Urteil des VG Köln vom 21.01.2010
VG Köln (kläger, fahrzeug, öffentliche sicherheit, behinderung, höhe, rahmenvertrag, anordnung, sicherheit, gebühr, begründung)
Verwaltungsgericht Köln, 20 K 6900/08
Datum:
21.01.2010
Gericht:
Verwaltungsgericht Köln
Spruchkörper:
20. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
20 K 6900/08
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf
die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe
von 110% des insgesamt vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn
nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110%
des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
T a t b e s t a n d: Der Kläger ist Halter des Fahrzeuges Marke Mercedes mit dem
amtlichen Kennzeichen K - 00 000. Am 27.06.2008 war das Fahrzeug in Köln am
Sachsenring, Höhe Haus-Nr. 2-4 abgestellt. Dieser Bereich weist ein eingeschränktes
Haltverbot (VZ 286) mit dem Zusatzschild "Ladezone werktags 8 - 12 h" aus; an dem
fraglichen Tag waren dort zusätzlich mobile Haltverbotsschilder (VZ 283) aufgestellt.
Außendienstmitarbeiter des Beklagten stellten um 08.20 Uhr einen Verkehrsverstoß
fest, um 08.40 Uhr wurde ein Abschleppauftrag erteilt. Zur Begründung wurde in der
Sicherstellungsverfügung ange- geben, das Fahrzeug habe in einer wegen eines
Umzugs eingerichteten temporären Haltverbotszone (VZ 283) gestanden, dadurch sei
eine Behinderung für Umzugsfahrzeuge eingetreten. Der Abschleppwagen traf um
08.48 Uhr ein. Nach Aufladen des Pkw erschien um 08.55 Uhr der Kläger vor Ort. Das
Fahrzeug wurde zum Sicherstellungsgelände verbracht und gegen Erstattung der
angefallenen Kosten von 98 EUR an den Kläger herausgegeben.
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Mit Gebührenbescheid vom 23.09.2008 nahm der Beklagte den Kläger als Fahrer auf
Zahlung einer Verwaltungsgebühr in Höhe von 62,00 EUR in Anspruch.
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Der Kläger hat am 23.10.2008 Klage erhoben.
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Er hält die Abschleppmaßnahme für rechtswidrig. Das Fahrzeug habe sich nicht im
Haltverbot (VZ 283) befunden, sondern er habe es - für ca. 5 Minuten - im
eingeschränkten Haltverbot (VZ 286) abgestellt, um gekaufte Gegenstände einzuladen.
Die mobilen Haltverbotsschilder seien verdeckt und nicht wahrnehmbar gewesen. Es
sei auch nicht zu einer Verkehrsbehinderung gekommen. Die Mitarbeiterin des
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Beklagten habe sich auch zu Unrecht geweigert, bei seinem Eintreffen vor Ort das
bereits auf dem Abschleppwagen befindliche Fahrzeug wieder abzuladen. Ein
Vergütungsanspruch des Abschleppunternehmers sei des Weiteren deshalb nicht
entstanden, weil der zwischen der Stadt Köln und der Arbeitsgemeinschaft von
Abschleppunternehmen geschlossene Rahmenvertrag nach § 1 GWB nichtig sei. Denn
für einen derartigen Dienstleistungsauftrag sei zwingend eine ordnungsgemäße
Ausschreibung und Vergabe im Wettbewerb erforderlich, was hier aber nicht
stattgefunden habe.
Der Kläger beantragt,
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den Gebührenbescheid vom 23.09.2008 aufzuheben.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Er vertritt die Auffassung, dass die dem Gebührenbescheid zugrunde liegende
Abschleppmaßnahme rechtmäßig war. Er verweist darauf, dass das Fahrzeug von
08.20 Uhr bis 08.55 Uhr in einer - wegen eines Umzugs eingerichteten - temporären
Haltverbotszone gestanden habe. Eine Verkehrsbehinderung habe sich daraus
ergeben, dass die Anfahrt von zwei Umzugs-Lkw gehindert gewesen sei. Dies werde
durch die gefertigten Tatfotos belegt. Das Fahrzeug des Klägers sei nicht wieder
abgeladen worden, da es in diesem Falle zu einer Behinderung des fließenden
Verkehrs gekommen wäre; hierdurch seien für den Kläger auch nur Mehrkosten i.H.v.
8,25 Euro entstanden.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte
sowie des beigezogenen Verwaltungsvorganges Bezug genommen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e: Die Klage ist unbegründet.
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Der Gebührenbescheid des Beklagten vom 23.09.2008 ist rechtmäßig und verletzt den
Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
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Die Gebührenpflicht des Klägers beruht auf § 7 a Abs. 1 Nr. 7 KostO NRW i.V.m. § 24
OBG NRW, § 43 Nr. 1, § 43 Abs. 3 PolG NRW bzw. § 14 OBG NRW, § 55 Abs. 2, § 57
Abs. 1 Nr. 1, § 59 VwVG NRW. Hiernach werden vom Ordnungspflichtigen für das
Abschleppen eines Fahrzeuges Verwaltungsgebühren erhoben.
