Urteil des VG Köln vom 29.08.2003
VG Köln: fraktion, ausschuss, abberufung, öffentliche bekanntmachung, gesundheit, landrat, stimme, einstimmigkeit, anhörung, vorschlag
Verwaltungsgericht Köln, 4 K 1309/03
Datum:
29.08.2003
Gericht:
Verwaltungsgericht Köln
Spruchkörper:
4. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
4 K 1309/03
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.
T a t b e s t a n d
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Der Kläger wendet sich gegen seine Abberufung als beratendes Mitglied aus dem
Ausschuss für Gesundheit, Feuerschutz und Rettungswesen des Beklag- ten.
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Der Kläger wurde durch Beschluss des Kreistages des oberbergischen Kreises vom
11.11.1999 auf Vorschlag der UWG-Fraktion im Kreistag, die selbst keinen Sitz in dem
genannten Ausschuss innehat, zum sachkundigen Bürger mit beratender Funktion
berufen (§ 41 Abs. 3 Satz 7 KrO NRW). Diese Berufung erfolgte zusammen mit der
Beschlussfassung über die Besetzung aller Kreistagsausschüsse, die auf der
Grundlage eines einheitlichen Wahlvorschlages einstimmig beschlossen wurde.
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Im November 2002 schied eines der beiden Ratsmitglieder der UWG-Fraktion, Herr S. ,
aus dem Kreistag aus. Sein Nachfolger, Herr T. , wurde zu Be- ginn der Sitzung des
Kreistages vom 12.12.2002 förmlich verpflichtet und anschlie- ßend für das
ausgeschiedene Kreistagsmitglied in all die Ausschüsse berufen, in de- nen Herr S.
Mitglied gewesen war.
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Mit Schreiben an den Beklagten vom 05.12.2002 bat die "Fraktion der UWG" um den
Austausch verschiedener sachkundiger Bürger in den Ausschüssen des Beklag- ten,
darunter den Austausch des Klägers gegen Herrn T. . Unterzeichnet wurde das
Schreiben von dem Fraktionsmitglied der UWG W. .
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In der Sitzung des Kreistages vom 12.12.2002 wurde der Kläger daraufhin durch
einstimmigen Beschluss aus dem genannten Ausschuss abberufen. Eine Anhörung des
Klägers hatte nicht stattgefunden. Mit Schreiben vom 13.12.2002 informierte der Landrat
den Kläger über die erfolgte Abberufung. Hiergegen legte der Kläger mit Schreiben vom
14.12.2002 zunächst eine "Beschwerde" bei der Bezirksregierung Köln als
Kommunalaufsichtbehörde ein. Mit Schreiben vom 27.12.2002 teilte diese dem Kläger
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mit, dass für ein Einschreiten der Kommunalaufsicht kein Anlass gese- hen werde.
Am 19.12.2002 hat der Kläger um die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes
nachgesucht. Die Kammer hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung mit
Beschluss vom 05.02.2003 - 4 L 3103/02 - abgelehnt. Die hiergegen zum OVG NRW
eingelegte Beschwerde des Klägers ist vom OVG NRW mit Beschluss vom 17.03.2003 -
15 B 402/03 - verworfen worden.
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Am 01.03.2003 hat der Kläger Klage erhoben.
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Zur Begründung macht er geltend, seine Abberufung aus dem genannten Aus- schuss
sei schon deshalb formell rechtswidrig, weil eine Anhörung nicht stattgefun- den habe.
Die Abberufung könne auch deshalb keinen Bestand haben, weil es kei- nerlei
Begründung für seine Abberufung gegeben habe. Es liege zudem kein Fall des § 41
Abs. 3 Satz 7 KrO NRW vor, da er als sachkundiger Bürger auf der Grundlage eines
einheitlichen Wahlvorschlages in den betreffenden Ausschuss gewählt worden sei. Er
sei als sachkundiger Bürger im Sinne des § 41 Abs. 6 KrO NRW anzusehen, so dass
ein Austausch nur im Wege der Nachwahl nach § 35 Abs. 3 KrO NRW in Betracht
komme, wenn ein sachkundiger Bürger vorzeitig ausscheide, was vorlie- gend nicht der
Fall gewesen sei. Im Übrigen sei der Antrag auf Abberufung nicht von der UWG-Fraktion
gestellt worden, da es zum Zeitpunkt des Antrages, am 05.12.2002, nach dem
Ausscheiden des Herrn S. , eine Fraktion der UWG nicht mehr gegeben habe. Die
Berufung des Herrn T. zum Nachfolger des Kreis- tagsmitgliedes S. sei zudem
rechtswidrig gewesen, da Herr T. nicht der nach § 45 KommunalwahlG NRW
nachrückende nächste Kandidat auf der Reserve- liste der UWG gewesen sei. Dies sei
ein Herr T. gewesen. Im Übrigen sei auch die Reserveliste in dieser Form an sich
unzuläs- sig. Schließlich sei die Abstimmung des Kreistages nicht rechtmäßig gewesen,
da der Beschluss nicht wie angegeben einstimmig gefasst worden sei; der Landrat sel-
ber sowie ein weiteres Kreistagsmitglied hätten sich der Stimmabgabe enthalten.
