Urteil des VG Köln vom 26.01.2007
VG Köln: verdacht, registrierung, grenzwert, homöopathie, kausalzusammenhang, verfügung, wissenschaft, auflage, mandelentzündung, kopfschmerzen
Verwaltungsgericht Köln, 18 K 9981/03
Datum:
26.01.2007
Gericht:
Verwaltungsgericht Köln
Spruchkörper:
18. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
18 K 9981/03
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand Die Klägerin ist Inhaberin der Registrierung für das homöopathische
Arzneimittel H. , das als Bestandteil Zubereitungen aus Ginkgo biloba enthält. Das
Arzneimittel wurde am 29. August 1990 unter seiner ursprünglichen Bezeichnung "H1. "
registriert.
1
Im Jahr 1997 eröffnete das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM)
ein Stufenplanverfahren Stufe II für Ginkgo biloba-Blätter-haltige Arzneimit- tel.
Beabsichtigt war eine Reduzierung des Gehalts an Ginkgolsäuren in den betrof- fenen
Arzneimitteln auf einen Wert von maximal 5 parts per million (im folgenden: ppm),
andernfalls sollte die Zulassung widerrufen werden. Das BfArM begründete den
Verdacht schädlicher Wirkungen Ginkgo biloba-Blätter-haltiger Arzneimittel mit dem
Vorkommen von Ginkgolsäuren, die zu den in der Familie der Anacardiaceen
verbreiteten Alkylphenolen vom Urushiol-Typ gehörten und im Samenmantel von
Ginkgo biloba, aber auch in den arzneilich verwendeten Blättern nachgewiesen wer-
den könnten. Alkylphenole vom Urushiol-Typ seien sehr starke Kontaktallergene.
Allergische und hautreizende Reak- tionen auf Ginkgo biloba Früchte bzw. darin
enthaltene Bestandteile seien schon seit 1929 in der Literatur beschrieben. Von dem
Stufenplanverfahren ausgenommen wa- ren lediglich homöopathische Arzneimittel ab
einer Verdünnung von einschließlich D6, da man davon ausging, dass bei diesen der
Grenzwert von 5 ppm für Ginkgol- säuren nicht erreicht wurde. Das Stufenplanverfahren
wurde im Monat Dezember 2001 ohne Anordnung konkreter Maßnahmen eingestellt.
2
Mit Schreiben vom 03. Mai 2000 beantragte die Klägerin die Verlängerung der
Registrierung für das Arzneimittel. In der fachlichen Stellungnahme Medizin, Phase I
wies das BfArM in der Folgezeit auf einen begründeten Verdacht schädlicher Wir-
kungen bei der Einnahme von „H. „ hin, die über ein nach den Erkenntnissen der
medizinischen Wissenschaft vertretbares Maß hinausgingen. Zur Begründung nahm
das BfArM auf das eingeleitete Stufenplanverfahren und auf zahlreiche Ne-
benwirkungsmeldungen zu Ginkgo biloba-Blätter-haltigen Arzneimitteln Bezug, in
denen überwiegend allergische Reaktionen an der Haut und gastrointestinale Stö-
rungen dokumentiert worden seien. Das BfArM forderte die Klägerin zur Bestimmung
3
des Gehalts an Ginkgolsäuren und zur Vorlage einer ausreichenden Nutzen-Risiko-
Begründung gegenüber höheren Potenzstufen auf und gab ihr Gelegenheit, zu den
Beanstandungen Stellung zu nehmen und den genannten Mängeln abzuhelfen.
Mit Bescheid vom 19. April 2002 versagte das BfArM die Verlängerung der Re-
gistrierung und wies zur Begründung im Wesentlichen darauf hin, dass die Klägerin die
medizinischen Bedenken hinsichtlich der unbedenklichen Anwendung des Arz-
neimittels nicht ausgeräumt habe.
4
Hiergegen erhob die Klägerin mit Schreiben vom 25. April 2002 Widerspruch. Zur
Begründung machte sie u.a. geltend, dass der Versagungsbescheid materiell
rechtswidrig sei, weil das BfArM nicht zwischen homöopathischen Arzneimitteln und
Phytopharmaka differenziere. Während des Stufenplanverfahrens seien in der Fall-
statistik des BfArM im Zusammenhang mit oral applizierten homöopathischen Zube-
reitungen lediglich zwei Fälle von unerwünschten Nebenwirkungen nicht schwerwie-
gender Art dokumentiert gewesen. Bereits im Stufenplanverfahren habe die Klägerin
darauf hingewiesen, dass sie seit 1987 Nebenwirkungen dokumentiere. In dem Zeit-
raum von 1987 bis 1997 seien lediglich 10 Nebenwirkungen leichterer Art gemeldet
worden. Dies entspreche einer Nebenwirkungsquote von 0,0004 %. Als die Klägerin
1989 eine Anwendungsbeobachtung mit 49 Patienten über 56 Tage bei einer Tages-
dosis von 60 Tropfen durchgeführt habe, sei sogar keine einzige Nebenwirkung ge-
meldet worden. Bei einer multizentrischen, doppelblinden placebo-kontrollierten klini-
schen Studie an 197 älteren Patienten sei die Verträglichkeit des Arzneimittels von den
Patienten und den behandelnden Ärzten als „gut" eingestuft worden.
