Urteil des VG Köln vom 08.08.2006

VG Köln: arzneimittel, bestandteil, firma, datum, deklaration, kopie, vitamin, inverkehrbringen, zusammensetzung, vollstreckung

Verwaltungsgericht Köln, 7 K 4275/04
Datum:
08.08.2006
Gericht:
Verwaltungsgericht Köln
Spruchkörper:
7. Kammer
Entscheidungsart:
Urteil
Aktenzeichen:
7 K 4275/04
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin
darf die Vollstreckung durch die Beklagte durch Sicherheitsleistung in
Höhe des Vollstre- ckungsbetrages abwenden, wenn nicht die Beklagte
zuvor Sicherheit in dieser Höhe leistet.
Tatbestand: Die Beteiligten streiten um die Nachzulassung des klägerischen
Arzneimittels F. N.
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Am 28. Juni 1978 zeigte die Rechtsvorgängerin der Klägerin, die Fa. E. GmbH, das
seinerzeit als F. bezeichnete Arzneimittel gemäß Art. 3 § 7 Abs. 2 Satz 1 des Gesetzes
zur Neuordnung des Arzneimittelrechts (AMNG) beim Bundesgesundheitsamt (BGA) an.
Als Anwendungsgebiete wurden angegeben: „Verbesserung der Abwehrkräfte bei
grippalen Infekten". Als wirksame Bestandteile nach Art und Menge wurden angegeben:
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„Propolis, 100 mg, Sonnenhut-Extrakt, 25 mg, Vitamin C, 75 mg"
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Eine weitere Anzeige gemäß Art. 3 § 7 Abs. 2 Satz 1 AMNG ist in Kopie in den
Verwaltungsvorgängen der Beklagten vorhanden (Blatt 36 f.). Das Deckblatt ent- spricht
weitgehend demjenigen der Anzeige aus dem Jahr 1978. Das Blatt trägt fol- gende
Ergänzung: Einen Eingangsstempel, welcher als Datum den 3. März eines nicht näher
lesbaren Jahres ausweist sowie den handschriftlichen Zusatz „S. 2 er- gänzt!". Das
weitere Blatt entspricht den kopiertechnisch verkleinerten Seiten 2 und 3 des zur
Anzeige 1978 verwendeten Formulars, wobei andere Angaben dort enthalten sind.
Angegeben werden als Anwendungsgebiete: „Zur Stärkung der Abwehrkräfte gegen
den grippalen Infekt, bei Erkältung und Schnupfen". Als wirksame Bestandtei- le nach
Art und Menge werden angegeben:
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„Propolis 100 mg Extr. Echinacea angust. 25 mg sicc 6,5 : 1 (Sonnenhutextrakt)
Hagebuttenextrakt, ange- reichert auf Vitamin C 75 mg Extr. Cynosbati aquos sicc 1,7%
Vit C (Hagebuttenextrakt) 50 mg Ascorbinsäure (Vit. C) 75 mg"
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Am 2. Januar 1990 stellte die Rechtsvorgängerin der Klägerin den Antrag auf
Verlängerung der Zulassung nach Art. 3 § 7 AMNG. Als arzneilich wirksame
Bestandteile des Arzneimittels wurden angegeben:
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„Propolispulver 100,00 mg Extr. Echinaceae angust. sicc. 6,5:1 (Sonnenhutextrakt) 5%
Echinacoside 25,00 mg Extr. Cynosbat aquos. sicc. 1,7 % 50,00 mg Ascorbinsäure
(Hagebuttenextrakt) 50,00 mg Ascorbinsäure 75,00 mg"
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Am 28. Oktober 1993 stellte die Rechtsvorgängerin der Klägerin den sog. Langantrag. In
ihm waren als arzneilich wirksame Bestandteile angegeben:
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„Propolispulver 100,00 mg Sonnenhutwurzel-Trockenextrakt (4:1) 25,00 mg Hagebutten-
Trockenextrakt (1,7% Vit. C) 50,00 mg Ascorbinsäure 75,00 mg"
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In den Antragsunterlagen wurde zum Teil Bezug genommen auf die Monographie der
Kommission E Echinaceae pallidae radix vom 29. August 1992.
