Urteil des VG Köln vom 05.02.1999

VG Köln (1995, aufgaben, kreis, aufgabe, stellungnahme, entwurf, förderung, höhe, gemeinde, gebiet)

Verwaltungsgericht Köln, 4 K 8910/95
Datum:
05.02.1999
Gericht:
Verwaltungsgericht Köln
Spruchkörper:
4. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
4 K 8910/95
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des
Verfahrens. Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung
oder Hinterlegung i.H.v. 13.000,--DM vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand:
1
Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit des Kreisumlagebescheides für das
Haushaltsjahr 1995.
2
Die Klägerin ist eine kreisangehörige Stadt und gehört zum Kreisgebiet des Be- klagten.
Mit Schreiben vom 25. November 1994 - übermittelt per Boten am 28. November 1994 -
übersandte der Beklagte dem Stadtdirektor der Stadt Q. die „Eckdaten zum
Kreishaushalt (Entwurf) 1995", die er am 29. November in einem „Eckdatengespräch"
näher darstellte. Nachdem der Beklagte am 30. November 1994 den Entwurf der
Haushaltssatzung festgestellt hatte, erfolgte am 13. Dezember 1994 die „Bekanntgabe
über die Auslegung des Entwurfs der Haus- haltssatzung des Erftkreises für das
Haushaltsjahr 1995" im Amtsblatt des Beklagten. Mit Schreiben vom 16. Dezember
1994 übersandte der Beklagte dem Stadtdirektor der Stadt Q. den Entwurf der
Haushaltssatzung des Erftkreises für das Haus- haltsjahr 1995 und wies auf die
Beteiligungsmöglichkeit der Klägerin nach § 55 Abs. 1 Satz 2 der Kreisordnung für das
Land Nordrhein-Westfalen - KrO NW - hin. Zuvor hatte bereits die Konferenz der Stadt-
und Gemeindedirektoren im Erftkreis mit Schreiben vom 14. Dezember 1994 zu den
Eckdaten des Entwurfes des Kreishaus- haltes Stellung genommen. Die Klägerin erhob
mit Schreiben vom 25. Januar 1995 - bei dem Beklagten eingegangen am 30. Januar
1995 - Einwendungen gegen den Haushaltsentwurf gemäß § 55 Abs. 2 KrO NW. Am 1.
Februar 1995 wurde der Haushaltsentwurf im Kreisausschuß beraten. Dabei ist
zwischen den Beteiligten streitig, inwieweit den Mitgliedern des Kreisausschusses zu
dieser Sitzung die von der Klägerin und von anderen kreisangehörigen Gemeinden und
Städten gegen den Entwurf der Haushaltssatzung erhobenen Einwendungen vorlagen.
In seiner Sitzung vom 9. Februar 1995 faßte der Kreistag des Beklagten den Beschluß:
3
"Die von den kreisangehörigen Städten Bedburg, Bergheim, Erftstadt, Hürth und
Pulheim sowie der Gemeinde Elsdorf und der Konferenz der Stadt- und
Gemeindedirektoren im Erftkreis erhobenen Einwendungen gegen den Entwurf der
Haushaltssatzung und ihre Anlagen für das Haushaltsjahr 1995, welche zum größten
4
Teil in die Vorberatungen des Kreisausschusses eingeflossen sind, werden hiermit
unter Übernahme der in dieser Vorlage dargelegten Grün- de zurückgewiesen".
Dabei lag den Mitgliedern des Kreistages in der Sitzung eine Beschlußvorlage des
Beklagten vom 7. Februar 1995 (Az.: 20.2001) vor. Dieser Beschlußvorlage wa- ren die
gegen den Entwurf der Haushaltssatzung erhobenen Einwendungen und eine
Stellungnahme der Kreisverwaltung beigefügt. Weiter beschloß der Kreistag die
„Haushaltssatzung des Erftkreises für das Haushaltsjahr 1995". In § 5 Nr. 1 Satz 2
dieser Satzung ist der Umlagesatz für die allgemeine Kreisumlage auf 39,5 % der nach
dem Gemeindefinanzierungsgesetz 1995 geltenden Umlagegrundlagen festge- setzt.
Die Haushaltssatzung wurde am 11. April 1995 im Amtsblatt des Beklagten bekannt
gemacht. Der Beklagte setzte mit Bescheid vom 12. April 1995 die Kreisum- lage für das
Haushaltsjahr 1995 für die Klägerin auf 30.295.840,-- DM fest. Hierge- gen erhob die
Klägerin mit Schreiben vom 11. Mai 1995 Widerspruch, den der Be- klagte mit
Widerspruchsbescheid vom 2. November 1995 - der Klägerin zugestellt am 9.
November 1995 - zurückwies.
5
Hiergegen hat die Klägerin am 6. Dezember 1995 Klage erhoben. Die Klägerin ist der
Auffassung, daß der Festsetzungsbescheid vom 12. April 1995 rechtswidrig sei und sie
in ihren Rechten verletze. Die dem Bescheid zugrundeliegende Haushaltssatzung sei
formell fehlerhaft zustandegekommen. Die Klägerin sei bei der Aufstellung des Entwurfs
der Haushaltssatzung nicht wie durch § 55 KrO NW gesetzlich vorgeschrieben in
geeigneter Weise beteiligt worden. Der Entwurf der Haushaltssatzung sei nämlich im
Zeitpunkt des „Eckdatengespräches" am 29. November 1994 bereits fertiggestellt
gewesen und die bis zu seiner Feststel- lung am 30. November 1994 verbleibende Zeit
sei zu kurz gewesen, eine Stellungnahme zum Entwurf zu erstellen. Weiter sei das
Einwendungsverfahren nach § 55 Abs. 2 KrO NW nicht ordnungsgemäß durchgeführt
worden. Denn dem Kreisausschuß hätten bei seiner Sitzung am 1. Februar 1995 die zu
diesem Zeitpunkt gegen den Entwurf der Haushaltssatzung erhobenen Einwendungen
nicht vorgelegen. Ferner sei die Kreisumlage ihr gegenüber zu hoch festgesetzt worden.
Der dem Bescheid zugrun- degelegte Umlagesatz von 39,5 % der Umlagegrundlagen
sei in § 5 der Haushalts- satzung rechtswidrig, weil seinerseits überhöht, bestimmt.
Denn der Beklagte habe bei der Ermittlung des Umlagesolls im Haushaltsplan
Ausgaben für Aufgaben einge- stellt, für deren Wahrnehmung er nicht zuständig sei, sei
es, weil es sich um Angele- genheiten handele, die als örtliche Angelegenheiten dem
Zuständigkeitsbereich der Klägerin oder anderer kreisangehöriger Gemeinden
zuzurechnen seien, sei es, weil es sich um überörtliche Angelegenheiten handele, die
nicht auf das Gebiet des Be- klagten beschränkt seien. Der Beklagte sei insbesondere
nicht zuständig für die Auf- gabengruppe der sog. Ausgleichs- und
Ergänzungsaufgaben. Derartige Aufgaben seien in der nordrhein-westfälischen
Kreisordnung nicht vorgesehen und von Verfas- sungs wegen auch nicht zulässig.
Ferner weise der Haushaltsplan teilweise auch schlicht gesetzeswidrige
Haushaltsansätze aus. Dies verletze die Klägerin in ihren Rechten, da sie durch die
überhöhte Kreisumlage daran gehindert werde, die in Wirklichkeit in ihren
Zuständigkeitsbereich fallenden Aufgaben selbst wahrzuneh- men, wozu sie auch bereit
sei. Ferner werde sie in ihrem gemeindlichen Selbstver- waltungsrecht verletzt, indem
ihr der Beklagte über die Kreisumlage allgemeine De- ckungsmittel entziehe, die ihm
nicht zustünden. Dabei sei die Ermittlung des Umla- gesolls in so erheblichem Umfang
fehlerhaft erfolgt, daß es sich auch nicht lediglich um geringfügige Fehler handele, die
ohne spürbare finanzielle Auswirkungen auf den Kreishaushalt blieben. Hierzu rügt die
Klägerin eine Vielzahl von Ansätzen in dem der Haushaltssatzung des Beklagten für
6
das Haushaltsjahr 1995 zugrundeliegenden Haushaltsplan. Insoweit wird hinsichtlich
der Einzelheiten auf den schriftsätzlichen Vortrag der Klägerin, insbesondere auf deren
Schriftsatz vom 25. Januar 1996, Be- zug genommen. Weiter habe der Beklagte bei der
Ermittlung des Umlagesolls im Verwaltungshaushalt Einnahmen nicht veranschlagt, die
er von Gesetzes wegen um- lagemindernd hätte berücksichtigen müssen. Unabhängig
von diesen konkreten Ein- wendungen sei die festgesetzte Kreisumlage auch deswegen
rechtswidrig, weil sie ihrer Höhe nach in den Kernbereich der verfassungsrechtlich
geschützten gemeindli- chen Finanzhoheit eingreife. Denn die festgesetzte Kreisumlage
habe im Haushalts- jahr 1995 37 % der allgemeinen Deckungsmittel der Klägerin
beansprucht. Ferner habe die Höhe der Kreisumlage zusammen mit den sonstigen
Umlagen nach § 5 der Haushaltssatzung dazu geführt, daß die Klägerin im Jahr 1995
zahlreiche gesetzlich vorgeschriebene und unverzichtbare Angelegenheiten der
örtlichen Gemeinschaft, die dem Kernbereich ihrer Selbstverwaltung zuzurechnen
seien, nicht habe wahr- nehmen können.
Die Klägerin beantragt,
7
den Kreisumlagebescheid des Beklagten vom 12. April 1995 und den
Widerspruchsbescheid vom 2. November 1995 insoweit aufzuheben, als die Höhe der
festgesetzten Kreisumlage 29,5 Mio. DM übersteigt.
8
Der Beklagte beantragt,
9
die Klage abzuweisen.
10
Zur Begründung führt er im wesentlichen aus: Der angefochtene Bescheid sei
rechtmäßig. Er beruhe auf § 5 der Haushaltssatzung, die ihrerseits wirksam
zustandegekommen sei. Insbesondere sei die in § 55 KrO NW vorgeschriebene
Beteiligung der kreisangehörigen Gemeinden ordnungsgemäß erfolgt. Dabei sei
unerheblich, daß die Klägerin vor der Feststellung des Haushaltsentwurfes durch den
Beklagten nicht zu dem Entwurf habe Stellung nehmen können. Denn diese
Stellungnahme sei jedenfalls noch vor der endgültigen Beschlußfassung zu der
Haushaltssatzung möglich gewesen, und die Klägerin habe mit ihrem Schreiben vom
25. Januar 1995 auch tatsächlich Einwendungen erhoben. Der Umlagesatz für die
Kreisumlage sei auch der Höhe nach rechtmäßig festgesetzt worden. Die Höhe des
Umlagesolls sei zutreffend ermittelt worden. Insbesondere habe der Beklagte nur
Ausgaben für die Erfüllung solcher Aufgaben berücksichtigt, für die er zuständig sei.