5
Mit Widerspruchsbescheid vom 26. November 2003 wies das BfArM den Wider- spruch
der Klägerin zurück und führte zur Begründung ergänzend aus: Die vorlie- genden
Meldungen über unerwünschte Arzneimittelwirkungen seien auf „H. „ übertragbar.
Wissenschaftliche Erkenntnisse über das Risikopotential anderer Arz- neimittel seien
übertragbar, wenn das betroffene Präparat diesen gegenüber keine Sonderstellung
einnehme, es sich also um ein in seinen wesentlichen arzneilichen Bestandteilen
vergleichbares Mittel handele. Dies sei der Fall, weil das Arzneimittel der Klägerin
Ginkgo biloba-Blätter als Urtinktur enthalte und insoweit in seinen wesentlichen arz-
neilich wirksamen Bestandteilen mit anderen ginkgolsäurehaltigen Arzneimitteln ver-
gleichbar sei. Die von der Klägerin vorgelegten Unterlagen könnten diesen Verdacht
nicht entkräften. Die Anzahl der in die Studie einbezogenen Teilnehmer von bis zu 197
Personen sei zu gering, um das Risiko einer allergenen Wirkung oder einer Sen-
sibilisierungswirkung auszuschließen. Die schädlichen Wirkungen seien auch als un-
vertretbar einzustufen, weil das Risiko durch einen höheren Verdünnungsgrad des
risikobehafteten Inhaltsstoffes minimierbar sei. Gegen einen Verdünnungsgrad ab einer
Potenz von D4 bestünden keine Bedenken.
6
Am 23. Dezember 2003 hat die Klägerin Klage erhoben.
7
Zur Begründung der Klage führt die Klägerin im Wesentlichen aus: Es bestehe kein
begründeter Verdacht, dass „H. „ bei bestimmungsgemäßem Gebrauch schädliche
Wirkungen habe, die über ein vertretbares Maß hinausgingen. „H. „ werde in
verschiedenen Ländern auf den Markt gebracht; bei einer geschätzten Verkaufsrate von
2 Packungen pro Person hätten schätzungsweise mehr als 7 Millionen Kunden „H. „
eingenommen. Die Klägerin habe seit 1987 Nebenwirkungen dokumentiert, die lediglich
leichterer Art gewesen seien. Selbst die Beklagte habe eingeräumt, dass für „H. „ keine
8
Meldungen unerwünschter Arzneimittelwirkungen vorlägen, die auf ein allergenes oder
ein Sensibilisierungspotential hinwiesen.
Auch lägen keine ernstzunehmenden Erkenntnisse vor, dass andere ginkgolsäure-
haltigen homöopathischen Arzneimittel unvertretbare Nebenwirkungen hätten. Der
wissenschaftliche Erkenntnisstand zu Phytopharmaka könne nicht auf homöopathische
Arzneimittel übertragen werden. Bereits während des Stufenplanverfahrens sei streitig
gewesen, ob die behaupteten Gefahren auch für homöopathische Arzneimittel gelten
würden. Auch die beteiligten Verbände hätten sich unter Hinweis auf die Fallstatistik
des BfArM gegen die Einbeziehung homöopathischer Arzneimittel in das Verfahren
gewandt. Die Beklagte lasse überdies unerwähnt, dass bei dem Stufenplanverfahren
lediglich beabsichtigt gewesen sei, erteilte Zulassungen zu widerrufen, nicht jedoch
Registrierungen für Arzneimittel mit einem höheren Ginkgolsäuregehalt. Im Jahre 2001
sei dann jedoch von dieser Maßnahme Abstand genommen worden, nachdem bekannt
geworden sei, dass im europäischen Bereich eine Reduzierung auf lediglich 5 ppm
möglicherweise für nicht erforderlich erachtet werde. Aus diesem Grunde sei das Stu-
fenplanverfahren eingestellt worden. Damit einhergehend sehe auch die Monographie
des Europäischen Arzneibuchs für Ginkgo-Blätter einen Grenzwert nicht vor. Auch in der
Monographie der Kommission D vom 22. November 1985 seien mit Ausnahme von
ungefährlichen Erstverschlimmerungen keine Gegenanzeigen oder Nebenwirkungen
aufgeführt.
9
Die von der Beklagten vorgelegte Zusammenstellung über Meldungen unerwünschter
Arzneimittelwirkungen homöopathischer Gingko-Präparate sei nicht aussagekräftig. Von
den aufgelisteten 20 Meldungen seien 12 als „nicht bewertbar" eingestuft worden. Auch
seien lediglich drei Arzneimittel genannt worden. Nur eine der Meldungen beziehe sich
auf eine Urtinktur, als unerwünschte Arzneimittelwirkung sei insoweit (nur) Sodbrennen
angeführt.
