Urteil des VG Köln vom 29.09.2008

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Verwaltungsgericht Köln, 18 K 4987/05
Datum:
29.09.2008
Gericht:
Verwaltungsgericht Köln
Spruchkörper:
18. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
18 K 4987/05
Tenor:
Soweit die Klägerin die Klage zurückgenommen hat bzw. das Verfahren
in der Hauptsache für erledigt erklärt worden ist, wird das Verfahren
eingestellt.
Die Beklagte wird unter teilweiser Aufhebung des Bescheides vom
13.07.2005 sowie unter teilweiser Aufhebung der Auflage M1.
verpflichtet, über den Antrag auf Verlängerung der Zulassung von C. Q.
für die Personengruppe der Schwangeren und Stillenden unter
Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.
Die Kosten des Verfahrens tragen die Klägerin zu 2/3 und die Beklagte
zu 1/3.
Tatbestand: Die Klägerin wendet sich gegen eine Auflage im Rahmen der
Nachzulassung für das apothekenpflichtige Arzneimittel „C. Q. " in der Darreichungsform
Hartkapsel und mit dem arzneilich wirksamen Bestandteil Trockenhefe aus
Saccharomyces cerevisiae, mit der die Aufnahme eines Schwangeren- und
Stillendenhinweises angeordnet wurde.
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Im Juni 1978 zeigte die Firma W. & V. , Inh. Apoth. E. S. beim Bundesgesundheitsamt
nach Art. 3 § 7 Abs. 2 Satz 1 des Gesetzes zur Neuordnung des Arzneimittelrechts vom
24.08.1976 (AMNG) das Arzneimittel unter der Bezeichnung „E. ( R ) - Dragees" mit den
Anwendungsgebieten „Arteriosklerose, Bluthochdruck, Klimakterische Beschwerden,
Verdauungsstörungen, Pseudo-Angina-pectoris, Meteorismus, Roemheld`sches
Syndrom" und den wirksamen Bestandteilen Extr. Allii sat. aquos. Sicc. 5 : 1,
Chlorophyllin 50%ig, Theobromin und Carbo medicinal. an.
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Im April 1990 stellte die Fa. G. F. Nachf. den Antrag auf Verlängerung der Zulassung
(Kurzantrag). Als Anwendungsgebiete waren nunmehr „Bluthoch- druck,
Atherosklerose" und als wirksame Bestandteile Knoblauchextrakt, wässrig, trocken 5 : 1,
Theobromin, Medizinische Kohle, Chlorophyllin 100% angegeben. Am 27.10.1993
stellte sie den sogenannten Langantrag.
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Mit Änderungsanzeige vom 07.07.1994 zeigte die Fa. G. F. Nachf. dem
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Bundesgesundheitsamt an, dass die Klägerin nunmehr Antragsteller sei. Mit weiterer
Änderungsanzeige vom 11.07.1994 zeigte die Klägerin aufgrund der
Monographieanpassung eine Änderung der Anwendungsgebiete und der arzneilich
wirksamen Bestandteile an. Die Anwendungsgebiete lauteten nunmehr wie folgt: „Zur
symptomatischen Behandlung akuter Durchfallerkrankungen. Zur Vorbeugung und
symptomatischen Behandlung von Reisediarrhoen sowie Diarrhoen unter
Sonderernährung." Die bislang enthaltenen arzneilich wirksamen Bestandteile wurden
eliminiert. Einziger arzneilich wirksamer Bestandteil war nunmehr Saccaromyces
Boulardii 250,00 mg. Gleichzeitig zeigte sie die Änderung der Bezeichnung in C. Q. an.
Am 15.07.1994 stellte die Klägerin einen neuen Langantrag.
5
Am 27.12.2000 übersandte die Klägerin die Unterlagen nach § 105 Abs. 4a AMG. Im
Antragsformular wurde auf § 22 Abs. 3 AMG Bezug genommen.