Hierzu sei auch die Gruppe der sog. Ergänzungs- und Ausgleichsaufgaben zu rechnen,
die den Kreisen in Nordrhein-Westfalen in verfassungsrechtlich zulässiger Weise durch
die Generalklausel des § 2 Abs. 1 Satz 1 KrO NW übertragen worden sei. Hinsichtlich
des „OB" und des „Wie" der Wahrnehmung dieser Aufgaben stehe dem Beklagten
aufgrund des ihm gewährleisteten Selbstverwaltungsrechtes ein weiter
Gestaltungsspielraum zu, so daß die Klägerin die von ihm vorgenommene
Aufgabenbestimmung, die zugleich die Höhe des Umlagesolls bestimme, grundsätzlich
als rechtmäßig hinzunehmen habe. Die Wahrnehmung dieser Aufgaben überschreite
auch in keinem der von der Klägerin gerügten Ansätze die Schwelle der Vertretbarkeit.
11
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
12
Entscheidungsgründe:
13
Die nach § 42 Abs. 1 VwGO erhobene Anfechtungsklage hat keinen Erfolg.
14
Dabei kann offenbleiben, ob die Klägerin die Anfechtung zulässigerweise auf einen
Teilbetrag der streitgegenständlichen Bescheide beschränkt hat. Dies erscheint
zumindest deswegen fraglich, weil der gegenüber der Klägerin festgesetzte
Kreisumlagebetrag auf dem in § 5 Nr. 1 der Haushaltssatzung 1995 des Beklagten
festgesetzten Kreisumlagesatz beruht, der als einheitliche Berechnungsgrundlage
seinerseits nicht teilbar ist.
15
Zur fehlenden Möglichkeit einer Teilgenehmigung der Kreisumlage durch die
Aufsichtsbehörde nach § 45 KrO NW a.F. vgl. OVG NW, Urteil vom 15. Dezember 1989 -
15 A 436/86 -, NVwZ 1990, 689ff.
16
Jedenfalls ist die Klage unbegründet. Der Bescheid vom 12. April 1995 in der Fassung
des Widerspruchsbescheides vom 2. November 1995 ist rechtmäßig und verletzt die
Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
17
Der angefochtene Bescheid hat seine Rechtsgrundlage in § 56 der Kreisordnung für das
Land Nordrhein-Westfalen in der Fassung der Bekanntmachung vom 14. Juli 1994 - KrO
NW - i.V.m. § 33 des Gemeindefinanzierungsgesetzes für das Haushaltsjahr 1995 - GV
NW S.1130 - (GFG 1995) und § 5 Nr. 1 der Haushaltssatzung des Erftkreises für das
Haushaltsjahr 1995 vom 9. Februar 1995.
18
Danach erhebt der Beklagte zur Deckung des durch sonstige Einnahmen nicht
gedeckten Finanzbedarfs von den kreisangehörigen Gemeinden eine Kreisumlage in
Höhe von 39,5 % der nach dem Gemeindefinanzierungsgesetz 1995 geltenden
Umlagegrundlagen. Dies ist hier geschehen, indem der Beklagte auf der Basis der -
zwischen den Beteiligten unstreitigen - Umlagegrundlagen von 76.698.328,--DM unter
Anwendung des in der Haushaltssatzung 1995 festgesetzten Umlagesatzes von 39,5 %
eine allgemeine Kreisumlage von 30.295.840,--DM gegenüber der Klägerin festsetzt
hat.
19
Der dem Bescheid vom 12. April 1995 zugrundeliegende § 5 Nr. 1 der
Haushaltssatzung 1995 des Beklagten steht seinerseits in Einklang mit den §§ 55, 56
KrO NW. In formeller Hinsicht bestehen keine durchgreifenden Bedenken gegen die
Wirksamkeit der Haushaltssatzung 1995 des Erftkreises. Das Verfahren zur Aufstellung
der Haushaltssatzung ist ordnungsgemäß verlaufen. Insbesondere ist die Klägerin in
einer den Anforderungen des § 55 KrO NW noch entsprechenden Art und Weise
beteiligt worden; auf die Frage, welche Auswirkungen eine fehlerhafte Beteiligung auf
die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides hätte, kommt es daher nicht an.
Nach § 55 Abs. 1 Satz 2 KrO NW ist den kreisangehörigen Gemeinden Gelegenheit zu
geben, zu allen Inhalten der Haushaltssatzung und ihren Anlagen, insbesondere zur
vorgesehenen Höhe des Umlagesatzes, Stellung zu nehmen. Dem ist der Beklagte
nachgekommen. Denn er hatte der Klägerin mit Schreiben vom 16. Dezember 1994 den
von ihm am 30. November 1994 nach § 53 Abs. 1 KrO NW i.V.m. § 79 Abs. 2 Satz 1 GO
NW festgestellten Entwurf der Haushaltssatzung mit Anlagen unter Hinweis auf das
Recht zur Stellungnahme nach § 55 Abs. 1 Satz 2 KrO NW zugesandt. Daraufhin hatte
die Klägerin mit Schreiben vom 25. Januar 1995 nach vorheriger entsprechender
Beschlußfassung im Rat der Stadt Q. auch tat- sächlich zu dem Entwurf der
Haushaltssatzung Stellung genommen. Rechtlich unerheblich ist dagegen, daß die
20
Klägerin aufgrund des kurzen Zeitraumes zwischen dem "Eckdatengespräch" am 29.
November 1994 und der Feststellung des Entwurfes der Haushaltssatzung am 30.
November 1994 nicht die Gelegenheit hatte, noch vor der Feststellung des Entwurfes
der Haushaltssatzung Stellung zu nehmen. Denn § 55 Abs. 1 Satz 1 KrO NW schreibt
keine formalisierte Beteiligungsform vor, sondern bestimmt lediglich, daß die
kreisangehörigen Gemeinden bei der Aufstellung des Entwurfs der Haushaltssatzung
und ihrer Anlagen "in geeigneter Weise" zu beteiligen sind. Ebensowenig läßt sich § 55
Abs. 1 Satz 2 KrO NW entnehmen, daß den kreisangehörigen Gemeinden von Gesetzes
wegen schon vor der Feststellung des Entwurfes der Haushaltssatzung durch den
Landrat Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben werden muß. Vielmehr legt der
Umstand, daß § 55 Abs. 1 Satz 2 KrO NW die Gelegenheit zur Stellungnahme auf "alle
Inhalte der Haus- haltssatzung und ihre Anlagen" bezieht, umgekehrt die Überlegung
nahe, daß der festgestellte Entwurf der Haushaltssatzung im Zeitpunkt der
Stellungnahme bereits vorliegen muß. Denn vorher ist eine Stellungnahme zu der
Haushaltssatzung und ihren Anlagen noch nicht möglich. Etwas anderes ergibt sich
auch nicht aus Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung des § 55 Abs. 1 Satz 1 KrO
NW. Die von dem Gesetzgeber gegenüber der bisherigen Gesetzeslage (§ 43 KrO NW
a.F.) bezweckte stärkere Einbeziehung der kreisangehörigen Gemeinden in den
politischen Prozeß der Festsetzung der Kreisumlage,
vgl. Begründung zum Gesetzentwurf der Landesregierung, 11/4983, Seite 32,
21
läßt zwar eine möglichst frühzeitige Beteiligung der kreisangehörigen Gemeinden als
geboten erscheinen. Jedoch erfordert dies nicht, daß - wie die Klägerin in der
mündlichen Verhandlung vorgetragen hat - der jeweilige Kreis einen Vorentwurf zum
Entwurf der Haushaltssatzung erstellen muß und die kreisangehörigen Gemeinden
hierzu noch vor der Fertigstellung des Entwurfes Stellung nehmen können. Denn der
dargestellten ratio der gesetzlichen Regelung ist auch dann noch hinreichend
Rechnung getragen, wenn die Gelegenheit zur Stellungnahme - wie hier - erst nach der
Feststellung des Entwurfes der Haushaltssatzung durch den Landrat gegeben wird. Die
endgültige Beschlußfassung im Kreistag und die ihr vorangehende politische
Diskussion in der Öffentlichkeit und dem Kreisausschuß stehen nämlich zu diesem
Zeitpunkt noch aus, so daß die jeweilige kreisangehörige Gemeinde ausreichend
Gelegenheit hat, mit ihrer Stellungnahme auf den Willensbildungsprozeß des
Kreistages als dem entscheidenden Gremium Einfluß zu nehmen. Daß hier die
Stellungnahme der Klägerin dem Beklagten erst am 30. Januar 1995 mit Schreiben vom
25. Januar 1995 zugeleitet wurde, ist dem Verantwortungsbereich der Klägerin
zuzurechnen, die bereits seit dem 29. November 1994 die wesentlichen "Eckdaten" zum
Haushalt 1995 und seit dem 17. Dezember 1994 den festgestellten Entwurf der
Haushaltssatzung kannte. Schließlich darf bei der Frage einer Beteiligung der
kreisangehörigen Gemeinden „in geeigneter Weise" i.S.v. § 55 Abs. 1 Satz 1 KrO auch
nicht unberücksichtigt bleiben, daß es den kreisangehörigen Gemeinden aufgrund ihrer
Kenntnis der jeweils vorjährigen Haushaltsansätze ohne weiteres möglich ist,
insbesondere zur Höhe des Kreisumlagesatzes und der diesem zugrundeliegenden
Aufgabenwahrnehmung durch die jeweiligen Kreise Stellung zu nehmen, ohne daß es
hierzu zwingend der vorherigen Übermittlung eines Vorentwurfes der in der Aufstellung
befindlichen Haushaltssatzung bedürfte. Denn die Aufgabenwahrnehmung durch den
Kreis und die damit zusammenhängenden Haushaltsansätze sind regelmäßig keinen
derart abrupten Veränderungen unterworfen, daß eine entsprechende Stellungnahme
im Sinne einer "Verwahrung" gegen die zu weit gehende Aufgabenwahrnehmung durch
den Kreis nicht auch ohne Kenntnis der genauen Einzelheiten des Entwurfs möglich
22
wäre. Im übrigen ermöglicht den kreisangehörigen Gemeinden auch die auf einer
Vielzahl von Doppelmandaten beruhende enge Verbindung von Kreistagen und
Gemeinderäten, ihre Interessen im Vorfeld der Festsetzung der Kreisumlage zur Gel-
tung zu bringen, unabhängig von einem formalisierten Beteiligungsverfahren nach
Vorstellung der Klägerin. Schließlich ist zur Abrundung der vorstehenden Überlegungen
in den Blick zu nehmen, daß die Kreise ihrerseits zur Erstellung eines aussagekräftigen
Haushaltsentwurfes und insbesondere zur Abschätzung des Finanzbedarfes des
Kreises auf Informationen angewiesen sind, über die sie - wie z.B. die Höhe der
Schlüsselzuweisungen des Landes - unter Umständen erst relativ spät verfügen. So hat
der Beklagte - von der Klägerin unwidersprochen - vorgetragen, daß er das ursprünglich
für den 22. November 1994 vorgesehene „Eck- datengespräch" auf den 29. November
1994 verschieben mußte, da ihm die erforderlichen Daten seinerseits noch nicht zur
Verfügung standen. Ferner hat der Kreistag - wie in § 55 Abs. 2 Satz 1 KrO NW
vorgeschrieben - über die Einwendungen der kreisangehörigen Gemeinden in
öffentlicher Sitzung beschlossen. Diese Bestimmung fordert einen von dem eigentlichen
Satzungsbeschluß getrennten förmlichen Beschluß des Kreistages und setzt ihrem
Zweck nach voraus, daß sich das Beschlußorgan mit den Einwendungen konkret
auseinandersetzt. Dies muß aber - entgegen der Auffassung der Klägerin - nicht in Form
einer detaillierten Sachdebatte erfolgen, sondern es genügt grundsätzlich, wenn die
Einwendungen eines Einwendungsberechtigten in vollem Umfang samt detaillierter
Stellungnahme der Kreisverwaltung dem Kreistag zur Beratung vorgelegt und daraufhin
durch einen einheitlichen Beschluß als unbegründet zurückgewiesen werden.