10
Die Monographie der Kommission E zu Ginkgo biloba könne nicht auf Homöopathika
übertragen werden. Homöopathische Zubereitungen würden aus Substanzen, Stoffen
oder konzentrierten Zubereitungen nach einer homöopathischen Verfahrenstechnik
hergestellt. Es würden lediglich pflanzliche Ausgangsstoffe verwendet, die dann einem
besonderen Herstellungsverfahren unterlägen.
11
Die von der Beklagten angeführten, in letzter Zeit aufgetretenen Fälle über den Verdacht
eines erhöhten Blutungsrisikos bezögen sich nicht auf homöopathische Arzneimittel.
Noch im August 2002 habe die Arzneimittel-Kommission darauf hingewiesen, dass eine
kontrollierte Studie über 7 Tage an 50 Patienten mit einem Ginkgo-Spezialextrakt
keinen Einfluss auf die Blutgerinnung ergeben habe.
12
Die Beklagte habe in einem anderen Klageverfahren selbst vorgetragen, dass sie
aufgrund der Verdachtsfälle von Blutungskomplikationen nach der Einnahme von
Ginkgo-Präparaten mit Zustimmung der Kommission E dazu übergegangen sei, bei
allen Nach-und Neuzulassungen ginkgo-haltiger Präparate in die Gebrauchs- und
Fachinformation entsprechende Warnhinweise aufzunehmen. Die Klägerin wäre zur
Übernahme derartiger Warnhinweise bereit.
13
Die Klägerin beantragt,
14
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 19. April 2002 in der Gestalt des
15
Widerspruchsbescheides vom 26. November 2003 zu verpflichten, den Antrag der
Klägerin auf Verlängerung der Registrierung für das Fertigarzneimittel "H. " unter
Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden.
Die Beklagte beantragt,
16
die Klage abzuweisen.
17
Zur Begründung verweist sie u.a. auf eine dem Gericht vorgelegte Zusammenstellung
über ihr bekannte unerwünschte Arzneimittelwirkungen für homöopathische Ginkgo-
Präparate. Bei den gemeldeten Ereignissen handele es sich vorwiegend um allergische
Reaktionen, die den Schluss nahe legten, dass mit der Einnahme von homöopathischen
Ginkgo-Präparaten grundsätzlich das Risiko allergischer Reaktionen verbunden sei. Ob
sich eine allergische Reaktion im Einzelfall in einer flüchtigen Hautreaktion erschöpfe
oder sich das Vollbild eines lebensbedrohlichen anaphylaktischen Schocks entwickele,
sei nicht vorhersehbar. Die Meldungen seien auch auf das streitgegenständliche
Arzneimittel übertragbar, weil dieses in seiner Herstellungsweise mit anderen
homöopathischen Ginkgo- Präparaten weitgehend übereinstimme und sich von diesen
lediglich hinsichtlich des Verdünnungsgrades unterscheide. Abgesehen davon handele
es sich bei den bekannt gewordenen allergischen Reaktionen um stoffbezogene
Risiken, die dosisunabhängig seien und erst mit geringerer Stoffkonzentration
abnehmen würden. Aus diesem Grunde seien Nebenwirkungen, die bei der
Verwendung homöo- pathischer Verdünnungen auftreten könnten, auch bei Urtinkturen
zu erwarten, da deren Wirkstoffkonzentration deutlich höher sei. Die Beklagte weist
darauf hin, dass davon auszugehen sei, dass das Meldeverhalten für Phytopharmaka
und für Homöopathika äußerst zurückhaltend sei.
18
Der genaue Ginkgolsäuregehalt des streitgegenständlichen Arzneimittels sei nicht
bekannt. Der Ginkgolsäuregehalt nicht abgereicherter Arzneimittel liege
erfahrungsgemäß bei 50 - 1700 ppm. Homöopathische und phytotherapeutische
Zubereitungen seien insoweit schlecht vergleichbar, weil in der Phytotherapie
Trockenextrakte Anwendung fänden, das Homöopathische Arzneibuch jedoch die
Verwendung frischer Blätter vorschreibe. Das fortgesetzte Auftreten von
Nebenwirkungen auch nach Reduzierung des Ginkgolsäuregehaltes auf 5 ppm
verdeutliche, dass Ginkgolsäuren nicht die einzigen Träger der beobachteten uner-
wünschten Wirkungen seien.
19
Ein Blutungsrisiko bei der Einnahme von Ginkgopräparaten sei bei der Registrierung
von „H. „ nicht bekannt gewesen. Der Erkenntnisstand habe sich zwischenzeitlich durch
die zunehmende Anzahl von Publikationen und Nebenwirkungsmeldungen verdichtet.
