdruck bringen, dass die Vorschriften der StPO in parlamentarischen
Untersuchungsausschussverfahren deshalb nicht unmittelbar gelten können, weil es in
einem Untersuchungsausschussverfahren keinen Beschuldigten gibt. Ansonsten aber
soll der Zeuge vor einer Selbstbelastung und der Gefahr einer verfahrensexternen
Strafverfolgung, welche aufgrund des Informationstransfers zwischen
Untersuchungsausschuss- und strafrechtlichem Ermittlungsverfahren, der sich aufgrund
der Öffentlichkeitswirksamkeit des ersteren naheliegender Weise ergeben kann,
genauso geschützt werden. Dies ergibt sich auch daraus, dass das in § 55 StPO zum
Ausdruck kommende "nemo tenetur"- Prinzip nicht nur einfachgesetzlich, sondern auch
grundrechtlich in Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG verankert ist, was
der Untersuchungsausschuss bei der Ausgestaltung des Verfahrens zu beachten hat.
73
Vgl. BVerfG, Beschluss vom 01.10.1987 - 2 BvR 1165/86 - , BVerfGE 76, 363, 388.
74
Die Pflicht des Zeugen zur Aussage geht somit aufgrund des öffentlichen Interesses an
der Tatsachenermittlung durch den Untersuchungsausschuss nur privaten
Geheimhaltungsinteressen wie zum Beispiel denjenigen aus § 93, § 404 Aktiengesetz,
§ 85 GmbH-Gesetz vor, soweit nicht das Prozessrecht selbst diese als schützenswert
anerkennt.
75
BVerfG, Beschluss vom 01.10.1987 - 2 BvR 1165/86 - , BVerfGE 76, 363, 387.
76
Eine restriktive Auslegung des Art. 44 Abs. 2 Satz 1 GG unter Aussparung der
Zeugenrechte der §§ 52 ff. StPO liefe auch dem erklärten Willen des einfachen
Gesetzgebers vor und nach Inkrafttreten des PUAG zuwider.
77
Vgl. BT-Drucksache 14/5790, S. 18 zu § 22 PUAG.
78
Für eine analoge Anwendung des § 97 Abs. 1 InsO, der in seinem Satz 2 vorsieht, dass
der Schuldner unter anderem dem Insolvenzgericht auch Tatsachen zu offenbaren hat,
die geeignet sind, eine Verfolgung wegen einer Straftat oder einer Ordnungswidrigkeit
herbeizuführen und in seinem Satz 3 die Verwendung dieser Auskünfte ohne
Zustimmung des Schuldners in einem Straf- oder Ordnungswidrigkeitenverfahren
verbietet, besteht gleichfalls kein Raum. Es fehlt sowohl an einer planwidrigen
Regelungslücke als auch an einer hinreichenden Vergleichbarkeit des
Untersuchungsausschuss- mit dem Insolvenzverfahren.
79
Zu den Voraussetzungen eines Analogieschlusses siehe Rüthers, Rechtstheorie, 1999,
Rn. 889.
80
Die Klägerin durfte das Zeugnis jedoch nicht gestützt auf § 55 Abs. 1 StPO umfassend
verweigern. Gemäß § 55 Abs. 1 StPO kann jeder Zeuge die Auskunft auf solche Fragen
verweigern, deren Beantwortung ihm selbst oder einem in § 52 Abs. 1 StPO
bezeichneten Angehörigen die Gefahr zuziehen würde, wegen einer Straftat oder einer
Ordnungswidrigkeit verfolgt zu werden. In eine solche Gefahr geriete er dann, wenn eine
Ermittlungsbehörde aus seiner wahrheitsgemäßen Aussage Tatsachen entnehmen
könnte - nicht müsste - , die sie gemäß § 152 Abs. 2 StPO zur Einleitung eines
Ermittlungsverfahrens veranlassen könnten. Da die Schwelle eines Anfangsverdachts
im Sinne des § 152 Abs. 2 StPO niedrig liegt, ist auch das Bestehen einer
entsprechenden Gefahr bereits weit im Vorfeld einer direkten Belastung zu bejahen.