Vgl. OVG NW, Urteil vom 19. November 1976 - XV A 256/73 -.
23
Dies ist hier geschehen. Der Kreistag hat mit Beschluß vom 9. Februar 1995 die von
den kreisangehörigen Städten Bedburg, Bergheim, Erftstadt, Hürth und Pulheim sowie
der Gemeinde Elsdorf und der Konferenz der Stadt- und Gemeindedirektoren im
Erftkreis erhobenen Einwendungen zurückgewiesen. Diesem Beschluß lag eine
Beschlußvorlage der Kreisverwaltung - 20.2001 - vom 7. Februar 1995 zugrunde, der
die von den kreisangehörigen Städten und Gemeinden erhobenen Einwendungen in
Kopie beigefügt waren und in der die Kreisverwaltung zu den einzelnen Einwendungen
Stellung genommen hatte. Dagegen ist, entgegen der Auffassung der klagenden Stadt,
unerheblich, ob und inwieweit dem Kreisausschuß des Erftkreises zu seiner Sitzung am
1. Februar 1995 die zu diesem Zeitpunkt bereits erhobenen Einwendungen vorlagen.
Denn nach § 55 Abs. 2 Satz 1 KrO NW ist der Beschluß über die Einwendungen
ausdrücklich dem Kreistag vorbehalten, während der Kreisausschuß nach § 50 Abs. 1
Satz 2 KrO NW die Beschlüsse des Kreistages lediglich vorbereitet. Diese Vorbereitung
schließt es zwar nicht aus, daß sich auch der Kreisausschuß mit erhobenen
Einwendungen befaßt, enthält aber kein zwingendes gesetzliches Gebot, daß bei der
Vorbereitung bereits die gleichen Unterlagen wie zur endgültigen Beschlußfassung
vorliegen müssen. Vorliegend kommt hinzu, daß sich die Mitglieder des
Kreisausschusses - ausweislich des Protokolls - in der Sitzung vom 1. Februar 1995
ausdrücklich damit einverstanden erklärt hatten, daß die erhobenen Einwendungen
nebst Stellungnahme der Kreisverwaltung erst zur Sitzung des Kreistages am 9. Februar
1995 vorgelegt wurden.
24
In materieller Hinsicht findet § 5 Nr. 1 der Haushaltssatzung 1995 seine
Ermächtigungsgrundlage in § 56 Abs. 1 KrO NW i.V.m. § 33 GFG 1995.
25
§ 56 Abs. 1 KrO NW ist seinerseits verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Die
26
Erhebung einer Kreisumlage verstößt nicht gegen das verfassungsrechtlich verbürgte
Selbstverwaltungsrecht der Gemeinden (Art. 28 Abs. 2 Satz 1 und Satz 3 GG und Art. 78
Abs. 1 Verf NW). Sie bewirkt zwar einen Mittelentzug bei den Gemeinden und damit
eine Schmälerung ihrer Finanzmittel, die sie ansonsten gerade zur Erfüllung ihrer
freiwilligen Selbstverwaltungsaufgaben zur Verfügung hätten. Die Pflicht, eine Umlage
an den Kreis zu leisten, ist jedoch grundsätzlich eine zulässige Einschränkung der
Rechtsstellung der Gemeinden „im Rahmen der Gesetze " (Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG).
BVerwG, Beschluß vom 28. Februar 1997 - 8 N 1/96 -, NVwZ 1998, 63ff; BVerwG,
Beschluß vom 3. März 1997 - 8 B 130/96 -, NVwZ 1998, 66.
27
Das Recht zur Erhebung der Kreisumlage zählt zur Einnahme- und Haushaltshoheit der
Kreise und ist Bestandteil ihres verfassungsrechtlich garantierten
Selbstverwaltungsrechts (Art. 78 Abs. 1 Verf NW , Art 28 Abs. 2 GG).
28
VerfGH NW, Urteil vom 13. August 1996 - VerfGH 23/94 -, DVBl. 1997, 121ff; OVG NW,
Urteil vom 15. Dezember 1989 - 15 A 436/86 -, NVwZ 1990, 689ff; OVG Schleswig,
Urteil vom 20. Dezember 1994 - 2 K 4/94 -, DVBl. 1995, 469ff.
29
§ 5 Nr. 1 der Haushaltssatzung 1995 hält sich auch im Rahmen der gesetzlichen
Ermächtigung des § 56 Abs. 1 KrO NW. Er sieht in 5 Nr. 1 Satz 1 in Übereinstimmung
mit § 56 Abs. 1 KrO NW die Erhebung einer Kreisumlage "zur Deckung des durch
sonstige Einnahmen nicht gedeckten Finanzbedarfs" vor. Ferner hat der Beklagte in § 5
Nr. 1 Satz 2 der Haushaltssatzung den Kreisumlagesatz in Einklang mit § 56 Abs. 1 KrO
NW i.V.m. § 33 GFG 1995 auf 39,5% der Umlagegrundlagen festgesetzt. Dieser
Kreisumlagesatz ist auch mit höherrangigem Recht vereinbar.
30
Nach dem Wortlaut des § 56 Abs. 1 KrO NW stellt der Begriff des „Finanzbedarfs" auf
der Tatbestandsseite die normative Grenze für die Erhebung der Kreisumlage dar.
Dabei wird die konkrete Höhe des Kreisumlagesatzes wesentlich von den Ausgaben für
die Aufgabenwahrnehmung bestimmt. In diesem Zusammenhang kann offenbleiben, ob
für das nordrhein-westfälische Recht der Auffassung zu folgen ist, die davon ausgeht,
daß eine rechtswidrige Aufga- benwahrnehmung durch den Kreis die Rechtswidrigkeit
der Umlageerhebung zur Folge haben kann,
31
so unter anderem BayVGH, Urteil vom 4. November 1992 - 4 B 90.718 -, DVBl. 1993,
893ff; OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 21. Mai 1993 - 10 C 10178/92 -, DVBl. 1993,
895ff; OVG Schleswig, Urteil vom 20. November 1994 - 2 K 4/94 -, DVBl. 1995, 469ff;
BayVGH, Urteil vom 25. Juli 1996 - 4 B 94.1199 -, BayVBl. 1996, 691ff; OVG Frankfurt,
Urteil vom 7.11.1996 - 1 D 34/94. NE -, NVwZ-RR 1998, 57ff,
32
oder ob der Gegenmeinung zuzustimmen ist, wonach die Rechtswidrigkeit der
Aufgabenwahrnehmung im Verfahren gegen den Kreisumlagebescheid nicht gerügt
werden kann, sondern die Gemeinden bei einer kompetenzwidrigen
Aufgabenwahrnehmung durch den Kreis auf eine eventuelle Unterlassungsklage oder
ein Einschreiten der Aufsichtsbehörde zu verweisen sind.
33
So zur Landschaftsumlage nach § 24 LVerbO NW a.F.: OVG NW, Urteil vom 27. August
1996 - 15 A 4171/93 -, NVwZ-RR 1997, 251ff, unter ausdrücklicher Erwähnung der
„gleichgelagerten Kreisumlage"; für den Fall der Kreisumlage ausdrücklich Kirchhof in
Held/Becker/ Decker/Kirchhof/Krämer/Wansleben, Kommunalverfassungsrecht
34
Nordrhein-Westfalen, Loseblattausgabe, Stand Dezember 1997, § 56 Anm. 3.2..
Für die letztgenannte Auffassung spricht neben dem Wortlaut unter anderem, daß es
nach dem Grundsatz der Gesamtdeckung (§ 16 GemHVO) nicht möglich ist, die über die
Kreisumlage erzielten Einnahmen bestimmten Ausgaben im Haushaltsplan zuzuordnen;
mithin könnte selbst dann, wenn festgestellt würde, daß der Kreis bestimmte Aufgaben
kompetenzwidrig wahrnimmt und die hierdurch verursachten Ausgaben festgestellt
würden, nicht gesagt werden, aus welchen Einnahmemitteln diese kompetenzwidrigen
Aufgaben finanziert werden bzw. daß dies gerade aus der Kreisumlage der Fall ist.
35
Auch läßt sich nicht verkennen, daß es dem Zweck der Kreisumlage als eines
wesentlichen Finanzierungsinstrumentes zur Erfüllung der Kreisaufgaben zuwiderlaufen
würde, wenn die Rechtmäßigkeit ihrer Erhebung wegen eines Streites über die
Kompetenzgemäßheit der Aufgabenwahrnehmung durch den Kreis u.U. über Jahre in
der Schwebe bliebe und gegebenenfalls der Kreis noch nach Jahren - trotz tatsächlicher
Wahrnehmung der Aufgaben und entsprechendem Mitteleinsatz - mit dem Fortfall der
Umlage rechnen müßte.
