Urteil des VG Köln vom 26.06.2002

VG Köln: aufschiebende wirkung, abgabe, umdeutung, verwalter, verwaltung, duldungsvollmacht, zukunft, anschrift, absicht, geldleistung

Verwaltungsgericht Köln, 14 L 429/02
Datum:
26.06.2002
Gericht:
Verwaltungsgericht Köln
Spruchkörper:
14. Kammer
Entscheidungsart:
Beschluss
Aktenzeichen:
14 L 429/02
Tenor:
Die aufschiebende Wirkung der Klage der Antragsteller vom 26. Februar
2002 - 14 K 1350/02 - gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 10.
August 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.
Januar 2002 wird angeordnet. Die Kosten des Verfahrens trägt der
Antragsgegner.
Der Streitwert wird auf 447,38 EUR (= 875,00 DM) festgesetzt.
G r ü n d e
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Der von den Antragstellern gestellte Antrag,
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die aufschiebende Wirkung ihrer Klage vom 26. Februar 2002 - 14 K 1350/02 - gegen
den Bescheid des Antragsgegners vom 10. August 2001 in der Gestalt des
Widerspruchsbescheides vom 25. Januar 2002 anzuordnen,
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ist zulässig und begründet.
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Die von dem Gericht gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO vorzunehmende Abwägung
zwischen dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehung des Bescheides des
Antragsgegners vom 10. August 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom
25. Januar 2002 und dem Interesse der Antragsteller an der - gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1
Nr. 1 VwGO entfallenen - aufschiebenden Wirkung ihrer Klage vom 26. Februar 2002 -
14 K 1350/02 - fällt zu Lasten des Antragsgegners aus, weil nach der gegenwärtigen
Sach- und Rechtslage bei der im vorliegenden Eilverfahren allein gebotenen
summarischen Prüfung ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angegriffenen
Bescheide bestehen (§ 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO), mithin ein Erfolg der Antragsteller im
Hauptsacheverfahren wahrscheinlicher ist als ein Misserfolg (vgl. zum Begriff der
"ernstlichen Zweifel" in § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO: OVG NRW, Beschluss vom 17. März
1994 - 15 B 3022/93 -, NVwZ-RR 1994, S. 617f. m.w.N.).
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Dies gilt zunächst bezüglich des auf § 12 Abs. 1 Nr. 4 lit. b) KAG NRW i.V.m. § 191 Abs.
1 Satz 1 u. 3 AO sowie § 12 Abs. 1 Nr. 2 lit. b) KAG NRW i.V.m. § 44 Abs. 1 AO
gestützten Haftungsbescheides. Nach diesen Vorschriften kann durch schriftlichen
Haftungsbescheid in Anspruch genommen werden, wer kraft Gesetzes für eine Abgabe
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haftet (Haftungsschuldner), wobei Personen, die nebeneinander für dieselbe Leistung
haften, Gesamtschuldner sind und, soweit nichts anderes bestimmt ist, jeder
Gesamtschuldner die gesamte Leistung schuldet. Darüber hinaus ergibt sich aus § 12
Abs. 1 Nr. 4 lit. b) KAG NRW i.V.m. § 191 Abs. 3 Satz 4 u. Abs. 5 AO, dass ein
Haftungsbescheid erlassen werden kann, sobald die primäre Abgabenschuld des
anderen Rechtssubjekts entstanden ist, auch wenn diese Schuld gegenüber dem
Erstschuldner noch nicht festgesetzt worden ist (vgl. hierzu: Tipke / Kruse, Kommentar
zur AO und FGO, Loseblatt, Stand: April 2000, § 191 AO, Rdnr. 15ff. m.w.N.;
Hübschmann / Hepp / Spitaler, Kommentar zur AO und FGO, Loseblatt, Stand: Juni
1999, § 191 AO, Rdnr. 19f. m.w.N.).
Vorliegend besteht keine (primäre) Abgabenschuld eines anderen Rechtssubjekts, für
welche die Antragsteller kraft Gesetzes haften müssen.