81
BVerfG, Beschluss vom 06.02.2002 - 2 BvR 1249/01 (3. Kammer) - , Strafverteidiger
2002, 177; vgl. auch BGH, Beschluss vom 13.11.1998 - StB 12/98 - , NJW 1999, 1413.
82
Ein solcher Anfangsverdacht muss sich auf zureichende tatsächliche Anhaltspunkte,
das heißt auf konkrete Tatsachen stützen, die dafür sprechen, dass gerade der zu
untersuchende Lebenssachverhalt eine Straftat enthält. Bloße, nicht durch konkrete
Umstände belegte Vermutungen oder rein denktheoretische Möglichkeiten reichen
weder für einen prozessual ausreichenden Anfangsverdacht noch für ein
Auskunftsverweigerungsrecht nach § 55 StPO aus.
83
Vgl. hierzu insgesamt BGH, Beschluss vom 01.06.1994 - 1 BJs 182/83 - , MDR 1994,
929 f. mit weiteren Nachweisen.
84
§ 55 StPO gibt dem Zeugen grundsätzlich zwar nur das Recht, die Auskunft auf einzelne
Fragen zu verweigern. Jedoch kann die gesamte in Betracht kommende Aussage des
Zeugen mit seinem möglicherweise strafbaren oder ordnungswidrigen Verhalten in
derart engem Zusammenhang stehen, dass nichts übrig bleibt, was er ohne die Gefahr
der Verfolgung einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit aussagen könnte.
85
Vgl. BGH, Beschluss vom 07.05.1987 - 1 BJs 46/96 - 5 I BGs 286/87 -, Strafverteidiger
1987, 328.
86
Dies kann insbesondere bei Fragen der Fall sein, die ein Teilstück in einem
mosaikartigen Beweisgebäude betreffen und die demzufolge mittelbar zu einer
Belastung des Zeugen beitragen können.
87
Vgl. BGH, Beschluss vom 07.05.1987 - 1 BJs 46/96 - 5 I BGs 286/87 -, Strafverteidiger
1987, 328; 329; BGH, Beschluss vom 27.06.1988 - 1 BJs 280/87 - , 6 - StB 14/88 - ,
wistra 1988, 358; BGH, Beschluss vom 16.12.1988 - 1 BJs 327/87 - 4 StB 57/88 - , NJW
1989, 2703; BGH, Beschluss vom 01.06.1994 - 1 BJs 182/83 - , MDR 1994, 929, 930;
BGH, Beschluss vom 13.11.1998 - StB 12/98 - , NJW 1999, 1413.
88
In diesen Fällen kommt das Auskunftsverweigerungsrecht im Ergebnis einem
umfassenden Zeugnisverweigerungsrecht gleich.
89
Andererseits ist das Recht des Zeugen aus § 55 Abs. 1 StPO hinsichtlich mittelbar einen
Anfangsverdacht begründenden Tatsachen nicht gegeben, wenn er etwa Angaben über
rechtskräftig abgeurteilte eigene Taten machen müsste und die Gefahr weiterer
Verfolgung zweifellos ausgeschlossen ist.
90
BVerfG, Beschluss vom 06.02.2002 - 2 BvR 1249/01 (3. Kammer) - , Strafverteidiger
2002, 177 f; BGH, Beschluss vom 13.11.1998 - StB 12/98 - , NJW 1999, 1413.
91
Die Tatsache, auf die ein Zeuge die Verweigerung des Zeugnisses gemäß § 55 Abs. 1
StPO stützt, ist gemäß § 56 Satz 1 StPO auf Verlangen glaubhaft zu machen. Dabei
dürfen Angaben über die Tat, derentwegen Verfolgungsgefahr besteht, nicht verlangt
werden; denn das wäre ohne Selbstbelastung nicht möglich. Die Glaubhaftmachung
erstreckt sich daher nur auf die Annahme des Zeugen, dass diese vorliegt.
