Urteil des VG Köln vom 13.06.2003

VG Köln: berechtigung, ausbildung, persönliche eignung, verfügung, flugsicherung, widerruf, erlass, beamter, besitz, abklärung

Verwaltungsgericht Köln, 15 L 1119/03
Datum:
13.06.2003
Gericht:
Verwaltungsgericht Köln
Spruchkörper:
15. Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
15 L 1119/03
Tenor:
1. Der Antrag wird abgelehnt.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsteller.
2. Der Streitwert wird auf 2.000,00 Euro festgesetzt.
G r ü n d e:
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Der Antrag,
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den Antragsgegnerinnen zu 1) und 2) im Wege der einstweiligen Anordnung zu
untersagen, den Antragsteller vom Tower L. in den Bereich LDM/AIS zum
Berechtigungserwerb im AIS-L. umzuset- zen,
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hat keinen Erfolg.
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Soweit sich der Antrag gegen die Antragsgegnerin zu 2) richtet, scheitert dieser bereits
daran, dass es der Antragsgegnerin zu 2) an der erforderlichen Passivlegiti- mation fehlt.
Richtige Antragsgegnerin ist gemäß § 78 Abs. 1 Nr. 1 VwGO die Bun- desrepublik
Deutschland, vertreten durch das Luftfahrtbundesamt, also die Antrags- gegnerin zu 1),
weil der Antragsteller als ehemaliger Beamter der Bundesanstalt für Flugsicherung
gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes zur Übernahme der Beamten und Arbeitnehmer
der Bundesanstalt für Flugsicherung vom 23.07.1992 (BGBl. I 1370, 1376) Beamter bei
dem Luftfahrtbundesamt geworden ist. Dies ergibt sich aus den vom
Bundesverwaltungsgericht
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vgl. BVerwG, Urteil vom 11.02.1999 - 2 C 28.98 -, ZBR 1999, 382
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angestellten Überlegungen zur Zurechenbarkeit von im Beamtenverhältnis getrof- fenen
Maßnahmen. Auch in Fällen, in denen es um Maßnahmen aus dem einer pri-
vatrechtlichen Organisation zugewiesenen Bereich geht, der der Beamte zur Dienst-
leistung zugeteilt ist, ist die Bundesrepublik Deutschland, hier vertreten durch das
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Luftfahrtbundesamt, die richtige Antragsgegnerin bzw. Klagegegnerin.
Ebenso Hess. Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 03.12.2002 - 1 TG 2345/02 - und
VG Darmstadt, Beschluss vom 26.07.2002 - 5 G 541/02 - (in Bezug auf die
Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch das Luftfahrtbundesamt und die Deutsche
Flugsicherung GmbH).
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Der Antrag hat auch, soweit er sich gegen die Antragsgegnerin zu 1) richtet, keinen
Erfolg.
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Der Antragsteller hat einen Anordnungsgrund (vgl. § 123 Abs. 1 und 3 VwGO i.V:m. §§
920 Abs. 2, 294 ZPO) nicht glaubhaft gemacht.
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Die streitbefangene Maßnahme der Antragsgegnerin vom 16.12.2002, mit der der
Antragsteller mit Wirkung zum 01.01.2003 vom Tower L. in den Bereich LDM/AIS zum
Berechtigungserwerb im AIS L. umgesetzt wurde, stellt sich bei summarischer
Überprüfung, die im vorliegenden Verfahren allein möglich ist, als Um- setzung dar.