36
Letztlich bedarf es aber insoweit keiner abschließenden Entscheidung. Denn selbst
wenn man zugunsten der Klägerin mit der erstgenannten Auffassung davon ausgeht,
daß eine rechtswidrige Aufgabenwahrnehmung durch den Kreis die Rechtswidrigkeit
der Umlageerhebung zur Folge haben kann, hat die Klage keinen Erfolg. Es führt
nämlich jedenfalls nicht bereits jeder fehlerhafte Ausgabeansatz im Haushaltsplan auch
zur Rechtswidrigkeit des Kreisumlagesatzes. Die verwaltungsgerichtliche
Inzidentprüfung der Rechtmäßigkeit der Aufgabenwahrnehmung durch den Kreis wird
vielmehr durch den Schutzbereich des Art. 28 Abs. 2 GG begrenzt. Denn Art. 19 Abs. 4
GG knüpft die Garantie des gerichtlichen Rechtsschutzes an die Verletzung eines
subjektiven Rechtes des jeweiligen Klägers an. Art 28 Abs. 2 Sätze 1 und 3 GG
gewährleistet den kreisangehörigen Gemeinden aber nicht, daß bereits jeder einzelne
rechtswidrige Haushaltsansatz bei einer Überschreitung der Aufgabengrenzen des
Kreises auf die Umlagefestsetzung durchschlägt.
37
Vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 8. Dezember 1998 - 7 C 11935/97 -.
38
Das durch Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG gewährleistete Recht der kreisangehörigen
Gemeinden und Städte, sich nach dem Grundsatz der Allzuständigkeit sämtlicher
Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft anzunehmen,
39
vgl. BVerfG, Beschluß vom 23. November 1988 - 2 BvR 1619, 1628/83 - BVerfGE 79,
127ff (143f, 146f, 150f); BVerfG, Beschluß vom 7. Februar 1991 - 2 BvL 24/84 -, BVerfGE
83, 363ff (382, 385).
40
wird durch die Erhebung der Kreisumlage - selbst unterstellt, es würden mit ihr einzelne
rechtswidrig wahrgenommene Aufgaben finanziert - nicht verletzt. Die Erhebung der
Kreisumlage führt nämlich nicht dazu, daß den Gemeinden eine Aufgabe entzogen wird,
sondern es werden nur die finanziellen Auswirkungen der Aufgabenwahrnehmung
durch den Kreis umgelegt.
41
Vgl. BVerwG Beschluß vom 28. Februar 1997 - 8 N 1/96 -, NVwZ 1998, 63ff(63).
42
Art. 28 Abs. 2 GG ist vielmehr erst dann verletzt, wenn die Kreisumlagequote jedes
43
vernünftige Maß übersteigt, der Kreis mit der Umlageerhebung willkürlich und
rücksichtslos zu Lasten der Gemeinden seine kreispolitischen Interessen verfolgt und
die Kreisumlage objektiv geeignet ist, eine unzumutbare Belastung der Finanzkraft der
Gemeinden dergestalt zu bewirken, daß sie die Möglichkeit zur kraftvollen
eigenverantwortlichen Betätigung verlieren.
BVerfG, Beschluß vom 23. November 1988 - 2 BvR 1619,1628/83 -, BVerfGE 79,
127ff(155); OVG Schleswig, Urteil vom 20. Dezember 1994 - 2 K 4/94 -, DVBl. 1995,
469ff; OVG Frankfurt (Oder), Urteil vom 7. November 1996 - 1 D 34/94.NE -, NVwZ-RR
1998, 57ff.
44
Ausgehend von diesen Grundsätzen besteht für das Gericht keine Veranlassung, im
einzelnen den von der Klägerin gegen die Aufgabenwahrnehmung erhobenen Rügen
nachzugehen, soweit sie in einer Vielzahl von Fällen Bagatellbeträge betreffen, die
ohne spürbare Auswirkungen auf die Finanzwirtschaft der Klägerin bleiben. Die
Überschreitung der oben dargestellten verfassungsrechtlichen Grenze der
Kreisumlagenerhebung ist unter dem hier maßgeblichen Aspekt der Rechtmäßigkeit der
Aufgabenwahrnehmung des Kreises - wie auch der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin
in der mündlichen Verhandlung eingeräumt hat - vielmehr erst dann denkbar, wenn
entweder der Beklagte eine ganze Gruppe von Aufgaben, die nicht in seinen
Zuständigkeitsbereich fällt, wahrgenommen oder eine einzelne kompetenzwidrig
wahrgenommene Aufgabe ein ganz erhebliches Ausgabevolumen ausgelöst hätte.
Beides trifft hier nicht zu.
45
Die von der Klägerin erhobenen Rügen betreffen, soweit sie nach dem Ausgeführten in
Betracht zu ziehen sind, sämtlich Aufgaben, die der Beklagte im Haushaltsjahr 1995
zulässigerweise wahrnehmen durfte.
46
Vorab ist hierzu angesichts des Vortrages der Klägerin folgendes zu bemerken: Zum
Aufgabenbereich der Kreise in Nordrhein-Westfalen gehören zunächst gemäß § 2 Abs.
2 KrO NW die ihnen durch Gesetz übertragenen Aufgaben. Weiter können die Kreise
gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 KrO NW freiwillige Aufgaben der Selbstverwaltung
wahrnehmen, wenn es sich um auf das Kreisgebiet begrenzte überörtliche
Angelegenheiten handelt. Damit sind den Kreisen in Nordrhein-Westfalen die
genannten überörtlichen Aufgaben „als kreiskommunale Aufgaben des eigenen
Wirkungskreises" zugewiesen. Innerhalb dieses, durch die gesetzliche Zuweisung des
§ 2 Abs. 1 Satz 1 KrO NW beschriebenen, überörtlichen Aufgabenbereichs ist den
Kreisen nach Art. 28 Abs. 2 Satz 2 GG verfassungsrechtlich das Recht der
Selbstverwaltung verbürgt.
47
Vgl. BVerfG, Beschluß vom 7. Februar 1991 - 2 BvL 24/84 -, BVerfGE 83, 363ff(383);
BVerwG, Beschluß vom 28. Februar 1997 - 8 N 1/96 -, NVwZ 1998, 63ff(64).
48
Eine Allzuständigkeit von Verfassungs wegen - wie bei den Gemeinden - kommt den
Kreisen nicht zu. Jedoch ist den Kreisen einfachgesetzlich durch die Regelung des § 2
Abs. 1 Satz 1 KrO NW eine Zuständigkeit eingeräumt, die ihnen eine faktische
„Allzuständigkeit" im Sinne des Aufgabenzugriffs auf die auf ihr Gebiet begrenzten
überörtlichen Angelegenheiten verleiht.
49
Vgl. BVerfG, Beschluß vom 23. November 1988 - 2 BvR 1619, 1628/83 -, BVerfGE 79,
127ff(151); BVerwG, Beschluß vom 28. Februar 1997 - 8 N 1/96 -, NVwZ 1998, 63ff(65).
50
In Abgrenzung hierzu sind die Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft nach Art. 28
Abs. 2 Satz 1 GG, § 2 Abs. 1 Satz 2 KrO NW den Gemeinden mit verfassungsrechtlich
abgesichertem Zuständigkeitsvorrang vorbehalten. Dabei ist eine Aufgabe dann den
überörtlichen Angelegenheiten zuzurechnen, wenn die Aufgabenerfüllung aus der
lokalen Örtlichkeit in einen größeren Zuschnitt hineinwächst, der die Grenzen der
einzelnen kreisangehörigen Gemeinde übersteigt,
51
vgl. BVerwG, Urteil vom 4. August 1983 - 7 C 2.81 -, BVerwGE 67, S. 321ff(325);
Erichsen, Kommunalrecht des Landes Nordrhein- Westfalen, 2. Auflage 1997, § 4 B 2 a
aa); Wansleben in Held/Becker/Decker/Kirchhof/Krämer/ Wansleben,
Kommunalverfassungsrecht Nordrhein-Westfalen, Loseblattausgabe, Stand Dezember
1997, § 2 KrO Anm. 4.5.,
52
also Bedürfnisse und Interessen betrifft, die nicht nur in der örtlichen Gemeinschaft
wurzeln oder auf sie einen spezifischen Bezug haben und damit den
Gemeindeeinwohnern gerade als solche gemeinsam sind,
53
vgl. BVerfG, Beschluß vom 23. November 1988 - 2 BvR 1619, 1628/83 -, BVerfGE 79,
127 ff (151f).
54
Dies trifft zunächst für die sog. übergemeindlichen Aufgaben zu. Darunter sind
diejenigen Selbstverwaltungsaufgaben zu verstehen, die sich auf den Verwaltungsraum
des Kreises und die gemeinsamen Bedürfnisse der Kreiseinwohner beziehen. Sie sind
dadurch gekennzeichnet, daß sie mit der Zielrichtung der Wahrnehmung spezieller
überörtlicher Belange der Kreise erfolgen, welche die einheitliche Erledigung durch den
Kreis bedingen.
55
Erichsen, aaO..
56
In diesem Bereich ist die Zuständigkeit der Kreise nicht von zusätzlichen
Voraussetzungen, wie etwa der fehlenden Leistungskraft einzelner oder aller
kreisangehöriger Gemeinden abhängig.
57
Darüber hinaus sind den Kreisen in Nordrhein-Westfalen - entgegen der von der
Klägerin vertretenen Auffassung - durch § 2 Abs. 1 Satz 1 KrO NW auch die sog.
„Ergänzungs- und Ausgleichsaufgaben" als kreiskommunale Aufgaben des eigenen
Wirkungsbereiches zugewiesen. Unter den sog. „Ergänzungs- und
Ausgleichsaufgaben" des Kreises werden allgemein Aufgaben verstanden, die im
Unterschied zu den vorbenannten übergemeindlichen Aufgaben zwar die in Art. 28 Abs.
2 Satz 1 GG den Gemeinden zugewiesenen Angelegenheiten der örtlichen
Gemeinschaft betreffen, die von den Kreisen aber gleichwohl zu dem Zweck
wahrgenommenen werden, die Einwohner im Kreisgebiet gleichmäßig zu versorgen
und zu betreuen, weil die kreisangehörigen Gemeinden allein die betreffende Aufgabe
nicht zureichend bewältigen können. Wenn und soweit einzelne oder alle
kreisangehörigen Gemeinden bestimmte ihnen zugewiesene Aufgaben deswegen nicht
wahrnehmen können, weil ihre Verwaltungs- oder Finanzkraft dazu nicht ausreicht, tritt
der Kreis zur Sicherung eines einheitlichen Leistungsniveaus auf Kreisebene an ihre
Stelle in die Aufgabenwahrnehmung ein (sog. Ergänzungsaufgaben). Ferner gewährt
der Kreis mit derselben Zielsetzung den kreisangehörigen Gemeinden zum Ausgleich
ihrer unterschiedlichen Finanzkraft administrative oder finanzielle Hilfen (sog.
58
Ausgleichsaufgaben).
Vgl. BVerwG, Beschluß vom 24. April 1996 - 7 NB 2/95 -, NVwZ 1996, 1222ff(1223);
BVerwG, Beschluß vom 28. Februar 1997 - 8 N 1/96 -, NVwZ 1998, 63ff(64).