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Am 30. Januar 2001 reichte die Rechtsvorgängerin der Klägerin die Unterlagen nach
der 10. AMG Novelle ein. Mit der gleichzeitig eingereichten Änderungsanzeige vom 26.
Januar 2001 wurden die arzneilich wirksamen Bestandteile Propolis und Hagebutte
eliminiert.
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Mit Anhörungsschreiben vom 11. Februar 2004 wies die Beklagte die
Rechtsvorgängerin der Klägerin auf die ihrer Ansicht nach bestehende Unzulässigkeit
der Änderung der arzneilich wirksamen Bestandteile von Echinacea angustifolia zu
Echinaceae pallidae radix hin. Aus diesen Gründen sei die fiktive Zulassung für das
Arzneimittel bereits am 1. Februar 2001 erloschen, weil bis zu diesem Zeitpunkt nicht
die erforderlichen Unterlagen eingereicht worden seien.
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Die Rechtsvorgängerin der Klägerin antwortete mit Schreiben vom 4. März 2004, in dem
sie ausführte, dass der von ihr verwendete Sonnenhuttrockenextrakt immer derselbe
gewesen sei. Sie habe immer von demselben Hersteller, der Firma G. , denselben
Extrakt mit der jeweils identischen Artikelnummer 0139300 erworben und in dem
Arzneimittel in unveränderter Menge eingesetzt. Es sei lediglich so, dass die Firma G.
die Deklaration dieses Extraktes mehrfach unterschiedlich vorgenommen habe. Die
Umdeklaration spiegele nach Angaben der Firma G. die langjährige Unsicherheit in der
pharmakognostischen Fachöffentlichkeit wider, wie die beiden Pflanzen Echinacea
angustifolia und Echinacea pallida zu benennen und zu unterscheiden seien.
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Mit Bescheid vom 17. Mai 2004 versagte die Beklagte die Verlängerung der Zulassung
für das streitgegenständliche Arzneimittel. Die eingereichten Unterlagen hätten sich
nicht auf ein verkehrsfähiges Arzneimittel bezogen; die Ersetzung des wirksamen
Bestandteils Extrakt aus Echinacea angustifolia durch Sonnenhutwurzeltrockenextrakt,
bei dem es sich um einen solchen aus Echinacea pallida handeln solle, sei nicht
zulässig gewesen.
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Die Rechtsvorgängerin der Klägerin hat am 10. Juni 2004 Klage erhoben, zu deren
Begründung sie wiederholt, dass von der Firma G. immer der identische Extrakt
verwendet worden sei.
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Auch die zwischenzeitliche Verwendung des Hagebuttentrockenextrakts stehe der
Verlängerung der Zulassung nicht entgegen. In den Verwaltungsvorgängen seien
insgesamt zwei Anzeigen aus dem Jahr 1978 enthalten. Aus der Existenz der zweiten
dieser beiden Anzeigen lasse sich schließen, dass es durchaus möglich sei, dass
bereits 1978 Hagebuttentrockenextrakt in dem Arzneimittel enthalten gewesen sei. Die
näheren Umstände, wie es zu der zweiten Anzeige gekommen sei, könnten jetzt nicht
mehr aufgeklärt werden.
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Im Dezember 2005 ist die Zulassungsinhaberschaft auf die Klägerin übergegangen.
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Die Klägerin beantragt,
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die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 17. Mai 2004 zu verpflichten, über
den Verlängerungsantrag der Klägerin für das Arzneimittel „F. N" unter Berücksichtigung
der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Sie führt ergänzend zu ihren Ausführungen im Verwaltungsverfahren aus, dass das
Verwaltungsgericht Köln im Verfahren 24 K 6545/01 zudem entschieden habe, dass
eine Berichtigung einer 1978 erfolgten Anzeige nicht möglich sei. Die mit dem
Kurzantrag erfolgte Aufnahme des arzneilich wirksamen Bestandteils
Hagebuttentrockenextrakt sei unzulässig gewesen.
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Hinsichtlich der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf
den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der
Beklagten.