Dafür spricht insbesondere, dass der Antragsteller wegen des Erlö- schens der
Berechtigung als Flugberater zum 05.02.2002 in letzter Zeit nicht mehr in der
Flugberatung tätig gewesen ist. Sollte sich im Rahmen eines eventuellen Haupt-
sacheverfahrens herausstellen, dass dem Antragsteller mit dieser Verfügung nicht
einmal ein veränderter Aufgabenbereich zugewiesen worden ist, wie die Antrags-
gegnerin zu 1) offensichtlich meint, und deshalb in rechtlicher Hinsicht nicht einmal eine
Umsetzung vorläge, so ergäbe sich daraus für den Antragsteller jedenfalls keine
vorteilhaftere Rechtsposition. Bei einer Umsetzung kommt unter dem Gesichtspunkt des
erforderlichen Anordnungsgrundes und des Verbotes der Vorwegnahme der
Hauptsache der Erlass einer einstweiligen Anordnung nur ausnahmsweise in Betracht,
nämlich wenn dem Antragsteller ohne die begehrte Entscheidung schwere,
unzumutbare Nachteile drohen würden. Da Umsetzungen jeder Zeit rückgängig
gemacht werden können, werden diese Voraussetzungen vom Oberverwaltungsgericht
für das Land Nordrhein-Westfalen
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vgl. Beschluss vom 05.11.1992 - 1 B 4119/92 -,
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regelmäßig nur bejaht, wenn es um die Besetzung von Beförderungsdienstpos- ten
geht, während im übrigen davon ausgegangen wird, dass es zumutbar ist, den Ausgang
eines Hauptsacheverfahrens abzuwarten. Auf diese Rechtsprechung hatte das Gericht
die Beteiligten mit Verfügung vom 16.05.2003 hingewiesen.
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Im vorliegenden Fall hat der Antragsteller nicht glaubhaft gemacht, dass ihm durch die
streitbefangene Verfügung vom 16.12.2002 schwere, unzumutbare Nachteile entstehen.
Soweit der Antragsteller behauptet hat, seine derzeitige Tätigkeit als
Flugdatenbearbeiter sei dem gehobenen Dienst zuzuordnen, während die von den
Antragsgegnerinnen zu 1) und 2) angestrebte Tätigkeit des Antragstellers als
Flugberater dem mittleren Dienst zuzuordnen sei, ist dies nicht glaubhaft gemacht
worden. Die Beurteilung der Wertigkeit der Tätigkeiten in der Flugdatenbearbeitung und
in der Flugberatung bedarf genauerer Abklärung in einem eventuellen
Hauptsacheverfahren. Sie ist im vorliegenden bloß summarischen Verfahren in der zur
Verfügung stehenden Zeit, die durch den Antragsteller durch seine späte Antragstellung
maßgeblich mit verkürzt worden ist, nicht möglich. Sollte es so sein, wie die
Antragsgegnerin zu 2) behauptet, dass beide Tätigkeitsbereiche dem mittleren Dienst
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zuzuordnen seien, wäre darüber hinaus zu klären, ob der Antragsteller überhaupt in
einem dieser beiden Bereiche angemessen eingesetzt werden kann. Zudem wäre näher
abzuklären, ob er durch sein Verhalten in der Vergangenheit, wo er nach Angaben der
Antragsgegnerin zu 2) sich unter anderem für den Erhalt der Erlaubnis im Rahmen der
Flugberatung eingesetzt hat, sich eventuell mit einer unterwertigen Tätigkeit
einverstanden erklärt hat und ob dies zulässig ist. Selbst wenn man zu Gunsten des
Antragstellers unterstellt, dass es sich bei der Tätigkeit als Flugberater um eine nicht
amtsangemessene Beschäftigung handelt, so liegt auf dem Hintergrund der Tatsache,
dass er früher als Flugberater tätig war und er sich noch unter dem 17.04.1998 dafür
eingesetzt hat, dass seine Erlaubnis und Berechtigung in der Flugberatung
aufrechterhalten wird, kein unzumutbarer Nachteil vor, wenn er nunmehr erneut - wie die
Verfügung vom 16.12.2002 es fordert - "zum Berechtigungserwerb" vorläufig wieder tätig
werden muss.
Der Antragsteller hat auch nicht glaubhaft gemacht, dass ihm aus anderen Gründen,
schwere, unzumutbare Nachteile drohen, wenn der Erlass der begehrten einstweiligen
Anordnung unterbleibt und er sich demzufolge entsprechend der Verfügung vom
16.12.2002 dem Berechtigungserwerb im Rahmen der Flugberatung unterziehen muss.