Auch die von der Klägerin zitierte Arzneimittelkommission gelange zu dem Ergebnis,
dass bei der Einnahme von Ginkgo-Präparaten ein erhöhtes Blutungsrisiko bestehe und
halte dies aufgrund der bekannten Wirkungen von Ginkgo auf Faktoren der
Blutgerinnung für plausibel. Die bestehenden Bedenken für Phytopharmaka seien auf
Homöopathika übertragbar. Unterschiede zwischen homöopathischen und
phytotherapeutischen Arzneizubereitungen bestünden allein in der Herstellung, der ratio
der the- rapeutischen Anwendung sowie in den formalen Anforderungen bei der
Zulassung bzw. Registrierung, nicht jedoch bei der Beurteilung substanzbedingter
Risiken. Der Verdacht schädlicher Wirkungen eines Wirkstoffs bestehe grundsätzlich
bei allen Arzneimitteln, die diesen Wirkstoff als arzneilich wirksamen Bestandteil
beinhalteten. Diese Substanzwirkung sei mengenabhängig und trete mit zunehmendem
20
Verdünnungsgrad in den Hintergrund. Die Meldungen über Blutungskomplikationen
seien auch auf „H. „ übertragbar, da die Wirkungen stoffspezifisch seien und die
Urtinktur substantielle Mengen des Ausgangsstoffs Ginkgo biloba enthalte. Da keine
genaueren Erkenntnisse über den Wirkmechanismus des Bestandteiles des
Vielstoffgemisches vorlägen, der für diese Nebenwirkungen eindeutig ursächlich sei, sei
derzeit davon auszugehen, dass auch Urtinkturen hiermit behaftet seien.
Untersuchungen, die das Gegenteil belegen könnten, seien auch von der Klägerin nicht
vorgelegt worden.
Die Nutzen-Risiko-Abwägung falle für homöopathische Arzneimittel, die risikobehaftete
Bestandteile in stofflicher Konzentration enthielten, negativ aus. Unvertretbar seien
schädliche Wirkungen auch dann, wenn Arzneimittel zur Verfügung stünden, bei denen
der gleiche Therapieerfolg mit weniger Risiken erzielt werde. Da nach dem
Selbstverständnis der Homöopathie eine Verringerung der Wirkstoffmenge nicht mit
einem Wirksamkeitsverlust verbunden sei, könne die Klägerin die Wirkstoffmenge ohne
weiteres bis zu sicher unbedenklichen Konzentrationen verringern. Bei
Phytotherapeutika sei demgegenüber eine Reduzierung der Wirkstoffmenge in
toxikologisch unbedenkliche Bereiche mit einem Wirksamkeitsverlust verbunden.
Überdies sei zu berücksichtigen, dass registrierte Homöopathika kein
Anwendungsgebiet beanspruchten und deshalb auch keinen Wirksamkeitsnachweis für
bestimmte Indikationen erbringen müssten. Einem etwaigen Risiko stünde - anders als
bei Phytopharmaka - mithin regelmäßig kein nachweislicher Nutzen gegenüber. Aus
diesem Grunde sehe das Gemeinschaftsrecht in den Regelungen über das besondere
vereinfachte Registrierungsverfahren für Homöopathika vor, dass die Registrierung
ohne Indikationsangabe nur dann in Betracht komme, wenn ein Verdünnungsgrad
vorliege, der die Unbedenklichkeit garantiere. Der Gesetzgeber habe diesem Aspekt
durch die Regelung des § 39 Abs. 2 Nr. 5 b AMG und § 38 Abs. 2 Satz 3 AMG
Rechnung getragen. Durch die Neuregelung werde die Registrierungsfähigkeit auf
homöopathische Arzneimittel in Verdünnungsgraden ab D 4 beschränkt. Soweit sich die
Unbedenklichkeit nicht bereits aus einem angemessen hohen Verdünnungsgrad
ergebe, seien pharmakologisch-toxikologische Prüfungsergebnisse vorzulegen. Ginkgo
biloba werde überdies in der Homöopathie anders eingesetzt als in der Phytotherapie.
In der Monographie der Kommission D seien entsprechend dem homöopathischen
Arzneimittelbild die Anwendungsgebiete Mandelentzündung, Kopf- schmerz und
Schreibkrämpfe dokumentiert.
21
Der Erlass einer Auflage scheide bei Vorliegen eines begründeten Verdachts
schädlicher Wirkungen, die über ein vertretbares Maß hinausgingen, aus. In diesem Fall
müsse eine Versagung erfolgen. Dafür spreche auch die neu eingeführte Regelung des
§ 30 Abs. 2 a AMG, der erstmals und ausschließlich für den Fall der Rücknahme oder
des Widerrufs der Zulassung die Anordnung von Auflagen vorsehe.