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Mit Mängelschreiben vom 29.08.2003, zugestellt am 01.09.2003, übersandte das
nunmehr zuständige Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) der
Klägerin die Formale pharmazeutische Stellungnahme, die Stellungnahmen zur
pharmazeutischen Qualität und zur Klinik/Pharmakologie und gab ihr Gelegenheit, den
dort genannten Mängeln innerhalb einer Frist von 12 Monaten nach Zugang des
Schreibens abzuhelfen. In der beigefügten medizinischen Stellungnahme ist ausgeführt,
dass beabsichtigt sei, die Verlängerung der Zulassung zu versagen, da die
Versagungsgründe des § 25 Abs. 2 Satz 1 Nrn. 1, 2 und 4 AMG vorlägen. Dies
begründete das BfArM. Im Anschluss an die Begründung wurde die Klägerin darauf
hingewiesen, dass der Antrag weiterhin folgende Mängel aufweise. Unter Punkt 2. ist
Folgendes ausgeführt:
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„2. In der Dosierungsanleitung ist im Punkt 2.2 „Besondere Vorsicht bei der Einnahme
von /.../ ist erforderlich" wie folgt zu formulieren:
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b) Schwangerschaft und Stillzeit „Aus der verbreiteten Anwendung von Hefe als
Lebensmittel haben sich bisher keine Hinweise auf Risiken in der Schwangerschaft und
während der Stillzeit ergeben. Ergebnisse experimenteller Untersuchungen für
Saccharomyces cerevisiae Hansen CBS 5926 liegen nicht vor. Daher sollte das
Arzneimittel in der Schwangerschaft und während der Stillzeit nicht angewendet
werden."
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Für den Beleg, dass über die Verwendung von /.../ in Schwangerschaft und Stillzeit
keine nachteiligen Erkenntnisse vorliegen, fordern wird grundsätzlich
präparatespezifisches Erkenntnismaterial, welches die Unbedenklichkeit der
Anwendung von /.../ in der Schwangerschaft und Stillzeit in der beantragten Dosierung
belegt. Entsprechendes Erkenntnismaterial wird jedoch nicht vorgelegt, auch nimmt der
Sachverständige dazu nicht adäquat Stellung."
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Am 01.09.2004 reichte die Klägerin Unterlagen zur Mängelbeseitigung ein. Sie führte
zur medizinischen Stellungnahme u.a. aus, dass die geforderten Angaben hinsichtlich
der Anwendung in Schwangerschaft und Stillzeit nicht übernommen würden. Während
der langjährigen klinischen Anwendung von Saccaromyces Boulardii hätten sich
keinerlei Hinweise auf Risiken in der Anwendung während der Schwangerschaft und
Stillzeit ergeben, die den Ausschluss der Behandlung dieser Patientengruppe
begründeten. Bei einer Reihe von zugelassenen und im Handel befindlichen anderen
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Präparaten mit dem Wirkstoff gebe es keine Einschränkung. Daher sei aus Gründen der
Gleichbehandlung auch vorliegend von der Aufnahme des Hinweises abzusehen.
Mit Bescheid vom 13.07.2005 - zugestellt am 21.07.2005 - erteilte die Beklagte die
Verlängerung der Zulassung (Nachzulassung) mit den Anwendungsgebieten „Zur
Behandlung der Beschwerden bei akuten Durchfallerkrankungen, Vorbeugung und
Behandlung der Beschwerden von Reisedurchfällen sowie Durchfällen unter
Sonderernährung". Dem Bescheid ist u.a. folgende Auflage beigefügt:
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„Auflagen aufgrund der medizinischen Beurteilung
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Auflagen gemäß § 28 Abs. 2 AMG:
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M1. Die in der Anlage beigefügten Texte für die Gebrauchs- und Fachinformation
(entsprechend §§ 11, 11a AMG) sind für das im Bescheid genannte Arzneimittel im
Wortlaut zu übernehmen:
15
Begründung: ...
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Die Formulierungen zur Schwangerschaft und Stillzeit bleiben wie in den Textvorlagen
angegeben bestehen, da es keine Untersuchungen zur Anwendung von
Saccharomyces cerevisiae in Schwangerschaft und Stillzeit gibt. Sollten andere auf
dem Markt befindlichen Saccharomyces cerevisiae-haltige Präparate in der Gebrauchs-
und Fachinformation davon abweichende Formulierungen aufweisen, so werden diese
im Rahmen der Nachzulassung bzw. Verlängerung an die Formulierungen der
Textvorlagen angepasst werden.
17
..."
