Urteil des VG Köln vom 18.07.2007

VG Köln: arzneimittel, angemessene frist, dosierung, mangel, therapie, vorbeugung, behandlung, vorschlag, form, beitrag

Verwaltungsgericht Köln, 24 K 1153/04
Datum:
18.07.2007
Gericht:
Verwaltungsgericht Köln
Spruchkörper:
24. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
24 K 1153/04
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des
Verfahrens.
T a t b e s t a n d
1
Am 11.05.1978 wurde gemäß Art. 3 § 7 Abs. 2 Satz 1 AMRNOG das Arzneimittel Q. in
der Darreichungsform Dragees mit den wirksamen Bestandteilen (bezo- gen auf 1 Stück
abgeteilte Arzneiform)
2
Kaliumsalz des Phosphorsäure-mono- (2-aminoäthylesters) 0,1458 g Magnesiumsalz
des Phosphorsäure-mono- (2-aminoäthylesters) 0,1458 g Calciumsalz des
Phosphorsäure-mono- (2-aminosäureäthylesters) 0,0584 g
3
und den Anwendungsgebieten
4
„Vegetative Dystonie mit tetaniformen Symptomen Idiopathische Spasmophilie Tetanie"
5
als im Verkehr befindliches Fertigarzneimittel angezeigt.
6
Am 20.12.1989 beantragte die Klägerin die Verlängerung der Zulassung (Kurzan- trag)
mit unveränderten Angaben zu den wirksamen Bestandteilen. Das Anwen- dungsgebiet
wurde angegeben mit:
7
„Zur Behandlung der vegetativen Dystonie mit tetanischem Syndrom, idio- pa-thischer
Spasmophilie und bei beginnender psycho-somatischer Dysfunkti- on der
Kreislaufparameter (Hyperventilation und pektanginöse Beschwerden), Ein- und
Durchschlafstörungen".
8
Am 06.08.1993 ging der sog. Langantrag ein. Als Anwendungsgebiet wurde an-
gegeben:
9
„neurovegetative Störungen (vegetative Dystonie), die sich in folgenden Symptomen
äußern können: Innere Unruhe, Reizbarkeit, Kopfschmerz, Herz- beschwerden,
verminderte Belastbarkeit, Schlafstörungen, Lidflattern, feuchte Hände, Fingertremor.
Ein- und Durchschlafstörungen, psychosomatischer Be- schwerdekomplex, latente
10
Tetanie, Spasmophilie".
Unter dem 22.01.1996 teilte die Klägerin mit, die Regelungen des § 109a AMG in
Anspruch nehmen zu wollen und schlug als Anwendungsgebiet vor: Zur Vorbeugung
gegen Magnesium-Kalium-Calcium-Mangel; Als mild wirkendes Arzneimittel zur Be-
handlung nervlich bedingter Regulationsstörungen, zur Linderung vom Krampfzu-
ständen sowie bei Krampfneigung der Muskulatur; Zur Unterstützung der Herz-
Kreislauf-Funktion bei nervöser Belastung; Zur Besserung des Befindens bei Er-
schöpfungszuständen, zur Stärkung der Nerven.
11
Mit Erklärung zum Einreichen der Unterlagen gemäß 10. Änderungsgesetz zum AMG
vom 20.12.2000 entschied die Klägerin sich für das Verlängerungsverfahren nach § 105
AMG und die Vorlage der Unterlagen nach § 105 Abs. 4a AMG.
12
Mit Mängelbescheid vom 05.05.2003 wurde der Klägerin die Stellungnahme zur
Klinik/Pharmakologie übersandt. Ihr wurde Gelegenheit gegeben, den darin
aufgeführten Mängeln binnen 2 Monaten abzuhelfen, anderenfalls die Verlängerung der
Zulassung zu versagen sei. In der dem Mängelbescheid beigefügten Stellungnahme ist
u.a. darauf hingewiesen, dass das Anwendungsgebiet mit dem Langantrag unzulässig
erweitert worden sei. Im Übrigen ergebe die Auswertung der vorgelegten Unterlagen,
dass die therapeutische Wirksamkeit der Mineralstoffkombination insgesamt bei der
Behandlung eines (wie immer bezeichneten) klinischen Beschwerdekomplexes
„vegetative Dystonie", „neurovegetative Regulationsstörungen", „tetanieforme
Syndrome" unzureichend begründet sei. Der Menge der Kationen Kalium, Calcium und
Magnesium sei zu gering, um zur positiven Beurteilung des Arzneimittels beizutragen.