22
Der Vorschlag der Klägerin, entsprechend dem in der Schweiz vertriebenen Arzneimittel
„H. „ einen Warnhinweis aufzunehmen, sei nicht akzeptabel, weil das
streitgegenständliche Arzneimittel kein positives Nutzen-Risiko-Verhältnis aufweise.
Überdies sei das in der Schweiz vertriebene Arzneimittel für einen ganz anderen
Anwenderkreis bestimmt als das in Deutschland vertriebene homöopathische
Arzneimittel. Das in der Schweiz vertriebene Arzneimittel sei pflanzlicher Natur und
werde mit Indikationen in den Verkehr gebracht. Auch werde es, soweit ersichtlich, mit
einer anderen Verfahrenstechnik hergestellt.
23
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten Bezug
genommen.
24
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e:
25
Im Einverständnis der Beteiligten entscheidet die Kammer gemäß § 101 Abs. 2
Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) ohne weitere mündliche Verhandlung.
26
Die zulässige Verpflichtungsklage ist unbegründet.
27
Der Bescheid vom 19. April 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.
November 2003 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die
Klägerin hat keinen Anspruch auf erneute Bescheidung ihres Antrags auf Verlängerung
der Registrierung für das Fertigarzneimittel „H. „, § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO.
28
Für die Beurteilung des Verpflichtungsbegehrens der Klägerin ist die Rechtslage im
Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts maßgeblich, und damit grundsätzlich das
Arzneimittelgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 12. Dezember 2005
(BGBl. I S. 3394), zuletzt geändert durch Artikel 2 des Gesetzes vom 21. Dezember
2006 (BGBl I 3367).
29
Anspruchsgrundlage für die Verlängerung der Registrierung ist § 39 Abs. 2 b Satz 2
i.V.m. § 31 AMG i.d.F. vom 30. Juli 2004, vgl. § 141 Abs. 10 AMG i.d.F. der
Bekanntmachung vom 12. Dezember 2005. Gemäß § 39 Abs. 2 b Satz 2 i.V.m. § 31
AMG ist die Registrierung auf Antrag innerhalb von drei Monaten vor ihrem Erlöschen
um jeweils 5 Jahre zu verlängern, wenn u.a. kein Versagungsgrund gemäß § 39 Abs. 2
Nr. 3 bis 9 vorliegt.
30
Die Beklagte hat den Antrag der Klägerin auf Verlängerung der Registrierung zu Recht
abgelehnt, weil der Versagungsgrund des § 39 Abs. 2 Nr. 4 AMG vorliegt.
31
Es besteht der begründete Verdacht, dass „H. „ bei bestimmungsgemäßem Gebrauch
schädliche Wirkungen hat, die über ein nach den Erkenntnissen der medizinischen
Wissenschaft vertretbares Maß hinausgehen.
32
Zur Auslegung dieses Versagungsgrundes kann auf die Rechtsprechung zu § 25 Abs. 2
Satz 1 Nr. 5 AMG in der vor dem Inkrafttreten der 14. AMG-Novelle geltenden Fassung
gleichen Wortlauts zurückgegriffen werden. Danach ist ein Verdacht schädlicher
Wirkungen begründet, wenn ernstzunehmende Erkenntnisse, mithin tragfähige
Anhaltspunkte für einen möglichen Kausalzusammenhang zwischen dem
bestimmungsgemäßen Gebrauch eines Arzneimittel und einer schädlichen Wirkung
vorliegen. Bei homöopathischen Arzneimitteln ist derselbe Unbedenklichkeitsmaßstab
anzulegen wie bei sonstigen Arzneimitteln. Das Maß der erforderlichen Konkretisierung
bestimmt sich dabei nach den besonderen Umständen des Einzelfalles. Bei seit langem
auf dem Markt befindlichen Arzneimitteln ist die etwaige theoretische Möglichkeit
schädlicher Wirkungen an den praktischen Erfahrungen zu messen und muss ggf. näher
belegt werden. Insbesondere ist bei schon lange im Verkehr befindlichen Arzneimitteln
grundsätzlich auf diese selbst und nicht auf Erkenntnisse über andere Arzneimittel
abzustellen. Etwas anderes kann allerdings dann gelten, wenn das betreffende
Arzneimittel keine Sonderstellung gegenüber einer Gruppe von Arzneimitteln einnimmt,
33
weil es sich um ein in seinen wesentlichen arzneilichen Bestandteilen vergleichbares
Mittel handelt. Auch sind bei der Gefahr sehr schwerer Schäden keine allzu hohen
Anforderungen an die Eintrittswahrscheinlichkeit zu stellen. Zur Annahme eines
begründeten Verdachts einer schädlichen Wirkung kann dann bereits eine entferntere
Möglichkeit des Schadenseintritts genügen.
Oberverwaltungsgericht Berlin, Urteil vom 16. September 1999 - 5 B 34.97 -, Juris;
Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 09. April
2001 - 13 B 1625/00 und 13 B 1626/00 -, Juris.