92
Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 44. Auflage 1999, § 56 Rn. 2.
93
Gemessen an diesen Maßstäben stand der Klägerin kein zu einem umfassenden
Zeugnisverweigerungsrecht verdichtetes Auskunftsverweigerungsrecht aus § 55 Abs. 1
StPO zu. Sie hätte jedenfalls die ersten beiden ihr in der 81. Sitzung des 2.
Untersuchungsausschusses gestellten Fragen auch in Anbetracht des weitgefassten
Untersuchungsauftrages des 2. Untersuchungsausschusses wahrheitsgemäß
beantworten können, ohne dass sich gegen sie ein Anfangsverdacht im Sinne von §
152 Abs. 2 StPO im Hinblick auf eine Untreue gemäß § 266 Abs. 1 2. Alt. StGB zum
Nachteil der PDS bzw. der Teilnahme (§ 26, § 27 StGB) an einer Untreue als allein in
Betracht kommendem Straftatbestand ergeben hätte.
94
Gemäß § 266 Abs. 1 2. Alt. StGB wird bestraft, wer die ihm kraft Gesetzes, behördlichen
Auftrags, Rechtsgeschäfts oder eines Treueverhältnisses obliegende Pflicht, fremde
Vermögensinteressen wahrzunehmen, verletzt und dadurch dem, dessen
Vermögensinteressen er zu betreuen hat, Nachteil zufügt. Vorliegend müssten sich also
zunächst aus einer wahrheitsgemäßen Antwort der Klägerin zureichende tatsächliche
Anhaltspunkte dafür ergeben, dass sie eine ihr als Vorstands- und Präsidiumsmitglied
der PDS gegenüber derselben obliegende Vermögensbetreuungspflicht (durch Tun
oder Unterlassen gemäß § 13 StGB) verletzt hat oder dass sie an einer solchen
Verletzung der Vermögensbetreuungspflicht in einer die Tatbestände des § 26 StGB
oder des § 27 StGB erfüllenden Weise teilgenommen hat. Eine Pflichtwidrigkeit im
Sinne einer Untreue nach § 266 Abs. 1 2. Alt. StGB kann etwa darin gefunden werden,
95
dass Geldbeträge dem jederzeitigen Zugriff der PDS entgegen deren erklärten Zielen
sat- zungswidrig entzogen wurden.
BGH, Beschluss vom 20.10.1993 - 5 StR 635/92 - , juris = MDR 1994, 191.
96
Die Antworten auf die der Klägerin gestellten Fragen konnten aus der Sicht des
Aussagezeitpunktes am 09.10.1997 keinen Anfangsverdacht im Hinblick auf eine
Teilnahme - eine täterschaftliche Beteiligung lag offenkundig nicht vor - an einer
Untreue im Zusammenhang mit dem Putnik-Deal, der sich zwischen dem 28.08.1990
und dem 09.10.1990 abspielte, herbeiführen. Insoweit fehlte es - auch für die Klägerin
ersichtlich - an einer teilnahmefähigen vorsätzlichen und rechtswidrigen Haupttat,
nachdem die in dem Putnik-Verfahren angeklagten Personen mangels Vorliegens der
Verletzung einer Vermögensbetreuungspflicht und auch mangels Vorsatzes durch Urteil
des Landgerichts Berlin vom 20.06.1995 freigesprochen worden waren und das Urteil
rechtskräftig geworden war.
97
Selbst wenn die Klägerin weiterhin im Zuge ihrer Antworten gegenüber dem 2.