59
Der Wortlaut des § 2 Abs. 1 Satz 1 KrO NW erfaßt auch diese Aufgaben. Zwar werden
sie nicht ausdrücklich in § 2 Abs. 1 Satz 1 KrO NW erwähnt; sie werden aber von dem
Tatbestandsmerkmal der „überörtlichen Angelegenheiten" in § 2 Abs. 1 Satz 1 KrO NW
mit erfaßt. Denn die ihnen innewohnende Zielrichtung, die Einwohner im Kreisgebiet
gleichmäßig zu versorgen und zu betreuen, hebt die Aufgabenerfüllung - in dem oben
gekennzeichneten Sinn - aus der lokalen Örtlichkeit heraus in den Verwaltungsraum
des Kreises hinein, der die Grenzen der einzelnen kreisangehörigen Gemeinde
übersteigt.
60
Vgl. BVerwG, Beschluß vom 28. Februar 1997 - 8 N 1/96 -, NVwZ 1998, 63ff(64); Ehlers,
Die Ergänzungs- und Ausgleichsaufgaben der Kreise und ihre Finanzierung, DVBl.
1997, S. 225ff.
61
Dafür, daß mit dem Begriff der „überörtlichen Angelegenheiten" in § 2 Abs. 1 Satz 1 KrO
NW den Kreisen auch die Ergänzungs- und Ausgleichsaufgaben zugewiesen sind,
spricht ferner die systematische Stellung des § 2 Abs. 1 Satz 1 KrO NW. Dieser steht in
einem Sinnzusammenhang mit § 1 Abs. 1 KrO NW. Nach dieser Bestimmung verwalten
die Kreise ihr Gebiet zum Besten der kreisangehörigen Gemeinden und deren
Einwohner. Dies erfordert jedoch, daß die Kreise auch ergänzend und ausgleichend
zugunsten der kreisangehörigen Gemeinden tätig werden können. Dieser Auslegung
entspricht auch die Entstehungsgeschichte des § 2 Abs. 1 Satz 1 KrO NW. Er geht
zurück auf § 2 Abs. 1 Satz 1 der Landkreisordnung für das Land Nordrhein-Westfalen
vom 21. Juli 1953 - GV Bl. NW, 1953, 305ff, der von der Verwendung des Begriffs
„Landkreise" abgesehen, einen identischen Gesetzeswortlaut aufwies. Nach der
amtlichen Begründung des Regierungsentwurfs zur Landkreisordnung sollten
überörtliche Angelegenheiten „in der Regel Angelegenheiten sein, deren einheitliche
Durchführung in den kreisangehörigen Gemeinden erforderlich ist oder die von den
kreisangehörigen Gemeinden wegen ihrer geringen Leistungsfähigkeit und Größe nicht
erfüllt werden können".
62
vgl. LT-Drs. II/1062, Begründung B Zweiter Teil, I. Abschnitt, zu § 2 Nr. 1.
63
Mit letzterem sind aber genau die Merkmale umschrieben, die nach dem Ausgeführten
die Ergänzungs- und Ausgleichsaufgaben kennzeichnen. Dieser gesetzgeberischen
Intention entsprechend haben die Kreise in Nordrhein-Westfalen auch über Jahrzehnte
hinweg bis in die Gegenwart hinein in ganz erheblichem Umfang Ergänzungs- und
Ausgleichsaufgaben tatsächlich wahrgenommen. Angesichts dieser ständigen Praxis
hätte spätestens nach der "Rastede Entscheidung"
64
BVerfG, Beschluß vom 23. November 1988 - 2 BvR 1619, 1628/83 -, BVerfGE 79, 127 ff,
65
ein korrigierendes Tätigwerden des Gesetzgebers nahegelegen, wenn die
Wahrnehmung dieser Aufgabengruppe durch die Kreise nicht dem gesetzgeberisch
Gewollten entsprochen hätte. Eine solche „Korrektur" ist aber, trotz vielfältiger
zwischenzeitlicher Novellierungen der Kreisordnung unterblieben. Im Gegenteil: In einer
Stellungnahme des Innenministers vom 9. August 1993 hat sich die Landesregierung in
66
Nordrhein-Westfalen ausdrücklich zum Fortbestand der kreislichen Ergänzungs- und
Ausgleichsaufgaben nach nordrhein-westfälischem Recht bekannt.
Vgl. LT-Drucks. 11/5862, S. 2ff.
67
Die Zuweisung von Ergänzungs- und Ausgleichsaufgaben an die Kreise durch § 2 Abs.
1 Satz 1 KrO NW ist schließlich auch verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Das
Gericht teilt nicht die Auffassung der Klägerin, daß eine derartige generelle
Zuweisungsnorm, die den Kreisen die Wahrnehmung von Aufgaben mit relevantem
örtlichen Charakter bei fehlender Leistungsfähigkeit der Gemeinden erlaubt, nach der
Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, insbesondere nach der „Rastede
Entscheidung",
68
vgl. BVerfG, Beschluß vom 23. November 1988 - 2 BvR 1619, 1628/83 -, BVerfGE 79,
127ff,
69
verfassungsrechtlich nicht (mehr) haltbar sei.
70
Das Bundesverfassungsgericht hat in der zitierten Entscheidung der Garantie der
gemeindlichen Selbstverwaltung in Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG zur
Zuständigkeitsabgrenzung zwischen den Kreisen und den kreisangehörigen
Gemeinden folgenden Regelungsinhalt entnommen: Im Gegensatz zu den Kreisen,
deren Aufgaben gemäß Art. 28 Abs. 2 Satz 2 GG vom Gesetzgeber bestimmt werden, ist
den Gemeinden in Art 28 Abs. 2 Satz 1 GG ein Aufgabenbereich gewährleistet, der
grundsätzlich alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft umfaßt. Dieser
verfassungsrechtliche Zuständigkeitsvorrang gelte zugunsten der kreisangehörigen
Gemeinden auch gegenüber den Kreisen. Zu den Angelegenheiten der örtlichen
Gemeinschaft gehörten diejenigen Bedürfnisse und Interessen, die in der örtlichen
Gemeinschaft wurzeln oder auf sie einen spezifischen Bezug haben; auf die
Verwaltungskraft der Gemeinde komme es hierfür nicht an. Eine Aufgabe mit relevantem
örtlichen Charakter dürfe der Gesetzgeber den Gemeinden nur aus Gründen des
Gemeininteresses, vor allem also dann entziehen, „wenn anders die ordnungsgemäße
Aufgabenerfüllung nicht sicherzustellen wäre". Das bloße Ziel der
Verwaltungsvereinfachung oder der Zuständigkeitskonzentration scheide als
Rechtfertigungsgrund des Aufgabenentzuges aus. Auch Gründe der Wirtschaftlichkeit
und Sparsamkeit der öffentlichen Verwaltung rechtfertigten eine „Hochzonung" nicht
schon aus sich heraus, sondern erst dann, wenn ein Belassen der Aufgabe bei den
Gemeinden zu einem unverhältnismäßigen Kostenanstieg führen würde. Der
Gesetzgeber könne den Gemeinden eine Aufgabe mit relevantem örtlichen Charakter
nur entziehen, wenn „die den Aufgabenentzug tragenden Gründe gegenüber dem
verfassungsrechtlichen Aufgabenverteilungsprinzip des Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG
überwiegen".
71
Diese verfassungsrechtlichen Vorgaben werden durch die generelle Zuweisung von
Ergänzungs- und Ausgleichsaufgaben an die Kreise in § 2 Abs. 1 Satz 1 KrO NW nicht
verletzt. Denn die Regelung des § 2 Abs. 1 Satz 1 KrO NW wahrt auch in diesem
Bereich den verfassungsrechtlich gebotenen Zuständigkeitsvorrang der Gemeinden.
Die ergänzende oder ausgleichende Wahrnehmung von Aufgaben mit relevantem
örtlichen Bezug durch die Kreise ist nach dem Dargelegten an die fehlende
Leistungsfähigkeit einzelner oder aller kreisangehöriger Gemeinden zur
Aufgabenwahrnehmung gebunden, wie sich dies im übrigen auch aus § 2 Abs. 1 Satz 2
72
KrO NW ergibt, wonach die Wahrnehmung örtlicher Angelegenheiten durch die
Gemeinden unberührt bleibt. Hiervon ausgehend ist mit der Zuweisung der Ergänzungs-
und Ausgleichsaufgaben an die Kreise nach nordrhein-westfälischem Recht kein
gesetzlicher Entzug von Aufgaben mit relevantem örtlichen Bezug zu Lasten der
kreisangehörigen Städte und Gemeinden im Sinne der dargelegten Rechtsprechung
des Bundesverfassungsgerichts verbunden. Das folgt für die Ausgleichsaufgaben schon
daraus, daß sie lediglich die Unterstützung der Gemeinden zum Gegenstand haben,
mithin die eigene Aufgabenwahrnehmung nicht in Frage stellen, sondern diese
voraussetzen und ihr zugute kommen. Soweit der Kreis das Leistungsangebot der
Gemeinden durch eigene Leistungen ergänzt, nimmt er lediglich subsidiär
gemeindeeigene Zuständigkeiten in Anspruch. Seine Zuständigkeit ist nach dem
Ausgeführten jeweils an den Mangel der Leistungsfähigkeit der Gemeinden gebunden.
Sie tritt nur unter dieser Voraussetzung ein und entfällt, sobald die Gemeinden die
Aufgaben selbst wahrnehmen können. Da § 2 Abs. 1 Satz 1 KrO NW mit der Zuweisung
von Ergänzungs- und Aus- gleichsaufgaben an die Kreise diesen keine vollen, sondern
nur subsidiäre Kompetenzen nach Maßgabe der Leistungsfähigkeit der Gemeinden
eröffnet und die zu regelnden örtlichen Angelegenheiten grundsätzlich in der
Zuständigkeit der Gemeinden beläßt, wird der verfassungsrechtliche
Zuständigkeitsvorrang der Gemeinden in den Angelegenheiten der örtlichen
Gemeinschaft nicht mißachtet, sondern im Gegenteil in seiner grundsätzlichen Geltung
bestätigt.
Unter diesen Voraussetzungen halten die Zuweisung von Ergänzungs und
Ausgleichsaufgaben an die Kreise für zulässig: BVerwG, Beschluß vom 24. April 1996 -
7 NB 2/95 -, NVwZ 1996, 1222ff(1223); BVerwG, Beschluß vom 28. Februar 1997 - 8 N
1/96 -, NVwZ 1998, 63ff(64); OVG Frankfurt (Oder), Urteil vom 7. November 1996 - 1 D
34/94. NE -, NVwZ-RR 1998, 57ff; a.A. Wimmer, Ausgleichs- und Ergänzungsaufgaben
der Kreise?, NVwZ 1998, 28ff.
73
In Übereinstimmung hiermit hat auch das Bundesverfassungsgericht mehrfach
grundsätzlich die „Ausgleichs und Ergänzungsfunktion" der Kreise ausdrücklich
bestätigt.