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Die in dem Haftungsbescheid vom 10. August 2001 und in dem Widerspruchsbescheid
vom 25. Januar 2002 zunächst als Erstschuldnerin in Bezug genommene "C. -Woh-
nungseigentümergemeinschaft Wohnpark P. -I. -Str. 1- 30, 00000 C1. " kommt als
(primäre) Abgabenschuldnerin nicht in Betracht, da sie lediglich eine Gemeinschaft
i.S.d. §§ 741ff. BGB ist. Dies ergibt sich bereits aus der Grunddienstbarkeitserklärung
UR-Nr. 0000/00 des Notars Dr. D. vom 4. Mai 1972, in der die Rechtsverhältnisse an
den Gemeinschaftanlagen des Wohnparks P. -I. -Str. 1-30 in C1. geregelt werden und
hinsichtlich des Benutzungsrechts, der Kosten- und Lastentragung sowie der
Verwaltung durch die Gemeinschaft der Eigentümer der zum Wohnpark gehörenden
Grundstücke einzelne Vorschriften des WEG entsprechend bzw. subsidiär für
anwendbar erklärt werden. Eine Gemeinschaft i.S.d. §§ 741ff. BGB ist nämlich - ebenso
wie die Wohnungseigentümergemeinschaft i.S.d. §§ 10ff. WEG als Sonderform der
BGB- Gemeinschaft - nicht rechtsfähig, kann also nicht Trägerin von Rechten und (Ab-
gaben-) Pflichten sein (vgl. hierzu: Palandt-Sprau, Kommentar zum BGB, 61. Aufla- ge,
2002, § 741 BGB, Rdnr. 2 u. 8 m.w.N.). Außerdem ist der in dem Haf- tungsbescheid
vom 10. August 2001 und in dem Widerspruchsbescheid vom 25. Januar 2002 weiterhin
in Bezug genommene Grundbesitzabgabenbescheid des Antragsgegners vom 3.
Februar 1998 formal nicht an die "Wohnungseigentümergemeinschaft Wohnpark P. -I. -
Str. 1-30", sondern an die "Wohnungseigentümergemeinschaft Wohnpark P. -I. -Str. 1-14
und 25-30" gerichtet, wobei nach der in dem Abgabenbescheid angegebenen
Lagebezeichnung nur die auf die Grundstücke P. -I. -Str. 1-14 entfallenden Gebühren
festgesetzt werden sollen.
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Die "Wohnungseigentümergemeinschaft Wohnpark P. -I. -Str. 1-14 und 25- 30" kommt
allerdings ihrerseits - selbst bei unterstellter Existenz - ebenfalls nicht als (primäre)
Abgabenschuldnerin in Betracht, weil auch sie als Gemeinschaft i.S.d. §§ 741ff. BGB
nicht rechtsfähig ist. Die formale Adressierung des Grundbesitzabgabenbescheides vom
3. Februar 1998 an die "Wohnungseigentümergemeinschaft Wohnpark P. -I. -Str. 1-14
und 25-30" kann daher unter Einbeziehung des auf der Rückseite dieses Bescheides
befindlichen Hinweises, dass, wenn eine Personenmehrheit zur Zahlung der Abgabe
verpflichtet wird, die Heranziehung gesamtschuldnerisch nach § 44 AO erfolgt, nur
dahingehend ausgelegt werden, dass Inhaltsadressaten des Bescheides die jeweiligen
Wohnungs- bzw. Einzeleigentümer auf den Grundstücken P. -I. -Str. 1-14 und 25-30 als
Gesamtschuldner sein sollen, wobei jeder den Abgabenbetrag für die Grundstücke P. -I.
-Str. 1-14 in voller Höhe schuldet, er jedoch insgesamt nur einmal zu erbringen ist. Eine
derartige Auslegung entspricht auch § 12 Abs. 1 Nr. 4 lit. b) KAG NRW i.V.m. § 155 Abs.
3 Satz 1 AO, wonach gegen mehrere Abgabenpflichtige, die eine Abgabe als
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Gesamtschuldner schulden, ein zusammengefasster Abgabenbe- scheid ergehen kann.