34
Ausgehend von diesem Maßstab besteht bei „H. „ der begründete Verdacht schädlicher
Wirkungen. Zwar sind bislang für „H. „ keine Nebenwirkungen bedeutsamer Art bekannt
geworden. Es liegen jedoch ernstzunehmende Erkenntnisse über schädliche
Wirkungen anderer Ginkgo biloba-haltiger Arzneimittel vor, die auf das
streitgegenständliche Arzneimittel übertragbar sind.
35
Im Zusammenhang mit der Einnahme von Ginkgo-Präparaten werden vor allem
Allergie- und Blutungsrisiken diskutiert.
36
Vgl. hierzu bereits VG Köln, Urteil vom 7. September 2005 - 24 K 8159/01 -.
37
Nach den von der Klägerin nicht bestrittenen Angaben der Beklagten handelt es sich bei
Ginkgo biloba um ein weitgehend unerforschtes Vielstoffgemisch, dessen Risiken nicht
einer einzelnen Substanz zugeordnet werden können. Allergische Hautreaktionen und
gastrointestinale Störungen werden vornehmlich den im Samenmantel von Ginkgo
biloba und in den arzneilich verwendeten Blättern vorkommenden Ginkgolsäuren
zugeschrieben, die zu den Alkylphenolen vom Urushiol-Typ - den stärksten bekannten
Kontaktallergenen - gehören. Aufgrund dieses allergenen Risikopotentials hat die
Kommission E in der Monographie für ein Trockenextrakt (35 - 67:1) aus Ginkgo biloba-
Blättern, extrahiert mit Aceton-Wasser, einen Grenzwert von 5 ppm für den Gehalt an
Ginkgolsäuren vorgesehen. Bei anderen Ginkgo biloba-Blätter-Extrakten rät die
Kommission E sogar von einer therapeutischen Anwendung ab und begründet dies u.a.
mit dem nicht auszuschließenden allergenen Risiko.
38
Ausführlich hierzu: VG Köln, Urteil vom 7. September 2005 - 24 K 8159/01 -.
39
Die Kammer kann dahin gestellt lassen, ob der Grenzwert von 5 ppm für Phytopharmaka
zu Recht festgesetzt wurde und ob hieraus auch Schlussfolgerungen für Homöopathika
zu ziehen sind. Belege für das allergene Risikopotential von Ginkgo biloba ergeben sich
unabhängig von den Ausführungen der Kommission E auch aus der vorgelegten
Dokumentation unerwünschter Arzneimittelwirkungen von Ginkgo-Monopräparaten
(Stand: 8. März 2006) mit zahlreichen Angaben zu allergischen Hautreaktionen und
gastrointestinalen Störungen. Die Meldungen reichen von Juckreiz, Ekzemen,
Gesichtsödemen, Magen- und Darmkrämpfen sowie Durchfall bis hin zu schwerer
Atemnot und anaphylaktischen Reaktionen. Davon bezogen sich 34 Meldungen auf
eine alleinige Medikation mit einem Ginkgo- Präparat, in den übrigen Fällen der
Komedikation wurde ein Kausalzusammenhang mit der Einnahme eines Ginkgo-
Präparats für möglich gehalten. Schädliche hautreizende Wirkungen und allergische
Reaktionen im Zusammenhang mit der Einnahme von Ginkgo-Präparaten sind nicht nur
bei Phytopharmaka bekannt, sondern es existieren auch ähnlich lautende Meldungen
für homöopathische Arzneimittel. Der von der Beklagten vorgelegten Zusammenstellung
40
von Meldungen unerwünschter Arzneimittelwirkungen ginkgohaltiger Homöopathika ist
zu entnehmen, dass es vereinzelt zu allergischen Hautreaktionen, Atemnot,
Schleimhautschwellung und einer anaphylaktoiden Reaktion kam. Die von der
Beklagten dargelegten Fälle von Allergien bei Homöopathika sogar in der Potenz D3
verdeutlichen, dass das Allergierisiko von ginkgohaltigen Phytopharmaka und
Homöopathika vergleichbar ist.
Dieser wissenschaftliche Erkenntnisstand zu Allergierisiken ist auch auf „H. „
übertragbar. Urtinkturen werden nach den Vorschriften des homöopathischen
Arzneibuchs hergestellt und dienen als Ausgangsstoff für homöopathische
Verdünnungen. Sie weisen deshalb sogar eine deutlich höhere Wirkstoffkonzentration
auf als bereits verdünnte D-Potenzen. Da die bekannt gewordenen allergischen
Reaktionen auf Ginkgopräparate stoffbezogene Risiken darstellen, die erst mit
geringerer Stoffkonzentration abnehmen, können Allergierisiken, für die es Belegfälle in
der Potenz D 3 gibt, grundsätzlich auch bei Urtinkturen auftreten. „H. „ nimmt überdies
keine Sonderstellung gegenüber anderen homöopathischen Ginkgo-Monopräparaten
ein, weil es nach den von der Klägerin nicht bestrittenen Angaben der Beklagten in
seiner Herstellungsweise mit anderen homöopathischen Ginkgo-Präparaten
weitgehend übereinstimmt. Auch die von der Klägerin vorgelegten klinischen Studien
vermögen den Verdacht schädlicher Wirkungen von „H. „ nicht zu entkräften. Die
Beklagte weist zu Recht darauf hin, dass die Anzahl der in die Studie einbezogenen
Teilnehmer zu gering ist, um das Risiko einer allergenen Wirkung oder einer
Sensibilisierungswirkung auszu- schließen.