Untersuchungsausschuss hätte einräumen müssen, dass sie die den Putnik-Deal
unmittelbar durchführenden Personen zu der Vornahme der Vermögensverschiebungen
- anders als vom Landgericht Berlin festgestellt,
98
Urteil vom 20.06.1995 - (514) 22 Js 287/90 KLs (9/93) - , S. 19 des amtlichen Umdrucks:
"Allerdings wollten die Zeugen (darunter auch die Klägerin) in Details des Transfers
nicht eingeweiht werden. Sie versicherten die Angeklagten ihres Vertrauens und gaben
ihnen auf den Weg: "So genau wollen wir das nicht wissen..." . -
99
im Einzelnen bewegt und darüber im Tatzeitraum und nicht erst im Nachhinein konkret
informiert gewesen wäre, änderte dies nichts an der rechtlichen Bewertung, dass die als
teilnahmefähige Haupttaten in Betracht kommenden Handlungen den
Untreuetatbestand nicht verwirklichten. Nachdem die Staatsanwaltschaft das den
Putnik-Deal betreffende freisprechende Urteil des Landgerichts Berlin hatte rechtskräftig
werden lassen, musste die Klägerin zum Zeitpunkt ihrer Aussage vor dem 2.
Untersuchungsausschuss im Oktober 1997 nicht mehr befürchten, sich insoweit der
Gefahr der Strafverfolgung auszusetzen.
100
Die Klägerin kann ein umfassendes Zeugnisverweigerungsrecht auch nicht darauf
stützen, dass sie sich durch die Beantwortung der ihr gestellten Fragen der Gefahr der
Strafverfolgung im Hinblick auf das Belvedere-Verfahren hätte aussetzen können.
101
Dies ergibt sich bereits daraus, dass jedenfalls die ersten beiden an die Klägerin
gerichteten Fragen zumindest nicht unmittelbar den Belvedere-Themenkomplex
berührten und nach der Äußerung des Vorsitzenden des 2. Untersuchungsausschusses,
dass der Klägerin diesbezüglich möglicherweise ein Auskunftsverweigerungsrecht
zustehe, erkennbarer Weise auch nicht berühren sollten. Ungeachtet der relativen
Komplexität des Sachverhaltes ist nicht ersichtlich, inwieweit wahrheitsgemäße
Aussagen der Klägerin in Bezug auf den strafrechlich bereits aufgearbeiteten Putnik-
Komplex auch nur mittelbare Rückschlüsse auf ein strafbares Verhalten im Kontext des
Belvedere-Verfahrens zulassen könnten. Die denkbaren Antworten der Klägerin auf die
beiden ersten Fragen hätten sich nicht einmal weit im Vorfeld einer direkten Belastung
bewegt. Putnik- und Belvedere Verfahren betrafen offenbar voneinander trennbare
Vorgänge: während es in dem einen Fall um die Begleichung fingierter Forderungen
102
gegen die PDS ging, hatte der andere Fall die Gewährung eines Darlehens aus dem
Vermögen der PDS und an eine GmbH und nachfolgend dessen Überweisung ins
Ausland zum Gegenstand. Während im Putnik-Verfahren die PDS selbst als
geschädigter Vermögensträger in Betracht gezogen wurde, befasste sich das
Belvedere-Verfahren mit Vermögensverschiebungen zum Nachteil der Belvedere Hotel
GmbH.
Ob die Klägerin auch die dritte an sie gerichtete Frage hätte beantworten müssen, kann
letztlich offen bleiben. Zum einen fehlt es an einem umfassenden
Aussageverweigerungsrecht bereits deshalb, weil die Klägerin - wie vorstehend
ausgeführt - wenigstens teilweise zur Aussage verpflichtet war. Zum anderen hätte die
Klägerin, wenn sie sich beschränkt auf die dritte Frage auf ein
Auskunftsverweigerungsrecht gemäß § 55 StPO hätte berufen wollen, konkret auf diese
Frage bezogen darlegen müssen, warum sie sich durch deren Beantwortung der Gefahr
der Strafverfolgung aussetzen würde, was jedoch nicht geschehen ist.
103
Die Klägerin hat auch schuldhaft gehandelt. Denn sie ist vor ihrer Vernehmung zur
Sache durch den Vorsitzenden des 2. Untersuchungsausschusses über die
Unzulässigkeit einer etwaigen umfassenden Zeugnisverweigerung aufgeklärt worden.