Zutreffend ist zwar, dass die von ihm innegehabten zwei Berechtigungen im Rahmen
der Flugdatenbearbeitung zum 04.07.2003 ihre Gültigkeit verlieren, wenn es ihm nicht
gelingt, bis zu diesem Datum die erforderliche Mindeststundenzahl von 120 Stunden als
Flugdatenbearbeiter nachzuholen, woran er sich durch die streitbefangene
Umsetzungsverfügung gehindert sieht. Dies stellt jedoch bei summarischer Prüfung
nach der Auffassung des Gerichts keinen unzumutbaren Nachteil dar. §§ 5 ff. der
Flugsicherungspersonalausbildungsverordnung vom 30.06.1999 (BGBl I 1506)
differenzieren zwischen einer grundlegenden Ausbildung des Flugsicherungspersonals
und einer betrieblichen Ausbildung. Die grundlegende Ausbildung (§§ 6 und 7 ) schließt
mit einer Erlaubnisprüfung (§ 8). Mit dem Bestehen der Erlaubnisprüfung erwirbt der
Bewerber die Erlaubnis für den jeweiligen Verwendungsbereich in den
Flugsicherungsbetriebsdiensten (§ 9 Abs. 1). Der Besitz der Erlaubnis berechtigt das
Flugsicherungsbe- triebspersonal zur Tätigkeit an Arbeitsplätzen der Flugsicherung
unter der Aufsicht eines Ausbilders (§ 9 Abs. 2). In der betrieblichen Ausbildung vertieft
der Bewerber die in der grundlegenden Ausbildung erworbenen Kenntnisse und
Fertigkeiten und lernt, sie bei der praktischen Tätigkeit auf Arbeitsplätzen der
Flugsicherungsbetriebsdienste im jeweiligen Verwendungsbereich anzuwenden (§ 10
Abs. 1 Satz 1). Die betriebliche Ausbildung wird mit dem Erwerb der erforderlichen
Berechtigung abgeschlossen (§ 10 Abs. 4 Satz 1). Berechtigungen werden mit einer
Gültigkeitsdauer von 6 Monaten für die Flugsiche- rungsbetriebsdienste erteilt (§ 22 Abs.
1). Wenn die persönliche Eignung und die kör- perliche Tauglichkeit des
Berechtigungsinhabers gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 Flugsiche-
rungspersonalausbildungsverordnung fortbestehen und die vom Luftfahrtbundesamt mit
Zustimmung des Bundesministeriums für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen
festgelegten Mindestzeiten selbstverantwortlicher Tätigkeit vor Ablauf der
Gültigkeitsdauer nachgewiesen sind, wird die Gültigkeitsdauer der Berechtigung um
den Zeitraum nach § 22 Abs. 1 Flugsicherungspersonalausbildungsverordnung
verlängert (§ 22 Abs. 2 Satz 1). Erlaubnisse hingegen gelten unbefristet, sofern sie nicht
widerrufen werden (§ 21 Abs. 1). Erlaubnisse sollen u. a. widerrufen werden, wenn die
Gültigkeit der Berechtigungen auf Grund von Widerruf oder anderen Gründen seit mehr
als einem Jahr abgelaufen ist (§ 21 Abs. 2).
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Dieses System von Vorschriften zeigt, dass es sich bei der Berechtigung um den
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Abschluss einer betrieblichen, arbeitsplatzbezogenen Ausbildung handelt, die auf der
Erlaubnis als Abschluss der grundlegenden Ausbildung aufbaut. Stellt man in
Rechnung, dass die Berechtigung nur jeweils für einen sehr kurzen Zeitraum - nämlich
für 6 Monate - erteilt wird und an nicht unerhebliche Mindestzeiten selbstverantwortlicher
Tätigkeit für die Gültigkeitsverlängerung anknüpft, so müssen Beamte von vornherein
damit rechnen, dass sie aus persönlichen Gründen - wie etwa Krankheiten - oder auf
Grund von dienstlichen Erfordernissen nicht immer die erforderlichen Mindestzeiten
erbringen können, um zu einer nahtlosen Gültigkeitsverlängerung der Berechtigungen
zu kommen. Das gilt insbesondere, wenn Beamte mehrere Berechtigungen innehaben.