Dieser vorliegend allein möglichen und sinnvollen Interpretation zufolge zählen die
Antragsteller als Wohnungseigentümer auf dem Grundstück P. -I. -Str. 14 aber bereits zu
denjenigen Personen, die der Antrags- gegner mit seinem
Grundbesitzabgabenbescheid vom 3. Februar 1998 als (primäre) Abgabenschuldner in
voller Höhe des Abgabenbetrages in Anspruch nehmen wollte. Eine "Abgabenschuld
eines anderen Rechtssubjekts" i.S.d. § 12 Abs. 1 Nr. 4 lit. b) KAG NRW i.V.m. § 191
Abs. 1 Satz 1 AO besteht daher - selbst bei unterstellter Wirksamkeit des Bescheides -
nicht; denn andernfalls würden die Antragsteller für ihre eigene (primäre)
Abgabenschuld (sekundär) in Haftung genommen.
Aufgrund der vorstehenden Erwägungen kann die schwierige Rechtsfrage, ob der
Grundbesitzabgabenbescheid des Antragsgegners vom 3. Februar 1998 als
bestandskräftiger Gebührenbescheid Vollstreckungsgrundlage sein kann oder
möglicherweise sogar gemäß § 12 Abs. 1 Nr. 3 lit. b) KAG NRW i.V.m. § 125 Abs. 1 AO
nichtig ist, weil eine Gemeinschaft der gesamtschuldnerisch verpflichteten Wohnungs-
bzw. Einzeleigentümer auf den Grundstücken P. -I. -Str. 1-14 und 25- 30 in Bezug auf
die festgesetzten Schmutzwasser-, Niederschlagswasser-, Straßenreinigungs- und
Winterwartungsgebühren in Höhe von insgesamt 255.849,05 DM im Veranlagungsjahr
1998 wohl nicht existierte, im vorliegenden Eilverfahren offen bleiben. Dabei ist zu
bedenken, dass die Wohnungs- bzw. Einzeleigentümer auf den Grundstücken P. -I. -Str.
1-14 und 25-30 nach den bisherigen Erkenntnissen die in der
Abwassergebührensatzung vom 22. Dezember 1992 in der Fassung der 3.
Änderungssatzung vom 16. Dezember 1997 sowie in der
Straßenreinigungsgebührensatzung vom 11. November 1986 in der Fassung der 6.
Änderungssatzung vom 2. Dezember 1996 festgelegten Gebührentatbestände im Jahr
1998 nicht gemeinsam verwirklichten, da in diesem Zeitraum weder das Schmutz- noch
das Niederschlagswasser der Grundstücke P. -I. -Str. 1-14 und 25-30 (ausschließlich)
über eine einheitliche Anschlussleitung in die öffentliche Kanalisation abgeleitet wurde
und die Grundstücke P. -I. -Str. 1-14 und 25-30 keine gemeinsame Straßenfront zur I1. -
I2. -Straße besaßen. Zudem kann die weitere schwierige Rechtsfrage, ob der
Grundbesitzabgabenbescheid des Antragsgegners vom 3. Februar 1998 seinen
einzelnen - durch die oben vorgenommene Auslegung ermittelten - Inhaltsadressaten
nach § 12 Abs. 1 Nr. 3 lit. b) KAG NRW i.V.m. § 122 Abs. 1 Satz 1 u. 3 AO
ordnungsgemäß bekanntgegeben worden ist, wegen der zuvor gemachten
Ausführungen ebenfalls offen bleiben. Dabei ist einerseits zu bedenken, dass die X.
Haus- und Grundstücksverwaltung GmbH in L. (X. ), die den Bescheid in Empfang
genommen hat, nach den bisherigen Erkenntnissen allenfalls erst am 18. Februar 1997
und wohl auch nur für die - hinsichtlich der Verwaltung der Gemeinschaftsanlagen des
Wohnparks P. -I. -Str. 1-30 bestehende - Gemeinschaft der Wohnungs- bzw.
Einzeleigentümer auf den Grundstücken P. -I. -Str. 1-30 zum Verwalter bestellt worden
ist. Andererseits können hinsichtlich der Empfangsvertretung der Wohnungs- bzw.
