Urteil des VG Köln vom 19.02.2010
VG Köln (kläger, auslegung, versorgung, land, verwaltungsgericht, implantat, teil, rechnung, beihilfe, bezug)
Verwaltungsgericht Köln, 19 K 8011/08
Datum:
19.02.2010
Gericht:
Verwaltungsgericht Köln
Spruchkörper:
19. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
19 K 8011/08
Tenor:
Die Klage wird auf Kosten des Klägers abgewiesen.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die
Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 v.H. des
vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht das beklagte Land vor
der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 v.H. des zu
vollstreckenden Betrages leistet.
T a t b e s t a n d
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Der Kläger ist Ruhestandsbeamter des beklagten Landes mit einem
Beihilfebemessungssatz von 70 v.H..
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Mit Schreiben vom 02. Oktober 2007 beantragte der Kläger unter Vorlage eines
Behandlungsplans die Anerkennung einer Implantatversorgung des Unterkiefers für die
Zähne 44, 42, 32 und 34 als beihilfefähig. In dem Behandlungsplan war u.a. 16mal die
Gebührenziffer 905 GOZ angesetzt. Der um Begutachtung gebetene zahnärztliche
Dienst des Rhein-Erft-Kreises befürwortete eine Versorgung des Unterkiefers mit
maximal vier Implantaten als beihilfefähig; er wies jedoch ausdrücklich darauf hin, dass
u.a. die Gebührenziffer 905 GOZ nicht beihilfefähig sei. Mit Bescheid vom 26. November
2007 erkannte das Landesamt für Besoldung und Versorgung (LBV) die geplante
Versorgung des Unterkiefers mit vier Implantaten als beihilfefähig an. Zugleich verwies
es jedoch auf anliegende Hinweise u.a. zum zahnärztlichen Gebührenrecht, die
Bestandteil des Bescheides seien. In diesen Hinweisen ist auf Seite 4 zu Nr. 905 GOZ
ausgeführt, dass diese Leistung im Rahmen der implantologischen/prothetischen
Primärversorgung nicht berechnet werden könne, sondern im Allgemeinen erst nach
Ablauf einer längeren Zeit nach dem Einfügen des Zahnersatzes auf dem Implantat in
Betracht komme.
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Nach Durchführung der implantologischen Behandlung des Unterkiefers stellte die
Zahnärztin Dr. E. dem Kläger unter dem 18. Juni 2008 7.781,51 EUR in Rechnung. U.a.
war für die Behandlungstage 2., 9. und 18. Juni 2008 jeweils 4fach betreffend die Zähne
34, 32, 42 und 44 die Gebührenziffer 905 insgesamt mit dem Rechnungsbetrag von
496,80 EUR angesetzt worden. Durch Bescheid vom 27. Juni 2008 bewilligte das LBV
zu den Aufwendungen des Klägers Beihilfe, wobei es jedoch den Gesamtbetrag von
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496,80 EUR für die angesetzte Gebührenziffer 905 GOZ nicht als beihilfefähig
anerkannte. Zur Begründung wiederholte es den bereits früher gegebenen Hinweis,
dass Nr. 905 GOZ im Rahmen der implantologischen/prothetischen Primärversorgung
nicht berechenbar sei.
Hiergegen legte der Kläger mit Schreiben vom 18. Juli 2008 Widerspruch ein. Zur
Begründung verwies er auf die beigefügte Stellungnahme seiner behandelnden
Zahnärztin vom 14. Juli 2008. Wegen des Inhalts dieser Stellungnahme wird auf Teil 1,
Bl. 47 der Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
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Das LBV wies den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 11. November 2008
als unbegründet zurück. Es verwies auf Ziffer 7.18 des Runderlasses des
Finanzministeriums vom 19. August 1998, wonach - als Hinweis zum zahnärztlichen
Gebührenrecht - die Position Nr. 905 GOZ im Rahmen einer
implantologischen/prothetischen Primärversorgung nicht berechenbar und damit auch
nicht beihilfefähig sei.
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Mit seiner rechtzeitig erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Er
vertieft sein bisheriges Vorbringen und verweist darauf, dass in der Zivilrechtsprechung
und u.a. von der Bundeszahnärztekammer die Auffassung vertreten werde, die
Gebührenziffer 905 GOZ sei bereits bei der implantologischen/prothetischen
Primärversorgung berechenbar. Dem Anerkennungsbescheid des LBV vom 26.
November 2007 sei die Seite 4 der Hinweise zum zahnärztlichen Gebührenrecht, die
Angaben zur Gebührenziffer 905 GOZ enthalte, nicht beigefügt gewesen.
