Urteil des VG Köln vom 16.04.2007
VG Köln: satzung, eingetragene partnerschaft, lebensgemeinschaft, hinterbliebenenrente, gleichbehandlung, gleichstellung, gefahr, unterhaltspflicht, gemeinschaftsrecht, konkurrenz
Verwaltungsgericht Köln, 9 K 3114/06
Datum:
16.04.2007
Gericht:
Verwaltungsgericht Köln
Spruchkörper:
9. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
9 K 3114/06
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110
Prozent des beizutreibenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand Der im Jahre 1940 geborene Kläger war seit dem 30. November 2001
Lebenspartner des im Jahre 1952 geborenen Herrn Dr. med. vet. C. , der bis zu seinem
Tod am 1. September 2005 Mitglied im beklagten Versorgungswerk war und dort eine
Rentenanwartschaft erworben hatte.
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Am 6. Oktober 2005 beantragte der Kläger, ihm eine Hinterbliebenenversorgung zu
gewähren. Zur Begründung verwies er auf ein Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin (VG
14 A 44.02). Der Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 11. Oktober 2005 ab und
führte zur Begründung aus, die Satzung sehe eine Hinterbliebenenversorgung für
Lebenspartner nicht vor. Zur Begründung des am 10. November 2005 erhobenen
Widerspruchs führte der Kläger im Wesentlichen aus, das Lebenspartnerschaftsgesetz
bestimme eine gegenseitige Unterhaltspflicht der Lebenspartner, die der
Unterhaltspflicht für Eheleute entspreche. Hinterbliebene Lebenspartner seien den
Witwen und Witwern gleichgestellt. Die Satzung des Versorgungswerks enthalte
insoweit eine nachträgliche Regelungslücke, die nach Maßgabe des Art. 3 GG durch
eine Gleichbehandlung von Lebenspartnern und Ehegatten zu schließen sei. Der
Beklagte wies den Widerspruch mit Bescheid vom 30. Mai 2006 als unbegründet
zurück. Zur Begründung hieß es, Art. 3 GG werde durch die Satzungsvorschriften nicht
verletzt.
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Am 30. Juni 2006 hat der Kläger Klage erhoben.
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Zur Begründung trägt er im Wesentlichen vor, das geltende Lebenspartnergesetz und
der Gleichbehandlungsgrundsatz erforderten, Lebenspartner und Ehegatten hinsichtlich
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der Hinterbliebenenversorgung gleichzustellen. Wie in der gesetzlichen
Rentenversicherung sei der Anspruch auf Hinterbliebenenrente ein Ersatz für den im
Todesfall verlorenen Unterhaltsanspruch. Spätestens mit der Gleichstellung von
Lebenspartnern und Eheleuten im Bereich der Beamtenversorgung und der
gesetzlichen Rentenversicherung durch das Gesetz zur Überarbeitung des
Lebenspartnerschaftsrechts vom 15. Dezember 2004 (BGBl. I S. 3396) sei der Beklagte
gezwungen, eine entsprechende Anpassung der Satzung vorzunehmen. Nachdem dies
unterblieben sei, müsse die Satzung verfassungskonform ausgelegt werden. Ergänzend
komme hinzu, dass Berufsangehörige gezwungen seien, Mitglied des
Versorgungswerks zu sein. Nicht verheiratete Lebenspartner würden gleichheitswidrig
gezwungen, anderweitig für die Versorgung des Lebenspartners zu sorgen. Art. 6 GG
gebiete nicht, dass Ehen gegenüber anderen Formen der Lebensgemeinschaft besser
gestellt werden. Die Versagung einer Hinterbliebenenversorgung verstoße zudem
gegen Gemeinschaftsrecht.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
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den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 11. Oktober 2005 und des
Widerspruchsbescheides vom 30. Mai 2006 zu verpflichten, ihm - dem Kläger - für den
Zeitraum ab dem 1. Oktober 2005 eine Hinterbliebenenversorgung zu gewähren.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Zur Begründung macht er im Wesentlichen geltend, das Lebenspartnerschaftsgesetz
begründe keine Verpflichtung des Satzungsgebers, Lebenspartner als
Rentenberechtigte anzuerkennen. Art. 6 GG gebiete, Ehepartnern
verfassungsrechtlichen Schutz zu gewähren, während ein verfassungsrechtliches Gebot
zur Gleichbehandlung von Ehen und anderen Formen der Lebensgemeinschaften nicht
bestehe. Letztlich sei es eine rechts- und gesellschaftspolitische Entscheidung, welche
Rechte, Förderungen und Pflichten der Satzungsgeber der gleichgeschlechtlichen
Lebensgemeinschaft zuordne. Der Satzungsgeber habe sich auch nach Inkrafttreten der
von dem Kläger genannten Gesetzesänderungen nicht dazu entschieden, die
Lebenspartnerschaft hinsichtlich der Hinterbliebenenversorgung der Ehe
gleichzustellen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge ergänzend Bezug
genommen.