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Der Schwangeren- und Stillendenhinweis in der Gebrauchs- und Fachinformation lautet
wie folgt:
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„Aus der verbreiteten Anwendung von Hefe als Lebensmittel haben sich bisher keine
Hinweise auf Risiken in der Schwangerschaft und während der Stillzeit ergeben.
Ergebnisse experimenteller Untersuchungen für Sacchyromyces cerevisiae Hansen
CBS 5926 liegen nicht vor. Daher sollte das Arzneimittel in der Schwangerschaft und
während der Stillzeit nicht angewendet werden."
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Am 19.08.2005 hat die Klägerin Klage erhoben, mit der sie sich gegen die Auflagen F1.,
F3., F6., M1., Q1., Q5., Q6., Q7. und Q8. sowie gegen die festgesetzten Fristen gewandt
hat.
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Zur Begründung der Klage trägt die Klägerin hinsichtlich der Auflage M1. vor: Der
Schwangeren- und Stillendenhinweis sei rechtswidrig, da ein solcher
Anwendungsausschluss nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts
nicht im Auflagenwege verfügt werden dürfe und der Aufhebung der Auflage auch nicht
entgegenstehe, dass die Nachzulassung ohne den Anwendungsausschluss keinen
Bestand haben könnte. Sie, die Klägerin habe belegt, dass das Arzneimittel wirksam
und sicher auch in der Anwendung durch Schwangere und Stillende sei. In der
Monographie würden Schwangere und Stillende nicht von der Anwendung
ausgeschlossen. Die in der Monographie enthaltenen Gegenanzeigen erfassten gerade
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nicht Schwangere und Stillende. Bei Monographieerstellung sei daher eine
personengruppenbezogene Beurteilung vorgenommen und festgestellt worden, dass für
den Ausschluss für Schwangere und Stillende kein Bedürfnis bestehe. Die
Monographie sei auch weder veraltet noch werde der Inhalt durch EU-Guidelines
berührt. Abstrakt formulierte Guidelines mit Anforderungen an Unterlagen in
Neuzulassungsverfahren seien sicher keine Erkenntnisse, die die Wirksamkeit der
vorliegend relevanten Monographie in Frage stellten. Es sei nichts dafür ersichtlich,
dass mit der Anwendung des Arzneimittels durch Schwangere und Stillende nachteilige
gesundheitliche oder sonstige Folgen verbunden wären.
Nachdem die Klägerin die Klage hinsichtlich der Auflage F6. zurückgenommen hat und
die Beteiligten den Rechtsstreit hinsichtlich der Auflagen F1., F3., M1., soweit nicht der
Schwangeren- und Stillendenhinweis betroffen ist, Q1., Q5., Q6., Q7. und Q8. sowie
hinsichtlich der Fristen in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben,
beantragt die Klägerin nunmehr,
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die Beklagte unter teilweiser Aufhebung des Bescheides vom 13.07.2005 sowie unter
teilweiser Aufhebung der Auflage M1. zu verpflichten, über die Verlängerung der
Zulassung des Arzneimittels C. Q. für die Personengruppe der Schwangeren und
Stillenden unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Zur Begründung trägt sie hinsichtlich der Auflage M1. vor: Der Warnhinweis hinsichtlich
Schwangerschaft und Stillzeit müsse bestehen bleiben, da die Unbedenklichkeit des
Arzneimittels weder durch spezifisches Erkenntnismaterial noch durch
bibliographisches Material i.S.d. § 22 Abs. 3 AMG nachgewiesen worden sei. Ein
entsprechender Hinweis sei im Mängelschreiben enthalten. Der Mangel sei jedoch nicht
behoben worden. Nach der Guideline on non-clinical documentation for herbal
medicinal products in applications for marketing authorisation (bibliograhical and mixed
applications) and in applications for simplified registration" (EMEA/HMPC/32116/2005)
seien derartige Daten nur dann verzichtbar, wenn sich aus einer sorgfältigen
Literaturrecherche und Anwendungserfahrung kein positives Signal für eine mögliche
Reproduktionstoxikologie ergebe und das Arzneimittel nicht in der Schwangerschaft und
Stillzeit angewandt werden solle. Derartige Untersuchungen seien ebenfalls dann
entbehrlich, wenn Ergebnisse aus Post-Marketing Studien bzw. valide
epidemiologische Daten vorlägen oder Untersuchungen von Schwangeren und
Neugeborenen verfügbar seien oder wenn das Arzneimittel nicht bei Frauen im
gebärfähigen Alter angewandt werden solle. Diese Voraussetzungen lägen für das
streitgegenständliche Arzneimittel nicht vor. Daher sei unter Berücksichtigung der
europäischen Standards an dem geforderten Hinweis festzuhalten.
