Urteil des VG Köln vom 11.05.2009

VG Köln: wohnsitz im ausland, fahrlehrer, berufliche tätigkeit, mündliche prüfung, qualifikation, anerkennung, fahrunterricht, berechtigung, fahrschule, mitgliedstaat

Verwaltungsgericht Köln, 11 K 7981/08
Datum:
11.05.2009
Gericht:
Verwaltungsgericht Köln
Spruchkörper:
11. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
11 K 7981/08
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des
Verfahrens.
T a t b e s t a n d :
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Die 1970 geborene Klägerin ist seit 1990 Inhaberin der Fahrerlaubnis der Klasse drei,
und seit 2006/2007 der Klassen A, C und CE. Der Ehemann der Klägerin führt in Köln
eine Fahrschule, bei der die Klägerin bis 2005 mitgearbeitet hatte. Die Klägerin hat drei
Kinder, die 1997, 1999 und 2002 geboren sind, wohnt in einem Eigenheim in Köln und
war seit 1995 durchgängig in Köln gemeldet.
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Am 6. April 2005 beantragte die Klägerin bei dem Beklagten die Erteilung einer
Fahrlehrer-Erlaubnis. Sie besuchte fünf Monate die Fahrlehrerfachschule in Köln,
bestand aber im Jahr 2007 die schriftliche und die mündliche Prüfung auch nach
Wiederholung nicht.
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Von April bis Juni 2008 absolvierte die Klägerin in Wels/Österreich eine
Fahrlehrerausbildung und erwarb am 24. Juli 2008 dort die Fahrlehrer-Berechtigung.
Aus der Bescheinigung der Bezirkshauptmannschaft Grieskirchen ergibt sich, dass die
Klägerin damit die Berechtigung erhält, an einer Fahrschule praktischen Fahrunterricht
zu erteilen.
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Am 7. August 2008 beantragte die Klägerin die Umschreibung der österreichischen
Fahrlehrerberechtigung bzw. die Erteilung einer deutschen Fahrlehrer-Erlaubnis für die
Klasse BE. Der Beklagte forderte dazu verschiedene Unterlagen an, u. A. den Nachweis
dafür, dass die Klägerin auch zur Erteilung von theoretischem Unterricht berechtigt sei.
Da die Klägerin diesen Nachweis nicht erbrachte, lehnte der Beklagte den Antrag mit
Verfügung vom 5. November 2008 ab. Er begründete seinen Bescheid damit, dass die
vorgelegten Unterlagen nicht ausreichend seien; aus ihnen ergebe sich nicht, dass die
Klägerin zur Erteilung von theoretischem Fahrunterricht berechtigt sei. Außerdem habe
die Klägerin in Österreich keinen Wohnsitz gehabt, so dass sie sich missbräuchlich auf
die EU- Richtlinie berufe. Der Bescheid wurde am 11. November 2008 zugestellt.
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Dagegen hat die Klägerin am 11. Dezember 2008 Klage erhoben. Sie weist darauf hin,
dass sie die Ausbildung in Österreich gemacht habe, weil sie in Köln durch ihre drei
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Kinder beim Lernen gestört worden sei. Die dortige Ausbildung sei gleichwertig und
nach EU-Recht anzuerkennen, so dass auch kein Anpassungslehrgang verlangt
werden dürfe.
Die Klägerin beantragt,
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den Beklagten unter Aufhebung seiner Verfügung vom 5. November 2008 zu
verpflichten, ihre österreichische Fahrlehrererlaubnis in eine deutsche
Fahrlehrererlaubnis umzuschreiben.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Er wiederholt und vertieft seine Ausführungen aus dem Verwaltungsverfahren.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der
Gerichtsakten und der Verwaltungsakten verwiesen.
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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
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Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf
Erteilung einer deutschen Fahrlehrererlaubnis; der ablehnenden Bescheid des
Beklagten ist insoweit rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten(§ 113
Abs. 5 VwGO).
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Das Begehren der Klägerin beurteilt sich nach § 2 a des Fahrlehrergesetzes in der
Fassung vom 9.03.2008 , BGBl I 2008, 418, - FahrlG -. Diese Vorschrift beruht auf der
Richtlinie 2005/36/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. September
2005 über die Anerkennung von Berufsqualifikationen, ABl. EU Nr. L 255, 22, - RL
2006/36 -. Dadurch soll Personen, die ihre Berufsqualifikationen in einem anderen EU-
Mitgliedstaat erworben haben, die Möglichkeit gegeben werden, auch in Deutschland zu
diesem Beruf zugelassen zu werden. Denn nach Art. 3 Abs. 1 Buchst. c des EG-
Vertrages ist die Beseitigung der Hindernisse für den freien Personen- und
Dienstleistungsverkehr zwischen den Mitgliedstaaten eines der Ziele der Gemeinschaft.