Die intakte Resorption von Ethanolaminphosphatsäure (EAP) sei nach den Angaben in
der Literatur zweifelhaft und durch Messungen nicht belegt. Die Dosierung von EAP sei
nicht belegt. Das eingereichte klinische Sachverständigengutachten lasse alle dem
Stand wissenschaftlicher Erkenntnisse entsprechende Beurteilungsstandards
vermissen. Im Übrigen sehe auch der Sachverständige die Datenlage wohl als dünn an.
Er führe aus: „Im Rahmen der klinischen Tests sind die durchgeführten Versuche gering,
eine therapeutische Wirksamkeit und sichere Unbedenklichkeit des Präparates zu
beweisen. Aber die erzielten Testergebnisse zeigen die positiven Wirkungen des
Phosetamins besonders auf die behandelten Krankheiten.".
13
Am 25.06.2003 gingen die Unterlagen zur Mängelbeseitigung ein. Gleichzeitig reichte
die Klägerin Änderungsanzeige ein, mit der das Anwendungsgebiet geändert wurde in
14
„Vorbeugung von kombinierten Mangelzuständen der Elektrolyte Calcium, Magnesium
und Kalium, z.B. bei unzureichender Zufuhr oder erhöhtem Be- darf. Therapie von
leichten bis mittelschweren Mangelzuständen der Elektrolyte Calcium, Magnesium und
Kalium, die ernährungsmäßig nicht behoben werden können.".
15
Mit Bescheid vom 21.01.2004 lehnte das BfArM die Verlängerung der Zulassung ab.
Gemäß § 105 Abs. 5 AMG sei die Zulassung zu versagen, wenn den Mängeln nicht
innerhalb der gesetzten Frist abgeholfen worden sei. Die mit Mängelschreiben vom
05.05.2003 mitgeteilten Beanstandungen seien nicht beseitigt. Das Arzneimittel sei
nicht nach dem gesicherten Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse ausreichend
geprüft worden (§ 25 Abs. 2 Nr. 2 AMG). Dem Arzneimittel fehle die angegebene
therapeutische Wirksamkeit bzw. diese sei nach dem derzeit gesicherten Stand der
wissenschaftlichen Erkenntnisse unzureichend begründet worden (§ 25 Abs. 2 Nr. 4
16
AMG). Es fehle außerdem an einer ausreichenden Begründung, dass jeder arzneilich
wirksame Bestandteil einen Beitrag zur positiven Beurteilung des Arzneimittels leiste,
wobei die Besonderheiten der jeweiligen Arzneimittel in einer risikogestuften Bewertung
zu berücksichtigen seien (§ 25 Abs. 2 Nr. 5a AMG). Wirksame Bestandteile sollten
sowohl die Kationen als auch das EAP sein. Die maximale Tagesdosis von Kalium
betrage 10% des üblicherweise mit der Nahrung zugeführten täglichen Bedarfs, die
Calciumzufuhr 6% und die Magnesiumzufuhr 26%. Damit sei die zugeführte Menge
dieser Kationen zu gering, um einen Beitrag zur positiven Beurteilung des Arzneimittels
im Hinblick auf die fiktiv zugelassenen Anwendungsgebiete „Vegetative Dystonie mit
tetanieformen Symptomen. Idiopathische Spasmophilie/Tetanie" zu leisten. Soweit die
Einschränkung des Anwendungsgebietes auf Prophylaxe und Therapie bei schwächer
ausgeprägten Mangelzuständen vorgeschlagen worden sei, sei der Vorschlag
ungeachtet der Frage nach der Zulässigkeit einer solchen Änderung aus fachlicher
Sicht zurückzuweisen. Die Dosierung der Kationen sei nicht ausreichend, um einen
Mangel an Kalium, Magnesium oder Calcium zu verhüten oder zu behandeln. Ebenso
sei nicht dargelegt worden, dass ein Krankheitsbild existiere, das mit einem
gleichzeitigen Mangel aller drei Kationen einhergehe. Auch sei nicht angegeben, wie
ein schwächer ausgeprägter Mangelzustand dieser drei Kationen definiert sein könnte.