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Der Hinweis der Klägerin auf die Anwendung von Hefe als Bestandteil von
Lebensmitteln sei nicht ausreichend, um die Unbedenklichkeit eines Arzneimittels zu
belegen. Ergänzend sei darauf hinzuweisen, dass es wegen des mit akutem Durchfall
möglicherweise einhergehenden Flüssigkeits- und Elektrolytverlustes bei Schwangeren
durchaus zu einer bedrohlichen Versorgungssituation des Ungeborenen kommen und in
der Stillzeit aufgrund des Flüssigkeitsmangels die Milchproduktion beeinträchtigt
werden könne.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug
genommen.
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Entscheidungsgründe: Soweit die Klägerin die Klage zurückgenommen hat bzw. die
Beteiligten das Verfahren übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt haben,
war das Verfahren in unmittelbarer oder analoger Anwendung des § 92 Abs. 3 Satz 1
VwGO einzustellen.
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Im Übrigen ist die auf teilweise Aufhebung der Auflage M1. und Neubescheidung des
Antrages auf Verlängerung der fiktiven Zulassung für das Fertigarzneimittel C. Q. für die
Personengruppe der Schwangeren und Stillenden gerichtete Klage als
Verpflichtungsklage in Form der Bescheidungsklage gemäß § 42 Abs. 2 Satz 1 2.
Alternative, § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO zulässig.
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Die als Auflage bezeichnete Bestimmung, dass das Arzneimittel in der Schwangerschaft
und während der Stillzeit nicht angewendet werden sollte, enthält nach Auffassung der
Kammer neben einer echten Auflage (§ 28 Abs. 2 AMG), die sich auf den Inhalt der
Informationstexte bezieht, konkludent die Ablehnung der (auch) beantragten
Personengruppe der Schwangeren und Stillenden und damit eine Teilversagung, die
mit der Verpflichtungsklage angegriffen werden kann.
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Vgl. VG Köln, Urteile vom 15.01.2008 - 7 K 3115 - zum sog. Kinderhinweis mit
ausführlicher Begründung, und vom 15.05.2008 - 7 K 360/05 - zum sog. Schwangeren-
und Stillendenhinweis, und zuletzt vom 26.08.2008 - 7 K 238/06 - zur Dosierung und
zum sog. Kinderhinweis; a.A. OVG NRW, Urteile vom 27.09.2005 - 13 A 4090/03 - und -
13 A 4378/03 -; ihm folgend BVerwG, Urteil vom 21.06.2007 - 3 C 39.06 -, PharmaR
2007, 472 zum sog. Kinderhinweis.
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Nach Auffassung der Kammer stellt der durch die Auflage M1. angeordnete
„Warnhinweis", dass das Arzneimittel in der Schwangerschaft und während der Stillzeit
nicht angewendet werden sollte, eine Gegenanzeige im Sinne des § 22 Abs. 1 Nr. 6
AMG dar. Bei der Einordnung als Gegenanzeige macht es zunächst keinen
Unterschied, ob die Formulierung „darf nicht angewendet werden" oder „soll nicht
angewendet werden" verwandt wird. Denn ein verantwortungsbewusster Verbraucher
wird einer solcher Anzeige in jedem Fall die Bedeutung beimessen, dass die
Anwendung des Arzneimittels bei der genannten Personengruppe ein unkalkulierbares
Risiko darstelle und deshalb nicht in Betracht komme.
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Vgl. OVG NRW, Urteil vom 27.09.2005 - 13 A 4378/03 -; bestätigt durch BVerwG, Urteil
vom 21.06.2007 - 3 C 39.06 -, PharmaR 2007, 472 zum sog. Kinderhinweis.