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Entscheidungsgründe Die Kammer konnte ohne Durchführung einer mündlichen
Verhandlung entscheiden, weil die Beteiligten ihr Einverständnis hierzu erklärt haben (
§ 101 Abs.2 VwGO ).
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Die von dem Kläger schriftsätzlich angekündigten Anträge sind von der Kammer unter
Beachtung des klägerischen Begehrens gefasst worden. Die mit diesem Antrag
zulässige Klage ist jedoch unbegründet. Der Bescheid vom 11. Oktober 2005 und der
Widerspruchsbescheid vom 30. Mai 2006 sind rechtmäßig. Der Kläger kann nicht
beanspruchen, dass ihm der Beklagte für den Zeitraum ab dem 1. Oktober 2005 eine
Hinterbliebenenversorgung gewährt (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
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Nach § 24 Abs. 1 der Satzung des Versorgungswerkes der Tierärztekammer Nordrhein
vom 21. Januar 1998 in der Fassung vom 31. Mai 2005 erhält der überlebende Ehegatte
eines Versorgungsberechtigten eine jährliche Hinterbliebenenrente in Höhe von 60 v.H.
des Ruhegeldes des Versorgungsberechtigten. Diese Voraussetzungen sind in der
Person des Klägers nicht erfüllt, weil die Gewährung einer Hinterbliebenenrente - außer
an Waisen - nur an überlebende Ehegatten erfolgen soll. Die eingetragene
Partnerschaft ist jedoch keine Ehe, und Lebenspartner sind keine Ehegatten oder
diesen gesetzlich gleichgestellt. Die Begriffe "Ehe" und "Ehegatte" sind sprachlich und
insbesondere in der Rechtssprache klar umrissen. Sie betreffen ausschließlich das
Rechtsinstitut der Ehe als im Bürgerlichen Gesetzbuch (§§ 1303 ff. BGB) gesetzlich
normierte Lebensgemeinschaft verschiedengeschlechtlicher Partner, und die Satzung
des Versorgungswerks knüpft für ihren Regelungsbereich an diese Begriffsbedeutung
an. Das Gesetz über die eingetragene Lebenspartnerschaft
(Lebenspartnerschaftsgesetz - LPartG) vom 16. Februar 2001 (BGBl. I S. 266), zuletzt
geändert durch Gesetz zur Änderung des Ehe- und Lebenspartnerschaftsnamensrechts
vom 6. Februar 2005 (BGBl. I S. 203), bestimmt in seinem § 2, dass die Lebenspartner
einander (auf Lebenszeit, § 1 Abs. 1 LPartG) zu Fürsorge und Unterstützung sowie zur
gemeinsamen Lebensgestaltung verpflichtet sind und dass sie füreinander
Verantwortung tragen. Dies entspricht zwar § 1353 Abs. 1 BGB, wonach die Ehe auf
Lebenszeit geschlossen wird, die Ehegatten einander zur ehelichen
Lebensgemeinschaft verpflichtet sind und füreinander Verantwortung tragen. § 11 Abs. 1
LPartG stellt jedoch klar, dass ein Lebenspartner nur als Familienangehöriger des
anderen Lebenspartners gilt, nicht aber als Ehegatte. Entsprechend enthält das
Lebenspartnerschaftsgesetz Vorschriften, die die rechtlichen Wirkungen der
Lebenspartnerschaft denen der Ehe nicht vollständig sondern nur für einzelne
Teilbereiche annähern oder im Einzelfall auch gleichstellen.