Nach der Begriffsbestimmungen in Art. 3 Abs. 1 Buchst. a RL 2005/36 ist der Fahrlehrer
ein „reglementierter Beruf", d. h. eine berufliche Tätigkeit, deren Aufnahme oder
Ausübung durch Rechts- und Verwaltungsvorschriften an den Besitz bestimmter
Berufsqualifikationen gebunden ist.
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Inhaber einer in einem anderen EU-Mitgliedsstaat erworbenen Fahrlehrererlaubnis
haben gemäß § 2a Abs. 2 FahrlG und § 1 Abs. 2 der Durchführungsverordnung zum
Fahrlehrergesetz - DV-FahrlG - deshalb einen Rechtsanspruch auf Erteilung einer
Fahrlehrererlaubnis, wenn die in einem anderen Vertragsstaat erteilte
Fahrlehrererlaubnis eine Ausbildung und Prüfung nach einem dem Fahrlehrgesetz
vergleichbaren Standard voraussetzt.
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Vgl. Bouska/Weibrecht, Fahrlehrer Recht, 2005, S. 271.
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Unterscheidet sich die in einem anderen Mitgliedsstaat erworbene Qualifikation
allerdings wesentlich von der im Inland erworbenen Qualifikation, kann die Erteilung der
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Fahrlehrererlaubnis gemäß § 2a Abs. 2 FahrlG von der Teilnahme an einem
Anpassungslehrgang oder einer Eignungsprüfung abhängig gemacht werden. Denn die
Richtlinie und das Umsetzungsgesetz zielen nicht auf eine Absenkung des
Qualitätsstandards.
Vgl. Bundestagsdrucksache 16/7819, S. 4.
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Es ist vielmehr zu gewährleisten, dass Personen, die den Beruf des Fahrlehrers im
Inland ausüben, zu einer ordnungsgemäßen Vorbereitung der angehenden
Fahrzeugführer fähig sind.
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Vgl. Bundestagsdrucksache 16/7080, S. 16f..
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Das widerspricht nicht den Vorgaben der RL 2005/36. Denn nach deren
Erwägungsgrund 11 sollten die Mitgliedstaaten die Möglichkeit behalten, das
Mindestniveau der notwendigen Qualifikation festzulegen, um die Qualität der in ihrem
Hoheitsgebiet erbrachten Leistungen zu sichern. Trotz des allgemeinen Systems
gegenseitiger Anerkennung kann ein Mitgliedstaat jeder Person, die einen Beruf in
diesem Mitgliedstaat ausübt, spezifische Erfordernisse vorschreiben, die durch die
Anwendung der im allgemeinen Interesse gerechtfertigten Berufsregeln begründet sind.
Das entspricht auch den deutschen verfassungsrechtlichen Vorgaben aus Art. 12 Abs. 1
Satz 2 des Grundgesetzes, wonach die Berufsausübung durch Gesetze geregelt - und
damit auch im Interesse der Allgemeinheit durch subjektive Anforderungen
eingeschränkt - werden kann. Unterschiedliche Berufsqualifikationen rechtfertigen auch
eine unterschiedliche Aner- kennungspraxis.
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Vgl. OVG NRW, Beschluss vom 26.06.2008 - 13 A 2132/03 -, PflR 2008, 452.
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Die von der Klägerin in Österreich erworbene „Fahrlehrerberechtigung" entspricht von
ihrer Qualifikation her nicht der deutschen Fahrlehrererlaubnis. Es obliegt der Klägerin,
die Gleichwertigkeit der Ausbildung nachzuweisen.
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Vgl. Nds. OVG, Beschluss vom 30. 11. 2004 - 8 LA 123/04 -, juris,
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Für die Vergleichbarkeit kommt es nicht in erster Linie auf die Gleichartigkeit der
Ausbildung an, sondern nach Art. 4 Abs. 2 und Art. 11 Buchst. c ii RL 2005/36 vielmehr
darauf, dass die Tätigkeiten, die der Beruf umfasst, vergleichbar sind und dass die
Ausbildung auf „eine vergleichbare berufliche Funktion und Verantwortung" vorbereitet.
Das ist hier trotz der gleichlautenden Berufsbezeichnung „Fahrlehrer" nicht der Fall.
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Nach § 117 des österreichischen Kraftfahrgesetzes, BGBl.Nr. 267/1967, zuletzt geändert
durch BGBl. I Nr. 16/2009, - KFG - darf ein „Fahrlehrer" nur praktischen Fahrunterricht
erteilen. Nach achtjähriger Berufstätigkeit als Fahrlehrer kann er dann nach § 116 KFG
die Anerkennung als Fahr"schul"lehrer und damit die Berechtigung zur Erteilung von
theoretischem Fahrunterricht erwerben.