74
Vgl. BVerfG, Beschluß vom 6. Oktober 1981 - 2 BVR 384/81 -, BVerfGE 58, 177ff(196);
BVerfG, Beschluß vom 23. November 1988 - 2 BvR 1619, 1628/83 -, BVerfGE 79, 127ff
(152).
75
Auch der Verfassungsgerichtshof für das Land Nordrhein-Westfalen geht davon aus,
76
vgl. Urteil vom 13. August 1996 - VerfGH 23/94 -, NVwZ-RR 1997, 249ff(250),
77
daß den Kreisen in Nordrhein-Westfalen mit Blick auf weniger leistungsstarke
kreisangehörige Gemeinden eine Ausgleichs- und Ergänzungsfunktion zukommt. Damit
hat der Gesetzgeber in Nordrhein-Westfalen dem legitimen Interesse Rechnung
getragen, Aufgaben, die wegen mangelnder Leistungsfähigkeit der kreisangehörigen
Gemeinden unerledigt bleiben, nicht auf Dauer brachliegen zu lassen, sondern dafür zu
sorgen, daß die Bürger innerhalb des Kreises im wesentlichen gleichwertige
Lebensverhältnisse vorfinden. Diese Tätigkeit kommt in ganz erheblichem Umfang auch
den kreisangehörigen Gemeinden, darunter der Klägerin zugute. Dabei dürfen die
Kreise im Rahmen ihrer Ergänzungs- und Ausgleichsaufgaben auch Zuschüsse an
kreisangehörige Gemeinden und an private Dritte gewähren. Ebenso wie die vorrangig
78
zuständigen Gemeinden können auch die Kreise sich zur Wahrnehmung einer
Ergänzungsaufgabe innerhalb des gemeindlichen Wirkungskreises auf die Förderung
privater Dritter beschränken. Die ergänzende Subventionierung privater Dritter stellt
lediglich die Wahrnehmung einer Ergänzungsaufgabe mit anderen Mitteln dar.
BVerfG, Beschluß vom 7. Februar 1991 - 2 BvL 24/84 -, BVerfGE 83, 363ff(384f);
BVerwG, Beschluß vom 24. April 1996 - 7 NB 2/95 -, NVwZ 1996, 1222ff(1223);
BVerwG, Beschluß vom 28. Februar 1997 - 8 N 1/96 -, NVwZ 1998, 63ff(64).
79
Dazu bedarf es - entgegen der Auffassung der Klägerin - nicht des Erlasses besonderer,
die Einzelheiten der Förderung regelnder Förderungssatzungen. Der Zweck und der
Umfang der jeweiligen Förderung ergibt sich bereits hinreichend aus dem
Haushaltsplan, der mit der jeweiligen Haushaltssatzung vom Kreistag im Rahmen der
Haushaltsberatungen gebilligt wird.
80
BVerwG, Beschluß vom 24. April 1996 - 7 NB 2/95 -, NVwZ 1996, 1222ff(1225).
81
Nach diesen Grundsätzen zum Aufgabenbereich der Kreise in Nordrhein- Westfalen
greift der Einwand der Klägerin, der Haushalt des Beklagten dotiere eine Vielzahl von
Aufgaben, für die der Beklagte nicht zuständig sei, nicht durch. Die dazu angeführten
Beanstandungen betreffen zunächst eine Reihe von Aufgaben, die der Beklagte im
Rahmen von Pflichtaufgaben oder im Zusammenhang mit Pflichtaufgaben wahrnimmt,
d.h. Aufgaben, die ihm gesetzlich zugewiesen sind. So sind die Einwände gegen
einzelne Haushaltsansätze auf dem Gebiet der Sozialhilfe und der Kinder- und
Jugendhilfe nicht berechtigt. Dies gilt zunächst für die Zuschüsse zu Sozialstationen
(Hst. 1.470.7003.9: 984.000,--DM). Hier ist der Beklagte als örtlicher Träger der
Sozialhilfe nach § 96 Abs. 1 Satz 1 BSHG i.V.m. § 1 Abs. 1 AG BSHG NW in Erfüllung
seiner gesetzlichen Aufgabe gemäß § 17 Abs. 1 Nr. 2 SGB I i.V.m. § 27 Abs. I Nr. 4 und
Nr. 12 BSHG tätig geworden. Daß es für die Zuschußgewährung - entgegen der
Beanstandung der Klägerin - nicht des Erlasses einer vorangehenden Satzung bedurfte,
ist bereits dargelegt worden. Gleiches gilt für die Gewährung von Zuschüssen an die
Verbände der freien Wohlfahrtspflege (Hst. 1.470.7000.4: 800.000,--DM), die auf § 10
Abs. 3 Satz 2 BSHG beruhen. Auch der Zuschußbedarf im Zusammenhang mit dem
Institut für Psychohygiene (Hst. 465: 1.384.000,--DM) beruht nach der Erläuterung des
Leistungsangebotes dieser Einrichtung durch den Beklagten - zumindest teilweise - auf
einer gesetzlichen Verpflichtung, nämlich § 69 Abs. 1 Satz 2 SGB VIII i.V.m. §§ 27, 28
SGB VIII hinsichtlich der Erziehungsberatung und §§ 39 ff BSHG bzgl. der
Sprachheilambulanzen. Soweit der Beklagte in dieser Einrichtung weitere, nicht direkt
einer gesetzlichen Verpflichtung zuzuordnende Leistungen erbringt, ist dies jedenfalls
als sog. übergemeindliche Aufgabe im Rahmen des Selbstverwaltungsrechts des
Beklagten gerechtfertigt. Denn es handelt sich nach den Erläuterungen des Beklagten
um eine Einrichtung in der Trägerschaft des Erftkreises, die der Versorgung der
Bevölkerung des gesamten Kreisgebietes dient.
82
Aufgrund der Aufgabenzuständigkeit des Beklagten als unterer Landschaftsbehörde
nach § 8 Abs. 1 Satz 3 Landschaftsgesetz - LG - durften auch die von der Klägerin
angegriffenen Haushaltsansätze für die in diesem Bereich anfallenden Personal- und
Sachkosten (Hst. 610: 703.500,--DM), gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 3 LG die „Zuschüsse für
Maßnahmen zur Förderung und zum Schutz der Landschaft" (Hst. 1.361.7170.4:
20.000,--DM) und die Umlage an den Zweckverband Naturpark Kottenforst-Ville (Hst.
1.590.7130.8: 248.000,--DM) nebst Schuldendienst für diesen Zweckverband (Hst.
83
1.590.7230.4: 13.600,--DM) in den Finanzbedarf eingestellt werden. Auch den
Beanstandungen der Klägerin gegen die Haushaltsansätze für die Beiträge an die
Feuerwehrsterbekasse (Hst. 1.131.7170.7: 45.000,--DM) und den Beitrag zum
Feuerwehrerholungsheim NW e.V. (Hst. 1.130.6611.3: 2.700,--DM) ist nicht zu folgen.
Wenn die Feuerwehrsterbekasse und das Feuerwehrerholungsheim NW nicht bereits
als gemeinsame Einrichtungen für die Feuerwehr dem gesetzlichen Aufgabenbereich
der Kreise nach § 2 Satz 1 FSHG a.F. zuzuordnen sind, so handelt es sich jedenfalls um
eine übergemeindliche Angelegenheit in dem dargelegten Sinn. Denn das
Treuhandvermögen der Feuerwehrsterbekasse wird für den gesamten Kreis einheitlich
verwaltet und das Feuerwehrerholungsheim NW steht kreisweit zur Verfügung.
Die Beanstandung der Klägerin bezüglich des Zuschusses für die Schaffung von
Altenpflegeplätzen (Hst. 1.523.500: 1.523.500,--DM im Vermögenshaushalt) ist
ebenfalls nicht gerechtfertigt. Insoweit kommt der Beklagte seiner gesetzlichen
Verpflichtung gemäß §§ 96 Abs. 1 Satz 1, 75, 68 BSHG nach.
84
Die Klägerin beanstandet desweiteren eine Reihe von Ansätzen im Haushaltsplan, in
denen Ausgaben berücksichtigt sind, die nach den Darlegungen des Beklagten - denen
die Klägerin nicht entgegengetreten ist - aus Verpflichtungen resultieren, die bereits die
Altkreise Bergheim (Erft) und Köln eingegangen waren. Diese Einwendungen sind nicht
gerechtfertigt. Denn nach § 26 Abs. 4 des Gesetzes zur Neugliederung der Gemeinden
und Kreise des Neugliederungsraumes Köln (Köln-Gesetz) vom 5. November 1974 -
SGV. NW. - 2020 - ist der Erftkreis Rechtsnachfolger der Altkreise Bergheim (Erft) und
Köln, so daß die entsprechenden Verpflichtungen auf den Erftkreis als Rechtsnachfolger
übergegangen sind. Die Erfüllung der aus der Rechtsnachfolge der Altkreise
resultierenden rechtlichen Verpflichtungen des Beklagten ist damit eine rechtlich
zulässige Aufgabenerfüllung und begründet daher bereits aus diesem Umstand heraus
einen Finanzbedarf im Sinne von § 56 Abs. 1 KrO NW.
85
Vgl. OVG Frankfurt (Oder), Urteil vom 7. November 1996 - 1 D 34/94. NE - NVwZ 1998,
57ff(59); OVG Schleswig, Urteil vom 20. Dezember 1994 - 2 K 4/94 -, DVBl. 1995,
469ff(474).
86
Eine Übervorteilung der Klägerin und der übrigen kreisangehörigen Gemeinden kann
hierin auch deswegen nicht gesehen werden, weil diese die entsprechenden Ausgaben
des Erftkreises bereits über nahezu zwei Jahrzehnte hinweg rügelos hingenommen und
sich folglich hierauf eingestellt haben. Zudem fallen die entsprechenden Ausgaben
überwiegend inzwischen entweder nicht mehr oder nur noch für eine geringe
Restlaufzeit an. Dies gilt im einzelnen für den Zuschuß an die Gemeinnützige
Wohnungsgesellschaft in Hürth zur Deckung der Aufwendungen für Kapital- und
Bewirtschaftungskosten für 18 Altenwohnungen in Pulheim (Hst. 1.620.7160.2: 14.900,--
DM), die Schuldendiensthilfe an die Mädchenrealschule in Horrem (Hst. 1.220.7270.3:
37.300,--DM), die Schuldendiensthilfe zu den Kosten des Neubaus von Gymnasien in
Kerpen und Bergheim (Hst. 1230.7220.0: 432.900,--DM), die Schuldendiensthilfen für
Altenwohnungen und Altenheime (Hst. 1.620.7270.6: 116.300,--DM) und die
Schuldendiensthilfe zu den Kosten des Um- und Ausbaus des Krankenhauses Bedburg
(Hst. 1.510.7270.4: 45.800,--DM).