Am 11.02.2004 hat die Klägerin Klage erhoben. Zur Begründung macht sie Folgendes
geltend:
17
Eine unvoreingenommene Prüfung der eingereichten Unterlagen sei nicht erfolgt. Es
werde behauptet, die Tagesdosen der Mineralstoffe seien zu niedrig. Dabei seien die
vom BfArM dem Versagungsbescheid zugrunde gelegten Zahlen falsch. Bei einer
empfohlenen Tagesdosis vom 800 mg Calcium enthalte das streitgegenständliche
Präparat nicht 6,6%, sondern 8,25% des täglichen Bedarfs. Insgesamt sei unberück-
sichtigt geblieben, dass durch das Präparat nicht die empfohlene Tagesdosis
verabreicht werden solle, sondern nur eine sich nach der täglichen Nahrungsaufnahme
ergebende Deckungslücke zwischen der erforderlichen und der tatsächlich zugeführten
Calcium-, Kalium- und Magnesiummenge auszugleichen sei. Soweit das BfArM im
Mängelschreiben eine eigenständige Wirkung der Trägersubstanz EAP bestritten habe,
habe die Klägerin darauf reagiert, indem sie diese Trägersubstanz auf Vorschlag des
Gutachters als Hilfsstoff deklariert habe. Dieser Vorschlag sei im angegriffenen
Bescheid ohne jede Begründung zurückgewiesen worden. Auch bestünden unstreitig
Wechselwirkungen zwischen den Anionen Magnesium und Calcium. Sie hätten
synergetische Effekte. Gerade bei Krämpfen sei die Gabe von Magnesium und Calcium
in niedrigeren Dosierungen in der Regel ausreichend gegenüber der höheren
Dosierung in einem Monopräparat. Soweit das BfArM rüge, dass ein Krankheitsbild mit
einem gleichzeitigen Mangel aller drei Kationen nicht existiere, werde übersehen, dass
der Gutachter gerade dieses Beschwerdebild als Einsatzgebiet des Mehrstoffpräparates
vorgeschlagen und auch begründet habe. Patienten, die an einer Resorptionsstörung
litten oder - wie Sportler- durch körperliche Anstrengungen Mineralien verlören,
benötigten alle drei Hauptmineralien, um Deckungslücken bei erhöhtem Verlust zu
kompensieren. Gleiches gelte natürlich auch für Durchfall. Die neuen geänderten
Anwendungsgebiete stellten auf die Ursachen der Regulationsstörungen ab, die früher
rein klinisch-symptomatisch definiert worden seien.
18
Die Versagung sei aber auch aus anderen Gründen rechtswidrig. Die Beklagte habe vor
Erlass der streitgegenständlichen Versagung keine angemessene Frist zur Beseitigung
der mit Mängelschreiben vom 05.05.2003 ausgesprochenen Beanstandungen gesetzt.
19
Schließlich verkenne die Beklagte noch, dass für das streitgegenständliche Arznei-
mittel die Voraussetzungen des „well-established use" vorlägen. Zweifel an der
Zulässigkeit der von der Klägerin mit dem Kurzantrag vorgenommenen Änderungen der
Anwendungsgebiete bestünden nicht. Die Streichung eines Anwendungsgebietes (hier:
Tetanie) sei grundsätzlich zulässig gewesen. Die Indikation „beginnende
psychosomatische Dysfunktion der Kreislaufparameter" beinhalte keine Erweiterung
des Anwendungsgebietes. Bereits das 1978 angezeigte Anwendungsgebiet habe u.a.