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Eine eingetragene Lebenspartnerschaft ist auch nicht im Wege der Analogie oder der
Ausfüllung einer regelungswidrigen Regelungslücke dem Rechtsinstitut der Ehe
gleichzustellen. Der Kläger kann daher von dem Beklagten nicht die Anwendung der für
Ehegatten getroffenen Bestimmungen verlangen. Das Lebenspartnerschaftsgesetz vom
16. Februar 2001 ist zwar nach der Satzung des Versorgungswerkes der
Tierärztekammer Nordrhein vom 21. Januar 1998 in Kraft getreten, was für eine
nachträglich entstandene Regelungslücke in der Satzung des Versorgungswerkes
sprechen könnte. Insbesondere die Bestimmungen des Gesetzes zur Überarbeitung des
Lebenspartnerschaftsgesetzes vom 15. Dezember 2004 (BGBL. I S. 3396), die die
Lebenspartnerschaft in verschiedener Hinsicht, insbesondere betreffend den Unterhalt
und die gesetzliche Rentenversicherung, der Ehe angeglichen haben, waren dem
Satzungsgeber ursprünglich nicht bekannt. Er hat jedoch im Rahmen der seit 1998
kontinuierlich erfolgten Satzungsänderungen gezeigt, dass er an den hergebrachten
Vorschriften zur Hinterbliebenenversorgung festhält und die in vielen Bereichen erfolgte
Annäherung oder Gleichstellung von Ehegatten und Lebenspartnern für seinen Bereich
nicht übernimmt.
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Es ist schließlich auch nicht erkennbar, dass die satzungsgebende
Kammerversammlung verpflichtet wäre, gleichgeschlechtliche Lebenspartner in die
Hinterbliebenenversorgung einzubeziehen. Art. 3 Abs. 1 GG kann einen Anspruch auf
Hinterbliebenenversorgung über die Satzung hinaus nur begründen, wenn dem
Satzungsgeber kein normatives Ermessen verbleibt und er verpflichtet ist, den in Rede
stehenden Personenkreis in diese Versorgungsart einzubeziehen.
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Vgl. Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Beschluss vom 29. Februar 2000, - 1 B 82.99
-, GewArch 2002, 160.
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Die Frage, ob und in welchem Umfang eine Einschränkung des Ermessens des
Satzungsgebers anzunehmen ist, bedarf keiner Entscheidung. Denn eine Gleichstellung
der Lebenspartnerschaft und der Ehe ist nicht geboten.