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Nach Auffassung der Kammer gilt dies auch für die Formulierung „sollte nicht
angewendet werden", da auch in diesem Fall eine verantwortungsbewusste
Schwangere oder Stillende von der Anwendung wegen unbekannter Risiken absehen
wird.
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Vgl. VG Köln, Urteil vom 15.05.2008 - 7 K 360/05 - zum sog. Schwangerenhinweis mit
der Formulierung „wird nicht empfohlen".
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Bei zutreffender Auslegung des Nachzulassungsbescheides aus der Sicht eines
verständigen objektiven Empfängers ist diese Entscheidung auch von der Behörde als
inzidenter Bestandteil der Auflagen getroffen worden.
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Vgl. VG Köln, Urteil vom 15.05.2008 - 7 K 360/05 -.
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Aber selbst wenn es sich nicht um eine Gegenanzeige handeln sollte, wird die
Anwendung des Arzneimittels für die Personengruppe der Schwangeren und Stillenden
weitgehend eingeschränkt, was gegenüber dem Antrag der Klägerin auf
uneingeschränkte Anwendung auch für diese Personengruppe als Teilversagung zu
bewerten ist.
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Die Klage ist auch begründet.
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Der Bescheid der Beklagten vom 13.07.2005 ist hinsichtlich der streitgegenständlichen
Teilversagung rechtswidrig und verletzt die Klägerin insoweit in ihren Rechten, § 113
Abs. 5 VwGO. Die Klägerin hat im Hinblick auf den Ausschluss der Anwendung des
Arzneimittels für Schwangere und Stillende einen Anspruch auf Neubescheidung ihres
Zulassungsverlängerungsantrags durch die Beklagte unter Beachtung der
Rechtsauffassung des Gerichts, § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO.
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Die Klägerin hat einen Anspruch auf eine Verlängerung der Zulassung im Hinblick auf
die beantragte Personengruppe „Schwangere und Stillende", wenn kein
Versagungsgrund nach § 25 Abs. 2 AMG vorliegt, § 105 Abs. 4 f Satz 1 AMG. Liegt ein
Versagungsgrund vor, hat die Behörde den Antragsteller auf die Beanstandungen
hinzuweisen und eine angemessene Frist, höchstens jedoch zwölf Monate, zur
Beseitigung der Mängel zu setzen. Erst wenn den Mängeln nicht innerhalb der Frist
abgeholfen wird, ist die Zulassung zu versagen, § 105 Abs. 5 Satz 1 und 2 AMG.
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Die Voraussetzungen für die auf § 105 AMG gestützte teilweise Versagung der
Verlängerung der (fiktiven) Zulassung sind im vorliegenden Verfahren nicht erfüllt, weil
ein ordnungsgemäßes Mängelbeseitigungsverfahren nicht durchgeführt worden ist.
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Als Versagungsgrund kommt nach der Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der
mündlichen Verhandlung § 25 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AMG in Betracht. Die Beklagte hat im
Hinblick auf die Beanstandungen für Schwangerschaft und Stillzeit nach Auffassung der
Kammer kein Mängelverfahren eingeleitet. In der dem Mängelschreiben beigefügten
medizinischen Stellungnahme 1. Phase (§ 105 AMG) ist zwar auch auf den
Versagungsgrund § 25 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 AMG der nicht ausreichenden Prüfung
abgestellt worden. Allerdings findet sich in der für die genannten Versagungsgründe von
der Beklagten gegebenen Begründung kein Hinweis auf die Personengruppe der
Schwangeren und Stillenden. Der Hinweis der Beklagten, für den Beleg, dass über die
Verwendung von C. Q. in Schwangerschaft und Stillzeit keine nachteiligen Erkenntnisse
vorliegen, fordere sie grundsätzlich präparatespezifisches Erkenntnismaterial, findet
sich vielmehr erst in dem optisch durch einen großen Absatz getrennten Abschnitt „Der
Antrag weist weiterhin folgende Mängel auf:". Selbst für einen sachkundigen
Personenkreis war aufgrund des optischen Erscheinungsbildes der medizinischen
Stellungnahme nicht eindeutig erkennbar, dass die Nachzulassung teilweise versagt
werden sollte, falls keine Unterlagen eingereicht würden. Die Begründung für die
beabsichtigte Versagung findet sich hingegen über dem oben genannten Abschnitt der
weiteren Mängel. Das Mängelschreiben ging daher unzutreffenderweise (aus der
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damaligen Sicht der Beklagten allerdings folgerichtig) von der Prämisse aus, der weitere
Mangel hinsichtlich der Personengruppe Schwangere und Stillende führe nicht zur
Versagung. Da das Mängelschreiben jedoch die Mängelbeseitigungsfrist von höchstens
zwölf Monaten auslöst, muss für den pharmazeutischen Unternehmer eindeutig
erkennbar sein, ob ihm für einen bestimmten Mangel bei Nichtbeseitigung die
Präklusion gemäß § 105 Abs. 5 Satz 3 AMG droht. Denn allein durch den Ablauf der
Frist verliert der jeweilige Antragsteller seinen Anspruch auf die Verlängerung der
Zulassung selbst dann, wenn die nach Ablauf der Frist eingereichten Unterlagen
geeignet wären, die Mängel zu beseitigen.