87
Zu Unrecht rügt die Klägerin, der Beklagte habe, ohne hierzu befugt zu sein, eine
Vielzahl von Selbstverwaltungsaufgaben wahrgenommen, für die er im Haushalt
entsprechende Ansätze veranschlagt habe. Die dahingehenden Beanstandungen
88
betreffen insbesondere die Bereiche Sport, Kultur und Förderung von Wirtschaft und
Verkehr. Hierbei handelt es sich vorliegend nach den nachvollziehbaren Erläuterungen
des Beklagten sämtlich um Aufgaben, die der Gruppe der sog. übergemeindlichen
Aufgaben zuzuordnen sind. Da es sich hierbei nicht um Ergänzungs- oder Ausgleichs-
aufgaben handelt, brauchte das Gericht nicht der Frage nachzugehen, ob einzelne oder
sämtliche kreisangehörigen Gemeinden nach ihrer Verwaltungs- oder Finanzkraft nicht
in der Lage sind, die entsprechende Aufgabe wahrzunehmen.
Soweit die Klägerin in diesem Zusammenhang über die tatbestandliche Zuordnung der
Aufgaben zum Wirkungsbereich des Beklagten hinaus - teilweise - den Umfang und die
Art und Weise der Aufgabenwahrnehmung durch den Beklagten beanstandet, kann die
Klägerin damit nicht gehört werden. Handelt es sich nämlich um eine Aufgabe, die die
Tatbestandsvoraussetzungen des § 2 Abs. 1 Satz 1 KrO NW erfüllt, so legt der jeweilige
Kreis aufgrund des ihm nach Art. 28 Abs. 2 Satz 2 GG zustehenden
Selbstverwaltungsrechts den Umfang und die Art und Weise der
Aufgabenwahrnehmung in eigener Verantwortung fest. Seine eigenverantwortliche
Aufgabenbestimmung haben die kreisangehörigen Gemeinden im Grundsatz als
rechtmäßig hinzunehmen.
89
Vgl. BVerwG, Beschluß vom 28. Februar 1997 - 8 N 1/96 -, NVwZ 1998, 63ff(65);
BVerwG, Beschluß vom 3. März 1997 - 8 B 130/96 -, NVwZ 1998, 66.
90
Weiter ist unschädlich, daß der Beklagte in diesem Aufgabenbereich zu einem
erheblichen Teil Zuschüsse an Dritte gewährt hat. Denn die Zahlung der Fördermittel
stellt sich als Fortsetzung der jeweiligen Sachaufgabe mit anderen Mitteln dar. Deshalb
ist allein entscheidungserheblich, ob die Zahlungen zur Erfüllung einer Aufgabe des
Kreises dienen. Dies ist vorliegend zu bejahen.
91
Im einzelnen gilt für die freiwilligen übergemeindlichen Selbstverwaltungsaufgaben:
92
Die Gewährung eines Zuschusses an Einrichtungen für Verwaltungsangehörige - u.a.
zum Betriebsrestaurant im Kreishaus - (Hst. 081: 757.400,--DM), der Ansatz der Kosten
für das Job-Ticket für Kreisbedienstete (Hst. 1.022.5610.7: 150.000,--DM) und der
Kosten für Dienstbesprechungen (Hst. 1.001.5700.4: 20.000,--DM), die
Repräsentionsausgaben (Hst. 1.000.6300.0: 100.000,--DM) und Ausgaben für die
Pflege partnerschaftlicher Beziehungen (Hst. 1.000.6303.4: 20.000,--DM) sowie
Bürgerinformationsfahrten (Hst. 1.024.5702.1: 10.900,--DM) sind nicht zu beanstanden.
Hierbei handelt es sich sämtlich um Ausgaben für Aufgaben, die aus der Existenz des
Erftkreises folgen und denen als Bestandteil der Organisations- bzw.
Personalverwaltung des Erftkreises eine gemeindeübergreifende Funktion zukommt.
93
Auch die Gewährung eines Zuschusses an die Hafen- und Güterverkehr Köln AG (Hst.
1.820.7150.1: 563.900,--DM) lag als übergemeindliche Aufgabe nach § 2 Abs. 1 Satz 1
KrO NW in der Zuständigkeit des Beklagten. Denn der Betrieb und die Instandhaltung
des Schienenweges (vgl. Seite 142 der Erläuterungen zur Haushaltssatzung des
Erftkreises) beziehen sich aufgrund ihrer flächenhaften Natur auf das gesamte
Kreisgebiet und gehen damit über den Wirkungsbereich einzelner Gemeinden hinaus.
94
Die Einwände gegen bestimmte Zuschußleistungen im Rahmen der Sportförderung
(Hst. 550: insgesamt 113.000,--DM) sind ebenfalls nicht gerechtfertigt. Der
ortsübergreifende Schwerpunkt dieser Förderung und ihr Bezug zum Kreis werden darin
95
deutlich, daß eine Förderung des Kreissportbundes erfolgt, der seinerseits als
Dachverband der örtlichen Sportvereine gemeindeübergreifend tätig ist. Die örtliche
Sportförderung durch die Klägerin und andere Gemeinden wird hiervon nicht berührt.
Die pauschale Rüge der Klägerin hinsichtlich der Personal- und Sachausgaben des
Kreises zur Verwaltung kultureller Angelegenheiten (Hst. 300: 171.300,--DM) ist nicht
gerechtfertigt. Denn Kulturpflege ist nicht nur Aufgabe der Gemeinden, sondern auch
freiwillige Selbstverwaltungsaufgabe der Kreise (vgl. auch § 6 Abs. 1 KrO NW), sofern
sie über das Gebiet einer oder mehrerer Gemeinden hinaus die Einwohner des Kreises
anspricht und dementsprechend zum Zweck der Sicherstellung der „kulturellen
Versorgung" im Kreisgebiet erfolgt. Dies trifft hinsichtlich der von dem Beklagten in
diesem Bereich wahrgenommenen Aufgaben zu. Der Zuschußbedarf zu Ausstellungen
des Kreises (Hst. 321: 28.000,--DM) dient der Unterstützung aller im Kreisgebiet
ansässigen Künstler und geht damit über den Wirkungsbereich der einzelnen Gemeinde
hinaus. Gleiches gilt für den Zuschußbedarf zu sonstigen kulturellen Veranstaltungen
des Kreises (Hst. 331: 47.000,--DM). Dem liegen eigene Kulturveranstaltungen des
Kreises zugrunde, die kreisweit zugänglich sind. Mit Blick auf diese Breite der
Zielgruppe, die über das Gebiet der einzelnen Gemeinde hinausgeht, ist auch die
Förderung von Unternehmungen und Einrichtungen Dritter (Hst. 330: 40.000,--DM)
durch den Beklagten im Bereich der Kulturpflege nicht zu beanstanden. Die
Beanstandung der Haushaltsansätze für Heimatpflege (Hst. 360: Zuschußbedarf
12.600,--DM) und das Kreisarchiv (Hst. 320: Zuschußbedarf 335.100,--DM) ist ebenfalls
nicht gerechtfertigt. Die unter dem Haushaltsansatz „Heimatpflege" insbesondere
finanzierte Förderung heimatkundlicher Schriften betrifft die Darstellung des Kreises
insgesamt und ist damit von übergemeindlicher Bedeutung. Das Kreisarchiv ist, soweit
es der Dokumentation des für den Dienstbetrieb des Kreises nicht mehr benötigten
Schrifttums dient, mit der Existenz des Kreises notwendig verbunden und erfordert daher
die Wahrnehmung dieser Aufgabe auf der Kreisebene. Nichts anderes gilt, soweit
darüber hinaus dort auch sonstiges historisch beachtenswertes Archivgut verwaltet wird.
Denn auch hierbei handelt es sich nach den Erläuterungen zur Haushaltssatzung 1995
um „Archivgut des Kreises".
96
Es ist auch nicht zu beanstanden, daß der Beklagte Maßnahmen der
Wirtschaftsförderung sowie der Förderung des Fremdenverkehrs wahrgenommen und
die Ausgaben hierfür als Haushaltsansatz in den Haushaltsplan eingestellt hat. Denn
diese Maßnahmen sind nicht auf das Gebiet einzelner Gemeinden beschränkt, sondern
bezwecken die Förderung und Entwicklung des Kreises insgesamt. Die Kritik an den
Einzelansätzen in diesem Bereich ist nicht gerechtfertigt. Mit dem Beitrag an den Verein
„Regio Köln/Bonn und Nachbarn" (Hst. 1.791.6610.0: 113.100,--DM) hat der Beklagte
eine übergemeindliche Aufgabe zur weiteren wirtschaftlichen Entwicklung des
gesamten Kreisgebietes wahrgenommen. Dabei ist entgegen der Auffassung der
Klägerin unerheblich, daß die Aufgaben dieses Vereins über das Gebiet des Erftkreises
hinausgehen. Denn maßgeblich ist allein, daß die Mitgliedschaft des Beklagten mit
Blick auf die Wahrung der Interessen des Kreises für sein Gebiet innerhalb dieses
Vereins erfolgt. Gleiches gilt für den Beitrag an den Landesverkehrsverband Rheinland
e.V. (Hst. 1.790.6610.6: 7.100,--DM). Als übergemeindliche Angelegenheit, mit der der
Beklagte die wirtschaftliche Förderung des gesamten Kreisgebietes bezweckt, ist auch
der Zuschuß an die Wirtschaftsförderung Rhein-Erft-GmbH zu sehen (Hst. 1.840.7150.9:
645.700,--DM). Die weiteren Ansätze für Kosten der Wirtschafts- und Verkehrswerbung
(Hst. 1.791.5700.4: 3.000,--DM), Veranstaltung von Informationsmärkten (Hst.
1.791.5702.0: 20.000,--DM) und der „Aktionswoche umweltfreundliche
97
Verkehrsmittelwahl" sind in diesem Zusammenhang ebenfalls nicht zu beanstanden
(1.791.5703.9: 2.000,--DM).
Die Unterhaltung der „Jugendbildungsstätte Burg Dattenberg" (Hst. 467: Zuschußbedarf
368.000,--DM), des „Jugendhof Finkenberg" (Hst. 468: Zuschußbedarf 399.600,--DM)
sowie der „Jugendbegegnungs- und Freizeitstätte in Guidel" (Hst. 469: Zuschußbedarf
303.900,--DM) durch den Beklagten ist ebenfalls zulässig. Es handelt sich um
Einrichtungen des Beklagten, die dieser im Rahmen seiner freiwilligen
Selbstverwaltung zulässigerweise betreiben kann. Die kreisweite Bedeutung dieser
Einrichtungen wird darin deutlich, daß sie nach der von dem Beklagten dargelegten
multifunktionalen Nutzung von Gruppen und Organisationen aus dem gesamten
Kreisgebiet benutzt werden können.