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Der Kläger beantragt,
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festzustellen, dass der Beschluss des Beklagten vom 12.12.2002, mit dem er aus dem
Ausschuss für Gesundheit, Feuerschutz und Rettungswesen ab- berufen wurde,
unwirksam ist.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Er macht geltend, der Kläger sei als sachkundiger Bürger im Sinne des § 41 Abs. 3 Satz
7 KrO NRW mit beratender Stimme für eine Fraktion, die ansonsten nicht in dem
betreffenden Ausschuss vertreten sei, auf Vorschlag der Fraktion in diesen Ausschuss
bestellt worden. Seine Abberufung müsse als actus contrarius auf demselben Wege
möglich sein. Dies ergebe sich aus Sinn und Zweck der Vorschrift des § 41 Abs. 3 Satz
7 KrO NRW. Er trägt weiter vor, dass Herr T. zu Recht als Nachfolger des
Kreistagsmitgliedes S. berufen worden sei, da er für diesen auf der Reserveliste der
UWG aufgeführt gewesen sei. Im Hinblick auf das Bestehen einer UWG-Fraktion führt er
aus, dass der Wille zur Bildung einer Fraktion des neuen Kreistagsmitgliedes jedenfalls
konkludent durch die Kandidatur für die UWG bei der Kreistagswahl und die beim
Nachrücken in den Kreistag fortbestehende Parteizugehörigkeit des Herrn T. erklärt
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worden sei.
In der mündlichen Verhandlung hat der Beklagte Nachweise über die öffentliche
Bekanntmachung der Tagesordnung für die Sitzung des Kreistages am 12.12.2002 und
die Anwesenheitsliste dieser Sitzung vorgelegt.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
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Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
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Der Kläger hat keinen Anspruch auf die begehrte Feststellung. Denn der von ihm
angegriffene Beschluss des Kreistages vom 12.12.2002, durch den der Kläger aus dem
Ausschuss für Gesundheit, Feuerschutz und Rettungswesen abberufen wurde, ist
rechtlich nicht zu beanstanden und somit wirksam.
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Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt die Kammer insoweit Bezug auf ihre
rechtlichen Ausführungen in dem Beschluss vom 05.02.2003 im Verfahren 4 L 3103/02.
Die Kammer hält an ihrer dort vertretenen Position auch unter Berücksichtigung der vom
Kläger im Hauptsacheverfahren vorgetragenen Aspekte fest.
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Lediglich ergänzend weist das Gericht auf Folgendes hin:
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Dass der Kläger - bis zu seiner Abberufung aus dem betroffenen Kreistagsausschuss -
ein sachkundiger Bürger mit beratender Stimme im Sinne des § 41 Abs. 3 Satz 7 KrO
NRW und nicht, wie er meint, beratendes Ausschussmitglied im Sinne des § 41 Abs. 6
KrO NRW war, steht für das Gericht außer Zweifel. Dies ergibt sich bereits aus dem
Protokoll über die Berufung des Klägers in den Ausschuss. Danach ist der Kläger auf
Antrag einer Fraktion, die selbst nicht in dem Ausschuss vertreten ist, als sachkundiger
Bürger in diesen berufen worden. Damit sind die tatbestandlichen Voraussetzungen des
§ 41 Abs. 3 Satz 7 KrO NRW erfüllt. Die Vorschrift des § 41 Abs. 3 Satz 7 KrO NRW ist
in der Anlage zu dem Protokoll im Zusammenhang mit der Nennung des Klägers als
sachkundigem Bürger im Übrigen ausdrücklich genannt. § 41 Abs. 6 KrO NRW ist
vorliegend im Übrigen schon deshalb nicht einschlägig, weil er sich auf die Berufung
sachkundiger Einwohner beschränkt, die - anders als der Kläger - mangels Wählbarkeit
nicht zu sachkundigen Bürgern bestellt werden können.