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Der Kläger beantragt sinngemäß,
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das beklagte Land unter Änderung des Beihilfebescheides des LBV vom 27. Juni 2008
und Aufhebung des Widerspruchsbescheides vom 11. November 2008 zu verpflichten,
den in der Rechnung der Zahnärztin Dr. E. vom 18. Juni 2008 vorgenommenen
12fachen Ansatz der Gebührenziffer 905 GOZ mit insgesamt 496,80 EUR als
beihilfefähigen Aufwand anzuerkennen und die darauf entfallende Beihilfe i.H.v. 347,76
EUR zu gewähren.
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Das beklagte Land beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Es verteidigt die angegriffenen Bescheide und tritt dem Vorbringen des Klägers
entgegen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf die
Gerichtsakten und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe
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Die Klage, über die der Berichterstatter als Einzelrichter (§ 6 Abs. 1 VwGO) nach über
einstimmendem Verzicht der Beteiligten ohne Durchführung einer mündlichen
Verhandlung entscheiden (§ 101 Abs. 2 VwGO) kann, ist unbegründet.
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Der Bescheid des LBV vom 27. Juni 2008 und dessen Widerspruchsbescheid vom 11.
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November 2008 sind in dem angefochtenen Umfang rechtmäßig. Das LBV hat zu Recht
die Beihilfefähigkeit von Aufwendungen für den zwölffachen Ansatz der Gebührenziffer
905 GOZ in der Zahnarztrechnung vom 18. Juni 2008 abgelehnt. Der Kläger hat
insoweit keinen Anspruch auf die Gewährung weiterer Beihilfe (§ 113 Abs. 5 Satz 1
VwGO).
Nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 der aufgrund der Verordnungsermächtigung in § 88 Satz 4 des
Landesbeamtengesetzes (a.F.) erlassenen "Verordnung über die Gewährung von
Beihilfen in Krankheits- ,Geburts- und Todesfällen" (Beihilfenverordnung vom 27. März
1975 [GV. NRW. S. 332] in der im Zeitpunkt des Entstehens der Aufwendungen
maßgebenden Fassung- BVO -) sind beihilfefähig die "notwendigen Aufwendungen in
angemessenem Umfange in Krankheitsfällen zur Wiedererlangung der Gesundheit, zur
Besserung oder Linderung von Leiden, usw.". Die Angemessenheit der entstandenen
Aufwendungen beurteilt sich grundsätzlich nach den Bestimmungen der
"Gebührenordnung für Zahnärzte" (GOZ) vom 22. Oktober 1987 (BGBl. I S. 2316) mit
nachfolgenden Änderungen, da zahnärztliche Hilfe in aller Regel nur nach Maßgabe
dieser Gebührenordnung zu erlangen ist. Damit setzt die Beihilfefähigkeit voraus, dass
der Zahnarzt die Rechnungsbeträge bei zutreffender Auslegung der Gebührenordnung
zu Recht in Rechnung gestellt hat, dass es sich also im Sinne des § 3 Abs. 1 BVO um
"notwendige Aufwendungen in angemessenem Umfange" handelt. Daraus folgt, dass
der Begriff der notwendigen Aufwendungen in angemessenem Umfang gerichtlich voll
überprüfbar ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 30. Mai 1996 - 2 C 10.95 -, ZBR 1996, 314
(315).
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Soweit es vorliegend allein um die Beihilfefähigkeit der Aufwendungen für Leistungen
gemäß Ziffer 905 GOZ
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"Auswechseln eines Sekundärteils bei einem zusammengesetzten Implantat"
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geht, bedarf es keiner Entscheidung, ob der behandelnde Zahnarzt die von ihm
erbrachten Leistungen im Rahmen einer vertretbaren Auslegung der "Gebührenordnung
für Zahnärzte" kurzzeitig mehrfach vor Abschluss der prothetischen Versorgung nach
der vorgenannten Ziffer 905 GOZ abrechnen konnte.
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Einer Anerkennung der Beihilfefähigkeit dieser Aufwendungen steht nämlich entgegen,
dass über die Auslegung dieser Gebührenziffer bzw. ihre Abrechenbarkeit
unterschiedliche Auffassungen bestehen können und über ihre Berechtigung gestritten
werden kann. Während z.B. die Bundeszahnärztekammer und auch Liebold / Raff /
Wissing, Kommentar BEMA / GOZ, Erläuterungen zu Ziff. 905 GOZ (88. Lieferung; Mai
2008 - ) sowie ein Teil der zivilrechtlichen Rechtsprechung (z.B. OLG Karlsruhe, Urteil
vom 08. Februar 2002 - 10 U 232/00 -, juris) das u.a. mehrfache Austauschen von
Sekundärteilen bereits während der rekonstruktiven Phase für jeweils nach Ziffer 905
GOZ abrechenbar halten, beschränken z.B. die Kommentare von Meurer,
"Gebührenordnung für Zahnärzte - GOZ" , 2. Auflage,1987, und Tiemann/Grosse,
"Kommentar zur Gebührenordnung für Zahnärzte", 2. Auflage, 1990, sowie das
Landgericht Köln, Urteil vom 30. März 2005 - 23 S 74/04 - , juris, die Abrechenbarkeit auf
Verschleiß- bzw. Reparaturfälle nach Herstellung der vollständigen prothetischen
Versorgung.