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Entscheidungsgründe:
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Die zulässige Verpflichtungsklage ist unbegründet. Der ablehnende Bescheid ist
rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
Sie hat keinen Anspruch auf die begehrte Verlängerung der Zulassung.
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Dabei kann die Frage offen bleiben, ob die Zulassung schon deswegen zu versagen
war, weil zumindest der Deklaration nach ein Austausch der Echinacea- Arten im
verwendeten Sonnenhuttrockenextrakt stattgefunden hat.
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Jedenfalls folgt aus der zwischenzeitlichen Verwendung des Hagebuttenextrakts die
Unbegründetheit des Verlängerungsantrages. In tatsächlicher Hinsicht ist nicht mehr
aufzuklären, ob der Hagebuttenextrakt schon zum Zeitpunkt der Anzeige im Juni 1978
im streitgegenständlichen Arzneimittel verwendet wurde. Auch die Klägerin konnte im
gerichtlichen Verfahren hierzu keine verbindlichen Angaben mehr machen. Diese
Tatsachenfrage kann jedoch offen bleiben, weil sowohl für den Fall, dass der
Hagebuttenextrakt bereits bei der Anzeige am 28. Juni 1978 in dem Arzneimittel
enthalten war, als auch für den Fall, dass der Hagebuttenextrakt erst zu einem späteren
Zeitpunkt in das Arzneimittel aufgenommen worden ist, der Anspruch auf Verlängerung
der Zulassung nicht besteht.
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In letzterem Fall folgt dies aus der Vorschrift des Art. 3 § 7 Abs. 3 AMNG, welcher das
Erlöschen der Zulassung am 30. April 1990 vorsieht, sollte bis zu diesem Datum nicht
ein Verlängerungsantrag für das Arzneimittel gestellt worden sein. Der am 2. Januar
1990 gestellte Verlängerungsantrag bezog sich dann aber nicht auf das 1978
angezeigte, sondern auf ein unzulässig geändertes Arzneimittel.
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In der zunächst zu unterstellenden Fallvariante war der arzneilich wirksame Bestandteil
Hagebuttenextrakt bei der Anzeige des Arzneimittels nach Art. 3 § 7 Abs. 2 Satz 1
AMNG noch nicht enthalten. Ohne dass der genaue Zeitpunkt des Eingangs des
weiteren Anzeigenformulars, welches den wirksamen Bestandteil Hagebuttenextrakt
benannte und welches in den Verwaltungsvorgängen in Kopie - der Verbleib des
Originals ist unbekannt - vorhanden ist, bekannt wäre, steht jedoch fest, dass dieses
frühestens im März 1979 eingegangen ist. Durch den handschriftlichen Zusatz „S. 2
ergänzt!" auf dem ansonsten mit der Anzeige vom 21. Juni 1978 identischen Deckblatt
wird deutlich, dass dieses weitere Formular eine Korrektur der Anzeige vom 21. Juni
1978 sein sollte und somit nur zeitlich danach erstellt worden sein kann. Da im
Eingangsstempel jedoch der Monat März lesbar ist, kann dies folglich frühestens der
März des Jahres 1979 und damit ein Zeitpunkt nach Ablauf der durch Art. 3 § 7 Abs. 2
Satz 1 AMNG aufgestellten Anzeigefrist sein.
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Zu diesem, wie auch zu jedem anderen denkbaren Zeitpunkt der Hinzunahme des
(arzneilich) wirksamen Bestandteils Hagebuttenextrakt stellte diese Hinzunahme jedoch
eine neuzulassungspflichtige Änderung des Arzneimittels gemäß § 29 Abs. 3 Nr. 1 AMG
dar. Nach dieser Vorschrift ist ein Neuzulassungsantrag bei der Änderung der
Zusammensetzung der arzneilich wirksamen Bestandteile nach Art und Menge zu
stellen. Diese Regelung gilt seit dem 1. Januar 1978 inhaltlich unverändert - lediglich
das Wort „arzneilich" ist nachträglich eingefügt worden -, sodass es auf die Kenntnis des
genauen Zeitpunkts der Hinzufügung des arzneilich wirksamen Bestandteils
Hagebuttenextrakt nicht ankommt. Anwendbare Ausnahmeregelungen im Rahmen des
Art. 3 § 7 Abs. 3 AMNG bestanden bis zur Stellung des Verlängerungsantrages am 2.
