Urteil des VG Köln vom 19.09.2008

VG Köln: aufschiebende wirkung, überwiegendes öffentliches interesse, vollziehung, entzug, interessenabwägung, berechtigung, amtsführung, disziplinarverfahren, forschung, eng

Verwaltungsgericht Köln, 3 L 702/08
Datum:
19.09.2008
Gericht:
Verwaltungsgericht Köln
Spruchkörper:
3. Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
3 L 702/08
Tenor:
1. Die aufschiebende Wirkung der Klage - 3 K 2663/08 - wird
wiederhergestellt. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.
2. Der Streitwert wird auf 2.500,00 Euro festgesetzt.
Gründe
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Der Antrag des Antragstellers,
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die aufschiebende Wirkung der Klage 3 K 2663/08 wiederherzustellen
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hat Erfolg.
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Ist - wie im vorliegenden Fall - die sofortige Vollziehung eines Verwaltungsakts
angeordnet worden, so kann das Gericht gemäß § 80 Abs. 5 VwGO die aufschiebende
Wirkung des gegen den Verwaltungsakt gerichteten Widerspruchs bzw. der
Anfechtungsklage wiederherstellen, wenn das Interesse des Antragstellers am
vorläufigen Aufschub der Vollziehung das Interesse des Antragsgegners an der
sofortigen Vollziehung des angegriffenen Verwaltungsakts überwiegt. Vorliegend fällt
die Interessenabwägung zu Gunsten des Antragstellers aus, weil das private Interesse
des Antragstellers, der Verfügung bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Klage
nicht nachkommen zu müssen, gegenüber dem öffentlichen Interesse an der sofortigen
Vollziehung überwiegt.
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Im Rahmen der vorzunehmenden Interessenabwägung erlangen zunächst die
Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens Bedeutung. Denn an der sofortigen
Vollziehung einer sich als offensichtlich rechtswidrig erweisenden Entscheidung besteht
niemals ein (überwiegendes) öffentliches Interesse. Führt die im Rahmen des § 80
VwGO notwendige summarische Überprüfung zu keinem eindeutigen Ergebnis, ist auch
aufgrund sonstiger, nicht nur an den Erfolgsaussichten der Hauptsache orientierter
Gesichtspunkte abzuwägen, welche Interessen schwerer wiegen.
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Im vorliegenden Fall überwiegt das private Interesse des Antragstellers nach der
Überzeugung der Kammer bereits deswegen, weil der im Streit stehende Bescheid der
Antragsgegnerin vom 27.11.2007 als rechtswidrig anzusehen ist. Die Maßnahmen der
Antragsgegnerin verletzen das Recht des Antragstellers, amtsgemäß, d. h.
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entsprechend seinem Amt im statusrechtlichen und abstrakt-funktionellen Sinne,
beschäftigt zu werden. Die Antragsgegnerin hat durch ihre Maßnahmen dieses Recht
erheblich eingeschränkt, ohne dass hierfür eine gesetzliche Grundlage vorhanden ist.
Das in der Rechtsprechung allgemein anerkannte Recht eines Beamten auf
amtsangemessene Beschäftigung umfasst einen auch gerichtlich durchsetzbaren
Anspruch auf Übertragung eines amtsgemäßen Aufgabenbereichs, der - gemessen an
seinem statusrechtlichen Amt - seiner Laufbahn und seinem Ausbildungsstand
entspricht.
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Vgl. im Einzelnen BVerwG, Urteil vom 27.02.1992 - 2 C 45.89 - Schütz/Maiwald,
Beamtenrecht des Bundes und der Länder ES/AII 1.1 Nr. 6, m.w.N..
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Durch den Entzug der Prüfungsberechtigung und das Verbot, benotete
Seminarbescheinigungen auszustellen, sowie durch den Entzug sämtlicher Personal-
und Sachmittelressourcen mit Ausnahme eines Büroarbeitsplatzes wird dem
Antragsteller in wesentlichem Umfang die Möglichkeit genommen, die seinem
statusrechtlichen Amt als Universitätsprofessor entsprechenden Aufgaben zu erfüllen.