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vgl. Held/Becker/Decker/Kirchhof/Krämer/Wansleben, Kommunalverfassungsrecht
Nordrhein-Westfalen, Stand: Mai 2002, § 41 KrO, Ziff. 9.; Rehn/Cronauge,
Gemeindeordnung für das Land Nordrhein-Westfalen, Stand: Januar 2002, § 58 Ziff.IV.
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Auch der Einwand des Klägers, zum Zeitpunkt des Antrages der UWG-Fraktion vom
05.12.2002 und zum Zeitpunkt der Abstimmung über seine Abberufung aus dem
genannten Ausschuss habe es gar keine Fraktion der UWG gegeben, vermag an der
rechtlichen Einschätzung des angegriffenen Kreistagsbeschlusses, die in dem Eilbe-
schluss dargelegt worden ist, nichts zu ändern. Denn wie die Kammer bereits dort
dargestellt hat, ist beim Ausscheiden des Kreistagsmitgliedes S. nach § 45 Abs. 1 Satz
3 KommunalWahlG der für diesen in der Reserveliste der UWG bezeichnete
Ersatzbewerber T. in den Kreistag nachgerückt. Die Verpflichtung des
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Kreistagsmitgliedes T. zu Beginn der Sitzung vom 12.12.2002 hatte insoweit keine
konstitutive Bedeutung.
Das somit automatisch in den Kreistag nachgerückte Mitglied T. bildete auch spätestens
zum maßgeblichen Zeitpunkt der Abstimmung über den den Kläger betreffenden
Abberufungsantrag zusammen mit dem Kreistagsmitglied W. eine Fraktion. Die
Gründung einer Fraktion basiert auf dem Willen der die Fraktion bildenden Mitglieder, §
40 Abs. 1 Satz 1 KrO NRW. Entsprechendes gilt auch für den Beitritt zu oder die
Fortsetzung einer bestehenden Fraktionsgemeinschaft. Ein entsprechender Wille ist
regelmäßig zu unterstellen, wenn - wie hier - ein Mitglied einer Partei, dass für diese
Partei kandidiert hat und ihr nach wie vor angehört, aus der Reserveliste nachrückt.
Vorliegend sind auch keine Umstände erkennbar, wonach es nicht dem Willen des
Herrn T. entsprochen haben sollte, die Fraktionsgemeinschaft mit dem anderen UWG-
Kreistagsmitglied aufzunehmen bzw. fortzusetzen. Im Gegenteil: Ausweislich des
Protokolls der Kreistagssitzung vom 12. 12. 2002 ist das Kreistagsmitglied T. nach
seiner förmlichen Verpflichtung durch den Landrat als Nachfolger des ausgeschiedenen
Fraktionsmitgliedes der UWG- Fraktion S. in alle Ausschüsse gewählt worden, deren
Mitglied Herr S. zuvor gewesen war. Dabei wurde das neue Kreistagsmitglied durch den
Klammerzusatz "UWG" ganz selbstverständlich der UWG-Fraktion zugerechnet. Hätte
Herr T. nicht dieser Fraktion angehören wollen, hätte nichts näher gelegen, als dieses
deutlich zu machen, was er indes nicht getan hat. Er hat vielmehr den Antrag vom 5. 12.
2002 bei der Abstimmung im Kreistag mitgetragen und muss auch - wie sich aus dem
Abstimmungsergebnis ergibt - für diesen gestimmt haben.
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Soweit der Kläger gegen die Nachbesetzung des Kreistages mit dem Kreistagsmitglied
T. einwendet, die Reserveliste der UWG sei unwirksam gewesen, da sie eine Mischform
zwischen der Benennung der Reservekandidaten in Reihenfolge und - außerhalb der
Reihenfolge - der Benennung bestimmter Ersatzbewerber für auf der Liste genannte
Bewerber darstelle, geht auch dieser Einwand fehl. Die Reserveliste entspricht den
Anforderungen des § 16 Abs. 2 KommunalwahlG, der eine solche "Mischform"
ausdrücklich zulässt.
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Schließlich ist auch der Vortrag des Klägers betreffend die Einstimmigkeit der
Abstimmung des Kreistages vom 12.12.2002 nicht geeignet, die Rechtmäßigkeit der
Abberufungsentscheidung in Frage zu stellen. Denn zum einen ist nach den
Ausführungen der Kammer die Einstimmigkeit keine Voraussetzung für die
Rechtmäßigkeit eines entsprechenden Kreistagsbeschlusses. Zum anderen ist die
Entscheidung über die Abberufung des Klägers unbeschadet etwaiger Enthaltungen,
die gemäß § 35 Abs. 5 KrO NRW nicht bei der Berechnung der Mehrheit mitzählen,
tatsächlich einstimmig, da ohne Gegenstimmen, gefallen.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
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