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Für einen solchen Fall unterschiedlicher Auslegung der Gebührenordnung hat der
Dienstherr - das Land Nordrhein-Westfalen, vertreten durch das insoweit zuständige
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Finanzministerium - vor Entstehung der Aufwendungen seine Rechtsauffassung zu
einer bestimmten Frage deutlich klargestellt und die Beihilfeberechtigten hatten
Gelegenheit, sich hierauf einzurichten. So hat das Finanzministerium des beklagten
Landes durch den "Runderlass vom 19. August 1998" - B 3100 - 3.1.6.2 - IV A 4 -
(MBl.NRW. S. 1020) - also vor der zahnärztlichen Behandlung des Klägers - unter Ziffer
7.18 klargestellt: "Nummer 905 GOZ ist nicht im Rahmen der
implantologischen/prothetischen Primärversorgung berechenbar. Die Berechnung der
Nummer 905 GOZ kann im allgemeinen erst nach Ablauf einer längeren Zeit nach dem
Einfügen des Zahnersatzes auf dem Implantat in Betracht kommen."
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. Urteile vom 17. Februar
1994 - 2 C 17.92 -, ZBR 1994, 227; - 2 C 25.92 -, ZBR 1994, 228) kann der Dienstherr
gerade bei zweifelhaftem Inhalt der Gebührenordnung ein berechtigtes Interesse haben,
bestimmten häufiger wiederkehrenden, von ihm ggf. als überhöht oder entbehrlich
angesehenen Gebührenforderungen von Ärzten oder Zahnärzten an Beihilfeberechtigte
entgegenzutreten und ggf. eine rechtliche Klärung herbeizuführen, wenn er dies, etwa
wegen des finanziellen Umfangs der sich zu der betreffenden Streitfrage summierenden
Einzelbeträge, für zweckmäßig erachtet. Solange und soweit eine höchstrichterliche
Klärung des zweifelhaften Inhalts der Gebührenordnung (hier: der Anwendbarkeit der
Nr. 905 GOZ) oder eine Regelung in der Beihilfenverordnung - wie vorliegend - nicht
erfolgt ist, bleibt der Dienstherr befugt, eine rechtliche Klärung auch in sonstiger Weise -
etwa (wie hier) durch Erlass - vorzunehmen.
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Diese Klärung ist als in allgemein zugänglicher Form vorgenommene Veröffentlichung
der Rechtsauffassung durch den Dienstherrn ausreichend (vgl. BVerwG, a.a.O.); ob dem
Kläger diese Klärung unmittelbar bekannt war, ist demgegenüber nicht entscheidend.
Allerdings war der Kläger auf diese Auslegung des Dienstherrn bereits durch den zur
beabsichtigten Implantatbehandlung des Oberkieferkiefers gemäß Behandlungsplan
von 14. Mai 2007 ergangenen Bescheid vom 22. Mai 2007 hingewiesen worden; denn
auf Seite 4 der in Bezug genommenen beigefügten Hinweise zum zahnärztlichen
Gebührenrecht war die Nr. 905 GOZ bei der implantologischen/prothetischen
Primärversorgung für nicht beihilfefähig erklärt worden (vgl. Teil 1, Bl.15 bis 20 der
Verwaltungsvorgänge). Gleiches wiederholte sich durch den Anerkennungsbescheid
des LBV vom 26. November 2007 mit Anlagen betreffend die geplante
Implantatbehandlung des Unterkiefers, um die es vorliegend geht. Soweit der Kläger in
Abrede stellt, die Seite 4 der beigefügten Hinweise erhalten zu haben, ist dieses
Vorbringen nicht glaubhaft, weil aus den Hinweisen die Gesamtseitenzahl ersichtlich
war ("Seite 2 von 4, Seite 3 von 4") und das etwaige Fehlen der 4. Seite dem Kläger
Veranlassung gegeben hätte, diese nachzufordern, zumal der Bescheid ausdrücklich
eine dahingehende Aufforderung zur umgehenden Kontrolle und Nachforderung
eventuell unvollständiger Anlagen enthielt. Darüber hinaus ist das Vorbringen auch
unerheblich, weil es - wie dargelegt- auf die unmittelbare Kenntnis des Beamten der
vom Dienstherrn vorgenommenen Auslegung der Nr. 905 GOZ nicht ankommt.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die
Vollstreckbarkeitsentscheidung auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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