die Indikation „vegetative Dystonie mit tetaniformen Symptomen" enthalten. Vegetative
Dystonie bezeichne Störungen von Funktionen des vegetativen Nervensystems infolge
Dysregulation vegetativer Zentren im Diencephalon. Damit stelle sich die von der
Klägerin gewählte Formulierung „beginnende psychosomatische Dysfunktion der
Kreislaufparameter" lediglich als eine patientenfreundliche Umformulierung dar, was
auch für die Indikation „Ein- und Durchschlafstörungen" gelte. Mit der
Änderungsanzeige vom 26.07.2001 sei das An- wendungsgebiet ebenfalls nicht
geändert, sondern lediglich noch einmal patienten- freundlicher formuliert worden. Das
ursprünglich angezeigte Anwendungsgebiet sei nicht erweitert worden. Soweit
schließlich die Anwendungsgebiete mit Änderungsanzeige vom 25.06.2003 geändert
worden seien, sei dies in Beantwortung des Mängelschreibens geschehen. Hier könne
die Beklagte sich nicht auf eine Unzulässigkeit der Änderung berufen. So habe die
Beklagte in der dem Mängelschreiben beigefügten Stellungsnahme klar darauf
hingewiesen, dass eine Wirksamkeit des Arzneimittels im bisherigen
Anwendungsgebiet nicht zureichend begründet gewesen sei. Durch die gleichzeitig
gesetzte zu kurze Män- gelbeseitigungsfrist sei der Klägerin nur die Möglichkeit
geblieben, das Anwendungsgebiet wie geschehen zu ändern, um den im
Mängelschreiben dargelegten Bedenken Rechnung zu tragen. Die Änderung der
Anwendungsgebiete sei mithin von der Beklagten veranlasst bzw. provoziert worden.
Außerdem könnten der Klägerin keine Fehler zur Last gelegt werden, die auf ein wegen
rechtswidrig zu kurzer Fristsetzung unbeachtliches Mängelschreiben gefolgt seien.
Schließlich habe das BfArM auch den Antrag auf Aufnahme in die Stoff-Indikationsliste
nach § 109a AMG immer noch nicht entschieden. Die Voraussetzungen für die
Aufnahme in die Liste lägen aber vor.
Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin beantragt,
20
den Bescheid des BfArM vom 21.01.2004 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten
den Antrag auf Verlängerung der Zulassung für das Fertigarzneimittel Q. unter
Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden.
21
Die Beklagte beantragt,
22
die Klage abzuweisen.
23
Sie verteidigt den angegriffenen Bescheid. Ergänzend macht sie geltend, es bestünden
bereits Zweifel an der Zulässigkeit der im Rahmen des Kurzantrags mit Schreiben vom
21.12.1989 vorgenommenen Änderung des Anwendungsgebietes. Während die
Indikation Tetanie weggefallen sei, seien zwei weitere Indikationen, nämlich
beginnende psychosomatische Dysfunktion der Kreislaufparameter (Hyperventilation
und pektanginöse Beschwerden) sowie Ein- und Durchschlafstörungen
hinzugekommen. Dies dürfte eine Erweiterung der Anwendungsgebiete beinhaltet
haben, die zur Neuzulassungspflicht geführt habe. Bedenken ergäben sich außerdem
an der Zulässigkeit der Änderung des Anwendungsgebietes mit Änderungsanzeige vom
24
26.07.2001 im Hinblick auf § 105 Abs. 3a AMG. Jedenfalls aber sei die fiktive Zulassung
durch die Änderungsanzeige vom 25.06.2003 erloschen. Die dort vorgenommene
Änderung der Anwendungsgebiete führe zur Neuzulassungspflicht. Unabhängig vom
Erlöschen der fiktiven Zulassung komme eine Verlängerung der Zulassung nach § 109a
Abs. 1 i.V.m. § 105 AMG auch deshalb nicht in Betracht, da die Klägerin am 20.12.2000
die sog. „ex ante Unterlagen" nach § 105 Abs. 4a AMG eingereicht habe.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird Bezug
genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte einschließlich des beigezogenen
Verwaltungsvorgangs.
25
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
26
Die zulässige Klage ist unbegründet.
27
Der Ablehnungsbescheid des BfArM vom 21.01.2004 ist rechtmäßig und verletzt die
Klägerin nicht in Ihren Rechten. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf erneute
Entscheidung über ihren Nachzulassungsantrag, weil für das streitgegenständliche
Arzneimittel „Q. „ keine fiktive Zulassung nach § 105 Abs. 1 AMG mehr besteht und eine
Verlängerung der Zulassung deshalb ausgeschlossen ist.
28
Die fiktive Zulassung umfasst nur das Arzneimittel in seiner 1978 angezeigten Form, vgl.
§ 105 Abs. 1 AMG, oder in einer später zulässig geänderten Form. Unter welchen
Voraussetzungen ein Arzneimittel geändert werden kann, bestimmt sich nach den im
Zeitpunkt des Eingangs der Änderungsanzeige bei der Bundesoberbehörde geltenden
Vorschriften des Arzneimittelrechts,
29
vgl. OVG Berlin, Urteil vom 31.10.2002 - 5 B 24.00 und 5 B 25.00 - und OVG NW, Urteil
vom 22.08.2006 - 13 A 4491/04.