Soweit die Klägerin sich gleichwohl für berechtigt gehalten hat, das Zeugnis umfassend
zu verweigern, liegt darin ein nach den Grundsätzen des § 17 StGB zu behandelnder
Verbotsirrtum. Dieser Irrtum war für die Klägerin bereits aufgrund des genannten
Hinweises des Vorsitzenden des 2. Untersuchungsausschuss, der in dieser Funktion im
Vorfeld der Verhängung von Beugemaßnahmen ebenso wie ein Gericht in einer
vergleichbaren Situation die Befugnis zur sorgfältigen Prüfung des Umfangs der
Zeugenpflicht hat,
104
vgl. dazu BGH, Beschluss vom 28.12.1978 - StB 235/78 - , BGHSt 28, 240, 258,
105
vermeidbar.
106
Vgl. Kammergericht, Beschluss vom 16.09.1998 - 2 Ws 189/98 - juris; Dahs, in:
Löwe/Rosenberg, StPO, 24. Auflage 1988, Band 1, § 70 Rn. 6; Senge, in: Karlsruher
Kommentar zur StPO, 4. Auflage 1999, § 70 Rn. 4; Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO,
44. Auflage 1999, § 70 Rn. 4.
107
Ein Rechtsirrtum der Klägerin im Hinblick auf das Bestehen einer Aussageverpflichtung
jedenfalls hinsichtlich von auf den Putnik-Deal bezogenen Fragen vor dem 2.
Untersuchungsausschuss ist nicht deshalb unvermeidbar, weil das Landgericht Berlin
ihr am 23.05.1995 ein umfassendes Zeugnisverweigerungsrecht zugebilligt hatte. Zum
einen sind das Straf- und das Untersuchungsausschussverfahren in struktureller
Hinsicht nicht hinreichend miteinander vergleichbar, um von der Zubilligung eines
umfassenden Zeugnisverweigerungsrechts im Strafverfahren auf das gleichzeitige
Bestehen eines solchen auch im Untersuchungsausschussverfahren notwendigerweise
schließen zu können. Im Rahmen des letzteren geht es nicht um die Ermittlung
strafbaren Unrechts, sondern allgemein um die Aufarbeitung von Vorgängen im
politischen Raum, die auch nicht strafbaren Charakter tragen können. Daher kann ein
Zeuge, der zu einem zumal strafrechtlich bereits aufgearbeiteten Sachverhalt vor einem
parlamentarischen Untersuchungsausschuss gehört werden soll, nicht davon ausgehen,
dass ein ihm zuvor durch ein Strafgericht zuerkanntes umfassendes
Zeugnisverweigerungsrecht auch gegenüber dem Untersuchungsausschuss zwingend
108
Geltung beanspruchen kann. Zum anderen hat sich die Sach- und Rechtslage zwischen
dem 23.05.1995 und dem 13.11.1997 grundlegend verändert. Die Angeklagten des
Putnik-Verfahrens sind rechtskräftig freigesprochen worden. Es sind mehr als zwei
Jahre vergangen, ohne dass die Staatsanwaltschaft im Ermittlungsverfahren in Sachen
Belvedere Hotel GmbH irgend welche gegen die Klägerin gerichtete
Ermittlungsmaßnahmen getroffen oder Erkenntnisse gesammelt hätte. Nachdem
überdies jedenfalls die zwei ersten der Klägerin gestellten Fragen den vom Belvedere-
ersichtlich unterscheidbaren Putnik-Komplex betrafen und insoweit nach den obigen
Ausführungen ein umfassendes Aussagever- weigerungsrecht offensichtlich nicht in
Betracht kam,
vgl. dazu BGH, Beschluss vom 13.10.1995 - StB 71/95 - juris,
109
konnte die Klägerin erkennen, grundsätzlich zur Aussage verpflichtet zu sein.
110
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1, § 155 Abs. 2 VwGO; diejenige über die
vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 167 Abs. 1, Abs. 2 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr.
11, § 711 ZPO.
111