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Art. 3 Abs. 1 GG verbietet, eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen
Normadressaten anders zu behandeln, obwohl zwischen beiden Gruppen keine
Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche
Behandlung rechtfertigen könnten. Gleichgeschlechtliche Paare und
verschiedengeschlechtliche Paare sind jedoch unterschiedliche Gruppen von
Normadressaten. Die eingetragene Lebenspartnerschaft ermöglicht
gleichgeschlechtlichen Paaren, ihre Lebensgemeinschaft auf eine rechtlich anerkannte
Basis zu stellen und sich in Verantwortung zueinander dauerhaft zu binden, was ihnen
früher verwehrt war, da sie keine Ehe eingehen können. Verschiedengeschlechtlichen
Paaren steht im Gegensatz zu gleichgeschlechtlichen Paaren hierfür das Institut der
Ehe offen. Der Unterschied, dass traditionell aus einer auf Dauer verbundenen
Zweierbeziehung von Mann und Frau gemeinsame Kinder erwachsen können, aus
einer gleichgeschlechtlichen Partnerschaft dagegen nicht, rechtfertigt es,
verschiedengeschlechtliche Paare auf die Ehe zu verweisen, wenn sie auch eine
rechtlich verbindliche Lebensgemeinschaft gründen wollen. Entsprechend beinhaltet
Art. 6 Abs. 1 GG für die Ehe Förderpflichten des Staates, die einer zwingenden
Gleichbehandlung mit der gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaft
entgegenstehen. Trüge der Gesetzgeber selbst durch Normsetzung dazu bei, dass die
Ehe ihre Funktion einbüßte, verletzte er möglicherweise das Fördergebot aus Art. 6 Abs.
1 GG. Eine solche Gefahr könnte bestehen, wenn der Gesetzgeber in Konkurrenz zur
Ehe ein anderes Institut schüfe und so gestaltet, dass beide Institute austauschbar
wären. Das Bundesverfassungsgericht hat diese Gefahr verneint, weil die eingetragene
Lebenspartnerschaft mit der Ehe schon deshalb nicht in Konkurrenz treten könne, weil
der Adressatenkreis, an den sich das Institut richtet, nicht den der Ehe berührt.
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Vgl. zu der Problematik: Bundesverfassungsgericht (BVerfG), Urteil vom 17. Juli 2002, -
1 BvF 1/01 - und - 1 BvF 2/01 -, BVerfGE 105, 313.
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Daraus folgt, dass sich aus dem Grundgesetz keine Pflicht zur Gleichbehandlung
gleichgeschlechtlicher Lebensgemeinschaften mit der Ehe begründen lässt. Es ist eine
rechts- und gesellschaftspolitische Entscheidung, welche Rechte und Förderungen und
Pflichten der Gesetzgeber der gleichgeschlechtlichen Lebenspartnerschaft zuordnet.
Entsprechend verbleibt es im Ermessen des Satzungsgebers, ob und in welcher Form
er Lebenspartner von Mitgliedern des Versorgungswerkes in die
Hinterbliebenenversorgung einbezieht.
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Dieses Ergebnis verstößt auch nicht gegen Gemeinschaftsrecht. Insbesondere liegt kein
Verstoß gegen Artikel 141 EG vor, der die Mitgliedstaaten auffordert, gleiches Entgelt für
Männer und Frauen bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit sicherzustellen. Als Entgelt
für Arbeit kann zwar auch eine Rente gelten. Männer und Frauen werden durch die
vorliegende Ausgestaltung der Hinterbliebenenrente als Witwen- und Witwerrente aber
nicht diskriminiert.
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Die Ausgestaltung der Hinterbliebenenrente verstößt auch nicht gegen die Richtlinie
2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 (Abl. L 303/16). Deren Art. 1 bestimmt,
dass die Richtlinie der Bekämpfung von Diskriminierungen in Beschäftigung und Beruf
dient, die unter anderem an die sexuelle Ausrichtung anknüpfen. Die in der
Versorgungssatzung des Beklagten geregelte Hinterbliebenenversorgung knüpft jedoch
an den Familienstand der Ehe an, der Männer und Frauen unabhängig von der
sexuellen Orientierung zugänglich ist. In dieser Differenzierung liegt daher keine
Benachteiligung aufgrund des Geschlechts oder der sexuellen Orientierung.
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Vgl. dazu eingehend: Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 14. Februar 2007 - IV ZR
267/04 -, zit. nach juris.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
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Die Vollstreckbarkeitsentscheidung beruht auf § 167 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VwGO i.V.m.
§ 709 der Zivilprozessordnung.
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Die Berufung war zuzulassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§
124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).
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