41
Auch liegen ernstzunehmende Erkenntnisse über Blutungsrisiken im Zusammenhang
mit der Einnahme von phytotherapeutischen Ginkgo-Präparaten vor. Verlängerte
Blutungszeiten und sonstige Komplikationen werden vor allem dem Ginkgoloid B
zugeschrieben, der als möglicher Hemmstoff für den plättchenaktivierenden Faktor
(PAF) gilt. Die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft hat bereits im Jahr
2002 (vgl. Pharmazeutische Zeitung 2002, S. 7 und Bl. 47 der Gerichtsakte) darauf
hingewiesen, dass Patienten, die Ginkgo biloba- Extrakte einnehmen, offensichtlich
gefährdet sind, bei Operationen oder spontan Blutungskomplikationen zu erleiden. Eine
erhöhte Blutungsgefahr wurde insbesondere im Zusammenhang mit der Einnahme
anderer gerinnungshemmender Substanzen, wie z.B. Acetylsalicylsäure, angenommen.
Auch in den von der Beklagten vorgelegten Publikationen wird von Fällen zerebraler
oder postoperativer Blutungen sowie Blutungen in der vorderen Augenkammer
berichtet. In der Dokumentation unerwünschter Arzneimittelwirkungen von Ginkgo-
Monopräparaten (Stand: 8. März 2006) sind u.a. 21 Meldungen zu folgenden
Blutungsereignissen aufgelistet: Nasenbluten, Hämatome und Netzhautblutungen in
jeweils drei Fällen, Bluterbrechen in 2 Fällen, eine Ulkusblutung, postoperative und
gastrointestinale Blutungen sowie Hämaturie (= Blut im Urin) in jeweils 2 Fällen und
insgesamt 5 Fälle von zerebralen Blutungen, davon eine mit tödlichem Ausgang. Die
Beklagte hat ferner zwei weitere Meldungen zu zerebralen Blutungen mit tödlichem
Ausgang vorgelegt, bei denen ein Kausalzusammenhang mit der Einnahme von Ginkgo
ebenfalls für möglich gehalten wurde.
42
Diese Erkenntnisse über Blutungsrisiken sind auf das streitgegenständliche Arzneimittel
übertragbar. Da „H. „ eine Urtinktur ist, die substantielle Mengen des pflanzlichen
Ausgangsstoffs von Ginkgo biloba enthält und es keine gesicherten Erkenntnisse des
Inhalts gibt, dass die Stoffe, die die schädlichen Wirkungen auslösen, in Homoöpathika
gerade nicht vorkommen, kann ein Blutungsrisiko im Zusammenhang mit der Einnahme
43
von „H. „ nicht ausgeschlossen werden. Angesichts der Schwere der dokumentierten
Blutungskomplikationen reicht diese entfernte Möglichkeit eines Schadenseintritts zur
Begründung des Verdachts einer schädlichen Wirkung aus. Auch die Klägerin hat
bislang nicht dargetan, dass bei der Herstellung ihrer Urtinktur diejenigen Substanzen
des Vielstoffgemischs eliminiert werden, deren Wirkung auf Faktoren der Blutgerinnung
bereits bekannt ist. Die Urtinktur der Klägerin nimmt, anders als Homöopathika höherer
Potenzen, phytotherapeutischen Ginkgozubereitungen gegenüber auch deshalb keine
Sonderstellung ein, weil die von der Beklagten angesprochenen substanzbedingten
Risiken mengenabhängig sind und erst mit zunehmendem Verdünnungsgrad in den
Hintergrund treten.
Der begründete Verdacht schädlicher Wirkungen von „H. „ geht ferner über ein nach den
Erkenntnissen der Wissenschaft vertretbares Maß hinaus, weil die Klägerin auf
toxikologisch unbedenklichere Verdünnungsstufen ausweichen kann.
44
Bei der Entscheidung über die Vertretbarkeit schädlicher Wirkungen sind die Nachteile
der Anwendung des Arzneimittels mit den Nachteilen der Nichtanwendung des
Arzneimittels, insbesondere im Hinblick auf den Nutzen des Arzneimittels und
bestehende Behandlungsalternativen, gegeneinander abzuwägen.
45
Oberverwaltungsgericht Berlin, Urteil vom 16. September 1999 - 5 B 34.97 -, a.a.O..