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Dagegen berechtigt die deutsche Fahrlehrererlaubnis nach § 1 Abs. 3 FahrlG von
Anfang an nicht nur zur Erteilung von praktischem, sondern auch von theoretischen
Unterricht. Ein nur auf die Erteilung von praktischem Unterricht beschränkter Beruf des
Fahrlehrers existiert in Deutschland nicht. Vom Tätigkeitsumfang her vergleichbar und
nach § 2a FahrlG anzuerkennen ist in Deutschland deshalb nur die österreichische
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Fahr"schul"lehrer-Erlaubnis. Mit Rücksicht auf diesen unterschiedlichen
Tätigkeitsumfang sieht auch der Verfasser des von der Klägerin vorgelegten Schreibens
des österreichischen Bundesministeriums für Verkehr, Innovation und Technologie vom
15. Mai 2009 keine Vergleichbarkeit der Qualifikation.
Der eingeschränkte Tätigkeitsberechtigung des österreichischen Fahrlehrers entspricht
auch die kürzere Ausbildung. Der österreichische Fahrlehrer braucht nur an einem
sechs- bis achtwöchigen Lehrgang mit einer Abschlussprüfung teilnehmen, während der
deutsche Fahrlehrer fünf Monate an einer Fachschule und fünf Monate in einer
Fahrschule praktisch ausgebildet wird und dann erst die - auch auf die Erteilung von
theoretischem Unterricht bezogene - Prüfung ablegen kann.
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Die Klägerin hat bisher in Österreich nur die Berechtigung zur Erteilung von praktischem
Fahrunterricht erworben, wie sich aus dem Bescheid der Bezirkshauptmannschaft
Grieskirchen ergibt und wie sie auch selbst einräumt. Damit fehlt ihr die Berechtigung
zur Erteilung von theoretischem Unterricht, wie sie für die deutsche Fahrlehrer-Erlaubnis
vorausgesetzt wird. Mit Rücksicht auf den fehlenden Nachweis dieser Qualifikation und
mit Rücksicht darauf, dass die Klägerin selbst die Anerkennung ohne Teilnahme an
einem Anpassungslehrgang begehrte, bestand auch kein Anlass, darüber zu
entscheiden, ob die fehlende Qualifikation durch einen Anpassungslehrgangs gemäß §
2a Abs. 2 FahrlG und § 1 Abs. 3 DV-FahlG erworben werden kann. Die Rüge der
Klägerin, dass der Beklagte insoweit sein Ermessen nicht ausgeübt habe, geht insoweit
ins Leere.
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Angesichts der fehlenden Vergleichbarkeit der Berufsqualifikation kommt es nicht mehr
darauf an, ob sich die Klägerin hier missbräuchlich der Anwendung des nationalen
Rechts entzogen hat.
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Einer Anerkennung der Berufsqualifikation kann zwar ausgeschlossen sein, wenn der
Betroffene die nationalen Ausbildungsanforderungen missbräuchlich umgeht. Denn
nach ihrem Erwägungsgrund 11 erkennt die Richtlinie 2005/36 das berechtigte
Interesse der Mitgliedstaaten an, zu verhindern, dass einige ihrer Staatsangehörigen
sich in missbräuchlicher Weise der Anwendung des nationalen Rechts im Bereich der
Berufe entziehen.
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Ein Wohnsitz im Ausland zur Zeit der Ausbildung wird aber - anders als in der
Führerscheinrichtlinie 2006/126 EG - nach der RL 2005/36 und dem FahrlG nicht
ausdrücklich vorausgesetzt, obwohl die Richtlinie z. B. in Art. 4 RL 2005/36 vom
„Herkunftsland" und in Erwägungsgrund 3 und 15 von „Migrant" spricht und von ihrem
Inhalt her einen Wohnortwechsel voraussetzt. Möglicherweise wurde eine
Wohnsitzklausel verzichtet, weil eine Berufsausbildung in der Regel ohnehin länger
dauert und damit - anders als der Erwerb der Fahrerlaubnis - einen längeren Aufenthalt
im Ausbildungsland voraussetzt. Auch der unterschiedliche Ausbildungsaufwand allein
indiziert noch keinen Missbrauch, selbst wenn im Internet für die österreichische
Fahrlehrerausbildung mit den Worten „Voraussetzungen: Fast keine (zumindest im
Vergleich zum deutschen Fahrlehrerschein)" geworben wird.
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Vgl.www.scout-logic.de/home/23-main-news/13-eu-fahrlehrer-jetzt-in- oesterreich-
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Unseriöse Angebote, bei denen mit einer schnellen und kostengünstigen Ausbildung
gelockt wird, ohne deutlich auf den unterschiedlichen Tätigkeits- und
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Berechtigungsumfang von Fahrlehrern in Deutschland und Österreich hinzuweisen,
mögen die Klägerin zwar veranlasst haben, die an sich schon in Deutschland
durchgeführte Ausbildung noch einmal in Österreich zu durchlaufen und nur die dort
vorgesehene Prüfung abzulegen, statt die Eignungsprüfung in Deutschland zu
wiederholen. Die Wahl kostengünstiger Ausbildungsmöglichkeiten und scheinbar
leichterer Prüfungen muss aber nicht immer einen Missbrauch darstellen. Angesichts
des unterschiedlichen Berechtigungsumfanges der erworbenen Ausbildung und
Prüfung kommt es hier auf die Frage des Missbrauchs aber nicht entscheidend an.
Die Klage war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.
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