30
Insoweit kann vorliegend dahinstehen, ob das Arzneimittel bereits mit dem Kurzantrag
vom 20.12.1989 bzw. mit dem Langantrag vom 06.08.1993 unzulässig geändert wurde.
Nach § 29 Abs. 3 Nr. 3 AMG i.d.F. vom 16.08.1986 (BGBl. I S. 1296) wie auch nach § 29
Abs. 3 Nr. 3 AMG i.d.F. vom 11.04.1990 (BGBl. I S. 717) führte eine Erweiterung der
Anwendungsgebiete - für eine solche spricht hinischtlich der Kurzantrages die
Hinzufügung der Indikationen „bei beginnender psycho- somatischer Dysfunktion der
Kreislaufparameter (Hyperventilation und pektanginöse Beschwerden)" und „Ein- und
Durchschlafstörungen" und hinsichtlich des Langantrags die Hinzufügung der Indikation
„latente Tetanie", nachdem die Indikation „Tetanie" mit dem Kurzantrag aufgegeben
worden war - zur Neuzulassungspflicht. Eine Privilegierung für fiktiv zugelassene
Arzneimittel in Art. 3 § 7 Abs. 3 AMRNOG i.d.F. vom 24.02.1983 (BGBl. I S. 169) wie
auch i.d.F. vom 11.04.1990 (BGBl. I S. 717) fand nicht statt. Art. 3 § 7 Abs. 3a AMRNOG
kommt jeweils nicht zur Anwendung, da das Arzneimittel in der Zusammensetzung der
arzneilich wirksamen Bestandteile nach Art und/oder Menge nicht geändert worden war.
31
Jedenfalls aber wurde das Arzneimittel mit Änderungsanzeige vom 25.06.2003
unzulässig geändert. Nach § 105 Abs. 3a Satz 1 AMG i.d.F. vom 04.07.2000 (BGBl. I S.
1002) war bei Fertigarzneimitteln nach § 105 Abs. 1 AMG bis zur erstmaligen
Verlängerung der Zulassung eine Änderung nach § 29 Abs. 2a Satz 1 Nr. 1 AMG,
soweit sie die Anwendungsgebiete betrifft, nur dann zulässig, sofern sie zur Behebung
der von der zuständigen Bundesoberbehörde dem Antragsteller mitgeteilten Mängeln
32
bei der Wirksamkeit oder Unbedenklichkeit erforderlich war. Im Übrigen fand auf
Fertigarzneimittel nach § 105 Abs. 1 AMG bis zur erstmaligen Verlängerung der
Zulassung § 29 Abs. 2a Satz 1 Nr. 1, 2 und 5 AMG keine Anwendung.
Danach war die mit Änderungsanzeige vom 25.06.2003 vorgenommene Änderung des
Arzneimittels nicht mehr von § 105 Abs. 3a Satz 1 AMG i.d.F. vom 04.07.2000 gedeckt.
Die am 25.06.2003 angezeigten Anwendungsgebiete „Vorbeugung von kombinierten
Mangelzuständen der Elektrolyte Calcium, Magnesium und Kalium, z.B. bei
unzureichender Zufuhr oder erhöhtem Bedarf" und „Therapie von leichten bis
mittelschwerden Mangelzuständen der Elektrolyte Calcium, Magnesium und Kalium, die
ernährungsmäßig nicht behoben werden können" unterscheiden sich ganz wesentlich
von den in der Anzeige vom 11.05.1978 genannten Anwendungsgebieten „Vegetative
Dystonie mit tetaniformen Symptomen", „Idiopathische Spasmophilie" und „Tetanie". Die
ursprüglichen krankheitswertigen Indikationen werden zugunsten einer Prophylaxe und
einer Therapie bei schwächer ausgeprägten Mangelzuständen ohne Angabe
irgendeines konkreten Krankheitsbildes aufgegeben. Die Änderung der
Anwendungsgebiete liegt damit auf der Hand. Ob darüber hinaus (Änderung des
Patientenkreises; Übergang von einem Heilmittel auf ein Nicht-Heilmittel) sogar der
Anwendungsbereich verlassen ist, bedarf hier keiner Erörterung.