Der Verfahrensfehler des mangelhaften Mängelbeseitigungsverfahrens ist auch nicht in
entsprechender Anwendung des § 46 VwVfG unbeachtlich.
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Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 29.05.2007 - 13 A 5160/05 - zur entsprechenden
Anwendung des § 46 VwVfG auf die Bescheidungsklage.
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Denn es ist nicht offensichtlich, dass bei Durchführung des Beanstandungsverfahrens
die Entscheidung in der Sache gleich ausgefallen wäre. Nach Auffassung der Kammer
kann vorliegend nicht ausgeschlossen werden, dass die Klägerin auf eine
entsprechende eindeutige Mängelrüge hin die möglicherweise erforderlichen
Untersuchungsergebnisse im Mängelbeseitigungsverfahren hätte einreichen können
und diese zu einer anderen Entscheidung über die Anwendung des Arzneimittels in
Schwangerschaft und Stillzeit geführt hätten. Insoweit hat die Klägerin in der
mündlichen Verhandlung auch ausgeführt, dass sie in einem weiteren
Mängelbeseitigungsverfahren weitere Unterlagen einreichen werde. Der Klägerin ist, da
die Präklusionsvorschrift des § 105 Abs. 5 Satz 3 AMG nicht eingreift, in einem weiteren
Beanstandungsverfahren Gelegenheit zur Mängelbeseitigung für die Personengruppe
der Schwangeren und Stillenden zu geben.
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Die Sache ist daher wegen des unzureichenden Beanstandungsverfahrens und der
daraus sich ergebenden ungenügenden Sachaufklärung i.S.d. § 113 Abs. 5 Satz 1 und
2 VwGO nicht spruchreif, so dass die Beklagte zur Neubescheidung des Antrages zu
verpflichten ist.
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Die Klage auf teilweise Aufhebung der Auflage M1., soweit diese die Aufnahme eines
Warnhinweises für Schwangere und Stillende in die Gebrauchs- und Fachinformation
anordnet, ist als Anfechtungslage zulässig und begründet. Die angefochtene Auflage ist
rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Da
die Teilversagung für die Personengruppe der Schwangeren und Stillenden
rechtswidrig ist, ist auch die darauf gestützte Änderung der Gebrauchs- und
Fachinformation rechtswidrig und daher aufzuheben.
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Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 2 sowie 161 Abs. 2 VwGO.
Soweit die Beteiligten das Verfahren in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt
erklärt haben, entspricht es billigem Ermessen im Sinne von § 161 Abs. 2 VwGO, die
Verfahrenskosten bezüglich der Auflagen Q1. und Q5. der Klägerin aufzuerlegen, da sie
die Auflagen erfüllt hat. Hinsichtlich der Auflage F1. trägt ebenfalls die Klägerin die
Kosten des Verfahrens, da sie sich insoweit in der mündlichen Verhandlung zur
Kostenübernahme bereit erklärt hat. Bezüglich der Auflagen F3., Q6., Q7. und Q8.
entspricht es billigem Ermessen im Sinne von § 161 Abs. 2 VwGO, dass die Klägerin
und die Beklagte die Kosten je zur Hälfte tragen, weil der Ausgang hinsichtlich der
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Rechtmäßigkeit der Auflagen offen war.