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Die Rechtmäßigkeit der Gebührenerhebung hängt somit von der Rechtmäßigkeit der
zugrundeliegenden Abschleppmaßnahme ab. Diese begegnet in Anwendung der oben
genannten rechtlichen Vorschriften keinen Bedenken.
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Voraussetzung für ein Eingreifen der Ordnungsbehörde nach den zuvor genannten
Vorschriften ist eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit, der mit den Mitteln des
Ordnungsrechts begegnet werden kann. Zur öffentlichen Sicherheit im Sinne des
Ordnungsrechts gehört die Unverletzlichkeit der geschriebenen Rechtsordnung. Im
Zeitpunkt des Einschreitens des Beklagten lag hier eine Verletzung der öffentlichen
Sicherheit vor, denn das Fahrzeug des Klägers war unter Verstoß gegen § 12 Abs. 1 Nr.
6 b) StVO länger als 3 Minuten, nämlich mindestens 35 Minuten, ohne Ladetätigkeit in
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einem Bereich abgestellt, der - unbeschadet des anlässlich eines Umzuges dort
eingerichteten temporären Haltverbots - mit der Beschilderung "eingeschränktes
Haltverbot" (VZ 286) ausgewiesen war. Die Voraussetzungen, unter denen ein Halten
im eingeschränkten Haltverbot zulässig ist, waren nicht erfüllt. Der Vortrag des Klägers,
er habe seinen Pkw (nur) für ca. 5 Minuten dort abgestellt, um gekaufte Gegenstände
einzuladen, wird durch den Inhalt des Verwaltungsvorgangs, an dessen Richtigkeit zu
zweifeln kein Anlass besteht, eindeutig widerlegt.
Das durch die Dauerbeschilderung ausgewiesene eingeschränkte Haltverbot war auch
wirksam angeordnet. Aus dem Rechtsstaatsprinzip folgt, dass die Anbringung oder
Aufbringung in der Weise erfolgen muss, dass der im Sinne des § 1 StVO sorgfältig
handelnde Verkehrsteilnehmer die Anordnung ohne weitere Überlegung eindeutig
erfassen kann. Diesen Maßgaben ist hier genügt. Einer wirksamen verkehrsrechtlichen
Anordnung durch die VZ 286 mit Zusatzschild steht vorliegend nicht das für den
27.06.2008 in dem Bereich (und an der einen Seite noch darüber hinausgehend)
gleichfalls durch die mobilen VZ 283 angeordnete Haltverbot entgegen. Unter
Anwendung des Sorgfaltsmaßstabes aus § 1 StVO war es für den Verkehrsteilnehmer
auch in Anbetracht der - teilweise, nämlich für den Zeitraum von 8 - 12 h - nicht
abgedeckten stationären Beschilderung eindeutig zu erkennen, dass ein Parken von
Fahrzeugen dort jedenfalls verboten sein sollte. Eine Fallkonstellation dergestalt, dass
einerseits durch die stationäre Beschilderung das Parken ausdrücklich erlaubt war,
andererseits durch die mobile Verbotsbeschilderung untersagt gewesen wäre, lag nicht
vor.
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Vgl. für den Fall einer zeitlich befristeten Außerkraftsetzung einer Dauerbeschilderung
durch eine mobile Beschilderung: OVG NRW, Beschluss vom 07.12.2005 - 5 A 5109/94
- (veröffentlicht unter www.nrwe.de.) sowie Beschluss vom 12.03.2009 - 5 A 3212/08 -.
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Gemäß der zitierten Rechtsprechung des OVG NRW, der die Kammer folgt, lag
allerdings eine wirksame Anordnung eines Haltverbots mittels Sonderbeschilderung
(VZ 283) am fraglichen Tag nicht vor, denn die Geltung dieser mobilen Verkehrszeichen
war durch die Fortgeltung der die Ladezone ausweisenden Schilder begrenzt. Ob der
Kläger die mobilen Verkehrsschilder tatsächlich nicht wahrgenommen hat oder diese
aber jedenfalls im Hinblick auf die erhöhten Sorgfalts- und Informationspflichten
hinsichtlich der Beschilderung im ruhenden Verkehr hätte wahrnehmen können, kann
somit dahinstehen.
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Die Anordnung der Entfernung des Fahrzeuges des Klägers war zur Abwehr einer
gegenwärtigen Gefahr notwendig und entsprach den Grundsätzen der
Verhältnismäßigkeit.