33
Diese Änderung der Anwendungsgebiete war auch nicht zur Behebung der von der
zuständigen Bundesoberbehörde der Klägerin mit Mängelbescheid vom 05.05.2003
mitgeteilten Mängeln bei der Wirksamkeit oder Unbedenklichkeit erforderlich. Soweit die
Bundesoberbehörde in der dem Mängelbescheid beigefügten Stellungnahme
ausgeführt hat, dass die therapeutische Wirksamkeit der Mineralstoffkombination
insgesamt bei der Behandlung eines (wie immer bezeichneten) klinischen
Beschwerdekomplexes „vegetative Dystonie", „neurovegetative Regulationsstörungen",
„tetanieforme Syndrome" unzureichend begründet sei, weil zum Einen die zugeführte
Menge der Kationen Kalium, Calcium und Magnesium zu gering sei, um zu einer
positiven Beurteilung des Arzneimittels beizutragen, und zum Anderen die intakte
Resorption von EAP zweifelhaft und hier auch die Dosierung nicht belegt sei, war dem
ersichtlich nicht durch die erfolgte Änderung der Anwendungsgebiete zu begegnen. In
der dem Mängelbescheid beigefügten Stellungnahme ist an keiner Stelle auch nur
angedeutet, dass eine Wirk- samkeit und Unbedenklichkeit des Arzneimittels in einem
geänderten Anwendungsgebiet angenommen werden könnte.
34
Die Klägerin kann sich demgegenüber nicht darauf berufen, dass die Beklagte die
Änderung der Anwendungsgebiete durch die zu kurze Fristsetzung quasi provoziert
habe bzw. dass wegen der zu kurzen Fristsetzung das Mängelschreiben unbeachtlich
und eine etwa fehlerhafte Reaktion des pharmazeutischen Unternehmers deshalb
ebenfalls unbeachtlich sei. Grundsätzlich obliegt es dem pharmazeutischen
Unternehmer die Verkehrsfähigkeit seines Arzneimittels zu erhalten. Wird ein
Arzneimittel unzulässig geändert, treten die Folgen unabhängig von der
Vorgehensweise der Zulassungsbehörde kraft Gesetzes ein. Ob es angesichts dieses
objektiv-rechtlichen Charakters arzneimittelrechtlicher Vorschriften überhaupt auf
Vertrauensschutz ankommen kann, kann dahinstehen. Im vorliegenden Fall jedenfalls
ist die unzulässige Änderung der Anwendungsgebiete mit Änderungsanzeige vom
25.06.2003 der Klägerin zuzurechnen. Die Beklagte hat keinen
Vertrauensschutztatbestand gesetzt. Anhaltpunkte dafür, dass die Wirksamkeit und
Unbedenklichkeit des Arzneimittels in einem geänderten Anwen- dungsgebiet
angenommen werden würde, enthielt der Mängelbescheid nicht; die Klägerin konnte
35
sich nicht zu der dann vorgenommenen Änderung quasi „aufgerufen" fühlen. Die zu
kurze Fristsetzung im Mängelbescheid enthob die Klägerin ebenfalls nicht von ihrer
originären Verantwortung, die Verkehrsfähigkeit des Arzneimittels zu erhalten. Ein
rechtswidriger Mängelbescheid führt nicht dazu, dass der pharmazeutische
Unternehmer vor den objektiv-rechtlichen Folgen einer Änderung seines Arzneimittels
zu schützen ist.
Da die fiktive Zulassung des Arzneimittels mit der Änderungsanzeige vom 25.06.2003
erloschen ist, kann die Klägerin ein Nachzulassungsbegehren auch nicht (mehr) auf §§
105, 109a AMG stützen. Lediglich der Vollständigkeit halber ist insoweit auszufüh- ren,
dass die Beklagte auch nicht mehr über den Antrag auf Aufnahme in die Stoff-
Indikationsliste nach § 109a AMG entscheiden musste. Die Klägerin hat die Unterlagen
nach § 105 Abs. 4a AMG („ex ante Unterlagen") vorgelegt. Dies schließt ein weiteres
Verfahren nach § 109a Abs. 1 bis 3 AMG aus,
36
vgl. VG Köln, Urteile vom 9. August 2005 - 7 K 861/01 -, vom 2. Mai 2006 - 7 K 6419/04 -
und vom 15.01.2007 - 24 K 5720/05 -.
37
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
38