Einzeleigentümer auf den Grundstücken P. -I. -Str. 1-14 und 25-30 durch die X.
möglicherweise die Grundsätze der Anscheins- oder Duldungsvollmacht zur
Anwendung gelangen (vgl. hierzu: BVerwG, Urteil vom 25. Februar 1994 - 8 C 2.92 -,
DVBl. 1994, S. 810 (811f.)). In diesem Zusammenhang ist insbesondere zu
berücksichtigen, dass die X. in ihrem Schreiben vom 26. Februar 1997 an den
Antragsgegner mitgeteilt hat, sie sei ab dem 18. Februar 1997 zum neuen Verwalter der
Wohnungseigen- tümergemeinschaft Wohnpark A. , P. -I. -Straße, 00000 C1. bestellt
worden, und zugleich gebeten hat, in Zukunft sämtlichen Schriftverkehr sowie
Rechnungen, den Wohnpark A. betreffend, an ihre Anschrift zu richten, was dann auch
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geschah.
Schließlich scheidet eine Umdeutung des Haftungsbescheides des Antragsgegners
vom 10. August 2001 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Januar 2002
in einen Gebührenbescheid gemäß § 12 Abs. 1 Nr. 3 lit. b) KAG NRW i.V.m. § 128 Abs.
1 AO aus, weil (primärer) Gebührenbescheid und (sekundärer) Haftungsbescheid
wesensverschieden und daher auf unterschiedliche Ziele gerichtet sind (vgl. hierzu:
Tipke / Kruse, Kommentar zur AO und FGO, Loseblatt, Stand: Oktober 1999, § 191 AO,
Rdnr. 110 m.w.N.; Hübschmann / Hepp / Spitaler, Kommentar zur AO und FGO,
Loseblatt, Stand: Juni 1999, § 191 AO, Rdnr. 95 m.w.N.). Darüber hinaus würde eine
Umdeutung in einen Gebührenbescheid auch der in dem Haftungsbescheid und dem
Widerspruchsbescheid erkennbaren Absicht des Antragsgegners widersprechen, die
Antragsteller als Haftungsgesamtschuldner für Abgabenschulden eines (vermeint-
lichen) anderen Rechtssubjekts und nicht als originäre Gebührengesamtschuldner in
Anspruch nehmen zu wollen (§ 12 Abs. 1 Nr. 3 lit. b) KAG NRW i.V.m. § 128 Abs. 2 Satz
1 AO). So wird sowohl in dem Haftungsbescheid auf Seite 2 oben als auch in dem
Widerspruchsbescheid auf Seite 8 unten weitestgehend übereinstimmend ausgeführt,
dass auf den bestandskräftigen Grundbesitzabgabenbescheid vom 3. Februar 1998
Zahlungen durch die C. -Wohnungseigentümergemeinschaft nicht in ausreichender
Höhe geleistet worden seien und auch Vollstreckungsmaßnahmen des Antragsgegners
in das bewegliche Vermögen des Abgabenschuldners fruchtlos verlaufen seien, so dass
die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme von Haftungsschuldnern auf Zahlung
nach § 219 Satz 1 AO vorlägen und deshalb einzelne Mitglieder der C. -Woh-
nungseigentümergemeinschaft als Gesamtschuldner (§§ 44, 191 Abs. 1 AO) zur Tilgung
der Abgabenrückstände mittels Haftungsbescheid und Leistungsgebot heranzuziehen
seien.
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Aus den demnach bestehenden ernstlichen Zweifeln an der Rechtmäßigkeit des
Haftungsbescheides ergeben sich auch ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des
auf der Grundlage von § 12 Abs. 1 Nr. 5 lit. a) KAG NRW i.V.m. § 219 Satz 1 AO
erlassenen Leistungsgebotes.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
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Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 20 Abs. 3, 13 Abs. 1 Satz 1 GKG. Dabei hat das
Gericht wegen der Vorläufigkeit des vorliegenden Verfahrens ein Viertel der streitigen
Geldleistung zugrunde gelegt.
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