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Dies wird zunächst nicht dadurch in Frage gestellt, dass die einschreitende
Außendienstmitarbeiterin des Beklagten ausweislich des gefertigten schriftlichen
Sicherstellungsprotokolls die Abschleppanordnung mit der Begründung erteilt hat, das
Fahrzeug des Klägers habe in einer wegen eines Umzugs eingerichteten temporären
Haltverbotszone (VZ 283) gestanden. Wie sich aus der weitergehenden Begründung
ihrer Maßnahme ergibt, war - unbeschadet der dargelegten verkehrsrechtlichen
Qualifizierung des gegebenen Verkehrsverstoßes - der maßgebliche Grund für ihr
Einschreiten jedenfalls, dass durch den abgestellten Pkw eine Behinderung für
Umzugsfahrzeuge eingetreten gewesen sei, die durch die Abschleppmaßnahme
beseitigt werden sollte. Dies ist auch in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich von
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den Vertretern des Beklagten bestätigt worden. Dass die Entscheidung zum
Einschreiten getroffen worden ist, um den beiden Umzugsfahrzeugen am Sachsenring
Nr. 2-4 das Be- bzw. Entladen zu ermöglichen, wird auch durch die vom Beklagten
vorgetragenen Umstände im Übrigen bekräftigt: Die Einrichtung der temporären
Haltverbotszone (VZ 283) unbeschadet des bereits bestehenden eingeschränkten
Haltverbots (VZ 286) mit dem Zusatzschild "Ladezone werktags 8 - 12 h" war danach
gerade deshalb erfolgt, um zu verhindern, dass Langzeitparker sich über die
Dauerbeschilderung hinwegsetzen und die Umzugsarbeiten behindern würden.
Es bestehen auch ansonsten keine Bedenken gegen die Verhältnismäßigkeit der
Abschleppmaßnahme. Soweit der Kläger vorträgt, durch sein Fahrzeug seien die
beiden Umzugsfahrzeuge nicht behindert worden, ist darauf hinzuweisen, dass nach der
ständigen Rechtsprechung des OVG NRW, der das erkennende Gericht folgt, ein
Fahrzeug, das mehr als eine halbe Stunde in einer eingeschränkten Haltverbotszone
und dem Hinweisschild "Ladezone" geparkt ist, ohne Feststellung einer konkreten
Behinderung bereits deshalb abgeschleppt werden kann, weil es die verkehrsregelnde
Funktion, den knappen Verkehrsraum möglichst vielen Kraftfahrern zum Be- und
Entladen zur Verfügung zu stellen, wesentlich beeinträchtigt,
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vgl. OVG NRW, Urteil vom 24.03.1998 - 5 A 183/96 -, NJW 1998, 2465, juris-
Dokumentation.
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Im Übrigen hat hier auch eine konkrete Behinderung vorgelegen. Auf der Rückseite der
Sicherstellungsverfügung ist festgehalten, dass es eine Behinderung für
Umzugsfahrzeuge gegeben habe; dieser Umstand ist zudem durch die im
Verwaltungsvorgang enthaltenen Lichtbilder (Bl. 2, 5, 8, 9) dokumentiert. Soweit der
Kläger dennoch der Auffassung ist, die Umzugsarbeiten hätten unbehindert
durchgeführt werden können, folgt die Kammer dieser Einschätzung nicht.
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Auch ansonsten unterliegt der Gebührenbescheid keinen rechtlichen Beanstandungen:
Soweit der Kläger geltend macht, dass der zwischen der Stadt Köln und der
Arbeitsgemeinschaft von Abschleppunternehmen geschlossene Rahmenvertrag nach §
1 GWB nichtig sei (und daher ein Vergütungsanspruch des Abschleppunternehmens
nicht entstanden sei), kann die Frage dahinstehen, welche Auswirkungen dies auf das
vorliegende Verfahren betr. die Gebührenforderung des Beklagten haben könnte. Denn
sofern ein vom Beklagten beauftragtes Abschleppunternehmen eine entgeltpflichtige
Leistung erbringt, wäre diese auch unabhängig von einem Rahmenvertrag zu vergüten.
Der Rahmenvertrag ist darüber hinaus auch nicht aus den vom Kläger geltend
gemachten Gründen unwirksam. Das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen
enthält nämlich detaillierte Regelungen, von wem und in welchem Verfahren Verstöße
gegen die dortigen Bestimmungen geltend zu machen sind. Entsprechende Verstöße in
einem derartigen Verfahren sind jedoch nicht festgestellt worden.
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Vgl. im Einzelnen: Urteil der Kammer vom 30.06.2008 - 20 K 2591/07 -.
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Die Bemessung der Höhe der Gebühr liegt im nur eingeschränkt gerichtlich
überprüfbaren Ermessen der Behörde,
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vgl. OVG NRW, Urteil vom 28.11.2000 - 5 A 2625/00 -, NWVBl. 2001, 181, 182.
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Dass hier die Berechnung der Gebühr durch den Beklagten ermessensfehlerhaft sein
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könnte, ist nicht ersichtlich. Soweit nach Auffassung des Klägers sein Fahrzeug zu
Unrecht auf das Sicherstellungsgelände verbracht worden ist, bleibt dies ohne Einfluss
auf die Höhe der Gebühr, die hier - im Ergebnis zutreffend - auf der 1. Stufe (62,00 EUR)
festgesetzt worden ist. Ob der Pkw des Klägers zu Recht auf das
Sicherstellungsgelände verbracht worden ist, anstatt ihn wieder von dem
Abschleppwagen abzuladen, ist im Hinblick auf den Streitgegenstand des vorliegenden
Verfahrens daher ohne Belang.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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