Insoweit ist ein Neuerwerb der Berechtigungen durchaus zumutbar. § 22 Abs. 3
Flugsiche- rungspersonalausbildungsverordnung regelt insoweit, dass nach Ablauf der
Gültigkeitsdauer auf Antrag des Berechtigungsinhabers eine Berechtigung erneuert
werden kann, wenn die Voraussetzungen nach den §§ 3 und 4 vorliegen und
sichergestellt ist, dass die erforderlichen Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten nach
§ 10 zur selbstverantwortlichen Tätigkeit auf dem betreffenden Arbeitsplatz der
Flugsicherungsbetriebsdienste vorhanden sind. Es ist nicht dargetan und glaubhaft
gemacht, dass der Antragsteller auf diesem Wege nicht mit zumutbarem Einsatz
gegebenenfalls erneut in den Besitz der Berechtigungen zur Flugdatenbearbeitung
gelangen könnte. Die Antragsgegnerin zu 2) hat insoweit in ihrer Antragserwiderung
vom 10.06.2003 darauf hingewiesen, dass der Antragsteller die Berechtigung für die
Flugdatenbearbeitung unverzüglich wiedererwerben könnte. Er müsse dafür lediglich
120 Stunden im Bereich der Flugdatenbearbeitung eingesetzt werden. Insoweit vermag
das Gericht den mit Ablauf des 04.07.2003 bevorstehenden Verlust der Berechtigungen
für die Flugdatenbearbeitung nicht als schweren, unzumutbaren Nachteil zu bewerten,
der einen hinreichenden Anordnungsgrund für den Erlass der begehrten einstweiligen
Anordnung abgibt, zumal mit der unter dem 16.12.2002 angeordneten Tätigkeit gerade
eine andere Berechtigung, nämlich zum Zwecke der Flugberatung, wiedererworben
werden soll.
Ein Anordnungsgrund für die begehrte einstweilige Anordnung und eine Rechtfertigung,
ausnahmsweise die Hauptsache vorweg zu nehmen, lässt sich auch nicht aus einem
drohenden Verlust der Erlaubnis des Antragstellers für die Flugdatenbearbeitung
herleiten. Wie die Antragsgegnerin zu 1) zutreffend ausgeführt hat und aus § 21 Abs. 2
Flugsi- cherungspersonalausbildungsverordnung zu entnehmen ist, kommt ein Widerruf
der Erlaubnis der Flugdatenbearbeitung wegen Erlöschens der zu Grunde liegenden
Be- rechtigungen erst nach mehr als einem Jahr in Betracht, mithin erst im Juli 2004.
Dies zeigt, dass derzeit kein Anordnungsgrund besteht. Die verbleibende Zeitspanne
reicht zwar normalerweise für die Durchführung eines Hauptsacheverfahrens angesichts
der derzeitigen Geschäftslage der Kammer nicht aus. Das Gericht stellt jedoch in
Aussicht, ein eventuelles Hauptsacheverfahren vorzeitig zu terminieren bzw. die
Antragsgegnerin zu 1) zu bitten, einen eventuell beabsichtigten Widerruf der Erlaubnis
zur Flugdatenbearbeitung zurückzustellen, um eine weitere rechtliche Abklärung zu
ermöglichen, ohne dass es zum Verlust der Erlaubnis für die Flugdatenbearbeitung
kommt. Auf diesem Hintergrund kann derzeit offenbleiben, ob es dem Antragsteller auch
zumutbar wäre, den Verlust der Erlaubnis hinzunehmen und man ihn gegebenenfalls
auch insoweit auf einen Wiedererwerb verweisen könnte.
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Nach allem ist der Antrag mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.
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Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 13 Abs. 1, 20 Abs. 3 Gerichtskostengesetz (GKG).
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