98
Auch sind die Haushaltsansätze nicht zu beanstanden, die den Zuschuß an den Verein
„Frauen helfen Frauen e.V" (Hst. 1.470.7002.0: 28.500,--DM), den Zuschuß an das
„Frauenforum Brühl e.V. (Hst. 1.470.7006.3: 5.000,--DM) sowie den Zuschuß an die
Frauenhausinitiative Erftkreis e.V. (Hst. 1.470.7004.7: 291.000,--DM) betreffen. Denn
hierbei handelt es sich sämtlich um Einrichtungen, die kreisweit und damit
übergemeindlich zur Verfügung stehen. Gleiches gilt für die Gewährung eines
Zuschusses zur Gründung eines Mädchenhauses (Hst. 1.470.7011.0): 5.000,--DM).
99
Ferner sind im Rahmen der übergemeindlichen freiwilligen Selbstverwaltung des
Beklagten die Unterstützung der Verbraucherzentrale NW e.V. für die
Verbraucherberatungsstellen in Bergheim (Hst. 1.498.7808.4: 106.000,--DM) und in
Brühl (Hst. 1.498.7815.7: 53.400,--DM) gerechtfertigt. Diese werden vom Kreis mit der
Zielrichtung unterhalten, daß sie von allen Einwohnern des Kreises aufgesucht werden
können. Gleiches gilt für die von dem Beklagten bezuschußte Wohnraumberatung der
Arbeiterwohlfahrt Kreisverband Erftkreis e.V. (Hst. 1.498.7813.0: 34.000,--DM). Die
Wohnraumberatung erfolgt mit kreisweiter Zielrichtung durch den Kreisverband der
Arbeiterwohlfahrt für alte oder behinderte Menschen, deren Wohnungen alters- bzw.
behindertengerecht umgestaltet werden sollen.
100
Nicht zu beanstanden ist der Haushaltsansatz für den Zuschuß zu den Betriebskosten
von Fachseminaren für die Altenpflege (Hst. 1.498.7814.9: 101.600,--DM). Denn die
Ausbildung von Altenpflegerinnen- und Pflegern in Fachseminaren wird von der
Arbeiterwohlfahrt Kreisverband e.V. und vom Caritasverband für den Erftkreis e.V. für
Einwohner aus dem gesamten Kreisgebiet durchgeführt. Dies gilt auch für den Zuschuß
zu den Transportkosten für den Mahlzeitendienst (Hst. 1.498.7804: 279.000,--DM). Denn
die damit bezuschußten Organisationen organisieren den Mahlzeitendienst
flächendeckend für das gesamte Kreisgebiet.
101
Die Kritik an dem Zuschuß zur landwirtschaftlichen Bildungs- und Beratungsstelle der
Landwirtschaftskammer Rheinland (Hst. 780: 44.000,--DM) ist nicht gerchtfertigt. Sie
gewährleistet die gemeindeübergreifende Landwirtschaftsförderung für das gesamte
Kreisgebiet, indem sich dort sämtliche Landwirte aus dem Kreisgebiet beraten lassen
können. Gleiches gilt für die sonstige Förderung der Landwirtschaft (Hst. 781:
Zuschußbedarf 115.900,--DM), da ihr ebenfalls kreisweite Bedeutung zukommt.
102
Soweit die Klägerin beanstandet, daß der Beklagte im Verwaltungshaushalt Einnahmen
nicht veranschlagt habe, die er von Gesetzes wegen umlagemindernd habe
berücksichtigen müssen, kann dem nicht gefolgt werden. So durfte der Beklagte bei der
103
Festsetzung der Kreisumlage die noch in seinem Eigentum stehenden Grundstücke
außer Betracht lassen. Denn die gebotene wirtschaftliche Betrachtungsweise läßt eine
Zuordnung zu den Einnahmen im Sinne von § 56 Abs. 1 KrO NW erst zu, wenn die
Grundstücke tatsächlich verkauft sind und der Kaufpreis gezahlt worden ist.
So OVG NW, Urteil vom 15. Dezember 1989 - 15 A 436/86 -, NVwZ 1990, 689ff(691).
104
Diese Voraussetzungen sind hier aber nicht erfüllt, und § 56 Abs. 1 KrO NW enthält
keine rechtliche Verpflichtung, Einnahmen durch Verkauf von Gegenständen des
Kreisvermögens zu schaffen. In diesem Zusammenhang bedarf es auch nicht der
Überprüfung einzelner, von der Klägerin gerügter Haushaltspositionen wie z.B. der von
dem Beklagten gehaltenen RWE-Aktien und seiner Gesellschaftsanteile an der
Gasversorgungsgesellschaft mbH Rhein-Erft auf nicht eingesetzte Eigenmittel hin. Denn
die Grenze der diesbezüglichen Entscheidungsbefugnis des Kreises ist erst dann
überschritten, wenn er die von ihm eigenverantwortlich bestimmbaren Einnahmen
bewußt zu Lasten der Kreisumlage schont.
105
Vgl. OVG NW, Urteil vom 15. Dezember 1989 - 15 A 436/86 -, NVwZ 1990, 689ff(691).
106
Hierfür sind im Fall des Beklagten jedoch keine Anhaltspunkte ersichtlich. Der von dem
Beklagten hierzu angeführte Gesichtspunkt einer kontinuierlichen
Einnahmeverbesserung durch Gewinnausschüttungen gegenüber einer kurzfristigen
Haushaltsentlastung infolge Veräußerung der Aktien und Gesellschaftsanteile ist
jedenfalls nicht willkürlich und hält sich im Rahmen des Entscheidungsspielraumes des
Beklagten, der einer gerichtlichen Überprüfung entzogen ist.
107
Der in § 5 Nr. 1 Satz 2 der Haushaltssatzung des Erftkreises für die allgemeine
Kreisumlage festgesetzte Umlagesatz von 39,5 % der Umlagegrundlagen ist auch im
übrigen verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Dabei ist nach Auffassung des
Gerichts eine generelle quotenmäßige Festlegung der verfassungsrechtlich (noch)
vertretbaren Höchstgrenze einer Kreisumlage nicht möglich. Insoweit lassen sich weder
der Kreisordnung NW noch dem Gemeindefinanzierungsgesetz 1995 entsprechende
Vorgaben für eine bestimmte Höchstgrenze entnehmen. Dies gilt insbesondere für § 12
GFG 1995. Danach beträgt die Umlagekraftmeßzahl für die Kreise 37 % der
Umlagegrundlagen. Dies kann aber nicht als zwingende Höchstgrenze für die
Kreisumlagequote verstanden werden. Denn die Regelungswirkung des § 12 GFG 1995
erschöpft sich nach dessen systematischer Stellung im II. Teil des GFG 1995 in der
Bestimmung eines fiktiven Wertes zur Ermittlung der Schlüsselzuweisungen, die die
Kreise erhalten. Diese Schlüsselzuweisungen bestimmen sich nämlich gemäß § 10
GFG 1995 aus dem Unterschiedsbetrag zwischen der Ausgangsmeßzahl und der
Umlagekraftmeßzahl der Kreise. Der Kreisumlagesatz ist im übrigen auch deswegen
keiner einheitlichen Beurteilung im Sinne einer bestimmten Höchstgrenze zugänglich,
weil die Aufgaben der Kreise aufgrund der unterschiedlichen Strukturen in den
jeweiligen Kreisen differieren und damit zugleich einen unterschiedlichen Finanzbedarf
auslösen. Die verfassungsrechtlich (noch) vertretbare Kreisumlagequote kann daher
letztlich nur individuell für jeden Kreis aus der Abwägung der gegenseitigen
Interessenlagen gefunden werden.
108
So OVG Schleswig, Urteil vom 20. Dezember 1994 - 2 K 4/94 -, DVBl. 1995, 469ff(472)
und OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 8. Dezember 1998 - 7 C 11935/97. OVG -; offen
OVG Frankfurt (Oder), Urteil vom 7. November 1996 - 1 D 34/94. NE -, NVwZ-RR 1998,
109
57ff(63).
In diesem Rahmen ist eine Kreisumlagequote - wie bereits zu dem Aspekt der
Rechtmäßigkeit der Aufgabenwahrnehmung durch den Beklagten dargestellt - dann
nicht mehr verfassungsrechtlich akzeptabel, wenn sie jedes vernünftige und vertretbare
Maß übersteigt, der Kreis mit der Umlageerhebung willkürlich und rücksichtslos zu
Lasten der kreisangehörigen Gemeinden seine kreispolitischen Interessen verfolgt und
die Kreisumlage objektiv geeignet ist, eine unzumutbare Belastung der Finanzkraft der
Gemeinden dergestalt zu bewirken , daß sie die Möglichkeit zur kraftvollen
eigenverantwortlichen Betätigung verlieren. Insoweit sind keine durchgreifenden
Anhaltspunkte dafür gegeben, daß die von dem Beklagten mit 39,5 % der
Umlagegrundlagen festgesetzte Umlagequote allein ihrer Höhe nach diese Grundsätze
mißachtet. Dabei bestand für das Gericht keine Veranlassung, dem Vortrag der Klägerin
weiter nachzugehen, sie habe im Jahr 1995 zahlreiche gesetzlich vorgeschriebene und
unverzichtbare Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft, die dem Kernbereich ihrer
Selbstverwaltung zuzurechnen seien, nicht wahrnehmen können, und die festgesetzte
Umlagequote habe im Haushaltsjahr 1995 37 % ihrer allgemeinen Deckungsmittel
beansprucht. Abgesehen davon, daß bereits fraglich erscheint, ob die Finanzsituation
einer einzelnen kreisangehörigen Stadt oder Gemeinde die Annahme einer
unzumutbaren Belastung in dem dargestellten Sinn zu rechtfertigen vermag oder ob
nicht vielmehr auf die Situation sämtlicher Städte und Gemeinden im Erftkreis
abzustellen ist, sind jedenfalls keine Anhaltspunkte dafür gegeben, daß der Beklagte -
wie nach dem Gesagten zusätzlich erforderlich - mit der Festsetzung der
Kreisumlagequote willkürlich und rücksichtslos zu Lasten der kreisangehörigen
Gemeinden seine kreispolitischen Interessen verfolgt hätte. Denn die von dem
Beklagten insbesondere in den Bereichen Sport, Kultur, Soziales sowie Förderung von
Wirtschaft und Verkehr freiwillig wahrgenommenen Aufgaben kommen zugleich auch
allen kreisangehörigen Gemeinden zugute, da das entsprechende Leistungsangebot
kreisweit zur Verfügung steht und damit die kreisangehörigen Gemeinden - namentlich
die Klägerin - der Notwendigkeit enthebt, ähnliche Einrichtungen - beschränkt auf die
Bedürfnisse der Gemeindeeinwohner - in eigener Trägerschaft, unter Umständen
kostenintensiver zu unterhalten.
110
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. § 709 Satz 1 ZPO.
111