Ihm wird weitgehend die Möglichkeit genommen, die in § 35 des Gesetzes über die
Hochschulen des Landes Nordrhein-Westfalen festgelegten Dienstaufgaben der
Hochschullehrer an Universitäten sowie seine Verpflichtungen entsprechend der
Berufungsvereinbarung vom 04.07.1993 zwischen ihm und der Antragsgegnerin zu
erfüllen. Die Durchführung von Prüfungstätigkeit gehört - zumindest bei Studiengängen,
die regelmäßig mit einer Universitätsprüfung abgeschlossen werden - zu den
Kernaufgaben eines Universitätsprofessors, zumal die Abhaltung von
Lehrveranstaltungen, die Betreuung von Studenten und die Durchführung von
Prüfungen oft eng miteinander verzahnt sind. Auch die Berechtigung zur Durchführung
von Lehrveranstaltungen wird erheblich eingeschränkt, wenn es nicht mehr zugelassen
wird, benotete Seminararbeiten auszugeben; dies dürfte dazu führen, dass die
Bereitschaft von Studenten an der Teilnahme an durch den Antragsteller geleiteten
Seminaren deutlich zurückgeht. Weiterhin wird der Antragsteller auch durch den fast
völligen Entzug von Personal- und Sachmitteln daran gehindert, seinen Aufgaben in
Forschung und Lehre in ausreichendem Umfang nachzukommen.
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Die erhebliche Einschränkung des dienstlichen Aufgabenbereichs des Antragstellers
durch die Antragsgegnerin war auch nicht deswegen gerechtfertigt, weil der
Antragsteller durch sein früheres Verhalten - Veröffentlichung einer Examensarbeit einer
Studentin als eigene wissenschaftliche Arbeit - seine Dienstpflichten verletzt und das
Vertrauensverhältnis sowohl gegenüber der Antragsgegnerin als auch gegenüber den
Studierenden belastet hat. Eingriffe in den beamtenrechtlichen Status bedürfen
grundsätzlich einer gesetzlichen Grundlage. Im Falle von Dienstpflichtverletzungen hat
der Dienstherr - soweit die entsprechenden Voraussetzungen erfüllt sind - ein förmliches
Disziplinarverfahren einzuleiten. Erst im Rahmen eines derartigen Verfahrens kann
darüber entschieden werden, ob und in welchem Umfang Sanktionen gegen einen
Beamten aufgrund seiner Dienstpflichtverletzungen verhängt werden. Derartige
Maßnahmen können nicht allein auf das Weisungsrecht des Dienstherrn gestützt
werden, weil es sich dabei nicht nur um organisatorische Maßnahmen, sondern um
erhebliche Eingriffe in den Status eines Beamten handelt.
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Vgl. zu der Fallgestaltung eines Entzugs von Aufgaben eines Beamten, der in geistiger
oder körperlicher Hinsicht nicht mehr in der Lage ist, seine Aufgaben zu erfüllen,
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BVerwG, Urteil vom 27.02.1992, a. a.O.
Dieses Ergebnis wird auch bestätigt durch die in § 63 LBG enthaltene Regelung
hinsichtlich des Verbots der Amtsführung. Nach § 63 Abs. 1 LBG ist ein Verbot des
Führens der Dienstgeschäfte nur für einen vorrübergehenden Zeitraum von bis zu 3
Monaten bis zur Einleitung eines Disziplinarverfahrens möglich. Entsprechendes muss
auch gelten, wenn einem Beamten wesentliche Teile der bisherigen Amtsaufgaben
entzogen werden.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
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Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 3 Nr. 2, 52 Abs. 2 GKG. Im Verfahren
des einstweiligen Rechtsschutzes wird dabei nur der hälftige Betrag des
Auffangstreitwerts in Ansatz gebracht.
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