Januar 1990 nicht.
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In der anderen denkbaren Fallvariante, in der der Bestandteil Hagebuttenextrakt bereits
bei der Anzeige im Juni 1978 in dem Arzneimittel enthalten war und lediglich nicht
deklariert worden ist, konnte eine verlängerbare fiktive Zulassung für das
streitgegenständliche Arzneimittel gar nicht erst entstehen, weil nicht dieses, sondern
ein anderes Arzneimittel angezeigt worden ist. Art. 3 § 7 Abs. 2 Satz 4 AMNG in der zum
Zeitpunkt der Anzeige geltenden Fassung gestattete das weitere Inverkehrbringen von
Arzneimitteln nur bei fristgerechtem Eingang der Anzeige nach Satz 1 dieser Vorschrift.
Diese Anzeige hatte aber unter Bezeichnung der wirksamen Bestandteile nach Art und
Menge zu erfolgen, was in dem hier zu unterstellenden Fall nicht geschehen ist. Der
Bestandteil Hagebuttenextrakt ist nicht als wirksamer Bestandteil angezeigt worden.
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Eine nachträgliche Berichtigung der Anzeige, wie dies von der Klägerin dargestellt wird,
ist nach Auffassung der Kammer nicht möglich. Mit der Anzeigepflicht nach Art. 3 § 7
Abs. 2 Satz 1 AMNG sollte sich nach der amtlichen Begründung (abgedruckt bei
Sander, Arzneimittelrecht, § 105 AMG A.) die zuständige Behörde einen Überblick über
die im Verkehr befindlichen Arzneimittel verschaffen. Dies konnte aber nur möglich sein,
wenn die in Art. 3 § 7 Abs. 2 Satz 1 AMNG genannten, wenigen identitätsbestimmenden
Merkmale des Arzneimittels (wirksame Bestandteile und Anwendungsgebiete) korrekt
und vollständig bezeichnet waren.
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Vgl. VG Berlin, Urteil vom 18. Dezember 2001 - 14 A 218.98 -; VG Köln, Urteile vom 28.
Oktober 2004 - 24 K 6545/01 - und vom 16. März 2005 - 24 K 7125/01 - . Entsprechend
zu den Angaben im Rahmen des Antrags nach § 105 AMG Abs. 3 AMG, Urteil vom 20.
Juli 2004 - 7 K 4860/01 -. A. A. Sander, Arzneimittelrecht, § 105 AMG, Rdnr. 6.
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Aus der Regelung des Art. 3 § 7 Abs. 2 Satz 4 AMNG, welche ein weiteres Inver-
kehrbringen von einer den Anforderungen des Satzes 1 dieser Vorschrift genügenden
Anzeige abhängig machte, folgt, dass nachträgliche Korrekturen ausge- schlossen sein
mussten. Denn ansonsten wären erhebliche, nicht mehr hinnehmbare
Rechtsunsicherheiten entstanden. Vom Verkehr ausgeschlossene und
neuzulassungspflichtige Arzneimittel hätten durch die bloße, jedoch maßgeblich
identitätsbestimmende veränderte Angabe über wirksame Bestandteile oder
Anwendungsgebiete als solche aus dem Verkehr verschwinden und rückwirkend als
andere, fiktiv zugelassene wieder erstarken können.
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Vgl. hierzu auch VG Berlin, a. a. O.
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Ohne dass es darauf noch ankommt, ist vorliegend zudem zu berücksichtigen, dass
wegen tatsächlicher Ungewissheiten nicht positiv festgestellt werden kann, dass es sich
bei dem zu beurteilenden Sachverhalt überhaupt um eine Berichtigung der 1978er
Anzeige handelt. Denn selbst die Klägerin hält es nur für möglich, dass
Hagebuttenextrakt schon 1978 verwendet worden ist.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO; die Entscheidung über die
vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 167 Abs. 1 und 2 VwGO, 708 Nr. 11, 711
ZPO.
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