46
Diese inhaltliche Verknüpfung von Unbedenklichkeit und Wirksamkeit wird seit dem 14.
AMG Änderungsgesetz vom 29. August 2005 als Nutzen-Risiko-Verhältnis bezeichnet
und als Bewertung der positiven therapeutischen Wirkungen des Arzneimittels im
Verhältnis zu seinen Risiken definiert, vgl. § 4 Abs. 28 AMG. Bei der erforderlichen
Abwägung ist nicht nur das in Rede stehende Arzneimittel zu berücksichtigen, sondern
es kann auch auf das Vorhandensein anderer, unbedenklicherer Arzneimittel abgestellt
werden.
47
Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 09. April
2001 - 13 B 1625/00 und 13 B 1626/00 -, a.a.O..
48
Steht eine adäquate Behandlungsalternative mit einem geringeren Risikopotential zur
Verfügung, so wirkt sich dies insbesondere bei schwerwiegenden Risiken auf die
Nutzen-Risiko-Abwägung negativ aus.
49
Oberverwaltungsgericht Berlin, Urteil vom 16. September 1999 - 5 B 34.97 -, a.a.O.;
Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 09. April
2001 - 13 B 1625/00 und 13 B 1626/00 - a.a.O.; Verwaltungsgericht Köln, Beschluss
vom 02. August 2002 - 24 L 1685/02 - .
50
Ausgehend hiervon fällt die Nutzen-Risiko-Abwägung für „H. „ negativ aus, weil
toxikologisch unbedenkliche Behandlungsalternativen derselben Therapierichtung zur
Verfügung stehen. Die Beklagte durfte die Klägerin bei der Nutzen-Risiko-Abwägung zu
Recht auf einen Verdünnungsgrad der Potenz D 4 verweisen. Nach dem
Selbstverständnis der Homöopathie führt eine Erhöhung des Verdünnungsgrades nicht
zu Einbußen der homöopathisch intendierten Wirkung. Der Nutzen eines
homöopathischen Arzneimittels hängt nicht von der Potenzierung, sondern von der
Gabe des passenden Mittels ab. Anders als bei Phytotherapeutika, deren Wirkung
dosisabhängig ist, können die in Rede stehenden stoffspezifischen Risiken durch eine
51
Erhöhung des Verdünnungsgrades von „H. „ ohne Wirksamkeitsverlust eliminiert
werden.
Der begründete Verdacht schädlicher Wirkungen kann auch nicht durch einen
Warnhinweis auf ein vertretbares Maß abgesenkt werden. Die Kammer kann insoweit
dahin gestellt lassen, ob der Erlass einer Auflage bei Vorliegen eines
Versagungsgrundes als milderes Mittel rechtlich möglich ist. Denn es steht zur
Überzeugung des Gerichts fest, dass der Klägerin wegen der Schwere der in Rede
stehenden schädlichen Wirkungen ein Ausweichen auf toxikologisch unbedenkliche
Verdünnungsstufen zumutbar ist. Die Klägerin kann sich nicht erfolgreich darauf
berufen, dass die Beklagte bei Phytotherapeutika anders verfährt und (nur) die
Aufnahme eines Warnhinweises anordnet. Eine Nutzen-Risiko-Abwägung kann trotz
vergleichbarer Risiken für Phytotherapeutika und Homöopathika unterschiedlich
ausfallen. Das kann sich aus den bereits erwähnten unterschiedlichen
Therapieansätzen von Phytotherapie und Homöopathie ergeben, kann aber auch Folge
eines unterschiedlichen Anwendungsbereichs der in Rede stehenden Medikamente
sein. Die Beklagte weist insoweit zu Recht darauf hin, dass schwerwiegende
Nebenwirkungen eines Arzneimittels zur Behandlung von Kopfschmerzen ganz anders
zu bewerten sein können als etwa diejenigen eines Mittels gegen Tumorschmerzen.
Auch Ginkgo biloba wird je nach Therapierichtung unterschiedlich angewendet: In der
Phytotherapie wird Ginkgo biloba zur symptomatischen Behandlung von hirnorganisch
bedingten Leistungsstörungen bei dementiellen Syndromen mit der Leitsymptomatik
Gedächtnisstörungen, Konzentrationsstörungen, depressiver Verstimmung und
Kopfschmerzen, bei Tinnitus und Schwindel und zur Verbesserung der schmerzfreien
Gehstrecke bei peripherer, arterieller Verschlusskrankheit angewendet. In der
Aufbereitungsmonographie der Kommission D zu Ginkgo biloba werden demgegenüber
entsprechend dem homöopathischen Arzneimittelbild die Anwendungsgebiete
Mandelentzündung, Kopfschmerz und Schreibkrämpfe monografiert. Der Klägerin ist
insbesondere auch unter Berücksichtigung des monografierten homöopathischen
Arzneimittelbildes ein Ausweichen auf toxikologisch unbedenkliche Verdünnungsstufen
zumutbar.
52
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
53